- DAZ.online
- DAZ / AZ
- DAZ 26/2017
- Eine haarige Sache
Beratung
Eine haarige Sache
Hypertrichosen und wie man damit umgeht
Als erstes Kriterium kann die Lokalisation der Hypertrichose dienen. Die Hypertrichosen können in generalisierte Hypertrichosen und lokal auftretende Hypertrichosen unterteilt werden (Abb. 2). Auch die Haarart kann entscheidend sein. Hierbei gibt es das Lanugo-Haar (fein, dünn, markloses Haar, normalerweise bereits in uteri abgestoßen), Vellus-Haar (kurz, dünn, nicht pigmentiert, feine Körperbehaarung) und Terminal-Haar (dick, lang, pigmentiert, Kopf- und Barthaare). Eine weitere Rolle spielt es, ob die Hypertrichose kongenital oder im späteren Lebensalter erworben ist. Auch Begleiterkrankungen, Arzneimittel sowie die Familienanamnese sind wichtig, um die Einordnung der Hypertrichose möglich zu machen.
Neben der Einteilung ist aber auch die Abgrenzung nicht unwichtig. Die Hypertrichose hat definitionsgemäß keine Bevorzugung androgenabhängiger Regionen. Beim Hirsutismus hingegen liegt genau dies vor. Frauen mit Hirsutismus weisen ein Behaarungsmusters vom männlichen Typ auf (Abb. 1). Hirsutismus ist damit keine Hypertrichose im engeren Sinne. Trotzdem werden oft Hirsutismus und Hypertrichose synonym benutzt. Hirsutismus kann hormonell, also z. B. durch eine vermehrte Produktion von Testosteron entstehen, aber auch als Nebenwirkung bei bestimmten Medikamenten oder idiopathisch als Folge der Menopause. Neben der kosmetischen Behandlung ist hier zum Teil auch eine medikamentöse Therapie möglich.
Vererbt oder erworben?
Eine weitere Einteilungsmöglichkeit ist, zwischen vererbten und erworbenen Hypertrichosen zu unterscheiden. Bei den vererbten am ganzen Körper auftretenden Hypertrichosen (kongenitale/hereditäre generalisierte Hypertrichosen) gibt es drei mögliche Ausprägungen. Die Hypertrichosis universalis congenita ist sehr selten und zugleich die wohl bekannteste und auffälligste Hypertrichose. Die Menschen, die hierunter leiden, wurden früher auf Jahrmärkten als Sensation gezeigt und als Haar-, Affen- oder Hundemensch bezeichnet. Die extreme Persistenz und das exzessive Wachstum der Vellus-Haare dieser autosomal dominant vererbten Hypertrichose führt zu einer dichten bis zu 25 cm langen Behaarung fast des gesamten Körpers. Die Hypertrichosis lanuginosa congenita tritt ebenfalls sehr selten auf und wird auch autosomal dominant vererbt. Das fetale Haarkleid, die Lanugo-Haare werden hierbei nicht ersetzt sondern bleiben bestehen und bedecken so die gesamte Haut mit Ausnahme der Handteller und Fußsohlen. Allerdings bleibt dies nur bis zum ersten Lebensjahr bestehen, danach fallen sie, beginnend am Stamm aus. Die häufiger vorkommende konstitutionelle generalisierte Hypertrichose (präpuberale Hypertrichose) wird diagnostiziert bei ungewöhnlich starkem, diffusem, androgenunabhängigem Wachstum von Terminalhaaren bei ansonsten gesunden Kindern. Das Haarwachstum bei der präpuberalen Hypertrichose präsentiert sich vor allem an Stirn, Augenbrauen, Rücken, Schultern und seitlichen Armbereichen und bleibt ein Leben lang bestehen. Die Ätiologie ist unklar, wobei familiäre Häufung vorkommt. Davon abzugrenzen sind ethnisch bedingte Behaarungsmuster. Konstitutionell ethnisch bedingte Hypertrichosen bei Frauen aus den Mittelmeeranrainerstaaten stellen sicherlich die häufigste Ursache für dermatologische Konsultationen mit der Diagnose „vermehrter Haarwuchs“ in Deutschland dar. Selten kann eine übermäßige Behaarung des gesamten Körpers auch mit Anomalien einhergehen. Dies wird als syndromatische Hypertrichose bezeichnet.
