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Arzneimittel-Versorgung
Wie funktioniert das Entlassmanagement?
Folgen für Apotheken und Krankenhäuser
Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz trat bereits im Juli 2015 in Kraft. Doch das dort vorgeschriebene Entlassmanagement wurde noch immer nicht umgesetzt, obwohl diese Neuerung schon 2015 weithin als patientenfreundlich und überfällig bezeichnet wurde. Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), Kassenärztliche Bundesvereinigung und GKV-Spitzenverband konnten sich jedoch zunächst nicht auf den notwendigen Rahmenvertrag gemäß § 39 Absatz 1a SGB V einigen. Im Oktober 2016 legte die Schiedsstelle die strittigen Inhalte fest, aber auch dagegen klagte die DKG zunächst. Inzwischen wurden Kompromisse gefunden, sodass der neue Rahmenvertrag zum 1. Oktober 2017 in Kraft treten soll.
Ziele und Inhalte
Gemäß § 2 des Rahmenvertrages zielt das Entlassmanagement darauf, die Patienten im Anschluss an die Krankenhausbehandlung kontinuierlich weiterzuversorgen. „Hierzu gehört eine strukturierte und sichere Weitergabe versorgungsrelevanter Informationen,“ heißt es dazu im Vertrag. Patienten haben gegenüber dem Krankenhaus einen Rechtsanspruch auf ein Entlassmanagement, sofern nicht ausdrücklich festgestellt wird, das keine Anschlussversorgung nötig ist. Für den nahtlosen Übergang in die folgende Versorgung wird der Bedarf gemäß § 3 des Vertrages möglichst frühzeitig erfasst und ein Entlassplan erstellt. Außerdem nimmt das Krankenhaus möglichst frühzeitig Kontakt mit dem weiterbehandelnden Leistungserbringer auf, bei Bedarf auch mit der Kranken- oder Pflegekasse. Am Entlassungstag erhalten der Patient und der weiterbehandelnde Arzt zumindest einen vorläufigen Entlassbrief. Für Rückfragen muss ein Ansprechpartner benannt werden, der montags bis freitags von 9 bis 19 Uhr sowie samstags und sonntags von 10 bis 14 Uhr telefonisch erreichbar ist. Notwendige Verordnungen über Arznei-, Heil- oder Hilfsmittel oder eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhält der Patient spätestens am Entlassungstag.
Folgen für die Apotheken
Die wichtigste Regelung aus der Perspektive der öffentlichen Apotheken ist, dass Krankenhausärzte Entlassrezepte über Arzneimittel oder Hilfsmittel ausstellen können. Unabhängig davon bleibt die Möglichkeit bestehen, dem Patienten gemäß § 14 Absatz 7 ApoG Arzneimittel mitzugeben. Diese schon länger bestehende Regelung gilt jedoch nur für den Bedarf von höchstens drei Tagen und nur, sofern auf die Entlassung ein Wochenende oder ein Feiertag folgt oder für den Patienten häusliche Krankenpflege verordnet wird. Das neue Entlassmanagement ist dagegen ein Normal- und kein Sonderfall.
Letztlich besteht die Hoffnung, dass die neuen Regeln die seit Jahrzehnten bestehenden Probleme mit Patienten nach einer Krankenhausentlassung endlich lösen. Die typischen Fälle von Entlassungen am Freitag, wenn die Hausärzte nicht mehr erreichbar sind, dürften den Apothekenteams und den Patienten viele Mühen bereitet haben, die sich nun hoffentlich erübrigen.
