DAZ aktuell

Hermann will Preisvergleichsportal für Versandapotheken

Der AOK-Chef möchte Direktverträge mit Versandapotheken und kein Rx-Versandverbot

BERLIN (ks/bro) | Fast ein Jahr ist ­vergangen seit der Europäische Gerichtshof (EuGH) sein Urteil zur ­Rx-Preisbindung im grenzüberschreitenden Versand gesprochen hat. Seitdem bieten die großen niederländischen Versandapotheken ihren Kunden satte Boni für ihre Rezepte. Die Krankenkassen finden das grundsätzlich gut. Der Chef der AOK-Württemberg Christopher Hermann erklärte nun genauer, wie er sich den Apothekenmarkt der Zukunft vorstellt.
Foto: imago/Metodi Popow
Christopher Hermann

Unmittelbar nach dem Urteil begann die Diskussion um seine Folgen für deutsche Apotheken. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU)war mit den Apothekern einer Meinung, dass ein Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln der richtige Weg ist, um die deutschen Apotheker vor der nunmehr bestehenden Wettbewerbsverzerrung zu schützen. Bekanntlich konnte Gröhe seinen Koalitionspartner, die SPD-Fraktion, davon nicht überzeugen. Und so gibt es bis heute keine politische Lösung für das Problem.

Während der Debatte hatten sich auch einzelne AOKen und der AOK-Bundesverband zu Wort gemeldet. Martin Litsch, Vorstandschef des Bundesverbands sprach sich für Direktverträge der Kassen mit EU-Versendern aus. Hermann ging noch weiter, indem er auch eine Abschaffung der Festpreise für deutsche Apotheken forderte. Nachdem der baden-württembergische AOK-Chef Hermann kürzlich nach einer Podiumsdiskussion Kontakt mit einem Apotheker aus Filderstadt hatte, äußerte sich Hermann nun konkreter. Der Apotheker wollte wissen, wie es aus AOK-Sicht funktionieren könne, dass Apotheker und EU-Versender bei einer Aufhebung der Rx-Preisbindung gleiche Wettbewerbs­bedingungen hätten.

Höchstpreise und transparente Konditionen

Hermann antwortete dem Apotheker in einem Brief. Darin erklärt er, wie er sich den Apothekenmarkt der Zukunft vorstellt: „Die Preise für rezeptpflichtige Arzneimittel werden flexibilisiert und die Festpreise hierfür in einen Höchstpreis umgestellt. Apotheken steht es frei, vom Höchstpreis nach unten abzuweichen. Wettbewerbsintensität würde vor allem in Ballungsgebieten, wo viele Apotheken nebeneinander existieren, gefördert. Apotheken in ländlichen Gebieten könnten im Vergleich zu Stadtapotheken höhere Preise realisieren.“ Hermann stützt sich in seiner Argumentation also klar auf vielfach kritisierte Passagen des EuGH-Urteils. Und er schreibt weiter: „Die Einsparungen durch günstigere Apothekenverkaufspreise könnten den Versicherten durch eine teilweise reduzierte gesetzliche Zuzahlung zugutekommen, gleichzeitig könnte auch die Solidargemeinschaft profitieren.“ Und wie soll das nun konkret aussehen? „Für den Versandweg schlössen Apotheken und Krankenkassen individuelle, bilaterale Verträge, die das Vergütungsniveau regeln. Die Krankenkassen veröffentlichten die jeweiligen vereinbarten Konditionen auf einem GKV-weiten Webportal. Die Möglichkeit des Versandhandels bliebe damit für die Versicherten erhalten. Um Fehlanreize zu vermeiden, würde die Ausschüttung von Boni an Versicherte auch im Versandhandel durch die Höhe der Zuzahlung gedeckelt.“

Ob dieser Vorschlag der gedeckelten Boni, den auch die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen favorisieren, juristisch wasserdicht ist, wird von Kritikern einer solchen Regelung bezweifelt. Ihr Argument: Der EuGH habe schließlich entschieden, dass für EU-Versandapotheken keine Preisbindung bestehen dürfe. Denn der Preiswettbewerb sei die einzige Möglichkeit, wie sich die ausländischen Apotheken auf dem deutschen Markt behaupten können. Minister Gröhe setzte stattdessen auf das Rx-Versandverbot.

Hermann: Botendienste durch Rx-Versandverbot in Gefahr

Gegenüber DAZ.online erklärte Hermann nun nochmals, warum er gegen das Rx-Versandverbot ist: Es würde aus seiner Sicht zum einen „weitreichende Folgefragen für die Versorgung im gesamten Bundesgebiet aufwerfen“ und zum anderen „deutsche Apotheken, die in den Aufbau von Logistik- und Vertriebsstrukturen investiert haben, bestrafen“. Warum? Hermann erläutert: „Nicht durch die Verhinderung des Wettbewerbs, sondern durch das Verordnungsverhalten der Ärzte werden die Apothekenstrukturen in Deutschland bestimmt.“ Dort, wo Ärzte verordnen, ließen sich nach den Gesetzen der Marktwirtschaft Apotheken nieder. Umgekehrt gelte: Wo es zu wenig Ärzte für einen ausreichenden Rezeptumsatz gibt, kann keine Apotheke vor Ort existieren. „So besteht bereits heute ein Gefälle in der Apothekenanzahl und -dichte zwischen Ballungsgebieten und strukturschwachen Regionen“, sagt Hermann. Insbesondere im ländlichen Raum, bei größeren Versorgungswegen und für Patienten mit Mobilitätseinschränkungen, werde diese Versorgungsdiskrepanz schon jetzt über Botendienste und den Versandhandel ausgeglichen. Auf täglich 25.000 beziffere die ABDA die Zahl der Botendienste, so Hermann weiter. Zugleich verweist der AOK-Chef darauf, dass regelmäßige Botendienste ohne Beratung in den Räumen der Apotheke ausschließlich dann – und auch nur im Einzelfall – zulässig sind, wenn die Auslieferung durch pharmazeutisches Fachpersonal erfolgt (§ 17 Abs. 2 ApBetrO). Offenbar bezweifelt er, dass jeder Botengang die Beratung sicherstellt – was auch kein Problem wäre, wenn die Apotheke eine Erlaubnis zum Versandhandel besitzt. Denn nur mit einer solchen Erlaubnis seien regelmäßige Botendienste durch nicht pharmazeutisch ausgebildete Mitarbeiter (oder per Versand) zulässig, so Hermann. Und die Anzahl der Apotheken mit Versandhandels­erlaubnis habe 2017 nach Angaben der ABDA bei 2959 gelegen.

Als Fazit lässt sich festhalten: Die Forderung nach Direktverträgen, Höchstpreisen und mehr Wettbewerb unter Apotheken kennt man von Hermann. Neu sind aber seine Ideen für das Webportal, in dem Kunden Preise bzw. Boni von Versandapotheken vergleichen können. Genau das wollten Apotheker immer verhindern: Wer krank ist, soll keinen Preischeck machen müssen, sondern sich sicher sein, dass er in jeder Apotheke das gleiche Arzneimittel zum gleichen Preis bekommt. |

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