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Politik

Viele Fragen, wenig Zeit

Zum Entwicklungsstand des elektronischen Heilberufsausweises für Apotheker

Während die politische Diskussion über die Aufgaben der Apotheker beim Medikationsplan andauert, müssen zugleich die technischen Voraussetzungen geschaffen werden, damit Apotheker künftig auf die Daten der elektronischen Gesundheitskarte zugreifen und diese auch bearbeiten können. Der wichtigste Schlüssel dazu ist der elektronische Heilberufsausweis (HBA), der von den Kammern ausgegeben werden soll. Was das für die Apotheker und ihre Kammern bedeutet und welche Fragen dies aufwirft, zeichnet sich erst langsam ab. | Von Thomas Müller-Bohn 

Die Vorgaben des E-Health-Gesetzes erscheinen klar. Gemäß § 291a SGB V benötigen Apotheker ab dem 1. Januar 2019 einen HBA, um auf die Notfalldaten der elektronischen Gesundheitskarte zugreifen zu können und den elektronischen Medikationsplan gemäß § 31a SGB V lesen und bearbeiten zu können. Außerdem benötigen die Apotheken dafür jeweils einen Konnektor, der für die gesicherte Datenverbindung zur Telematikinfrastruktur sorgt, und eine Institutionenkarte (genannt SMC-B), die sie als Apotheke ausweist. Auch für das elektronische Rezept wird diese Ausstattung nötig sein. Doch das eilt nicht, weil für diese Anwendung bisher kein Termin festgelegt wurde. Der HBA kann außerdem dank der Qualifizierten Elektronischen Signatur auch für Rechtsgeschäfte wie das Abschließen von Verträgen mit Kostenträgern genutzt werden. Dies erscheint bisher allerdings nur als zukunftsweisende Option und nicht als drängende Notwendigkeit. Zeitkritisch ist dagegen die Nutzung im Securpharm-Projekt, das am 9. Februar 2019 starten soll. Die Rechtsgrundlage und der Zeitplan ergeben sich aus der Fälschungsschutzrichtlinie 2011/62/EU und der delegierten Verordnung (EU) Nr. 2016/161. Sie können als EU-Vorgaben in Deutschland nicht aufgeschoben werden. Das Verfahren, mit dem die Echtheit individueller Arzneimittelpackungen geprüft wird, kann nur funktionieren, wenn alle Apotheken daran teilnehmen und abgegebene Packungen aus dem zentralen Server ausbuchen. Nach heutigem Stand braucht dazu jede Apotheke sowohl einen Konnektor als auch eine SMC-B.

Angesichts dieses Zeitplans ist viel zu tun. Den gesetzlichen Auftrag zur Ausgabe des HBA haben die Kammern der Heilberufler – und damit auch die Apothekerkammern. Nach herrschender Meinung sind sie auch für die Ausgabe der SMC-B zuständig. Die Kammern müssen allerdings die Vorgaben der gematik (Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte) abwarten. Gemäß Statusbericht der gematik für die Zeit bis Ende März 2017 wurden die Firmen Giesecke & Devrient sowie T-Systems im Juni 2016 als Industriepartner für die Herstellung initialisierter Karten für HBA und SMC-B zugelassen. Diese initialisierten Karten sind mit Blankoformularen vergleichbar, die noch personalisiert, also individuell ausgefüllt werden müssen. Doch Systeme für diese Personalisierung und die zur Anwendung nötigen Konnektoren wurden bisher nur für den Erprobungsbetrieb zugelassen. Anfang Juli erklärt die gematik auf ihrer Internetseite weiterhin, dass bisher noch keine Konnektoren „für den bundesweiten Online-Produktivbetrieb der Telematikinfrastruktur“ zugelassen seien. Es lägen jedoch erste Zulassungsanträge von Herstellern vor.

Plan in Verzug

Bei der Kammerversammlung der Apothekerkammer Baden-Württemberg am 5. Juli berichtete Kammergeschäftsführer Dr. Karsten Diers dazu, der bei Ärzten übliche Konnektor könne nur das Stammdatenmanagement übernehmen, aber keine elektronische Signatur, und der Apotheken-Konnektor von T-Systems komme mit drei Quartalen Verspätung. Daher sei abzusehen, dass bis Anfang 2019 nicht alle Apotheken mit Konnektoren ausgestattet werden könnten. Für Securpharm sei daher ein anderes Verifizierungsverfahren nötig. Den Hintergrund für diese Einschätzung bildet wohl die Erkenntnis, dass die Installation eines Konnektors erfahrungsgemäß einen Tag dauert. Da dies nur bei ruhendem Apothekenbetrieb (also vermutlich nur am Wochenende) möglich ist, dürfte es deutlich über ein Jahr dauern, bis alle Apotheken ausgerüstet sind.

