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Infektionskrankheiten

Unterschätzte Kryptosporidiose

Hinter einer anhaltenden Diarrhö kann eine Infektion mit einzelligen Parasiten stecken

Urlaubszeit – Diarrhö-Zeit. Insbesondere bei Fernreisen stellen sich bei vielen Reisenden Durchfälle ein, die dann meist innerhalb weniger Tage auskuriert werden. Leidet der Patient länger an Diarrhö, ist die Ursache oft nicht trivial, sondern überraschend häufig durch Parasiten ausgelöst, beispielsweise durch Kryptosporidien. Eine Kryptosporidiose ist laut Datenerhebung aus dem Jahr 2015 durch das Robert Koch-Institut in Deutschland so häufig ausgebrochen wie Hepatitis B oder E, EHEC oder Malaria, doppelt so häufig wie Hepatitis A, die jüngst wieder stark diskutierten Hantavirus-Infektionen, Mumps oder Listeriose und fast zehnmal so oft wie FSME [6]. Die Kryptosporidiose ist aber selbst in Fachkreisen meist unbekannt, folglich unter­diagnostiziert und daher somit als Infektionskrankheit bisher deutlich unterschätzt [26]. | Von Heike Heuer und Panagiotis Karanis

Ein Apothekenkunde ist von einer mehrwöchigen Weltreise, u. a. durch Kuba, Afrika, Indien, zurückgekehrt und klagt über eine starke Diarrhö. Er habe sich vor der Reise, den jeweiligen Impfempfehlungen folgend, gegen diverse Erkrankungen immunisieren lassen und habe bei einem „Outdoor-Ausrüster“ Wasserentkeimungstabletten gekauft, die er immer nutzte, wenn er Trinkwasser benötigte. Auch mit der Auswahl und Zubereitung der Nahrungsmittel sei er stets umsichtig gewesen nach dem Motto „peal it, cook it or leave it“. Trotzdem hatte es ihn vor acht Tagen „erwischt“.

Was der reiselustige Patient nicht wusste: Gekochtes Wasser ist frei aller Schadorganismen, aller Viren, Bakterien und aller Parasiten. Doch chemisch entkeimtes Wasser ist nur stark abgereichert von Bakterien und Parasiten, denn beispielsweise die Oozysten des Parasiten Cryptosporidium werden weder von Chlor noch von den schwächer wirksamen Chlorabspaltern wie MicroPur ausreichend erfasst [1]. Diese sind nur durch Kochen oder Filtrationsmaßnahmen zu entfernen. Schon ein bis zehn Dauersporen der Parasiten, die Oozysten, können ausreichend sein, um eine Diarrhö im Konsumenten hervorzurufen. 10 bis 1000 Oozysten sind für 50% der Patienten ausreichend für den Ausbruch der Infektion. Zum Vergleich: Die Infektionsdosis von Salmonellen beträgt 10.000 bis 100.000 vitale Keime [10], bei geschwächten Personen reichen auch 100 Salmonellen. Im Vergleich zu einer viralen oder bakteriell bedingten Diarrhö beträgt die Inkubationszeit nach Aufnahme von Kryptosporidien nicht zwei bis fünf Tage, sondern meist sieben bis zehn Tage [5]. Wegen dieses relativ langen Zeitabstands können die Patienten die Infektionsquelle oft nicht mehr zuordnen.

Infektionen mit Protozoen spielen in Deutschland irrtümlicherweise eine unterschätzte Rolle [38] und sind nicht nur „typische Erreger der Dritten oder Tropischen Welt“ und daher nicht nur bei Patienten mit vorherigem Aufenthalt in den Tropen zu erwägen. Die Kryptosporidiose ist zwar in immunkompetenten Patienten selbstlimitierend und hält durchschnittlich sechs bis neun Tage an; längeres Anhalten der meist wässrigen, gelegentlich schleimigen und selten blutigen Diarrhö ist aber nicht ausgeschlossen [18]. Weitere Symptome sind Krämpfe im Unterbauch, Übelkeit, Erbrechen, erhöhte Temperatur, Müdigkeit, Malabsorption und Gewichtsverlust.

