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Wirtschaft

Der Pharmagroßhandel in Deutschland

Ein Überblick

Er ist mit Abstand der wichtigste Lieferant der Apotheken: der pharmazeutische Großhandel. Die von ihm gewährten Konditionen seien für das Wohl und Wehe einer Apotheke wichtiger als die Höhe des Packungshonorars, sagen manche Experten. Die wirtschaftliche Lage der Großhändler hat also direkten Einfluss auf die Apotheken. Doch dem Großhandel geht es nicht gut: Die Branche klagt über niedrige Umsatzrenditen, auch weil die Großhandelsmarge für verschreibungspflichtige Arzneimittel seit Jahren nicht angepasst wurde. Dazu kommt ein ebenfalls seit Jahren anhaltender intensiver Preiswettbewerb, der zwar den Apotheken gute Konditionen beschert, den Großhandel insgesamt aber gebeutelt hat. | Von Benjamin Wessinger

Auch deshalb hält der Konzentrationsprozess bei den Großhändlern – schon heute ein oligopolistischer Markt – weiter an. Zuletzt übernahm die Noweda den privaten Großhändler Ebert + Jacobi. Dazu kommen anhaltende Gerüchte über eine Neuordnung des Marktes in ganz Europa. Aktuellen Berichten zufolge soll es um einen groß angelegten Tausch gehen: Offenbar möchte Alliance Healthcare sein europaweites Großhandelsgeschäft an die Phoenix abgeben und dafür die Phoenix-Apothekenketten übernehmen (s. „Europaweiter Mega-Deal im Pharmahandel?“ in AZ 2017, Nr. 40, S. 1).

Beobachter sind aber skeptisch, ob die Wettbewerbsbehörden einem solchen Deal zustimmen würden. Schon heute hat das deutsche Bundeskartellamt die Branche im Visier. Es vermutet immer wieder illegale Absprachen zwischen den Großhändlern – auch wenn die letzten Durchsuchungen vor ziemlich genau einem Jahr bisher ohne Folgen geblieben sind.

Über all dem schwebt ganz aktuell das Damokles-Schwert des „Skonti-Verfahrens“, in dem für den heutigen Donnerstag das Urteil des Bundesgerichtshofs angekündigt ist. In diesem Verfahren geht es nicht „nur“ um die Rechtmäßigkeit eines Skontos zusätzlich zu den Rabatten bei Rx-Arzneimitteln, sondern um die zulässige Gesamthöhe aller Preisnachlässe, die der Großhandel (wie auch Hersteller und Importeure im Direktgeschäft!) den Apotheken gewähren darf.

Aber wie sieht dieser Markt denn nun genau aus? Welche Mitspieler gibt es? Wer steckt hinter ihnen? Mit detaillierten Zahlen sind die Unternehmen zurückhaltend. Wie viele Kunden man hat, welche Umsätze mit ihnen gemacht werden oder gar, wie das Rabattniveau aktuell aussieht: Über all das will nicht jeder öffentlich sprechen. Etliche Fakten sind aber doch bekannt, z. B. dass sich lediglich fünf Unternehmen den allergrößten Teil des Marktes aufteilen. Laut Prof. Dr. Andreas Kaapke, Lehrstuhlinhaber für Handelsmanagement an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart und einer der profundesten Kenner des deutschen Pharmagroßhandels, wurden 2015 rund 90 Prozent des Marktes von ­folgenden Anbietern bedient: Phoenix, Noweda, Gehe, Sanacorp und Alliance Healthcare. Den Rest teilen sich die im Pharma Privat-Verbund zusammengefassten inhabergeführten, hauptsächlich regional tätigen Großhandlungen und der „Spezialfall“ AEP (s. „Der pharmazeutische Großhandel“ in DAZ 2015, Nr. 52, S. 37).

