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Andorn – Arzneipflanze des Jahres 2018
Seine Bitterstoffe wirken auch in den Bronchien
Im Mittelmeerraum beheimatet, findet sich der Andorn (Marrubium vulgare, Lamiaceae) wegen des früher weit verbreiteten Anbaus heute auch nördlich der Alpen bis Südskandinavien als Neophyt an warmen und trockenen Standorten. Mit seinen kugeligen, vielblütigen Scheinquirlen steht er zwischen Ackerminze und Melisse; seine Blätter sind jedoch kleiner, rundlich bis herzförmig, oberseits runzlig und unterseits stark filzig behaart. Die unverzweigten Stängel werden bis zu 80 cm hoch. Walahfrid Strabo, Abt des Benediktinerklosters Reichenau bei Konstanz, schrieb über ihn in seinem Lehrgedicht „Hortulus“ (um 840): „Er duftet süß, schmeckt aber scharf.“
Bitterstoffe als Wirkprinzip
Untypisch für Lippenblütler sticht das Kraut des Andorns durch seine kräftigen Diterpen-Bitterstoffe (Marrubiin u. a.) hervor. Ansonsten ist es reich an Lamiaceen-Gerbstoffen und Flavonoiden, aber arm an ätherischem Öl. Es wird traditionell zur Schleimlösung bei Bronchialkatarrhen sowie als Amarum bei Verdauungsbeschwerden und Appetitlosigkeit eingesetzt. Andorn-haltige Fertigarzneimittel sind Angocin® Bronchialtropfen, Weleda Hustenelixier und ein Presssaft (Schoenenberger). Zudem kann das Kraut als Tee (Aufguss) zubereitet werden.
Die Bedeutung von Bitterstoffen für den menschlichen Körper zeigt sich darin, dass uns die Natur mit jeweils nur einem einzigen Geschmacksrezeptortyp für süß, salzig, sauer und umami (Glutamat), aber mit 25 Bitterstoffrezeptortypen ausgestattet hat, mit denen wir theoretisch tausende Bitterstoffe voneinander unterscheiden können. Bitterstoffrezeptoren sind nicht nur auf der Zunge, im Mund und Rachen lokalisiert, sondern wurden auch auf den Zellen der glatten Muskulatur in Bronchien gefunden. Dort verursacht ihre Aktivierung eine Erweiterung von krankhaft verengten Bronchien (z. B. bei Erkältungen) und stärkt das Immunsystem – sowohl bei akuten Erkrankungen als auch prophylaktisch.
Als Amarum wirkt Andornkraut choleretisch, d. h. es fördert den Gallenfluss, was seine positiven Effekte bei Verdauungsbeschwerden erklärt.
Kulturgeschichtlich ist der Andorn eine hochinteressante Pflanze, die auch unter medizinischen Aspekten wohl zu Unrecht (fast) in Vergessenheit geraten ist. Neue Forschungen wären erforderlich, um sein therapeutisches Potenzial auszuloten und praktisch anwenden zu können.
Was wohl nie geklärt werden wird, ist die Bedeutung des deutschen Namens; die naheliegende Übersetzung „ohne Dorn“ ist laut Heinrich Marzell („Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen“) „unannehmbar“, aber auch verschiedene andere Deutungen konnten nicht überzeugen. |
Literatur beim Verfasser über www.klostermedizin.de
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