Meldepflichtige Infektionserkrankung

Kryptosporidien sind in Deutschland seit 2000 eine meldepflichtige Infektionserkrankung. In 2015 wurden in Nordrhein-Westfalen 346 Fälle gemeldet, etwa 2 von 100.000 Einwohnern waren somit betroffen (Abb. 1) [2]. Die Fallzahlen sind in den letzten zehn Jahren mit leicht steigender Tendenz zu verzeichnen (Abb. 2). Die Anzahl der Ausbrüche von den parasitären Erkrankungen Kryptosporidiose und Giardiasis liegt auf dem gleichen Niveau wie Hepatitis, Tuberkulose, Mumps oder die in den letzten Jahren häufig diskutierten Masern [3] – Letztere durch unzureichende Durchimpfung der Bevölkerung bedingt.

Das Jahrbuch 2015 des Robert Koch-Instituts vermerkt [4], dass die Ausbruchsfälle innerhalb von Deutschland durchaus nicht gleichmäßig verteilt sind [6]. Bekannt ist, dass bei Spül- und Wiederaufbereitungsschritten in Wasserwerken eine erhöhte Anzahl von Oozysten in das Wasser gelangen [35]. Die größte Epidemie durch Kryptosporidien in Deutschland hat sich im Jahre 2013 in Halle ereignet [36]. In den neuen Bundesländern liegt der Anschlussgrad an effiziente Kläranlagen mit 89% deutlich unter den 97% der alten Bundesländer [28]. Weltweit sind 546 trinkwasserbedingte Krankheitsepidemien durch Kryptosporidien bekannt [31, 32, 33], die meisten aus den USA, UK, NZ und AUS. Aus den am meisten betroffenen Kontinenten (Asien, Afrika, Lateinamerika) wurden bisher keine oder kaum Epidemien gemeldet. Jedes Jahr sterben 800.000 Kinder unter fünf Jahren an Kryptosporidiose-Durchfällen [34], das sind mehr Menschen, als weltweit zurzeit an Malaria sterben. Kryptosporidien stehen als Durchfallursache bei Kindern unter fünf Jahren an zweiter Stelle nach Noroviren [34, 37]. Dieses wurde allerdings erst vor Kurzem durch Studien erkannt, die die Bill-Gates-Stiftung (BGF) finanziert hat. Kryptosporidien befallen aber nicht nur den Darm. Bei Immunsupprimierten sind auch extraintestinale Infektionen (hepatobiliäres System, Respirationstrakt, Nieren) bekannt.

Abb. 1: Ausbrüche von Infektionskrankheiten in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2015 [3].

Erreger

Erreger der Kryptosporidiose beim Menschen sind hauptsächlich Cryptosporidium hominis und C. parvum – parasitäre Protozoen, die im Jahr 1976 erstmals als humanpathogen erkannt und beschrieben wurden. Seltener sind C. andersoni (eine meist bei Kälbern vorkommende Art), C. canis, C. felis u. a. – insgesamt sind zehn Spezies beim Menschen nachgewiesen worden. Die Erreger bilden Oozysten, eine 4 bis 6 μm große (je nach Art auch etwas größere) Dauerform, die vom Wirt (Mensch oder Tier) ausgeschieden wird. In den Oozysten liegen vier Sporozoiten, welche die Infektion im Darm hervorrufen. Die Oozysten sind in der Umwelt bei ausreichender Feuchtigkeit lange (zwei Jahre) überlebensfähig und weisen eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber vielen Desinfektionsmitteln und die für die Desinfektion von Trinkwasser eingesetzte Chlorung auf [nach 5].

Die hohe Anzahl der Kryptosporidiose-Erkrankungen betrifft jeweils nur die „gemeldeten“ Infektionen. Kryptosporidien gelten als schwer nachweisbar. Ärzte sollten Proben zur Stuhl-Untersuchung auf Kryptosporidien an die Universitätskliniken oder an private Speziallaboratorien einsenden. Man muss leider weiterhin davon ausgehen, dass viele Krypto­sporidien-Infektionen unerkannt bleiben.

