Bundestagswahl

Positionen und Personen

Vor der Bundestagswahl: Was fordern die Parteien und wer kandidiert?

wes | Am 24. September wird der neue Bundestag gewählt. Auch auf die Apotheken wird es große Auswirkungen haben, welche Parteien nach der Wahl die neue Regierung stellen werden. Wir haben die gesundheitspolitischen Positionen der Parteien zusammengestellt und dabei einen besonderen Fokus auf die für die Apotheken bedeutenden Fragen gelegt.

Sechs Parteien haben eine realistische Chance, in den nächsten Bundestag gewählt zu werden. Nach dem ARD-Deutschlandtrend vom 7. September steht die CDU/CSU bei 37 Prozent, die SPD bei 21 Prozent, die Linke bei 10 Prozent, die Grünen bei 8 Prozent, die FDP bei 9 Prozent und die AfD bei 11 Prozent. Auf die sonstigen Parteien kommen insgesamt 4 Prozent.

Bei diesem Wahlergebnis wären verschiedene Koalitionen möglich, ein Regierungsbündnis ohne die Union ist aber zusehends unrealistisch. 52 Prozent der Deutschen wünschen sich laut Deutschlandtrend auch eine CDU-geführte Regierung.

In den vergangenen Wochen haben wir Interviews mit Gesundheitspolitikern der heute im Bundestag vertretenen Parteien geführt. Anfragen bei der FDP und der AfD blieben leider erfolglos. Auch unsere schriftlich gestellten Fragen blieben leider unbeantwortet.

CDU/CSU:

Die Unions-Parteien haben sich in der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode mehrfach hinter die Apotheker gestellt. Insbesondere nach dem EuGH-Urteil im letzten Herbst bekannten sich prominente CDU- und CSU-Politiker klar zur inhabergeführten Apotheke vor Ort und unterstützen seitdem den Vorschlag, den Versand mit verschreibungspflich­tigen Arzneimitteln zu untersagen. So war die bayerische Landesgesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) eine der ersten, die ihre Unterstützung für diesen Vorschlag öffentlich machte. Auch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) steht weiterhin hinter seinem schon kurz nach dem EuGH-Urteil vorgelegten Gesetzentwurf für das Rx-Versandverbot. Er will das Verbot auch bei Koalitionsverhandlungen einbringen. Insgesamt unterstützt die Union das Rx-Versandverbot, auch wenn beispielsweise der ehemalige Gesundheitspolitiker und heutige Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Jens Spahn (der laut Medienberichten einige Zeit mit dem heutigen DocMorris-Vorstand Max Müller gemeinsam an einer PR-Agentur beteiligt war) sich öffentlich kritisch zu dem Vorschlag geäußert hat. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte sich in der Ressortabstimmung zu Gröhes Gesetzentwurf gegen die Pläne seines Parteikollegen ausgesprochen. Er fürchtete Risiken für den Bundeshaushalt, sollte sich das Rx-Versandverbot als nicht mit dem Unionsrecht vereinbar erweisen.

Die Union steht zum heutigen System der inhabergeführten Apotheken und zum Fremd- und Mehrbesitzverbot. Laut Wahlprogramm will sie die Versorgung durch ein ortsnahes Apothekennetz sichern.

Die Honorarerhöhungen für die Rezepturherstellung im AM-VSG geht maßgeblich auf eine Initiative der CSU zurück.

Beim E-Health-Gesetz, in dem der Medikationsplan eingeführt wurde, fühlten sich die Apotheker allerdings von Gröhe vergessen. Apotheker dürfen den Medikationsplan nicht selbst ausstellen, sondern nur ergänzen.

Personalien: In dieser Legislaturperiode saß nur ein einziger Apotheker im Bundestag: Michael Fuchs von der CDU, der aber eher wirtschafts- als gesundheitspolitisch aktiv war. Fuchs kandidiert nicht mehr.

