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Arzneimittel und Therapie
„Ärzten gehen Narkosemittel aus“
Remifentanil-Lieferengpass sorgt für Verunsicherung
Gut steuerbare Opioide sind aus der modernen Anästhesie nicht wegzudenken. Ihre analgetische und sedierende Potenz wird zur Einleitung und Aufrechterhaltung der Narkose genutzt. Dazu zählen neben Fentanyl seine Derivate Alfentanil (Rapifen®), Sufentanil (Sufenta®) und Remifentanil (Ultiva®). Gewünscht sind ein schnelles An- und Abfluten der Substanzen.
Am schnellsten tritt die Wirkung unter Alfentanil und Remifentanil ein: Die Anschlagzeit wird mit 1 bis 1,5 Minuten angegeben. Bei Fentanyl beträgt sie 4 bis 5 Minuten, bei Sufentanil 2 bis 3 Minuten.
Wie lange die Wirkung der einzelnen Opioide nach Beendigung der Narkose anhält, hängt bei Fentanyl, Afentanil und Sufentanil entscheidend von der Infusionsdauer ab. Diese sogenannte Kontext-sensitive Halbwertszeit ist Abbildung 1 zu entnehmen. Lediglich für Remifentanil liegt sie unabhängig von der Infusionsdauer konstant bei 3 bis 4 Minuten. Verantwortlich dafür ist ein von der Leber- und Nierenfunktion unabhängiger und schneller Remifentanil-Abbau durch unspezifische Esterasen.
Damit weist Remifentanil von allen Anästhetika der Fentanylgruppe die beste intraoperative Steuerbarkeit auf. Verständlich, dass Anästhesisten auf diese Substanz ungern verzichten möchten.
Remifentanil wird von verschiedenen Herstellern angeboten. Marktführer ist Glaxo Smith Kline (GSK) mit dem Präparat Ultiva®. Er soll laut BfArM 80% des Marktes abdecken und ist derzeit nur eingeschränkt lieferfähig. Auf Anfrage teilte der Hersteller mit, dass man aufgrund einer hohen Nachfrage und begrenzten Produktionskapazitäten derzeit nicht den gesamten deutschen Bedarf abdecken könne und nur eingeschränkt lieferfähig sei. Dieses sei unter anderem der Tatsache geschuldet, dass Remifentanil mittlerweile patentfrei ist und es seit 2011 in Deutschland mindestens drei generische Produkte gibt. GSK gibt an, derzeit viele Kliniken mit den verfügbaren Präparaten direkt zu beliefern und sich zu bemühen, weitere Mengen breitestmöglich zur Verfügung zu stellen. Für Mai/Juni seien weitere Lieferungen angekündigt.
Von den Anbietern von Remifentanil-Generika gaben lediglich Fresenius Kabi und Hameln Pharma Plus an, lieferfähig zu sein. Fresenius Kabi kann jedoch derzeit nicht für jede der drei angebotenen Stärken einen kompletten Monatsbedarf zur Verfügung stellen. Hameln Pharma Plus kann zwar seine Kunden beliefern, jedoch die zusätzliche Nachfrage nicht befriedigen. Teva, dessen Remifentanil-Marktanteil nach eigenen Angaben im letzten Jahr bei 4% lag, ist derzeit nicht lieferfähig. Verwiesen wird darauf, dass Sicherheit und Qualitiät der Arzneimittel für Teva höchste Priorität haben und hohe Qualitätsstandards auch bei der Rohstoffkontrolle eingehalten werden müssen. Da es mitunter vorkomme, dass zugelieferte Rohstoffe nicht den Qualitätskriterien der Rohstoffkontrolle vor Ort entsprächen, käme es zu Verzögerungen im Produktionsprozess. Man bemühe sich, das Präparat schnellstmöglich wieder zur Verfügung stellen zu können. Zeitangaben, bis wann man wieder ausreichend lieferfähig sein wird, wurden nicht gemacht.
Derweil bemühen sich das BfArM und die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) um Strategien für den Umgang mit dem Lieferengpass. Zudem versucht man zu beruhigen. In einer gemeinsamen Pressemitteilung der DGAI und des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten teilen die
Präsidenten die Sorge über die anhaltenden Remifentanil-Lieferengpässe. Gleichwohl betonen sie, dass sich kein Patient Gedanken darüber machen muss, dass er nicht die von ihm benötigte Anästhesie auf qualitativ hohem und sicherem Niveau erhält oder dass deswegen notwendige Operationen verschoben werden müssen. Der Einsatz von Remifentanil sei nicht alternativlos. Aber: Der mögliche Einsatz von anderen Präparaten bedinge einen Systemwechsel bei der Narkoseführung, der u. a. mit einer verlängerten Aufwach- und Überwachungsphase nach Operationen verbunden sein könne. |
Quelle:
[1] Mutschler E et al: Mutschler Arzneimittelwirkungen. 10. Auflage Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2013
[2] Presseinformation des BDA und der DGAI, 26. April 2017
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