Abb. 2: Anzahl der Fälle von Kryptosporidiose in Deutschland seit Beginn der Meldepflicht [4].

Trotz dieser Widrigkeiten sind in den letzten zehn Jahren in Europa über ein Dutzend schwere Epidemien bekannt geworden, so 2008 in England (23 durch Laboruntersuchung bestätigte/422 zu symptomgleichen Patienten), 2009 und 2012 in Norwegen (11/55 und 15/40 Patienten), 2010 in England (3/48), Schweden (186/ca. 2700), 2011 in Schweden (?/ca. 20.000), 2012 in England und Schottland (74/> 300), Finnland (18/> 250), 2013 in Schweden (6/13), England (35/46), Deutschland, Halle (167/?) und 2014 in Spanien (7/?) [19, 31, 32, 33].

Die geringe nötige Dosis von übertragenen Erregern, der leichte Übertragungsweg, die Verbreitung auch über Trinkwasser bei gleichzeitig fehlendem Desinfektionsmittel (Chlorung ist nicht erfolgreich) und die schweren Folgen insbesondere bei epidemischem Auftreten hat die US-Gesundheitsbehörden dazu veranlasst, Kryptosporidien zu einem potenziellen biologischen Kampfstoff zu erklären [9]. In Deutschland ist Cryptosporidium in die Risikogruppe 2 der Biostoffverordnung eingestuft [11]. Die Amerikaner sind vorsichtiger, da dort die größte jemals aufgetretene Infektion registriert wurde: über 403.000 Erkrankte und 104 Tote [12]. Bei Reihenuntersuchungen wurde für die USA festgestellt, dass ca. 30% der Bevölkerung seropositiv auf Kryptosporidien sind, irgendwann einmal also diese Erkrankung durchlitten haben.

Massive Ausbrüche wie der in Milwaukee in USA mit über 100 Toten [12] oder der in Halle an der Saale 2013 [7] werden oft durch besondere Umstände hervorgerufen. Eine Überschwemmung durch Starkregen hatte in beiden Fällen die lokale Wasserversorgung gestört. In 2013 wurde der idyllische Oberlauf der Saale teils ein Meter hoch überschwemmt und die häuslichen Kleinkläranlagen, die auch heute in vielen Dörfern den Überlauf in die Saale entlassen, wurden überflutet.

Erst seit Kurzem sind Schnelltests in Deutschland verfügbar, mit denen innerhalb von zehn Minuten die meisten humanpathogenen Kryptosporidien nachgewiesen werden können (Tab. 1). Es sind bislang 25 Cryptosporidium-Spezies bekannt; betroffen sind alle Wirbeltiere [18].

Tab. 1: Einige Schnelltests (Immunoassays) auf Kryptosporidien sowie zusätzlich auf Giardien und Entamoeba (Kombinationstests). C. hominis und C. parvum rufen über 90% aller Fälle von Kryptosporidiose beim Menschen hervor [18]. Die für die einzelnen Tests eingesetzten Antikörper sind meist unterschiedlich und können sogar bei verschiedenen Testsystemen desselben Anbieters differieren [25]. + wirksam, (+) wahrscheinlich wirksam, - unwirksam, ? nicht getestet
Cryptospori­dium-Art (Stamm)
DipfixCryptosporidium
BIO K 387
FasTest Crypt Strip ad us. vet.
Rida-Quick
Cryptosporidium/Giardia/EntamoebaCombi
GIARDIA/CRYP-TOSPORIDIUM Quik Chek®
Xpect
Giardia/Cryptosporidium Test
ImmunoCard Stat! Cryptosporidium/Giardia
C. cuniculus
+
?
?
(+) [24]
?
?
C. felis
-
?
?
(+) [24]
?
?
C. hominis (IbA10G2)
+
(+) [23]
(+) [23]
(+) [23, 24]
(+) [23]
(+) [23]
C. parvum (IIaA15G2R1)
+
+
+
+
+
C. ubiquitum
+
?
?
(+) [24]
?
?
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Maßnahmen bei Infektionsgefahr