Bei den vererbten umschriebenen Hypertrichosen kommt es zu einer lokal begrenzten Vermehrung von Haarfollikeln. Dieses kann in Form eines Nävus (umgangssprachlich: Muttermal) oder durch eine umschriebene Anagenphasenverlängerung entstehen.
Ein Naevus pigmentosus et pilosus beschreibt einen angeborenen pigmentierten Nävuszellnävus, welcher eine stark pigmentierte, derbe Behaarung aufweist. Große kongenitale Nävi weisen ein erhöhtes Entartungspotenzial auf. Falls möglich wird eine Exzision angestrebt. Anderenfalls ist eine regelmäßige dermatologische Kontrolle sinnvoll. Bei der Melanosis naeviformis Becker kommt es, meist in der Adoleszenz, zu einer einseitig vorwiegend im Schulter-, Oberarm- oder am oberen Rumpfbereich auftretenden Hyperpigmentierung mit starker Behaarung (siehe Abb. 3). Diese sporadisch, häufiger bei Männern auftretende Veränderung ist zunächst progredient und bei der Hälfte der Patienten ab dem 30. Lebensjahr unverändert fortbestehend. Kommt es zu einer fleckförmigen Vermehrung pigmentierter Terminalhaare ohne eine Hyperpigmentierung der Haut und ohne kutane Fehlbildung so wird dies nävoide Hypertrichose genannt.
Hypertrichosen der Augenbrauen und/oder Wimpern gehören ebenfalls zu den lokalen Hypertrichosen. Die umgangssprachlich als Monobraue bezeichnete Veränderung (Synophris) ist zumeist konstitutionell und ohne Krankheitswert. Wachsen zusätzliche wimpernartige Haare im Unterlid, sodass die Wimpern zweireihig angeordnet sind, so wird dies Distichiasis genannt.
Weitere familiär auftretende umschriebene Hypertrichosen sind die Hypertrichosis nasi (Hypertrichose auf der Nasenspitze bei Männern) und die Hypertrichosis pinnae auris (Hypertrichose an beiden Ohren bei Männern).
Ist bei den genetisch bedingten Hypertrichosen oftmals die Ätiologie unbekannt, so ist die Ätiologie der erworbenen Hypertrichosen meist klarer festzustellen. Bei den iatrogenen, erworbenen, generalisierten Hypertrichosen handelt es sich meist um eine medikamentös induzierte Hypertrichose. Hierbei werden Wachstum und Verdickung von pigmentierten Terminal-Haaren durch Arzneimittel ausgelöst. Die Verlängerung von Augenwimpern wird als Trichomegalie bezeichnet. Es kann je nach Körperregion eine übermäßige Behaarung bis zu einem Jahr!!! nach Absetzen des auslösenden Arzneimittels fortbestehen. Wirkstoffe, die eine Hypertrichose auslösen können, sind im Kasten „Hypertrichose-induzierende Arzneimittel“ zusammengefasst. Manchmal kann man sich diese zunächst unerwünschte Wirkung von Medikamenten jedoch auch zu Nutze machen. Nachdem zum Beispiel unter der blutdrucksenkenden Therapie mit Minoxidil unerwünschter Haarwuchs auftrat, wurde eine topische Formulierung entwickelt, die nun in der Behandlung der Alopezia androgenetica (anlagebedingter Haarausfall) verwendet werden kann.
