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Zypries: Fairer Wettbewerb muss sein

Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries zum Versandhandel und digitalen Lebenswelten

BERLIN (diz/ks) | Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) hat kürzlich durch ihren Besuch bei der Versandapotheke DocMorris im niederländischen Heerlen für Unverständnis und Kopfschütteln bei den hiesigen Apothekerinnen und Apothekern gesorgt. DAZ-Herausgeber Peter Ditzel twitterte, dies sei ein Schlag ins Gesicht der deutschen Apotheken. Frau Zypries twitterte zurück und bot ein Gespräch an, was Ditzel gerne annahm. Vergangene Woche trafen sie sich.

Was Ditzel vor allem interessierte: Warum besuchte Zypries ausgerechnet DocMorris – warum keine deutsche Vor-Ort-Apotheke mit High-Tech-Ausrüstung oder einen fortschrittlichen Versender? Die Ministerin erklärte, dass sie schon viele Apotheken besucht habe, jedoch hätte sie noch nie eine deutsche Versandapotheke eingeladen. Da war DocMorris forscher: „Das Unternehmen hatte gehört, dass ich in Aachen die Universität besuche und bei mir angefragt, ob ich nicht kurz in Heerlen vorbeischauen möchte. Man wolle mir zeigen, wie weit die Digitalisierung beim Versand vorangeschritten sei“, erklärte Zypries. Da ihr die Themen Digitalisierung und E-Health am Herzen lägen, habe sie die Einladung angenommen. Dass dies bei den deutschen Apotheken nicht gut ankam, kann sie zwar „ein Stück weit“ verstehen – allerdings: „Ich sehe nicht, dass ich – wie das in den Sozialen Medien nach meinem Besuch häufig tituliert wurde – das Unternehmen dadurch ‚geadelt hätte‘. Da würde ich letztlich jede Apotheke, bei der ich einkaufe, auch adeln, denn ich kaufe in der Vor-Ort-Apotheke und bestelle nicht beim Versandhandel.“ Nicht nachvollziehen kann sie überdies einige der Kommentare auf ihrer Facebook-Seite. „Da kommt eine Schärfe in die Debatte, die weder sachlich nachvollziehbar noch im Ton angemessen ist.“ Daher habe sie auch das Interview mit der DAZ gewollt – um deutlich zu sagen: „Mein Besuch bei DocMorris hat überhaupt nichts mit einer mir unterstellten Geringschätzung der deutschen Apotheke zu tun. Im Gegenteil. Niemand will den deutschen Apotheken an die Existenz, sie sind in Deutschland unverzichtbar, das ist klar. Aber genauso klar ist: Das Internet und die Digitalisierung haben Einzug gehalten in unsere Arbeits- und Lebenswelt. Das ist Realität, damit müssen wir uns auseinandersetzen.“

Foto: DAZ/diz
Brigitte Zypries Die Wirtschaftsministerin erklärt DAZ-Herausgeber Peter Ditzel ihren DocMorris-Besuch.

Ja zum Rx-Versandhandel

Ditzel fragte zudem nach, warum die SPD das Rx-Versandverbot blockiere. Hier ist die Juristin Zypries überzeugt: Es sei weder mit deutschem noch mit europäischem Recht vereinbar. Würde den rund 380 größeren deutschen Versandapotheken in Deutschland der Rx-Versand verboten, wäre dies mit dem Verfassungsrecht, mit der Berufsfreiheit, nicht vereinbar. Es sei auch nicht erkennbar, dass eine Gefährdung der flächendeckenden Versorgung einträte, wenn rezeptpflichtige Arzneimittel verschickt und nicht mehr nur selbst geholt werden dürften. Auch müsse man sich die Frage stellen, ob ein solches Verbot im Zeitalter der Digitalisierung eine sinnvolle und zukunftsfähige Forderung sei. Zypries: „Ich persönlich nutze den Versandhandel zwar nicht, aber gerade in strukturschwachen Regionen, wo z. B. Ärzte weggehen und es keine Apotheke mehr gibt, kann der Versandhandel für viele Menschen eine willkommene Hilfe sein. Der Versandhandel sichert also auch die flächendeckende Versorgung.“ Botendienste kennt sie zwar auch – aber bei weiten Entfernungen auf dem Land gehe das nicht mehr, meint die Ministerin. Sie verweist zudem darauf, dass die meisten Apothekenkunden ihre Arzneimittel schnell zur Verfügung haben wollen. Nur bei weniger eiligen Verordnungen, Zypries geht davon aus, dass das etwa 20 % der Verordnungen sind, komme der Versand überhaupt infrage. „Für diesen Anteil können beide Angebotswege für die Kunden attraktiv sein, das nennt man Wettbewerb.“

Die Sache mit dem Wettbewerb

Angesprochen auf die Rabatte ausländischer Versender, die sich auf bis zu 30 Euro pro Rezept belaufen, betont Zypries zunächst, dass es Wettbewerb vor allem zwischen den Apotheken vor Ort gebe – insbesondere zwischen denen in lukrativen Lagen und denen in Randgebieten. Hierfür sei der Versandhandel nicht verantwortlich. Bei OTC stünden zudem allen Apotheken Wettbewerbsinstrumente zur Verfügung, um sich gegen Konkurrenten – sei es die Apotheke 50 Meter weiter oder der Versandhandel – abzugrenzen. Auch seien die genannten Rabattbeträge der EU-Versender für Rx-Arzneimittel bei genauem Hinsehen nicht so hoch, wie es der erste Eindruck vermittele. „Bei einem durchschnittlichen Arzneimittelpreis von weniger als 60 Euro kann auch der Versandhandel dauerhaft keine hohen Rabatte gewähren“, sagt Zypries. Richtig sei aber, dass man sich mit diesen Fragen auseinandersetzen müsse. Zypries: „Es müssen faire Regeln im Wettbewerb gelten und es ist Aufgabe der Politik dafür zu sorgen.“

Die Sozialdemokraten hätten hierzu bereits Angebote gemacht. „Zum Beispiel könnten Versandapotheken mehr in den Nacht- und Notdienstfonds einzahlen, die Vor-Ort-Apotheken in strukturschwachen Regionen könnten einen Ausgleich erhalten, um eine definierte Mindestversorgung zu sichern. Und vorstellbar sind für eine Übergangszeit auch gedeckelte Boni.“ Jede Regelung müsse selbstverständlich europarechtskonform gestaltet sein, was ihres Erachtens kein Problem ist. „Ich halte einen Runden Tisch mit allen Beteiligten für sinnvoll, um sich vertraglich zu einigen“, so Zypries. Damit habe sie schon als Justizministerin gute Erfahrungen gemacht. „An Gröhes Stelle hätte ich einen solchen Dialog-Prozess längst eingeleitet.“ |

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