Infizierte scheiden Oozysten mit den darin enthaltenen Sporozoiten fäkal aus. Oft erfolgt die Infektion mit Kryptosporidien durch kontaminiertes Wasser (z. B. Trinkwasser, Eiswürfel, Badewasser) oder kontaminierte Nahrungsmittel (z. B. Gemüse). Auch direkte fäkal-orale Übertragungen von Mensch zu Mensch oder Tier auf Mensch sind häufig. Insbesondere Personen, die zu Rindern oder anderen Tieren engen Kontakt haben, werden leicht infiziert. Die Oozysten werden mehrere Wochen nach Abklingen der Symptome noch ausgeschieden – es gibt sogar dauerhaft asymptomatische Ausscheider. Da die Oozysten gegenüber fast allen Desinfektionsmitteln widerstandsfähig sind und auch im gechlorten Wasser noch infektiös bleiben können, sind zur Eindämmung eines Kryptosporidiose-Ausbruchs nur geprüfte Desinfektionsmittel aus dem Veterinärbereich einzusetzen [5]. Oozysten sind ca. 5 µm klein und entsprechen daher in der Größe der Definition von Feinstaub [5].

Foto: Privat
Abb. 4: Einleitung von ungeklärten Fäkalien in den Oberlauf der Saale, Frühjahr 2017

Gefährlich für Immungeschwächte und Kinder

Besonders betroffen sind immunologisch noch nicht ausgereifte Kleinkinder, ferner immunsupprimierte Patienten z. B. nach Organverpflanzungen, Stammzelltransplantationen oder anderen Gewebeübertragungen [18]. Auch Patienten, die eine Zytostatika-Behandlung durchlaufen, sind signifikant stärker betroffen. Immunsupprimierte Patienten wie HIV-Infizierte sind bei Ausbrüchen oft am stärksten erkrankt und können an der Infektion versterben. Daher sollten potenziell Infektgefährdete bzw. Risikogruppenzugehörige im Rahmen der Krankheitsprävention den Infektionsweg genauestens kennen und mögliche Infektionsquellen vermeiden, um sich zu schützen. Streng eingehaltene Hygiene, wie regelmäßiges Händewaschen, kein Kontakt zu Windeln, Abwasser, Gartenerde, Haustieren sind zwingend. Der bei Hotelnutzung oft angetroffene Hinweis „desinfiziert“ (disinfected) ist in diesem Zusammenhang nicht ausreichend. Für die Haushaltsanwendung sind keine Desinfektionsmittel für eine sichere, erregerfreie Toilettennutzung verfügbar. Selbst 10%iges Wasserstoffperoxid braucht zwei Stunden, Bleich­lauge (Natriumhypochlorit) zwölf Stunden Einwirkzeit [27], die bei einer Oberflächendesinfektion nie erreicht werden. Von einer Kryptosporidiose betroffene Patienten sind nach Maßgabe des behandelnden Arztes und des Gesundheits­amtes zu isolieren. Dazu ist der Meldepflicht unverzüglich nachzukommen. Eine Kryptosporidiose kann neben starken Durchfällen und allen anderen Erscheinungen einer Diarrhö bei Immungeschwächten und bei Kindern zum Tode führen. Die Infektion steht zudem in Verdacht, Darmkrebs Vorschub zu leisten [14]. Ein Zusammenhang mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung (IBS) und Arthritis wird diskutiert [18].

Neben dem Einhalten der Hygienestandards ist leider wenig möglich, um einem Betroffenen zu helfen. Es gibt keine Impfungen, der Nachweis der Erreger ist schwierig und kommt oft zu spät, und im Falle der Infektion sind keine wirksamen Medikamente bekannt. Da eine Kryptosporidiose bei 40 bis 70% der Patienten zu bis zu fünf Rezidiven führt, ist die Einhaltung der Hygienestandards in Einzelfällen von bis zu 120 Tagen nötig [18].