Hindernisse in den Krankenhäusern
Ob alle Teile des Entlassmanagements schon Anfang Oktober praktisch umgesetzt werden können, erscheint jedoch keineswegs sicher. Denn aus Krankenhäusern ist zu hören, dass insbesondere an den Voraussetzungen für die Verordnung von Entlassrezepten noch gearbeitet wird. So ist für die Rezeptbedruckung zertifizierte Software erforderlich, die auch den Medikationsplan unterstützen muss. Doch solche Programme sind nicht ohne Weiteres mit der Software des Krankenhauses kompatibel. Außerdem müssen die zahlreichen verordnenden Ärzte geschult werden. Dies wird vordringlich eine Aufgabe der Krankenhausapotheker werden. Viele Beobachter sehen hier das größte Problem: Die Krankenhausärzte sind mit den komplexen sozialrechtlichen Anforderungen an Verordnungen für die ambulante Versorgung nicht vertraut. Doch für die Leistungserbringer kommt es darauf an, korrekt ausgestellte und retaxsichere Rezepte zu erhalten. So ist zu befürchten, dass Krankenkassen und Prüfdienste bei diesen Rezepten sehr leicht Formfehler finden können (s. auch das Interview „Praxisferne Erwartungen“ auf S. 26 dieser DAZ). Wenn die Patienten mit den Rezepten jedoch erst zur Korrektur ins Krankenhaus zurückgeschickt werden müssten, würde das Ziel der reibungslosen Versorgung verfehlt. Dr. Frank Dombeck, Geschäftsführer der Apothekerkammer Niedersachsen, erklärte dazu gegenüber der DAZ: „Bei der Verordnung durch Ärzte aus dem stationären Bereich prallen bislang völlig unterschiedliche Verordnungsgewohnheiten und -regeln aufeinander. Das ist die eigentliche Herausforderung.“
Beobachter aus dem Krankenhaus sehen ein weiteres Problem in der Regelung, dass nur Fachärzte Entlassrezepte ausstellen dürfen. Denn zu den üblichen Entlassungszeiten stehen die Fachärzte meistens im Operationssaal, während die Entlassung eine typische Aufgabe der Assistenzärzte ist.
Neue Formulare und Nummern
Die Belieferung von Entlassrezepten wird eine Form der vertragsärztlichen Versorgung werden. Wenn auch die Krankenhausärzte selbst keine Vertragsärzte sind, erfolgt die Versorgung doch auf der Grundlage des erwähnten Rahmenvertrags. Für die Arzneimittelverordnung gelten damit alle einschlägigen Vorschriften für die ambulante vertragsärztliche Arzneimittelversorgung. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat bereits eine umfangreiche Broschüre mit den relevanten Vorschriften erstellt, um die Krankenhausärzte zu informieren. Dabei geht es sowohl um die arzneimittelrechtlichen Vorschriften für eine korrekte Verordnung als auch um die sozialrechtlichen Regeln. Zusätzlich zu den üblichen Vorschriften sind einige erhebliche Einschränkungen gegenüber den sonstigen Verordnungsmöglichkeiten zu beachten, die auch für die Apotheken relevant sind. Diese betreffen die verordnungsfähigen Packungsgrößen und die Gültigkeitsdauer der Rezepte (siehe unten). Für die Verordnung von Betäubungsmitteln gelten die betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften unverändert. Dafür sind weiterhin Betäubungsmittelrezepte nötig.
Als Entlassrezepte müssen spezielle Formblätter verwendet werden, die mit einem diagonalen Balken über dem Personalienfeld als „Entlassmanagement“ gekennzeichnet sind. Bei der Verarbeitung in Apothekenrechenzentren wird dieser blasse Balken voraussichtlich nicht auf dem Rezeptimage zu sehen sein. Der Arzt muss über eine Arztnummer identifizierbar sein. Dazu sollen die Krankenhausarztnummern verwendet werden, die spätestens bis zum 1. Januar 2019 vergeben werden. Bis dahin darf übergangsweise die Pseudo-Arztnummer „4444444“ verwendet werden, an die noch zwei weitere Stellen für den Fachgruppencode angefügt werden. So wird zunächst nicht der einzelne Arzt, aber seine Fachgruppe erkennbar sein. Der Widerstand der DKG gegen die Nutzung einer lebenslangen Kassenarztnummer war ein wesentlicher Grund für die Verzögerungen beim Entlassmanagement. Zusätzlich zur Arztnummer ist eine Betriebsstättennummer des Krankenhauses erforderlich, die mit den Ziffern „75“ beginnt.