Dabei verfolgen die genannten Unternehmen sehr unterschiedliche Geschäftsmodelle, obwohl sie – bis auf AEP – alle sehr ähnliche Leistungen anbieten: Sie alle beliefern die Apotheken mehrfach pro Tag und unterhalten mehrere Niederlassungen, um jeden Kunden innerhalb weniger Stunden beliefern zu können. Aber ihre Unternehmensstruktur ist durchaus unterschiedlich: Phoenix, Gehe und Alliance Healthcare gehören zu großen, international agierenden Konzernen: Phoenix zur Merckle-Unternehmensgruppe, Gehe zu McKesson und Alliance Healthcare zu Walgreens Boots Alliance. Noweda und Sanacorp dagegen sind Genossenschaften, die vollständig oder hauptsächlich in Apothekerhand sind. Dazu kommen die privaten, mittelständischen Pharmagroßhändler C. Krieger, Richard Kehr, Kehr Holdermann und Kehr Berlin, Leopold Fiebig, Max Jenne, Otto Geilenkirchen und Hageda Stumpf. AEP gehört verschiedenen privaten Investoren sowie der österreichischen Post.

Der pharmazeutische Großhandel deckt das Bundesgebiet ab. Die Niederlassungen der Pharmagroßhändler in Deutschland

Die Rabattschlacht

Seit über zehn Jahren kursiert in der Pharmagroßhandelsbranche der Begriff „Rabattschlacht“. 2006 verhängte das Bundeskartellamt Strafen gegen vier Unternehmen und sieben persönlich Verantwortliche, weil sie vereinbart haben sollen, die „Rabattschlacht“ zu beenden und die von der damaligen Anzag gewonnenen Marktanteile unter den Wettbewerbern Phoenix, Gehe und Sanacorp zu verteilen. Doch der Preiskampf war damit nicht beendet, die Phase hoher bis sehr hoher Preisnachlässe ging – mit einigen Wellenbewegungen – weiter und hält im Prinzip bis heute an. So berichtete der Berliner „Tagesspiegel“ 2008 über einen „ruinösen Preiskampf“, der vom damals kurz bevorstehenden EuGH-Urteil über den Apothekenfremdbesitz ausgelöst worden sei. Viele in der Apotheken- wie der Großhandelsbranche hatten damals mit dem nachher nicht eingetretenen Fall des Fremdbesitzverbots und in der Folge mit der Schließung tausender Apotheken gerechnet.

Doch auch die Bestätigung des Fremdbesitzverbots durch die Europarichter 2009 beendete die Phase der hohen Konditionen nicht. Im Gegenteil, 2013 gaben in einer Umfrage der Beratungsgesellschaft Inspirato 76 Prozent der Apotheker an, bessere Konditionen mit ihren Großhändlern vereinbart zu haben. Und das, obwohl der Gesetzgeber 2012 durch die Umstellung der Großhandelsvergütung auf ein Kombimodell bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (3,15 Prozent + 70 Cent) die Marge drastisch zusammengestrichen hatte. Trotzdem berichtete in den Folgejahren sogar die Publikumspresse immer wieder über „Rabattschlachten“ bis hin zu einem „ruinösen Preiskampf“.

Klar ist, dass in einem eher schrumpfenden Markt Wachstum nur durch Abwerben vom Wettbewerber oder Übernahmen möglich ist. Inzwischen scheint sich die Situation – aus Sicht der Großhändler – allerdings beruhigt und der Markt ein neues Gleichgewicht gefunden zu haben, auch wenn Sanacorp-Chef Herbert Lang auch im Juni 2017 noch von einem „irrationalen Rabattwettbewerb“ sprach.

