Arzneimittel und Therapie

Ritalin reduziert Unfallrisiko

Behandelte ADHS-Patienten müssen seltener in die Notaufnahme

Alltäglich, aber hochkomplex: Autofahren. Neben motorischen Fähigkeiten und dem räumlichen Vorstellungsvermögen ist vor allem eine aufmerksame Beobachtung der Umgebung wichtig. Gerade die Aufmerksamkeit ist bei Patienten mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts-Syndrom) aber beeinträchtigt. Eine neue US-amerikanische Studie zeigt ein um 49% erhöhtes Unfallrisiko für Männer mit ADHS.

ADHS bei Erwachsenen findet in den letzten Jahren immer mehr Beachtung. Früher ging man davon aus, dass Kinder und Jugendliche aus der Krankheit einfach herauswachsen würden. Heute schätzen Forscher, dass 2,5% bis 3,4% der Erwachsenen unter ADHS leiden. Das macht das Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts-Syndrom zu einer der häufigsten mentalen Erkrankungen bei Erwachsenen. Es ist also wichtig, sich auch mit erwachsenenspezifischen Problemen wie dem Autofahren auseinanderzusetzen.

Erhöhtes Unfallrisiko

In der aktuellen Studie wurden Daten von über 2,3 Millionen Patienten, aus der MarketScan-Datenbank, analysiert. Alle Patienten ­waren über 18 Jahre alt und hatten in den Jahren 2005 bis 2014 eine ADHS-Diagnose erhalten oder entsprechende Arzneimittel eingenommen. Jedem Patienten wurde eine Kontrolle entsprechenden Alters und Geschlechts ohne ADHS-Diagnose zugeordnet. Während des Studienzeitraums mussten 0,5% der Patienten mindestens einmal, wegen eines Autounfalls, in die Notaufnahme. Verglichen mit der Kontrollgruppe war das Risiko für einen Unfall bei Männern mit ADHS um 49% und das für Frauen um 44% erhöht.

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Neben einer gestörten Aufmerksamkeit wird bei ADHS-Patienten oft eine erhöhte Impulsivität beobachtet. Hinweise aus Studien, dass ADHS-Patienten ein erhöhtes Unfallrisiko haben, erscheinen plausibel. Ritalin bewirkt eine erhöhte Freisetzung von Noradrenalin. Das führt unter anderem zur Steigerung der Konzentrationsfähigkeit.

Compliance ist alles

Die Patienten wurden sowohl in Monaten, in denen sie ihre ADHS-Arzneimittel einnahmen, als auch in Monaten, in denen das nicht der Fall war, beobachtet. In den Monaten unter Medikation sank die Wahrscheinlichkeit für einen Autounfall bei Männern um 38%. Für Frauen reduzierte sich das Risiko um 42%. Die Autoren schätzen, dass bis zu 22,1% der Unfälle unter den ADHS-Patienten vermeidbar gewesen wären – wenn diese durchgehend ihre Medikation erhalten hätten. Während Perioden der Medikamenten-Einnahme wurde angenommen, dass die Therapie gut eingestellt war und die Arzneimittel korrekt eingenommen wurden. Besonders bei kurzwirksamen Methylphenidat-Hydrochlorid-Präparaten (Ritalin), die mehrmals täglich eingenommen werden müssen, ist das nicht selbstverständlich.

Kausaler Zusammenhang

Nun könnte man annehmen, dass Patienten mit schlechter Compliance ein grundsätzlich erhöhtes Unfallrisiko besitzen und kein kausaler Zusammenhang zu ADHS und der entsprechenden Medikamenten-Einnahme besteht. Für den kausalen Zusammenhang spricht jedoch, dass die gleiche Analyse mit Patienten, die selektive Serotonin-Reuptake-Hemmer erhielten, durchgeführt wurde. Darin konnte keine Risiko-Korrelation gefunden werden.

Schließlich wurden nur Unfälle betrachtet, die in der Notaufnahme endeten. Kleinere Unfälle mit Blechschäden wurden nicht erfasst. Deshalb ist der Effekt, den die medikamentöse Therapie auf die Unfallquote in der Studie hatte, in der Realität wahrscheinlich noch größer. |

Quelle

Chang Z. Association Between Medication Use for Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder and Risk of Motor Vehicle Crashes, JAMA Psychiatry, Juni 2017

Vishal M. Distracted Driving With Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder, JAMA Psychiatry, Juni 2017

Apothekerin Sarah Katzemich

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