Wirkstoffe und deren Wirksamkeit gegen Kryptosporidien

Nitazoxanid ist in den USA, aber nicht in Europa zugelassen (Abb. 3) [15]. Es reduziert die Dauer des Durchfalls, eradiziert aber nicht den Erreger [19, 21], insbesondere bei Immuninkompetenten ist es nicht wirksamer als Placebo [21].

Halofunginon ist in Europa im Veterinärbereich (z. B. bei Kühen) zugelassen. Seine Wirksamkeit ist aber nicht unumstritten, da es die Oozystenausscheidung „nur“ reduziert [16] und zudem prophylaktisch eingesetzt werden muss [22].

Spiramycin könnte wirksam bei immunsupprimierten Patienten sein, ein Makrolidantibiotikum mit nachgewiesener Wirkung gegen Toxoplasmose [17]. Die Wirksamkeit gegen Kryptosporidien ist umstritten [18, 21], erfolgreiche Behandlungen wurden beschrieben, die Studienqualität ist aber gering. Ähnliche Ergebnisse wurden erzielt mit anderen Makrolidantibiotika wie Azithromycin, Clarithromycin und Roxithromycin [18], die alle eine Zulassung in Deutschland besitzen und für diesen Zweck off-label eingesetzt wurden.

Paromomycin wurde erfolgreich gegen Kryptosporidiose bei Katzen, Kälbern, Lämmern und Ziegen eingesetzt. Es reduziert die Erregerlast und die Ausscheidung von Oozysten. In klinischen Studien war die Wirkung aber nicht besser als Placebo [18, 21].

Abb. 3: Arzneistoffe, die mit mehr oder weniger Erfolg bei Kryptosporidiose eingesetzt wurden.

Die Erstmilch Kolostrum ist reich an Antikörpern und ϒ-Immunglobulinen (IgG) mit Wirksamkeit gegen Kryptosporidien. Es wurde in Einzelfällen erfolgreich eingesetzt [18]. Eine klinische Studie erbrachte keine Vorteile [20, 21]. Die Diarrhö-bedingte Lactose-Unverträglichkeit führte zu weiteren Nebenwirkungen. Die klinischen Studien wurden ohne exakte Erregeridentifikation durchgeführt – eine Wirksamkeit gegen C. hominis wird nicht erwartet.

Diclazuril und Letrazuril besitzen eine moderate Wirksamkeit gegen Kryptosporidien [18]. Dadurch, dass letztlich meist nur die Erregerlast verringert und nicht eradikadiert werden konnte, wurde diese Substanzklasse nicht weiter untersucht. Die Substanzen sind in Deutschland beide nicht zugelassen. Für Heimtiere wirksam (Bartagame) wurde ein Antrag auf eine Ausnahmeregelung 2013 vom BfArM negativ beschieden [24].

Empfehlungen

Apotheker als Teil der Gesundheitsberufe haben bei dieser parasitären Erkrankung eine besondere Verantwortung, da viele Patienten mit Durchfall zuerst in eine Apotheke mit dem Wunsch nach Selbstmedikation kommen. Fakten, wie eine gerade beendete Fernreise, die Dauer und Intensität der Durchfälle, bekannte Einnahme von Immunsuppressiva, Kenntnisse von einer Organtransplantation, einer laufenden Krebsbehandlung, ϒ-Interferon-Mangel, Leukämie oder Vorerkrankungen wie AIDS, helfen, das Risiko einer Kryptosporidiose einzugrenzen. HIV-positiv getestete Patienten können eine Infektion dabei nicht nur leicht erwerben, sie sind dann auch leicht Quelle für deren Verbreitung [18].