Nur drei Tage gültig
Wenn solche Rezepte in der Apotheke vorgelegt werden, sollte der erste prüfende Blick dem Datum gelten. Denn die Entlassrezepte sind nur drei Werktage gültig, wobei Samstag ein Werktag ist. Nachdem anfänglich unterschiedliche Vorstellungen kursierten, wann die Gültigkeitsfrist von drei Tagen beginnt, stellte der Deutsche Apothekerverband zwischenzeitlich klar, dass der Ausstellungstag als erster von drei Gültigkeitstagen gilt. „Der Tag der Ausstellung zählt bereits als erster Werktag“, so ein DAV-Sprecher. Verordnungen über Hilfsmittel sind dagegen sieben Kalendertage gültig. Auf Hilfsmittelrezepten muss zudem das Entlassungsdatum ausdrücklich angegeben werden, obwohl dies üblicherweise das Ausstellungsdatum sein dürfte.
Die unterschiedliche Geltungsdauer von Entlassrezepten über Arznei- und Hilfsmittel bezeichnete Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes, in seiner Eröffnungsrede zur Expopharm am 13. September als unverständlich. Ein weiteres Problem sei die Regelung, nach der Krankenhausärzte eventuelle Änderungen der Verordnung persönlich mit erneuter Arztunterschrift und Datumsangabe vornehmen müssen. Die Apotheker würden daher telefonische Rücksprachemöglichkeiten fordern, so Becker. Außerdem erklärte Becker, dass einige Regelungen zu den verordnungsfähigen Packungsgrößen zu Problemen im Versorgungsalltag führen könnten.
Nur N1-Packungen
Denn im Rahmen des Entlassmanagements dürfen nur N1-Packungen verordnet werden. Falls solche nicht im Handel sind, dürfen nur kleinere Packungen als die Packungsgröße N1 verordnet werden. Andere Produkte, die in die Arzneimittelversorgung gemäß § 31 SGB V einbezogen sind, für die es aber keine N-Größen gibt, können für den Versorgungsbedarf von bis zu sieben Tagen verordnet werden. Dies betrifft insbesondere Verbandmittel. Die Begrenzung auf N1-Packungen könnte für die Apotheken dazu führen, dass plötzlich kleine Packungen auch von solchen Arzneimitteln benötigt werden, die sonst als typische Dauermedikation nur in größeren Packungen üblich sind. Hier drohen neue Herausforderungen für die Lagerhaltung und zusätzliche Arbeit für den Botendienst, also höhere Kosten. Ob der zusätzliche Umsatz durch die zusätzlichen Verordnungen also mehr Ertrag für die Apotheken bringt, ist daher zweifelhaft.
Ausblick
Solche Rezepte sind allerdings nicht bei jedem Patienten zu erwarten, der mit einer neuen Medikation aus dem Krankenhaus entlassen wird. Denn die Patienten haben einen Anspruch auf das Entlassmanagement, aber nicht auf ein Entlassrezept. Das Krankenhaus muss die Voraussetzungen für die weitere Versorgung schaffen. In vielen Fällen wird es dafür sicherlich ausreichen, den weiterbehandelnden Arzt rechtzeitig zu informieren. Dabei könnte allerdings die schlechte telefonische Erreichbarkeit vieler Arztpraxen zum Problem werden. Für Dr. Thomas Friedrich, Geschäftsführer des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein, ist dies ein weiterer Grund, sichere interne Kommunikationswege für die Heilberufler zu schaffen. Einen Antrag des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein zur Entwicklung eines alltagstauglichen Arzt-Apotheker-Kommunikationsdienstes hat der Deutsche Apothekertag in Düsseldorf gerade angenommen. |
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