In der Apothekerkammer Berlin wird das Problem bei der SMC-B gesehen – mit derselben Konsequenz. Im jüngsten Berliner Kammerrundschreiben Nr. 2/2017 wird aus der Kammerversammlung vom 20. Juni berichtet. Demnach sollten sich die Apotheken für Securpharm durch eine SMC-B identifizieren. Da diese nicht termingerecht fertiggestellt sein werde, müsse eine zumindest temporäre Ersatzlösung gefunden werden.

Vorbereitung in den Kammern

Doch auch wenn die Technik den Zeitplan nicht erfüllt, gibt es für die Apothekerkammern schon jetzt viel vorzubereiten. Sie müssen entscheiden, wie die Ausgabe der HBA ablaufen soll. Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg, berichtete bei der Kammerversammlung am 19. Juni, alle Apothekerkammern hätten sich dazu verpflichtet, 2018 mit der Ausgabe der HBA zu beginnen, um alle Berechtigten pünktlich ausstatten zu können.

Nach Auskunft der ABDA ist geplant, dass die einzelnen Kammern Rahmenverträge über die zu erbringenden Dienstleistungen mit zertifizierten Anbietern abschließen. (Allerdings hat die gematik solche Zertifikate noch nicht erteilt, siehe oben.) Gemäß einem Beschluss des Vorstandes der Bundesapothekerkammer sei die ABDA-Geschäftsstelle damit beauftragt, die Kammern bei der Vorbereitung und Koordination der HBA-Ausgabe zu unterstützen, beispielsweise bei der Formulierung eines Rahmenvertrages für die Dienstleister.

Möglicher Arbeitsablauf

Aus Gesprächen mit Vertretern mehrerer Kammern lässt sich etwa folgender Ablauf für die Ausgabe der HBA konstruieren, der die Vorgaben des E-Health-Gesetzes erfüllen dürfte: Der antragstellende Apotheker füllt online im Mitgliederbereich seiner Kammer oder auf der Seite des Kartenanbieters einen Antrag aus und übermittelt diesen zur weiteren Bearbeitung an die Kammer. Zum Antrag werden auch persönlich unterschriebene Formulare gehören und der Apotheker wird sich persönlich ausweisen müssen. Dazu kommen das Postident-Verfahren oder ein Kammer-Ident-Verfahren in Betracht. Der Antragsteller muss dazu persönlich eine Postzweigstelle oder seine Kammer aufsuchen. Wenn der komplette Antrag bei der Kammer vorliegt, bestätigt die Kammer das Berufsattribut Apotheker und leitet den Antrag an den Kartenanbieter weiter. Dieser versendet den HBA und eine dazugehörige persönliche Identifizierungsnummer mit getrennter Post. Als letzten Schritt bestätigt der Apotheker dem Kartenanbieter den Erhalt des HBA.

Daraus ergeben sich mindestens folgende Fragen:

  • Wer stellt den individuellen HBA her?
  • Welche Schritte finden bei der Kammer und welche beim Kartenhersteller statt?
  • Will die Kammer das Kammer-Ident-Verfahren mit dem aufwändigen persönlichen Erscheinen der Apotheker anbieten? In Flächenländern ist dies möglicherweise für die Mitglieder wenig attraktiv.
  • Welches Personal ist in den Kammern über welchen Zeitraum erforderlich?
  • Wer übernimmt welche Kosten?
  • Wie sollen sich vertretungsberechtigte Pharmazieingenieure ausweisen? Wer kann ihnen einen HBA ausstellen, ohne dass sie Mitglied in einer Kammer sind?
  • Was soll geschehen, wenn die Konnektoren und die SMC-B nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen?
  • Auf welcher Grundlage kann eine Apothekerkammer bestätigen, dass ein Antragsteller tatsächlich Apotheker ist?