Patienten mit starker oder langanhaltender Diarrhö sind ärztlich zu behandeln und kein Fall für eine OTC-Behandlung. Bei vermehrt auftretenden Durchfällen innerhalb einer (Reise-)Gruppe, Familie oder Bevölkerungsgruppe innerhalb eines Trinkwassergebiets in einer Ortschaft, kann es sinnvoll sein, die Patienten nach einem besonderen Infektionsrisiko zu befragen. Sollte hierbei eine der oben genannten Infektionsgefahren erkannt werden, kann man für Kleinkinder, dem älteren oder dem immuninkompetenten Patienten empfehlen, einen Crypto-Test durchführen zu lassen. Einem Ausbruch der Infektion in seinem Umfeld kann nach der Diagnosestellung dann zeitnah, gezielt und kompetent entgegnet werden. Es existiert eine hohe Ansteckungsgefahr, nosokomiale Infektionen von Patienten auf Pflegepersonal in Krankenhäusern und Altenheimen sind häufig [18]. Auch Schwimmbäder stellen eine häufige Verbreitungsstelle dar [18].

Da eine ausgeprägte Kryptosporidiose mit einem täglichen Flüssigkeitsverlust von bis zu zehn Litern einhergehen kann, sind eine entsprechende Flüssigkeitsmenge und Elektrolyte zuzuführen, um einer Austrocknung und der Schwächung des Körpers vorzubeugen.

Reisenden sind chemische Trinkwasserentkeimungsmittel nicht mehr zu empfehlen. Filtersysteme sind wirksam gegen alle biologischen Agenzien außer Viren, sind aber auch nur für besonders sorgfältige Kunden empfehlenswert, da sie nach dem Erstgebrauch auf der Trinkwasserseite „verkeimen“ können. Am besten ist es, das Wasser vor Nutzung zu kochen. In vielen Hotels stehen hierfür weltweit Wasser­kocher bereit. Alternativ sind kleine Tauchsieder geeignet, die im Reisegepäck mitgeführt werden können.

Kunden, die einen durchfallbehafteten Igel oder Reptilien pflegen, sollten auf die hohe Wahrscheinlichkeit einer Krypto­sporidien-Infektion hingewiesen werden [26]. Cave: Der Igel darf in keinem Fall in die Apotheke gebracht werden. Gleiches gilt für Katzen oder Hunde mit Durchfall. Hunde sowie auch andere Haustiere dürfen gemäß Apothekenbetriebsordnung ohnehin Apotheken nicht „betreten“ – auch wenn das heutzutage aufgrund der engen Bindung von Menschen an ihre Lieblinge nur schwer durchsetzbar ist [13].

Das meist unterschätzte Problem der Kryptosporidiose in Deutschland ist nur durch intensive Zusammenarbeit aller im Gesundheitswesen Tätigen zu beherrschen. Apotheker sind hierbei oft erste Anlaufstelle für möglich Krypto­sporidien-infizierte Patienten. |

Literatur

 [1] Roeske W. Trinkwasserdesinfektion: Grundlagen, Verfahren, Anlagen, Geräte, Mikrobiologie, Chlorung, UV-Bestrahlung, Membranfiltration, Qualitätssicherung. Hrsg. Ritter K, Oldenbourg Industrieverlag, 2. Auflage 2007

 [2] Nordrhein-Westfalen, Infektionsjahresbericht 2015, zum Stichtag 1. März 2016, Kryptosporidiose. www.lzg.nrw.de/inf_schutz/meldewesen/infektionsberichte/jahresbericht2015/index.html

 [3] Ausbruchsmeldungen meldepflichtiger Krankheiten, Nordrhein-Westfalen, www.lzg.nrw.de/jb2015/texte/Ausbruchsmeldungen_nach_Krankheiten_JB.pdf

 [4] Robert Koch-Institut, internetbasierte Abfrage statistischer Daten zu meldepflichtigen Infektionskrankheiten, hier: Kryptosporidiose in Deutschland seit Beginn der Meldepflicht, https://survstat.rki.de/Content/Query/Chart.aspx

 [5] Kryptosporidiose, RKI-Ratgeber für Ärzte, Robert Koch-Institut, www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Kryptosporidiose.html;jsessionid=B932632501CA902B71BF6F9FF75BCEDC.2_cid381#doc2398518bodyText1