Der CDU-Berichterstatter für die Arzneimittelversorgung Michael Hennrich dagegen wird wahrscheinlich auch dem nächsten Bundestag angehören, in seinem Wahlkreis Nürtingen holte die CDU seit Bestehen der Bundesrepublik bei jeder Wahl das Direktmandat – Hennrich gewann es schon viermal. Dass er nicht über die Landesliste abgesichert ist, dürfte keine große Rolle spielen: Bei der letzten Bundestagswahl gewann die CDU in Baden-Württemberg alle 38 Direktmandate.

Der heutige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe tritt ebenfalls wieder an: Er steht als Nummer 1 auf der Landesliste NRW, damit ist seine Wiederwahl in den Bundestag sicher. Wenn die CDU wieder die Regierung stellt, würde er gerne Bundesgesundheitsminister bleiben. Auch die parlamentarische Staatssekretärin im BMG, Annette Widmann-Mauz, wird im Bundestag bleiben, sie steht auf dem zweiten Platz der baden-württembergischen Landesliste.

Nicht wieder kandidieren dagegen die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU-Bundestagsfraktion Maria Michalk und der CSU-Fraktionsvize Johannes Singhammer, der im Vorstand für die Gesundheit zuständig war und insbesondere die Rezeptur-Honorar­erhöhung vorangetrieben hatte. Auch die parlamentarische Staatssekretärin im BMG Ingrid Fischbach (CDU) tritt nicht mehr an.

SPD

Bis zum EuGH-Urteil am 19. Oktober 2016 war die Bilanz der SPD-Gesundheitspolitik dieser Legislaturperiode aus Apothekersicht ausgeglichen. Auf der einen Seite unterstützte die SPD die Abschaffung der Zyto-Ausschreibungen, die die freie Apothekenwahl aushebelten, und die Honorarerhöhung für Rezepturen. Für eine Anhebung des Fixhonorars waren die Sozialdemokraten auf der anderen Seite nicht zu gewinnen, lieber wollten sie die ganze Vergütungssystematik neu austarieren – deswegen gab der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) eine umfassende Analyse der Apothekenhonorierung in Auftrag.

Inzwischen ist statt Gabriel Brigitte Zypries Wirtschaftsministerin, die sich bei einem Besuch in Heerlen ganz begeistert von DocMorris zeigte. Und auch sonst war nach dem EuGH-Urteil das Verständnis für die Anliegen der Apo­theker nicht besonders ausgeprägt. Ein Rx-Versandverbot wollen die Sozialdemokraten partout nicht mittragen. Statt­dessen machten sich die Berichterstatterin für Apothekenfragen, Sabine Dittmar, und der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Edgar Franke, dafür stark, Rx-Boni über das Sozialrecht für zwei Jahre zu verbieten – mit Ausnahme von Werbegaben im Wert von bis zu einem Euro. Die Zeit des „Boni-Deckels“ wollten sie nutzen, um das Apotheken­honorar auf neue Füße zu stellen. Auch Fraktionsvize Karl Lauterbach, in den letzten Jahren einer der profiliertesten Gesundheitspolitiker der SPD, spricht sich gegen das Rx-Versandverbot aus. Sein Anfang des Jahres ins Spiel gebrachter Kompromissvorschlag, dem Verbot zuzustimmen, wenn im Gegenzug die Zuzahlungen der Patienten abgeschafft würden, war wohl in der Fraktion nicht abgestimmt – und entsprechend schnell wieder vom Tisch.

Abseits der Apothekenfragen hat die SPD in der Gesundheitspolitik vor allem ein Anliegen: Das heutige Krankenversicherungssystem mit der Dualität von gesetzlichen und privaten Kassen will die SPD zu einer einheitlichen Bürgerversicherung umbauen, die paritätisch finanziert wird.

Personalien: Karl Lauterbach – der auch schon „größere Vertriebsstrukturen“ in der Arzneimittelversorgung forderte – muss um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen: Er ist als Direktkandidat im Wahlkreis Leverkusen nicht über die Landesliste abgesichert. 2013 gewann er seinen Wahlkreis mit einem Vorsprung von 2 Prozentpunkten. Aktuell hat er sich im Streit um einen Tunnel unter bzw. einer Brücke über den Rhein mit seinen Parteifreunden überworfen.