Der Skonti-Streit

Diese neue Balance könnte jedoch am heutigen Donnerstag in heftige Turbulenzen geraten: Der Bundesgerichtshof hat angekündigt, am 5. Oktober sein Urteil im sogenannten „Skonti-Streit“ zu verkünden. Die Wettbewerbszentrale hatte den Großhändler AEP verklagt, weil dieser bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln bis zu einem Herstellerabgabepreis von 70 Euro einen Nachlass von 5,5 Prozent (3% Rabatt und 2,5% Skonto) gewährt, bei Rx-Präparaten über 70 Euro 4,5 Prozent (2% Rabatt plus 2,5% Skonto). Die Wettbewerbszentrale ist jedoch der Auffassung, dass der Großhandel laut Arzneimittelpreisverordnung nur einen Nachlass auf seine variable Marge von 3,15 Prozent geben darf. Der Zuschlag von 70 Cent pro Packung sei ein Festzuschlag und deshalb nicht rabattierbar.

Am 22. Oktober 2015 entschied das Landgericht zugunsten von AEP. Skonto und Rabatt seien zwei unterschiedliche Dinge: Skonto sei die Belohnung für ein verkürztes Zahlungsziel und damit an eine Bedingung geknüpft. Das Nebeneinander von Rabatt und Skonti über die 3,15-Prozent-Grenze hinaus war für die Aschaffenburger Richter also kein Problem. Da die Wettbewerbszentrale den Streit als eine Art „Musterverfahren“ sah, ging sie in Berufung. Und das Oberlandesgericht Bamberg entschied am 29. Juni 2016 tatsächlich anders: Der Festzuschlag von 70 Cent sei ein Fixum, der durch keine Art von Preisnachlass – auch nicht durch Skonti – reduziert werden dürfe. Damit wiederum wollte sich AEP nicht abfinden – und so traf man sich vor dem Bundesgerichtshof.


Die größten Großhändler

Phoenix

Nach eigenen Angaben ist die Mannheimer Phoenix in Deutschland Marktführer im Pharmagroßhandel, auch wenn das Unternehmen keine gesonderten Umsatz- oder Kundenzahlen für den Großhandel in Deutschland veröffentlicht. Die Phoenix Group gehört zur Merckle-Unternehmensgruppe, zu der u. a. auch HeidelbergCement und der „Pistenbully“-Hersteller Kässbohrer gehören. Gegründet wurde Phoenix 1994 als Zusammenschluss der Großhandlungen F. Reichelt AG (Hamburg), Otto Stumpf GmbH (Berlin), Ferd. Schulze GmbH (Mannheim), Otto Stumpf AG (Nürnberg) und Hageda AG (Köln) durch den Ulmer Unternehmer und Ratiopharm-Gründer Adolf Merckle. Einen Teil der Unternehmen musste Merckle aber als Auflage des Kartellamts wieder abgeben. So entstand die heutige Hageda Stumpf in München. Phoenix wurde auf Anhieb Marktführer in Deutschland, eine Position, die sie bis heute halten konnte. Heute betreibt Phoenix in Deutschland 20 Niederlassungen, europaweit sind es 152 in 26 Ländern.

Phoenix Pharmahandel GmbH & Co. KG, Mannheim

Teil der Merckle-Unternehmensgruppe

Anzahl Niederlassungen: 20 Vertriebszentren (https://www.phoenix-online.de/kontakt/
vertriebsregionen)

Umsatz: in Deutschland im Geschäftsjahr 2016/17: 8,62 Mrd. Euro (für die ganze Phoenix-Gruppe. Der Anteil des Großhandels daran wird nicht ausgewiesen!)

Marktanteil: 28 Prozent (2015)

Vorstandsvorsitzender: Oliver Windholz

Apothekenkooperation Livplus (seit Juni), Linda

In Deutschland gehören zur Phoenix u. a. der Apothekensoftware-Anbieter ADG, der Pharma-Logistiker Transmed, das BlisterCenter in Aschaffenburg und eine eigene Apothekenkooperation, die seit Juni dieses Jahres Livplus heißt. Die „Vorgänger-Kooperation“ Midas (Management in deutschen Apotheken stärken) hatte rund 2000 Mitglieder. Eng arbeitet Phoenix auch mit dem Dachmarken-Konzept Linda (mit rund 1100 Apotheken) und dem dahinterstehenden Verein MVDA (über 3200 Mitglieder) zusammen.