Hypertrichose-induzierende Arzneimittel
- Phenytoin
- Cyclosporin A
- Minoxidil (auch topische Anwendung)
- Corticosteroide
- Diazoxid
- Streptomycin
- D-Penicillamin
- Interferon-α2 (speziell Trichomegalie)
- Zidovudin? (Differenzialdiagnose: HIV-induzierte Hypertrichose)
- Latanoprost (Trichomegalie)
Eine Hypertrichose kann auch auf eine metabolische oder systemische Erkrankung hindeuten. Man spricht in diesem Fall von symptomatischen Hypertrichosen. Ursachen können z. B. Kachexie (Mangel/Unterernährung), Aids, Störungen des ZNS (Schädel-Hirntraumata, Enzephalitiden), oder Hypothyreose sein. Sehr typisch sind außerdem Hypertrichosen bei Porphyrien, sie können hier diagnostisch wegweisend sein. Eine Hypertrichose kann außerdem paraneoplatisch auftreten und sollte daher gegebenenfalls Anlass zu entsprechender intensiver Suche geben. Ein Beispiel dafür ist die Hypertrichosis lanuginosa acquisita. Bei dieser Krankheit kommt es zum plötzlich eintretenden Wachstum von Lanugo-Haaren, die in Axillar- und Pubisregion bis zu 15 cm lang werden können.
Erworbenene, lokal begrenzte Hypertrichosen kommen nicht selten vor. Meist ist die Ätiopathogenese unbekannt, vermutet wird, das es durch lokale Veränderungen in Temperatur und Hautdurchblutung, z. B. in Folge eines Scheuerreizes zu einer Transformation der Vellus-Haare in Terminal-Haare kommt. Auch eine kutane Entzündung oder Arzneimittel können lokal begrenzte Hypertrichosen hervorrufen. Der Befund kann anhand von Lokalisation und zeitlichem Zusammenhang mit der jeweiligen Störung in Verbindung gebracht und dementsprechend behandelt werden.
Therapiemöglichkeiten
Die Therapie der Hypertrichose ist individuell und je nach Ursache durchzuführen. Hier spielt der Leidensdruck, die Fläche, die Lokalisation und die Stärke des Haarwuchses eine Rolle. Für die temporäre Haarentfernung sind Epilation und Rasur wohl die bekanntesten Haarentfernungsmaßnahmen. Der Vorteil des Rasierens liegt in der schnellen, effektiven und relativ billigen Durchführungsweise. Das schnelle Nachwachsen und damit tägliche Rasieren und die Gefahr von Follikulitiden (Entzündungen des Ausführungsganges des Haares) sind die Nachteile. Immer wieder wird von Patientenseite die Vermutung geäußert, das Haarwachstum würde durch die Rasur beschleunigt. Dies trifft nicht zu. Der Eindruck entsteht, weil das rasierte Haar mit einer geschärften Spitze nachwächst und somit als kräftiger Haarstoppel wahrgenommen wird. Das Herausreißen der Haare mit Epilierern oder Wachs (warm oder kalt) entfernt das ganze Haar. Der Effekt hält somit ca. zwei bis sechs Wochen an. Nachteilig sind die Schmerzhaftigkeit, Hautirritationen und ebenfalls die Follikulitiden. Kurze Haare sind mit dieser Methode schwieriger zu entfernen. Alternative, nicht ganz so bekannte Methoden, sind das sugaring und das threading. Bei dem sugaring wird eine knetbare Masse auf Zuckerbasis auf das zu enthaarende Areal gedrückt und ruckartig wieder abgezogen. Das Threading beschreibt eine Technik bei der eine Schnur so über die Haut gezogen wird, dass die Haare ausgerissen werden. Vor und Nachteile sind mit denen beim Wachsen zu vergleichen.
Die chemische Epilation bietet die Möglichkeit mithilfe von Reduktionsmitteln die Disulfidbrücken und Peptidbindungen des Haarkeratins zu zerstören und so das Haar zu zerstören. Nach der Einwirkzeit können die Haare abgeschabt werden. Der Enthaarungseffekt ist für einige Tage anhaltend. Durch die lange Einwirkzeit kann es zu Hautirritationen und allergischen Kontaktekzemen kommen. Sehr kräftige Terminal-Haare, wie z. B. Barthaare sind hierfür nicht geeignet. Oftmals kann auch eine chemische Bleichung der Haare schon eine erhebliche Erleichterung für die Betroffenen bedeuten. Hierbei werden die Haare mithilfe von Wasserstoffperoxiden unter Zusatz von Ammoniak ausgebleicht. Möglich ist dies auch als Heimanwendung. Die Applikationsdauer liegt meist bei 30 Minuten. Passend ist dieses Verfahren vor allem für Oberlippe, Kinnlinie und Arme.