 [6] Robert Koch-Institut, Jahrbuch http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Jahrbuch/Jahresstatistik_2015.pdf?__blob=publicationFile

 [7] Godazgar P, Bendick K. Trinkwasser weiter abkochen: Die rätselhafte Infektion in Halle. 51 Fälle von Kryptosporidiose nach Überschwemmung der Saale im Sommerhochwasser. Mitteldeutsche Zeitung 26. August 2013, www.mz-web.de/halle-saale/trinkwasser-weiter-abkochen-die-raetselhafte-infektion-in-halle-1642264

 [8] Karanis P. Infektiologische Fortbildung / Kryptosporidien: Unterschätzte Ursache für unklare Durchfallerkrankungen, Kreiskrankenhaus Mechernich, 2. Februar 2017

 [8] Matthes H. Mikrobiom und Durchfall, DAZ 2012;30:44; www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2012/daz-30-2012/mikrobiom-und-durchfall

 [9] Poelchen W, Wirkner K. Ein potenzieller biologischer Kampfstoff. Pharmazeutische Zeitung 2003;6, www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=pharm3_06_2003

[10] Salmonellose. Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Salmonellose

[11] TRBA 250: Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege http://www.baua.de/nn_15116/de/Themen-von-A-Z/Biologische-Arbeitsstoffe/TRBA/pdf/TRBA-250.pdf

[12] https://www.youtube.com/watch?v=ebjG6N7JIQs

[13] Müller A. Der verbotene Freund des Apothekers. Apotheke adhoc 2015, www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/nachricht-detail/haustiere-der-verbotene-freund-des-apothekers

[14] Benamrouz S ,Conseil V, Creusy C, Calderon E, Dei-Cas E, Certad G. Parasites and malignancies, a review, with emphasis on digestive cancer induced by Cryptosporidium parvum (Alveolata: Apicomplexa). Parasite 2012;(19):101 –115

[15] https://www.cdc.gov/parasites/crypto/treatment.html

[16] https://www.elite-magazin.de/gesundheit/Diese-Erreger-treten-bei-Stallhaltung-auf-1423412.html

[17] http://flexikon.doccheck.com/de/Cryptosporidium_parvum#Nachweis

[18] Cacciò SM, Widmer G. Editors. Cryptosporidium: parasite and disease. Springer Verlag Wien, Heidelberg, New York, London, 2014

[19] Cacciò SM, Chalmers R. Human cryptosporidiosis in Europe. Clin Microbiol Infect 2016;22:471-480

[20] Fries L, Hillman K, Crabb J et al. Clinical and microbiologic effect of bovine anti-Cryptosporidium immunoglobulin (BACI) on cryptospororidial diarrhea in AIDS (abstract M31). In: Interscience conference on antimicrobial agents and chemotherapy, American Society for Microbiology, Orlando, 1994

[21] Abubakar I, Aliyu SH, Arumugam C, Usman NK, Hunter PR. Treatment of cryptosporidiosis in immunocompromised individuals: systematic review and meta-analysis. British J Clin Pharmacol 2007;63;4:387-393

[22] Petermann J, Paraud C, Pors I, Chartier C. Efficacy of halofuginone lactate against experimental cryptosporidiosis in goat neonates. Vet Parasitol 2014;202(3-4):326-329

[23] Ortega-Pierres MG, Cacciò S, Fayer R, Mank T, Smith H. (Ed.). Giardia and Cryptosporidium, CABI Head Office, Oxfordshire UK, 2009

[24] Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht - Diclazuril. 70. Sitzung des SVA für Verschreibungspflicht BVL_FO_04_0040_000_V1.0 am 25. Juni 2013, BfArM, http://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/Gremien/Verschreibungspflicht/70Sitzung/anlage4.pdf?__blob=publicationFile&v=1

[25] Information von Dr. G. Sander, Product Manager Infectious Diseases, Alere, Köln, vom 24. März 2017