Europaweit hat Phoenix seine Apothekenkooperationen unter dem Dach der Phoenix Pharmacy Partnership vereint. Ihr gehören insgesamt über 9000 Apotheken an. Dazu kommen in 13 Ländern über 2000 Phoenix-eigene Apotheken: In Estland, Lettland, Litauen, den Niederlanden, der Schweiz, Serbien und Ungarn unter dem Namen Benu. In der Slowakei und Tschechien wurden die kürzlich übernommenen Sunpharma-Apotheken ebenfalls in Benu umbenannt. In Norwegen (Apotek1), Montenegro (Apoteka Lijek) und Großbritannien (Rowlands) heißen die Apotheken anders. In Österreich betreibt Phoenix eine Beteiligungsgesellschaft namens Aesculap. In den Niederlanden betreibt Phoenix außerdem in einem Joint Venture mit McKesson die Mediq-Apotheken.

Noweda

Die Noweda wurde 1939 in Essen von sieben Apothekern als „Nordwestdeutsche Apothekergenossenschaft“ gegründet. Heute hat sie rund 8800 Mitglieder und ist hinter Phoenix die Nummer zwei im deutschen Markt. Sie ist ausschließlich im Eigentum von Apothekern, nur diese dürfen Genossenschaftsanteile erwerben.

Noweda Apothekergenossenschaft eG, Essen

Apothekereigene Genossenschaft

Niederlassungen: 21

Umsatz: 5,58 Mrd. Euro (Geschäftsjahr 2015/16)

Marktanteil: 21 Prozent (2017, inkl. Ebert + Jacobi)

Vorstandvorsitzender: Michael P. Kuck

Apothekenkooperation: keine

Die Noweda begreift sich selbst nicht nur als Großhändler für Apotheker, sondern auch als Interessenvertretung ihrer Mitglieder. So mischt sie sich auch immer wieder aktiv in die Gesundheitspolitik ein, zuletzt mit dem „May/Bauer/Dettling-Gutachten“ zur Gefährdung der Landapotheken nach dem EuGH-Urteil. Die Noweda hat auch lange Apotheken nicht beliefert, die einem Franchise-System wie Easy angehören. Man wolle der Kettenbildung keinen Vorschub leisten, hieß es zur Begründung.

Mit der Übernahme des bis dato größten Mitglieds des Pharma Privat-Verbunds, der Würzburger Ebert + Jacobi, zum Jahresbeginn und mit der Eröffnung einer Niederlassung in Böblingen nahe Stuttgart 2016 hat Noweda ihre Präsenz in Süddeutschland stark ausgebaut – und den Marktanteil deutschlandweit auf rund 21 Prozent gehoben.

Auch in den Jahren zuvor hat die Noweda mehrere Pharmagroßhändler im In- und Ausland erworben: 2008 die W. Kapferer KG in Mosbach mit insgesamt vier Niederlassungen, 2011 wurden rund 67 Prozent des luxemburgischen Großhändlers Comptoir Pharmaceutique Luxembourgeois S. A.(CPL) übernommen, zwei Jahre später 50 Prozent des Schweizer Pharmagroßhandelsunternehmens Pharma­Focus.

Als einziger der „großen 5“ betreibt die Noweda kein Kooperationskonzept für Apotheken. Durch das genossenschaftliche Modell sei sie an sich schon eine Apothekenkooperation – und zwar die größte in Deutschland, betonte der langjäh­rige Vorstandschef Wilfried Hollmann immer wieder.

Gehe

Gehe gehört zum US-Pharmagroßhandelskonzern McKesson, der die Gehe-Mutter Celesio 2014 übernommen hat. Celesio war vorher hauptsächlich im Besitz der Familie Haniel, zu deren Mischkonzern auch die Metro-AG gehört. Im August 2017 hat die Hauptversammlung beschlossen, die Celesio AG in McKesson Europe umzubenennen.