Die Elektroepilation ist eine Möglichkeit der tatsächlich dauerhaften Haarentfernung durch gezielte Zerstörung der Haarwurzel. Es wird dabei über eine eingeführte Epilationssonde entweder durch Gleichstrom elektrolytisch oder durch hochfrequenten Wechselstrom thermolytisch die Haarwurzel zerstört. Die Blend-Methode kombiniert gleich- und hochfrequenten Wechselstrom, um noch effektiver zu sein. Diese Technik setzt ein gewisses Maß an Erfahrung voraus und ist sehr zeitaufwändig, da nur wenige Haare entfernt werden können. Nicht alle Haare sind dabei vollständig zerstört, es kommt in 40% erneut zu Haarwachstum. Zusätzlich ist diese Methode auch schmerzhaft und beinhaltet das Risiko perifollikulärer Entzündungen, Hyperpigmentierungen, Vernarbungen und bakterieller Infektionen.
Die Epilation mittels Laser oder IPL-Gerät hat in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt. IPL steht für intense pulsed light. Beim IPL ist der abgegebene Impuls polychromatisch, während bei einem Laser monochromatisches Licht, also Licht einer einzigen Wellenlänge abgegeben wird. Dieser Lichtimpuls wird in die Haut eingestrahlt. Das Haar nimmt diese Energie auf und wird zerstört, während die umgebende Haut unverletzt bleibt. Der Wirkmechanismus wird als selektive Photothermolyse bezeichnet. Logischerweise funktioniert diese Technik am besten mit dunklen Haaren auf heller Haut. Je geringer der farbliche Unterschied zwischen Haut und Haar desto höher ist das Risiko der Verbrennung und damit der Narbenbildung. Helle bzw. farblose Haare sind nicht gut geeignet. Es können immer nur die Haare zerstört werden, die sich in der Wachstumsphase befinden, daher ist eine erhebliche Anzahl von Behandlungen erforderlich. Die Haarentfernung ist zwar dauerhaft, das heißt für einen längeren Zeitraum (Jahre), aber nicht, wie von den Patientinnen und Patienten oftmals missverstanden, lebenslang. Nachbehandlungen können erforderlich sein. Hirsutismus aufgrund hormoneller Fehlregulationen oder Tumoren ist endokrinologisch bzw. onkologisch ursächlich zu behandeln.
Seit 2004 steht zur Behandlung verstärkter Behaarung an Oberlippe, Wangen und Kinn im Rahmen des Hirsutismus eine Creme mit dem Wirkstoff Eflornithin (Vaniqa®) zur Verfügung. Dieser Wirkstoff hemmt irreversibel das Enzym Ornithindecarboxylase, das die Reaktion von Ornithin zu Putrescin katalysiert. Polyamine wie Putrescin wiederum sind Bestandteile aller lebenden Zellen und spielen eine wichtige Rolle bei der Regulation des Zellwachstums, so auch im Haarfollikel. Zu Wirkung, Sicherheit und Verträglichkeit liegen insgesamt elf Studien vor [Leinmüller 2006]. In zwei großen randomisierten, placebokontrollierten Studien konnte gezeigt werden, dass zweimal täglich äußerlich aufgetragene Eflornithin-Creme das Haarwachstum hemmen kann. Es handelt sich also nicht um ein Entfernen bestehender Haare, sondern um ein reduziertes Nachwachsen von Haaren.
Zusammenfassung
Hinter dem Symptom Hypertrichose können sich unterschiedliche Ursachen verbergen. Eine genaue Einordnung ist wichtig, um gegebenenfalls internistische Ursachen zu entdecken, auslösende Arzneimittel absetzen zu können und um die notwendige Behandlung einzuleiten. |
Literatur
Leinmüller R. Hirsutismus: Eflornithin-Creme zur Enthaarungs-Therapie Dtsch Arztebl 2006;103(33):A-2193
Meyer J. Behandlung von unerwünschtem Haarwuchs bei Frauen. www.haarerkrankungen.de
Trüeb RM. Hypertrichose. Hautarzt 2008,59:325-338
Trüeb RM. Haare – Praxis der Trichologie. Steinkopff Verlag; 2003:436 ff
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.