Die letztgenannte Frage dürfte bei den Kammern die größten Probleme aufwerfen. Dazu bestehen sehr unterschiedliche Auffassungen. Eine Sichtweise ist, dass die Mitgliedschaft in einer Apothekerkammer eine Approbation voraussetzt. Dazu wird einmalig eine Urkunde vorgelegt. Dass eine solche Urkunde als Beleg gilt, gehört zu den Grundlagen des Verwaltungshandelns. Würde bei jeder Vorlage eines Ausweises die Echtheit bei der Ausgabestelle abgefragt, wäre der Ausweis überflüssig. Dieser Sichtweise folgen bereits heute einige Ärztekammern, die elektronische Arztausweise ausgeben und dabei nur die Mitgliedschaft des Arztes in der Kammer prüfen. Andere meinen, es sollte erneut eine beglaubigte Kopie der Approbationsurkunde gefordert werden, was jedoch ebenfalls keinen Schutz vor einer gut gefälschten Urkunde böte.

Doch es gibt auch eine ganz andere Sicht dazu: Da der HBA Zugang zu wesentlichen Gesundheitsinformationen der Patienten bietet und große Verantwortung für Patienten übernommen wird, sollte das größtmögliche Maß an Sicherheit geboten werden. Hinzu kommt die Erfahrung mit betrügerischen Einzelfällen wie beispielsweise einem Fall in Thüringen, bei dem erst die Nachfrage bei der Approbationsbehörde eine Fälschung offenbart hat. Letztlich fürchten sich Vertreter von Kammern vor den Schlagzeilen der Presse, wenn ein falscher Heilberufler dank ihrer Bestätigung tätig werden konnte. Demnach müsste für jeden HBA bei der Approbationsbehörde nachgefragt werden, ob die Urkunde echt ist. Durch das E-Health-Gesetz sind die Approbationsbehörden zwar zur Zusammenarbeit verpflichtet, aber es soll bereits Signale geben, dass ältere Urkunden nur mit sehr großem Aufwand bestätigt werden könnten, weil die Unterlagen in irgendwelche Archive ausgelagert wurden. Dies lässt lange Bearbeitungszeiten befürchten.

Bei der jüngsten Hamburger Kammerversammlung berichtete Siemsen, die Datenschützer der Länder hätten Bedenken gegen das zunächst vorgeschlagene Konzept, die Anfragen en bloc für alle Kammermitglieder bei den Behörden einzureichen. Stattdessen müsse jeder Antrag einzeln bei der zuständigen Behörde vor Ort und bei der jeweiligen Approbationsbehörde abgefragt werden.

Als Lösungsansatz wird mitunter propagiert, die Kammern müssten über den Entzug oder das Ruhen einer Approbation informiert werden. Auch Ärztekammern verweisen darauf, sie würden sich mit den Approbationsbehörden austauschen. Doch dann müsste jede Apothekerkammer eine Datenbank mit den Namen aller Apotheker führen, um zu wissen, ob deren Approbation echt und noch gültig ist, wenn diese jemals in das betreffende Bundesland ziehen sollten. Das wäre unpraktikabel und zudem datenschutzrechtlich problematisch.

Aufwand bei den Kammern

Unter anderem von dem Aufwand, den eine Kammer bei der Bestätigung der Approbation betreibt, dürften die Kosten abhängen, die die neue Aufgabe bei den Kammern verursacht. Die Einschätzungen dazu in verschiedenen Kammern unterscheiden sich deutlich. Bei der Apothekerkammer Niedersachsen geht man derzeit davon aus, die Aufgabe mit dem bestehenden Personal bewältigen zu können. Auch bei der Apothekerkammer Schleswig-Holstein sehen die Verantwortlichen der neuen Aufgabe „gelassen“ entgegen. Bei der Apothekerkammer Nordrhein besteht ein Vorstandsbeschluss, bei Bedarf zusätzliches Personal einstellen zu wollen. Die Kammerversammlung der Landesapothekerkammer Thüringen hat eine neue Haushaltsposition beschlossen, die in der Anfangsphase der Ausgabe der HBA personelle und technische Unterstützung ermöglichen soll. Die Apothekerkammer Hamburg plant sogar, einen IT-Experten einzustellen. Dazu hat die Kammerversammlung am 19. Juni eine Umwidmung von Haushaltspositionen beschlossen. Aus dem Kreis der Kammermitglieder wurde dazu gefragt, ob die neue Aufgabe kostengünstiger auf Sachbearbeiterebene anzusiedeln sei und ob diese gemeinsam mit anderen Apothekerkammern organisiert werden könne. Die Hamburger Kammergeschäftsführerin Ena Meyer-Bürck erläuterte dazu, die Aufgabe könnte sich in Einzelfällen als schwieriger erweisen und der IT-Experte solle langfristig auch weitere Aufgaben zur Telematik in der Kammer übernehmen. Auch die gemeinsame Bearbeitung mit anderen Kammern sei nicht angebracht, weil sich die landesrechtlichen Grundlagen für die Ausgabe der HBA unterscheiden würden.

