Prisma

Delle im Indischen Ozean

Neue Theorie für geophysikalisches Rätsel

cae | Fährt ein Schiff vom Suezkanal nach Singapur, durchquert es südlich von Indien eine 100 m tiefe Delle. Woher kommt diese Anomalie?

Das Bild von der Erde hat sich im Laufe der Zeit mehrmals gewandelt: von der Scheibe zur runden Kugel, dann zum Ellipsoid mit abgeflachten Polen und schließlich zum unregelmäßig geformten Geoid. Während die Abflachung der Pole aus der hier fehlenden Fliehkraft resultiert und beim Erdradius einen Unterschied von 21 km bewirkt (Pol 6357 km, Äquator 6378 km), sind die Unregelmäßigkeiten des Geoids eine Folge der regional unterschied­lichen Masse oder Dichte des Erdmantels, die wiederum auf die jeweils dort vorherrschenden Gesteine und Magmen zurückzuführen ist. So ist der ­basische, alkalireiche Basalt um über zehn Prozent dichter als der saure, ­siliciumreiche Granit. Ähnliches gilt für die unterhalb der Erdkruste be­findlichen Gesteinsschmelzen.

Grafik: Science Photo Library / ESA / GOCE
Unterschiedliche Gravitation in der östlichen Hemisphäredes Globus (Angaben in Milligal): Zwischen den „Hochs“ bei Island (links oben) und Neu­guinea (rechts) liegt das „Tief“ im Indischen Ozean. – Rechts: Breitengrade. ­Größenverzerrung durch Mercator-Projektion.

Die inhomogene Masseverteilung im Erdmantel bewirkt meistens nur eine Abweichung um bis zu 0,02 Gal vom Mittelwert (1000 Gal entsprechen der mittleren Schwerkraft von 9,81 m/s2). Die flächenmäßig größte Ausnahme bildet die Meeresregion südlich von Indien und Sri Lanka: Eine um 0,1 Gal geringere Gravitation verursacht dort das „Indian Ocean Geoid Low“ (IOGL), eine über 100 m tiefe „Delle“ im Meeresspiegel, die allerdings weder mit den Augen wahrnehmbar noch bei einer Schifffahrt erfahrbar ist. Auch auf geografischen Karten sind solche Abweichungen nicht abgebildet, weil sich Höhenmessungen jeweils auf einen Meeresspiegel und seine Mess­station (Pegel) beziehen.

Bisher wurde das IOGL damit erklärt, dass die relativ leichte Erdkruste dort besonders tief in das schwere Magma des Erdmantels hineinreicht, etwa wie in den Alpen, wo die Gravitation stellenweise 0,2 Gal geringer ist. Doch aktuelle geophysikalische Untersuchungen sprechen dafür, dass sich unter dem IOGL in 300 bis 900 km Tiefe ein besonders leichtes Magma befindet, das aus größeren Tiefen unter Ost­afrika aufgestiegen und durch eine ­horizontale Strömung an die gegenwärtige Position gelangt ist. |

Quelle

Ghosh A et al. The Importance of Upper Mantle Heterogeneity in Generating the Indian Ocean Geoid Low. Geophys Res Lett; Epub 14.10.2017

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