[26] Daugschies A. Cryptosporidium parvum: The Veterinary Perspective. In Mehlhorn, H., (Ed.): Progress in Parasitology, Research Monographs 2, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, 2011

[27] Delling C, Holzhausen I, Daugschies A, Lendner M. Inactivation of Cryptosporidium parvum under laboratory conditions. Parasitol Res 2016;115:863-866

[28] bdew, Abwasserdaten Deutschland, Strukturdaten der Abwasserentsorgung (2016), www.bdew.de/internet.nsf/res/6CE6BC62A8883506C1257FD8003560E3/$file/WEB_bdew_din_lang_broschuere_abwasserdaten_2016.pdf

[29] https://de.wikipedia.org/wiki/Kryptosporidiose#/media/File: Cryptosporidiosis_01.png CDC/Alexander J. da Silva, PhD/Melanie Moser (PHIL #3386), 2002 - CDC Public Health Image Libraryhttps://phil.cdc.gov/phil/quicksearch.asp

[30] https://www.cdc.gov/parasites/crypto/index.html (Das Copyright dieses Bildes ist gemäß Wikipedia öffentlich, siehe [29])

[31] Karanis P, Kourenti C, Smith H. Waterborne transmission of protozoan parasites: a worldwide review of outbreaks and lessons learnt. J Water Health 2007;5:1-38

[32] Baldursson S, Karanis P. Waterborne transmission of protozoan parasites: review of worldwide outbreaks- an update 2004-2010. Water Res 2011;45:603-614

[33] Efstratiou A, Ongerth J, Karanis P. Waterborne transmission of protozoan parasites: Review of worldwide outbreaks – An update 2011-2015. Water Res 2017;114:14-22

[34] Kotloff KL, Nataro JP, Blackwelder WC, Nasrin D, Farag TH, Panchalingam S, Wu Y, Sow SO, Sur D, Breiman RF, Faruque AS. Burden and aetiology of diarrhoeal disease in infants and young children in developing countries (the Global Enteric Multicenter Study, GEMS): a prospective, case-control study. Lancet 2013;382(9888):209e222

[35] Karanis P, Schoenen D, Seitz HM. Distribution and removal of Giardia and Cryptosporidium in water supplies in Germany. Water Sci Technol0 1998;37:9-18

[36] Gertler M, Dürr M, Renner P, Poppert S, Askar M, Breidenbach J, Frank C, Preußel K, Schielke A, Werber D, Chalmers R. Outbreak of Cryptosporidium hominis following river flooding in the city of Halle (Saale), Germany, August 2013, BMC Infect Dis 2015;15(1):1

[37] Checkley W, White AC Jr, Jaganath D, Arrowood MJ, Chalmers RM, Chen XM, Fayer R, Griffiths JK, Guerrant RL, Hedstrom L, Huston CD, Kotloff KL, Kang G, Mead JR, Miller M, Petri WA Jr, Priest JW, Roos DS, Striepen B, Thompson RC, Ward HD, Van Voorhis WA, Xiao L, Zhu G, Houpt ER. A review of the global burden, novel diagnostics, therapeutics, and vaccine targets for Cryptosporidium. Lancet Infect Dis 2015;15(1):85-94. doi: 10.1016/S1473-3099(14)70772-8, Review

[38] Karanis P. Infektiologische Fortbildung/Kryptosporidien: Unterschätzte Ursache für unklare Durchfallerkrankungen, Kreiskrankenhaus Mechernich, 2. Februar 2017

Autoren

Heike Heuer, Apothekerin, studierte Pharmazie an der Technischen Universität Braunschweig. Sie schreibt gelegentlich Beiträge für die DAZ, insbesondere zum Thema Lebende Arzneimittel und Mikrobiom.

Prof. Dr. Panagiotis Karanis, Parasitologe, an der Universität Bonn promoviert und habilitiert; forschte in Deutschland, Griechenland, Australien, Japan, Kanada, Thailand und China. Professuren in Deutschland, Japan und in China (zurzeit an der Qinghai University). Er gilt weltweit als Experte für Kryptosporidien.

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