Kosten für die Karteninhaber

Die Kosten für die Bearbeitung innerhalb der Kammern werden die Apotheker über ihre Beiträge tragen müssen. Hinzu kommt der Preis für die Karten, den der Hersteller direkt vom antragstellenden Apotheker verlangen wird. Die ABDA erklärt, dass zur Höhe dieser Kosten keine Aussagen möglich seien, solange die Kammern noch keine Verträge geschlossen haben. Verschiedene Beobachter schätzen den Preis auf fünf bis zehn Euro pro Karte und Monat, mehrfach wurden neun Euro genannt. Da Apotheker die Karten vorläufig praktisch nur wegen des Medikationsplans benötigen, auf den nur gesetzlich Versicherte Anspruch haben, stellt sich die Frage, ob die Apotheker dafür einen Zuschuss von den Krankenkassen erhalten. Bei den Ärzten soll es dies geben. Bei den Apothekern dürfte der Deutsche Apotheker­verband dafür zuständig sein, dies auszuhandeln.

Was machen die Ärzte?

Angesichts der vielen offenen Fragen liegt die Idee nahe, die Vorgehensweise der Ärzte zu betrachten und möglicherweise davon zu lernen. Ärzte können schon jetzt einen elektronischen Arztausweis (E-Arztausweis) beantragen. Dieser dient als Sichtausweis und als Arztausweis in der digitalen Welt, er ermöglicht elektronische Unterschriften und er ver- und entschlüsselt Arztbriefe mit personenbezogenen Daten. Da diese elektronischen Arztbriefe gemäß dem E-Health-Gesetz seit Anfang 2017 eingesetzt und auch honoriert werden, gibt es für die Ärzte bereits eine praktische Anwendung dieser Ausweise. Allerdings wird offenbar erst eine spätere Generation der Ausweise auch auf den elektronischen Medikationsplan zugreifen können. Erstaunlicherweise wird diese Funktion auf der Homepage der Bundesärztekammer bereits für Anfang 2018 angekündigt.

Nach Angaben der Firma medisign produziert diese derzeit die HBA für Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten. Damit ist die Personalisierung der initialisierten Karten gemeint. Die Firma medisign ist eine gemeinsame Tochtergesellschaft der Apo-Bank und des Deutschen Gesundheitsnetzes. Peter Schlögell, Geschäftsführer von medisign und Leiter des Bereichs Standesorganisationen bei der Apo-Bank, erklärte dazu gegenüber der DAZ, medisign sei derzeit der einzige dafür zugelassene Vertrauensdiensteanbieter gemäß der neuen europäischen Signaturverordnung eIDAS (electronic identification and signature). Je nach Ärztekammer würden unterschiedliche Verfahren praktiziert. Bei einigen Kammern würden die Ärzte ihre Daten im Mitgliederportal der Kammer eingeben, bei anderen direkt bei medisign. Ergänzend dazu biete die Apo-Bank ihren Kunden als weiteren Service das BankIdent-Verfahren. Dabei identifiziere die Bank den Antragsteller anhand seiner Kundendaten, womit der Gang zur Post oder Kammer entfalle. Der E-Arztausweis kostet derzeit 7,90 Euro pro Monat. Über eine Zusammenarbeit mit den Apothekerkammern ist bisher nichts bekannt.

Fazit

Zum derzeitigen Stand ist festzuhalten, dass die technische Entwicklung des HBA an vielen Verzögerungen gelitten hat. Daher schien es lange Zeit nicht eilig zu sein, die organisatorischen und rechtlichen Fragen zu klären. Doch das Bundesgesundheitsministerium hat unter Hermann Gröhe die Zeitpläne zur Telematik viel konsequenter umgesetzt als früher. Darum gilt es jetzt, die knappe Zeit für konstruktive Vorbereitungen zu nutzen. Dies betrifft sowohl die organisatorischen Fragen als auch technische Ersatzlösungen, nicht zuletzt um den Start des Securpharm-Projekts zu sichern. Entscheidend wird letztlich sein, dass die Apotheken rechtzeitig eine einsatzfähige Technik haben werden. |

Autor

Dr. Thomas Müller-Bohn ist Apotheker und Diplom-Kaufmann. Er ist externes Redak­tionsmitglied der DAZ.

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