Die pharmazeutische Großhandlung Gehe geht auf die 1835 in Dresden gegründete „Drogerie- und Farbwarenhandlung“ von Franz Ludwig Gehe zurück. Nach dem Krieg wird der Sitz nach München, 1981 dann nach Stuttgart verlegt. Aus der 1993 gegründeten Gehe Holding wird 2003 die Celesio AG – das Großhandelsgeschäft in Deutschland wird aber bis heute unter dem Namen Gehe betrieben.

Für großen Ärger unter den deutschen Apothekern sorgte 2007 die Übernahme der holländischen Versandapotheke DocMorris. In der Folge versuchte Celesio, die Marke DocMorris als Kooperationskonzept für deutsche Apotheken einzuführen, kam aber nie auch nur annähernd an die angestrebten 500 Apotheken heran. 2012 verkaufte Celesio DocMorris an die Schweizer Zur Rose AG. Das Apothekenkonzept wurde noch bis 2014 halbherzig weitergeführt.

Gehe Pharma Handel GmbH, Stuttgart

Gehört zur McKesson Europe AG (bis August: Celesio AG)

Niederlassungen: 19

Umsatz: Der Celesio-Konzern machte im Geschäftsjahr 2016/17 einen Gesamtumsatz von 20,64 Mrd. Euro. Laut Geschäftsbericht entfielen davon 22,9 Prozent auf Deutschland, das entspricht rund 4,73 Mrd. Euro.

Marktanteil: 16 Prozent (2015)

Geschäftsführer: André Blümel (Vorstandsvorsitzender McKesson Europe: Brian S. Tyler)

Apothekenkooperation: gesund leben und Gehe Spa

Celesio/McKesson ist in 13 europäischen Ländern aktiv und betreibt über 2100 eigene Apotheken in vier Ländern: Großbritannien, Irland (Lloyds), Niederlande (Mediq, Joint Venture mit Phoenix) und einige Kommunalapotheken in Italien. In weiteren Ländern gibt es Lloyds-Apotheken als Kooperations- oder Franchisekonzept, in Deutschland konnte sich der Name aber nicht durchsetzen.

In Deutschland betreibt Gehe die Apothekenkooperation gesund leben mit insgesamt 2300 Apotheken. Sie ist damit nach eigenen Angaben die stärkste Apothekenkooperation in Deutschland. Apotheken können unter verschiedenen Kooperationsstufen wählen, bis hin zur Dachmarke. Außerdem bieten die Stuttgarter mit Gehe Spa eine „exklusive Service-Partnerschaft“ mit erweiterten Großhandelsleistungen an.

Sanacorp

Sanacorp ist ein genossenschaftlicher Großhändler, doch die Eigentümerstruktur ist durchaus komplex: Die Sanacorp Pharmahandel GmbH, die den Großhandel in Deutschland betreibt, ist zu 100 Prozent im Eigentum der Sanastera S.p.A. in Italien, der auch apothekereigenen Großhandelsunternehmen in Frankreich (CERP Rouen SAS) und Belgien (CERP SA) gehören. Die Sanastera wiederum gehört zu 50 Prozent der Sanacorp Pharmaholding, einer 100-prozentigen Tochter der Sanacorp eG pharmazeutische Großhandlung – der eigentlichen deutschen Genossenschaft. Diese hat rund 7700 Genossenschaftsmitglieder, der 100 Prozent der Stimmen in Form von vinkulierten Namensaktien zustehen. Dazu kommen Vorteilsaktien ohne Stimmrecht. Die übrigen 50 Prozent der Sanastera hält die französische Apothekergenossenschaft Astera SA.

Die Sanacorp geht auf die 1924 in Esslingen gegründete Apothekergenossenschaft Einkaufsgenossenschaft Württembergischer Apotheker EGWA und die 1959 gegründete WIVEDA zurück, die 1990 fusionierten und sich zwei Jahre später in Sanacorp umbenannten. 2008 übernahm Sanacorp die Düsseldorfer Großhandlung von der Linde, die 2010 vollständig integriert wurde.