Deutlich sicherer kann sich die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Hilde Mattheis fühlen. Zwar hat die SPD in Baden-Württemberg bei der letzten Wahl kein Direktmandat gewonnen, Mattheis steht aber auf der Landesliste auf einem sicheren Platz 5.

Die Berichterstatterin für Apothekenfragen der SPD-Bundestagsfraktion Sabine Dittmar hat im bayerischen Wahlkreis Bad Kitzingen ebenfalls wenig Aussichten auf das Direktmandat, sie steht auf der Landesliste aber auf Platz 10, was ihr wohl den Wiedereinzug in den Bundestag sichern wird, ähnlich sieht es mit dem Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses, Edgar Franke, aus. Er belegt auf der hessischen Landesliste der SPD den aussichtsreichen 11. Platz.

Bündnis 90/Die Grünen

Sie sei keine Freundin des Arzneimittel-Versands, und auch Boni lehne sie ab, betont die Grünen-Arzneimittelexpertin Kordula Schulz-Asche immer wieder. Vom Rx-Versandverbot hält sie aber nichts, sie möchte stattdessen die Höhe der Boni gesetzlich beschränken – auf 1 Euro pro Rezept. Ihre Bundestagsfraktion sprach sich zudem für ein Höchstpreismodell aus. Zumindest scheinen sich die Grünen-Gesundheitspolitiker im Bund von Ideen wie der Einführung von Apothekenketten verabschiedet zu haben, wie Schulz-Asche immer wieder betont. Im Wahlprogramm der Grünen finden sich keine Aussagen zu Apotheken. Die Krankenversicherung soll zu einer Bürgerversicherung weiterentwickelt werden.

Personalien: Kordula Schulz-Asche steht auf der hessischen Landesliste auf Platz 3 und hat entsprechend gute Chancen, wieder in den Bundestag einzuziehen. In diesem Fall will sie sich weiterhin um Gesundheitspolitik kümmern.

Auch die grüne gesundheitspolitische Sprecherin Maria Klein-Schmeink hat angedeutet, weiterhin in der Gesundheitspolitik aktiv bleiben zu wollen. Sie liegt auf der NRW-Liste auf Platz 9 – bei einem stabilen Grünen-Ergebnis wäre sie damit ebenfalls wieder im Bundestag.

Nicht mehr für den Bundestag kandidiert übrigens Biggi Bender, die 2013 den Einzug verpasst hatte. Bender hat sich immer wieder für eine „Liberalisierung“ des Apothekenmarkts ausgesprochen und tritt auch immer wieder bei Veranstaltungen des Versandapotheken-Verbands BVDVA auf.

Die Linke

Die Linke ist in den vergangenen Jahren schon fast zur „Apothekerpartei“ avanciert: Sie lehnt den Versand mit Arzneimitteln generell ab und hatte auch einen Antrag zum Rx-Versandverbot im Bundestag eingebracht. In ihrem Wahlprogramm spricht sich die Partei gegen den Einfluss von Großkonzernen in der Arzneimittelversorgung und gegen Apothekenketten aus, Rabattverträge für Arzneimittel will sie abschaffen.

Ebenfalls abgeschafft gehört für Die Linke die PKV, alle Zuzahlungen im Gesundheitswesen und auch die Beitragsbemessungsgrenze bei den Sozialabgaben.

Personalien: Die in Apothekenfragen profilierteste Linken-Gesundheitspolitikerin Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin ihrer Fraktion, hat gute Chance auf einen Wiedereinzug in den Bundestag: Sie steht in NRW auf Listenplatz 7. Eng könnte es dagegen für den Bayern Harald Weinberg werden, Voglers Vorgänger als Gesundheits-Sprecher der Fraktion. Er steht auf Platz 4 der Landesliste.

Für die Linke kandidiert auch eine Apothekerin: Sylvia Gabelmann aus Siegen hat in NRW den aussichtsreichen 9. Listenplatz inne. Sie arbeitet allerdings schon seit einiger Zeit nicht mehr in der Apotheke, sondern ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für den Linken-Bundestagsabgeordneten Alexander Neu. Gesundheit ist nicht ihr politischer Schwerpunkt, der sei Frieden, soziale Gerechtigkeit und Umwelt, sagte sie der „Westfalenpost“.

