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Bei Rabattverträgen auf Nebenwirkungen achten

Eppendorfer Dialog: Zehn Jahre Rabattverträge

HAMBURG (tmb) | Beim Eppendorfer Dialog am 14. Juni in Hamburg blickte die Diskussionsrunde auf zehn Jahre mit Rabattverträgen zurück. Da der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Gerd Glaeske der einzige Pharmazeut auf dem Podium war, spielten die Alltagsprobleme bei der Vermittlung der Rabattverträge in der Apotheke nur eine geringe Rolle in der Diskussion. Dennoch gab es bei allem Lob für die Einsparungen differenzierte Kritik an den Rabattverträgen. Glaeske forderte, die Rabattverträge endlich unabhängig zu evaluieren, so wie auch Arzneimittel auf Nebenwirkungen geprüft werden.

Glaeske berichtete, dass die Einsparungen durch Rabattverträge zuletzt auf 3,9 Mrd. Euro pro Jahr beziffert wurden. Doch er sei erstaunt, wie viel über die ökonomischen Aspekte und wie wenig über die Qualität der Versorgung gesprochen werde. Bei Rabattvertragsartikeln steige der Anteil der Großpackungen, aber diese Mengenausweitung werde wenig beachtet. Die Unkenntnis der Rabatte führe zu einem „Blindflug der Verordner“, der ihre Preissensitivität schwächen könne. Außerdem sinke der Anteil der Arzneimittel ohne Zuzahlung seit Jahren. Daraufhin mahnte Glaeske mehr Versorgungsforschung an.

Dr. Christopher Hermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg, lobte die großen Einsparungen durch Rabattverträge, die 0,3 Beitragssatzpunkten entsprächen. Das Vergabeverfahren biete Planungssicherheit für die Unternehmen. Außerdem entstehe ein transparenter Markt mit sehr wenigen, aber gut dokumentierten Fällen von Nicht-Verfügbarkeit. Dagegen sei der nicht von Rabattverträgen erfasste Markt eine „black box“ mit Versorgungsproblemen und ohne Transparenz.

Foto: DAZ/tmb
Von links: Prof. Dr. Stephan Schmitz, Dr. Christopher Hermann, Prof. Dr. Achim Jockwig, Dr. Martin Zentgraf, Prof. Dr. Gerd Glaeske, Thomas Stritzl

Folgen für den Markt

Dagegen kritisierte Dr. Martin Zentgraf, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie, die Rabattverträge als „gefährlich“ und „mittelstandsfeindlich“. Sie hätten den Wettbewerb zwar initial gefördert, aber „jetzt sind wir auf der Kippe“, erklärte Zentgraf. Denn die Rabatte würden etwa die Hälfte des Umsatzes der Generika ausmachen. Generika würden 77 Prozent der Arzneimittelversorgung erbringen, aber nur zehn Prozent der Kosten verursachen. Der Marktanteil der Top-10-Konzerne betrage im Rabattvertragsmarkt 79 Prozent und im übrigen Markt 46 Prozent. Insbesondere kleine Unternehmen hätten Probleme durch die Einfachvergabe, weil sie – anders als Konzerne mit großem Auslandsgeschäft – nach zwei Jahren ohne Vertrag kaum noch ein gutes Angebot machen könnten. Auch um die Lieferfähigkeit zu sichern, forderte Zentgraf die Mehrfachvergabe. Wei­tere Probleme durch Rabattverträge sieht er in der Verarmung des Angebots, insbesondere hinsichtlich der Darreichungsformen.

Prof. Dr. Stephan Schmitz, Vorstandsvorsitzender des Berufsverbandes der niedergelassenen Hämatologen und Onkologen, ging auf den Spezialfall der Ausschreibungen für Zytostatika-Zubereitungen ein. Er begrüßte, dass diese nun abgeschafft wurden. Denn sie hätten in die Praxisorganisation und in die Arzt-Patienten-Beziehung eingegriffen.

Politischer Ausblick

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Stritzl lobte zwar die Einsparungen durch Rabattverträge, fragte aber, ob das so weiter gehe und welche Folgen die niedrigen Preise für Unternehmenserträge, Innovationen und den Erhalt der Unternehmen haben. Als weitere mögliche Probleme sprach Stritzl die drohende Konzentration und mögliche Probleme bei der Austauschbarkeit der Arzneimittel an. Zur Einhaltung von Umwelt- und Arbeitsschutzvorschriften fragte er: „Bekommen die Hersteller die Zuschläge, die das nicht erfüllen?“

Vielschichtige Diskussion

In der vom Gastgeber Prof. Dr. Achim Jockwig moderierten Diskussion ging es auch um die Therapiefreiheit der Ärzte. Schmitz kritisierte, dass die Regeln für das Aut-idem-Kreuz faktisch zu einer Beweislastumkehr bei Regressverfahren führen würden. Das schaffe eine „Schere im Kopf“. Vertreter von Herstellern beklagten die steigende Wirkung immer wieder neuer Rabattverträge. Irgendwann lägen die Preise bei den Produktionskosten und Hersteller stünden vor der Frage, ins Ausland abzuwandern. Das führe langsam zur Oligopolisierung. Hermann argumentierte dagegen, seine Krankenkasse schreibe Arzneimittel nur aus, wenn der Wettbewerb funktioniere. Dies sei gerade im Interesse der Krankenkassen. Glaeske erklärte, der Gesetzgeber sei frei, zusätzliche Aspekte der Versorgungssicherheit vorzuschreiben. Doch Stritzl entgegnete, Vorschriften seien stets das letzte Mittel. Allerdings strebe er steuerrechtliche Anreize für die Forschung an. Mit Blick auf die langfristigen Folgen der Preisregulierung für Arzneimittel deutete Stritzl an, irgendwann könne eine Indexierung der Preise angebracht sein. |

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