Sanacorp Pharma­handel GmbH, Planegg

Teil der Sanastera S.p.A., Italien, die wiederum Apothekergenossenschaften aus Deutschland (Sanacorp eG) und Frankreich (Astera SA) gehört

Niederlassungen: 16

Umsatz: 4,4 Mrd. Euro (2016)

Marktanteil: 15 Prozent (2015)

Vorstandsvorsitzender: Herbert Lang

Apothekenkooperation: mea – meine Apotheke und emk (Einkaufs- und Marketingkooperation)

Nach eigenen Angaben versorgt die Sanacorp aus 16 Niederlassungen rund 8000 Apotheken in ganz Deutschland. Für das dritte Quartal 2018 ist die Eröffung der 17. Niederlassung in Hürth (NRW) geplant.

Die Sanacorp betreibt die Apothekenkooperationen mea – meine Apotheke und emk (Einkaufs- und Marketingkooperation). Die mea hat nach eigenen Angaben rund 1500 Mitglieder in Deutschland, die auch für die Kunden als mea-Apotheken erkennbar sein sollen. Die emk dagegen tritt gegenüber dem Kunden nicht in Erscheinung.

Alliance Healthcare Deutschland

Alliance Healthcare Deutschland (AHD) ist aus dem Pharmagroßhändler Anzag (Andreae Noris Zahn) hervorgegangen, der selbst eine wechselvolle Geschichte hat. Die Anzag geht zurück auf eine Fusion der Farb- und Materialwarenhandlung J. M. Andreae AG, Frankfurt/M. mit der Noris Zahn & Cie GmbH, Nürnberg zur Andreae-Noris Zahn AG mit Sitz in Frankfurt/M. im Jahr 1923. 2006 scheiterte nach jahrelangen Gerichtsverfahren die geplante Übernahme der Anzag durch die Sanacorp endgültig, in der Folge stiegen Celesio und Phoenix mit bei der Anzag ein.

2010 übernahm dann der Großhandels- und Apothekenkonzern Alliance Boots des Italieners Stefano Pessina die Anteile von Celesio, Phoenix und Sanacorp. Pessina, der zuvor bereits etwa 30 Prozent an der Anzag gehalten hatte, steigerte seinen Anteil dadurch auf knapp über 80 Prozent. 2012 übernahm Alliance Boots auch die restlichen Anteile und benannte die Anzag schließlich 2013 in Alliance Healthcare Deutschland um.

Pessina formte derweil aus Alliance Boots den „ersten weltweit operierenden Apotheken-gesteuerten Pharmahandelskonzern“: Walgreens Boots Alliance (WBA). In den USA mausert sich WBA gerade zum Betreiber der größten Apothekenkette, nachdem die Wettbewerbsbehörde FTC die Übernahme eines Großteils der Rite Aid-Apotheken durch Walgreens Ende September im vierten Anlauf genehmigt hat. Auch in Europa betreibt WBA eigene Apotheken: in Großbritannien 2500 und Irland 84 Boots-Apotheken, dazu kommen konzerneigene Apotheken in den Niederlanden, Litauen und Norwegen.

In Deutschland dagegen scheint WBA bisher wenig Fortune zu haben: ein häufig wechselndes Führungsteam, keine Fortschritte bei Umsatz oder Marktanteilen und viele Apotheker, die sich noch immer nicht an die neuen Eigentümer gewöhnt haben und weiterhin von „Anzag“ sprechen. Auch bei der Eingliederung der „alten“ Anzag-Kooperation Vivesco in das europäische Alliance-Apotheken-Netzwerk Alphega kam es zu Verwerfungen, viele langjährige Vivesco-Mitglieder verließen die Kooperation. Inzwischen hat sich die Mitgliederzahl jedoch wieder erhöht.

