Arzneimittel und Therapie

Keine Angst vor vaginalem Estrogen

Risiko für Karzinome und kardiovaskuläre Erkrankungen bleibt unverändert

Urogenitale Beschwerden sind in der Postmenopause häufig und schränken betroffene Frauen in ihrer Lebensqualität erheblich ein. Eine äußerst wirksame Therapieoption ist die vaginale Östrogenisierung. Sicher ist sie auch: Das Risiko für Karzinome und kardiovaskuläre Erkrankungen erhöht sich unter der lokalen Therapie nicht – zum Teil wird es sogar reduziert.

Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle prospektive Beobachtungsstudie [1]. In dieser Studie wurden Daten aus der WHI-OS (Women‘s Health Initia­tive Observational Study) von über 45.000 Frauen, mit und ohne Hysterektomie, neu ausgewertet.

Genitales Menopausen-Syndrom

Estrogen-Mangel in den Wechseljahren kann nicht nur zu Hitzewallungen und Schlafstörungen führen. 20 bis 45% der Frauen entwickeln zusätzlich oder auch „nur“ ein urogenitales Menopausen-Syndrom mit Trockenheit, Brennen und Irritationen im Genitalbereich, mangelnde Lubrifikation und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr sowie Harndrang, Dysurie und rezidivierende Harnwegsinfekte. Die anatomisch zugrunde liegende Genital-Atrophie kann die Lebensqualität der Frauen also erheblich beeinträchtigen. Die langfristige vaginale Applikation von niedrig dosiertem Estrogen – etwa in Form von Cremes, Zäpfchen oder auch als Intravaginalring – kann diese Beschwerden wirksam lindern. Einem aktuellen Cochrane Review zufolge scheinen alle Formulierungen ähnlich wirksam und sicher zu sein [2]. Bleibt die Frage, ob die vaginale Estrogen-Applikation ein ähnliches Nutzen/Risiko-Profil hat wie die systemische. Eine finnische Beobachtungsstudie zeigte, dass das Brustkrebsrisiko bei Anwenderinnen von niedrig dosiertem vaginalem Estrogen nicht erhöht ist [3]. Eine schwedische Fall-Kontroll-Studie kam zu dem Ergebnis, dass das Risiko für Hüftfrakturen unter einer vaginalen Östrogenisierung geringer ist als ohne [4]. Und auch die Gefahr venöser Thromboembolien scheint nicht erhöht zu sein [5].

Foto: Dmitry Lobanov – stock.adobe.com

Daten von über 45.000 Frauen

Neue Antworten zu Sicherheitsfragen liefert nun eine groß angelegte Analyse von Daten der prospektiven WHI-OS (Women‘s Health Initiative Observational Study) [1]. Hier wurden 45.663 Frauen im Alter zwischen 50 und 79 Jahren über einen medianen Beobachtungszeitraum von 7,2 Jahren beobachtet. Davon waren 14.133 hysterektomiert. Keine dieser Frauen hatte eine systemische Estrogen-Therapie erhalten. Von den 32.433 Frauen mit intaktem Uterus verwendeten 3.003 Frauen ein vaginales Estrogen, von den hysterektomierten Frauen 1.207. Die Frauen, die während der Beobachtungszeit mit einer vaginalen Estrogen-Therapie begannen, führten diese im Mittel über zwei Jahre fort. Frauen, die schon bei Einschluss in die Studie Estrogen vaginal applizierten, beendeten die Therapie durchschnittlich nach drei Jahren.

Der Einfluss der vaginalen Estrogen-Therapie auf das Gesamtrisiko sowie auf die einzelnen Risiken wurde im Vergleich zur Nicht-Anwendung untersucht. Erfasst wurden die „Global Index Events“ (GIE), also das erstmalige Auftreten von koronarer Herzkrankheit, invasivem Mammakarzinom, Schlaganfall, Lungenembolie, Hüftfraktur, kolorektalem Karzinom, Endometriumkarzinom oder Tod jeglicher Ursache.

Geringeres Hüftfraktur-Risiko

Das Ergebnis: Weder das kardiovaskuläre Risiko noch das Risiko für eine Krebserkrankung waren bei Anwenderinnen gegenüber Nicht-Anwenderinnen zusätzlich erhöht.

Nach Adjustierung an verschiedene Risikofaktoren wie Rauchen, erhöhten BMI oder eine positive kardiovaskuläre Anamnese war die Wahrscheinlichkeit für ein invasives Mammakarzinom, Schlaganfall, Tod, kolorektales Karzinom und venöse Thromboembolien bei Anwenderinnen und Nicht-Anwenderinnen ähnlich. Das Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis war zudem um 48% (aHR (adjustierte Hazard Ratio): 0,52) und die Gefahr einer Hüftfraktur um 60% (aHR 0,40) reduziert. Auch die unter dem Global Index Events (GIE) subsummierten Risiken waren nach vaginaler Estrogen-Therapie niedriger (aHR 0,76).

Hysterektomie ohne Einfluss

Eine Hysterektomie scheint auf das Therapie-Risiko keinen Einfluss zu haben. Anwenderinnen mit intaktem Uterus profitieren aber möglicherweise mehr von der Therapie. So war das Risiko für bestimmte Parameter bei ihnen signifikant niedriger als bei Nicht-Anwenderinnen:

GIE (aHR 0,68), Tod (aHR 0,62), koronare Herzkrankheit (aHR 0,39) und Hüftfraktur (aHR 0,40). |

Literatur

[1] Crandall CJ et al. Breast cancer, endometrial cancer and cardiovascular events in participants who used vaginal estrogen in the Women’s Health Initiative Observational Study. Menopause 2017; DOI: 10.1097/GME.0000000000000956

[2] Lethaby A, Ayeleke RO, Roberts H. Local oestrogen for vaginal atrophy in postmenopausal women. Cochrane Database Syst Rev 2016;8:CD001500. doi:10.1002/14651858.CD001500.pub3.

[3] Lyytinen H, Pukkala E, Ylikorkala O. Breast cancer risk in postmenopausal women using estrogen-only therapy. Obstet Gynecol 2006;108(6):1354-1360

[4] Michaelsson K et al. Use of low potency estrogens does not reduce the risk of hip fracture. Bone 2002;30(4):613-618

[5] American College of Obstetricians and Gynecologists. Committee Opinion No. 556: Postmenopausal estrogen therapy: route of administration and risk of venous thromboembolism. Obstet Gynecol 2013;121(4): 887-890

Apothekerin Dr. Beate Fessler


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