FDP

Sie galt lange als „Apothekerpartei“, aktuell hat man das Gefühl, dass die FDP dieses Image fast verzweifelt los werden will: Als einzige Partei fordern die Liberalen in ihrem Wahlprogramm die Abschaffung des Fremdbesitzverbots – es sei ein „Marktzugangshemmnis“. Die Vizevorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann hält auch das Mehrbesitzverbot für „sehr antiquiert“. Apothekenketten wolle man aber trotzdem nicht, erklärte sie wenig stringent im Mai gegenüber DAZ.online.

Ein Rx-Versandverbot lehnt die Partei ab, Parteichef Christian Lindner erklärte nach dem EuGH-Urteil, Apotheker dürften nicht unter „Naturschutz“ gestellt werden.

Im ihrem Wahlprogramm fordert die FDP neben dem Fremdbesitz eine angemessenen Vergütung der Nacht- und Notdienste, den Abbau von Dokumentationspflichten sowie einen Sicherstellungszuschlag für Apotheken an abgelegenen Standorten.

Generell setzt die FDP weiterhin auf einen marktliberalen Kurs und mehr Wettbewerb auch im Gesundheitswesen. Die private Krankenversicherung soll gestärkt werden, eine Bürgerversicherung lehnen die Liberalen ab.

Personalien: Für die FDP kandidiert im Wahlkreis Münster Jörg Berens, der seit 2014 als Social Media-Manager bei DocMorris arbeitet. Davor war er u. a. Büroleiter des letzten FDP-Bundes­gesundheitsministers Daniel Bahr. Er steht auf der Landesliste aber auf dem aussichtslosen 42. Platz.

Profilierte Gesundheitsexperten hat die FDP im Moment nicht. Im Wahlkampf kümmert sich Partei-Vize Strack-Zimmermann um das Themengebiet. Sie steht in NRW hinter Parteichef Lindner auf Platz 2 der Liste, ihr Einzug in den Bundestag gilt damit als sicher.

AfD

Gesundheitspolitik spielt im Bundestagswahlkampf der AfD keine Rolle, entsprechend wenig ist über die gesundheitspolitischen Positionen der Partei bekannt. Aussagen zur Arzneimittelversorgung finden sich im Wahlprogramm nicht, in der GKV fordert die AfD eine Rückkehr zur paritätischen Finanzierung durch Arbeitnehmer und -geber. Die Ausgabe von Krankenkassen-Karten „an Asylbewerber“ hatte die Parteivorsitzende Alice Weidel scharf verurteilt, das führe zu „enormen Kosten“. Außerdem warnte sie davor, dass der „massenhafte Zuzug von nicht einzahlenden Migranten“ zu drastisch steigenden Beiträgen in der Kranken- und Pflegeversicherung führen werde.

Personalien: Ausgewiesene Gesundheitspolitiker hat die AfD bisher nicht. Im Wahlkreis Leverkusen tritt der Apotheker Gunnar Witzmann als Direktkandidat auch gegen Karl Lauterbach (SPD) an. Einen Platz auf der Landesliste hat er jedoch nicht, so dass ein Einzug in den Bundestag als ausgeschlossen gelten kann. Witzmann war 2012 eines der Gründungsmitglieder der Protest-Apotheker-Gruppe „Aufbruch Apotheke“. Im Mai 2017 wurde Witzmann von einem Auto verletzt, als er im NRW-Landtagswahlkampf Plakate aufhängte. Die Kölner Polizei widersprach aber der Darstellung Witzmanns, es habe sich um einen gezielten Anschlag gehandelt.

Die AfD-Spitzenkandidatin und Parteivorsitzende Alice Weidel ist zwar keine Gesundheitspolitikerin, sie hat aber bei dem 2015 verstorbenen Bayreuther Gesundheitsökonomen Peter Oberender promoviert, der streng marktwirtschaftliche und wettbewerbsorientierte Ansichten auch im Gesundheitswesen vertrat – so sprach er sich dafür aus, den Handel mit Organen zu legalisieren. Den Apothekenmarkt wollte Oberender „liberalisieren“. |

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