Mit 25 Niederlassungen betreibt AHD sehr viele Läger, Branchenkenner meinen, angesichts des Marktanteils seien es zu viele. Umsatz- oder Kundenzahlen veröffentlicht AHD für Deutschland nicht, der letzte Anzag-Geschäftsbericht 2011/12 spricht von 4,6 Milliarden Euro Jahresumsatz. Der Gesamtkonzern WBA hat 2016 rund 117 Milliarden US-Dollar umgesetzt, wegen der komplexen Konzernstruktur ist es praktisch unmöglich, die Zahlen auf den deutschen Großhandel herunterzubrechen. Branchenexperten gehen aber davon aus, dass AHD in den letzten Jahren Kunden verloren und heute einen Marktanteil unter 14 Prozent hat.

Alliance Healthcare Deutschland AG, Frankfurt/M.

Gehört zum multinationalen Pharmahandels- und Apothekenkonzern Walgreens Boots Alliance

Niederlassungen: 25

Umsatz: 4,6 Mrd. Euro (2011/12, neuere Zahlen sind nicht veröffentlicht)

Marktanteil: 14 Prozent (2015)

Vorstandsvorsitzender: Stefan Syrèn

Apothekenkooperation: Alphega

Die AHD-Mutter Alliance Healthcare betreibt europaweit das Apothekennetzwerk Alphega mit über 6100 Mitgliedern in neun Ländern. 2014 wurde auch die 2004 gegründete Anzag-Kooperation Vivesco in Alphega umbenannt und in das Netzwerk eingegliedert. Alphega hat in Deutschland über 1700 Mitglieder.

Pharma Privat

Pharma Privat ist eine Kooperation der inhabergeführten Pharmagroßhandlungen Max Jenne, Richard Kehr, Kehr Holdermann, Kehr Berlin, Otto Geilenkirchen, Krieger, Fiebig und Fiebig Ebert + Jakobi. Diese Kooperation soll die Verbindung aus regionaler Verwurzelung und bundesweiter Flächendeckung ermöglichen. Allerdings hat die Zahl der inhabergeführten Großhandlungen in den letzten Jahren abgenommen, zum einen durch Fusionen wie der zwischen Ebert + Jacobi Holdermann und Leopold Fiebig 2014, zum anderen durch Übernahmen. So übernahm die Noweda im vergangenen Jahr mit Ebert + Jacobi ausgerechnet den größten Pharma Privat-Gesellschafter.

Pharma Privat GmbH

Kooperation acht inhabergeführter Pharmagroßhandlungen

Niederlassungen: Insgesamt 11 Niederlassungen

Umsatz: ca. 1,8 Mrd. Euro

Marktanteil: 6 Prozent

Geschäftsführer: Hanns-Heinrich Kehr (Geschäftsführer von Richard Kehr)

Apothekenkooperation: Wave

Die Pharma Privat-Mitglieder sind Familienunternehmen (oder Joint Ventures von Familienunternehmen), deren Geschichten bis weit vor den Krieg zurückreichen. Richard Kehr gründete seine Großhandlung 1924, Krieger geht auf eine 1802 gegründete Drogerie zurück, Otto Geilenkirchen gründete seine „Drogen- und Chemikaliengroßhandlung“ 1926, um nur drei Beispiele zu nennen.

Gegründet wurde der Verbund der privaten Pharmagroßhandlungen 1984 unter dem Namen „PML-Pharma-Marketing und Logistik GmbH“ und hatte damals noch über 20 Gesellschafter. Ziel der Kooperation war es, die Gesellschafter auf den Gebieten Einkauf, Verkauf, Organisation, Kooperation, Werbung und Service im Pharma-Handel zu fördern und zu unterstützen. 2009 wurde aus der PML die Pharma Privat GmbH, auch um zum Ausdruck zu bringen, dass man deutlich enger zusammenarbeitet als früher.

Heute haben die verbliebenen acht Mitgliedsunternehmen insgesamt elf Niederlassungen, die rund 4500 Apotheken beliefern. Das Ausscheiden von Ebert + Jacobi zum Jahresbeginn schmerzt die Kooperation. Laut Pharma Privat-Geschäftsführer Hanns-Heinrich Kehr war Ebert + Jacobi für fast ein Drittel des Pharma Privat-Gesamtumsatzes von rund 2,4 Milliarden Euro verantwortlich. Daraus folgt, dass auch ein gutes Drittel des Marktanteils von ehemals rund 9 Prozent verloren gegangen sein dürfte. Demnach käme Pharma Privat heute auf einen Anteil von etwa 6 Prozent im deutschen Pharmagroßhandelsmarkt.

Im Juni dieses Jahres hat Pharma Privat seine Kooperationskonzepte E-plus (rund 1700 Mitglieder) und A-plus (250 Mitglieder) umgestellt: Wave heißt das neue Konzept, das es in drei Stufen gibt: „Basic“, „Comfort“ und „Plus“.

AEP

Ein komplett anderes Konzept als die etablierte Konkurrenz verfolgt der erst 2013 gegründete Großhändler AEP direkt, der sich heute nur noch AEP nennt. Statt auf eine große Anzahl Niederlassungen setzt AEP auf ein Zentrallager, statt eigener Fahrer, die die Apotheken mehrfach am Tag beliefern, auf eine Kooperation mit dem Paketdienst Trans-o-flex. Am Vortag bestellte Arzneimittel werden durch Trans-o-flex über Nacht deutschlandweit ausgeliefert. Sie sind, so verspricht es AEP, bis 12 Uhr in der Apotheke. Ein weiterer großer Unterschied: Statt individuell ausgehandelter Rabatte, Skonti und Gebühren (und Leistungen) setzt AEP auf Einheitskonditionen für alle Kunden.

Geschäftsführer Jens Graefe verglich AEP kurz nach dem Start mit der Hotelkette „Motel One“: Man wolle mit konsequentem Verzicht auf allen Schnickschnack den Markt aufmischen. Die etablierten Großhändler reagierten mit demonstrativer Gelassenheit. Gehe-Chef André Blümel bezeichnete AEP in einem Interview mit der DAZ im Juli 2014 z. B. als „Paketlieferdienst mit angeschlossenem Großhandelslager und Lieferung am Folgetag“. Wenn die Präsenzapotheken ihre Patienten schneller versorgen wollten als Versandapotheken, nämlich am selben Tag, reiche eine Lieferung am Folgetag aber nicht aus.

AEP GmbH, Alzenau

Umsatz: keine Angaben. Nach eigenen Angaben hat AEP 4000 Kunden.

Niederlassungen: 1

Marktanteil: unbekannt

Geschäftsführung: Jens Graefe, Tobias Zimmermann, Dr. Martin Arnegger

Apothekenkooperation: keine

AEP gehört einer Gruppe von Privatinvestoren, unter ihnen der ehemalige österreichische Wirtschaftsminister Dr. Martin Bartenstein sowie der Berliner Unternehmensberater und Honorarkonsul Dr. Nikolaus Fuchs. Auch der ehemalige Celesio-Vorstandsvorsitzende Fritz Oesterle hält über eine Beteiligungsgesellschaft einen kleinen Anteil. Größter Eigentümer ist mit 40 Prozent aber die österreichische Post, die bis 2016 auch Eigentümerin des Paketdienstes Trans-o-flex war.

Umsatzzahlen nennt AEP keine, die österreichische Post lässt lediglich verlauten, man weise grundsätzlich keine Zahlen von Tochterunternehmen aus. AEP selbst nennt die Zahl von 4000 Kunden in ganz Deutschland – was jedoch von Branchenkennern immer wieder bezweifelt wird. Das Unternehmen verrät auch nicht, wie oft bzw. regelmäßig diese Apotheken beliefert werden – oder wurden. Anfang 2016 prognostizierte AEP-Chef Graefe im Gespräch mit der AZ, dass man 2016 über eine halbe Milliarde Euro Umsatz machen werde. (AZ 2016, Nr. 4, S. 5: „Wir sind das Enfant terrible, aber ­keine Prozess-Hansel“). |

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