Recht

Einfach zurückschicken?

Widerrufsrecht der Verbraucher im Arzneimittelversandhandel

Von Elmar J. Mand | Wenn ein Verbraucher Waren im Versandhandel bezieht, hat er ein gesetzliches Widerrufsrecht: Innerhalb von 14 Tagen kann er den Kauf widerrufen und die Ware zurückgeben, weswegen diese Regelung oft auch als „Rückgaberecht“ bezeichnet wird. Wie aber sieht es bei Arzneimitteln mit diesem Widerrufsrecht aus – müssen Versandapotheken Arzneimittel zurücknehmen?

Im Jahr 2013 hat der Gesetzgeber die Regelungen über Fernabsatzverträge im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und damit auch die Bestimmungen zum Widerrufsrecht neu gefasst. Nötig machte das die EU-Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU, die er in nationales Recht umzusetzen hatte. Leider verzichtete er erneut auf eine explizite Regelung zum Arzneimittelversandhandel. Was bedeutet das nun für die Versandapotheken und für Verbraucher, die Arzneimittel zurückgeben wollen?

Auch nach der Änderung im BGB ist nicht eindeutig geklärt, ob Versandapotheken das grundsätzlich zweiwöchige Widerrufsrecht für Verbraucher generell ausschließen können oder nicht. Doch das Landgericht Konstanz (Urteil vom 28.4.2017, Az.: C 6 O 183/16) und das Oberlandesgericht Naumburg (Urteil vom 22.06.2017, Az.: 9 U 19/17, siehe auch AZ 2017, Nr. 31, S. 1) haben diese Frage auf der Grundlage des neuen Fernabsatzrechts nunmehr verneint. Dem dürfte im Ergebnis zu folgen sein.

Ein Ausschluss des Widerrufs – egal ob in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder individuell vereinbart – ist nur in den gesetzlich bestimmten Fällen erlaubt (§ 312k Abs. 1 BGB, s. Kasten). Bisher passte für Arzneimittel eine gesetzliche Ausnahme der alten BGB-Fassung. Danach war – sprachlich und inhaltlich unscharf – ein Widerrufsausschluss bereits dann erlaubt, wenn sich die betreffende Ware nicht zur Rücksendung eignete. Gemeint war damit, dass sie nicht für eine Wiederveräußerung durch den Unternehmer geeignet war. Von einer solchen Ungeeignetheit ist bei Arzneimitteln auszugehen, da diese jedenfalls nach einer Rücksendung durch den Patienten nicht mehr erneut abgegeben werden dürfen.

§ 312g BGB (Auszug)

(1) Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatz­verträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu.

(2) Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:

1. Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind,

2. Verträge zur Lieferung von Waren, die schnell ver­derben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde,

3. Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde, (…)

Leider hat der Gesetzgeber diese unscharfe Regelung gestrichen und stattdessen eine neue Ausnahmebestimmung eingeführt (§ 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB). Diese verlangt nicht nur, dass die Ware aus Gründen der Hygiene oder des Gesundheitsschutzes zur Rücksendung ungeeignet ist. Nötig ist zusätzlich eine Versiegelung, welche dem Verbraucher den drohenden Wegfall seiner Rechte vor Augen führt. Zudem entfällt das Widerrufsrecht nicht per se, sondern nur dann, wenn der Verbraucher das Siegel tatsächlich entfernt oder irreversibel beschädigt. Selbst wenn die Apotheke das Arzneimittel versiegelte, was zulässig wäre, oder ein bereits versiegeltes Arzneimittel abgäbe, könnte der Verbraucher also noch widerrufen, solange er das Siegel unversehrt lässt. Die Vorschrift beschränkt das Widerrufsrecht daher nur wenig.

Angesichts dieser speziellen Regelung ist es zugleich ausgeschlossen, auf den allgemeinen Ausnahmetatbestand des § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB abzustellen. Danach besteht kein Widerrufsrecht bei Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde. Die Regelung passt bereits sprachlich nicht für Arznei­mittel, sondern ist auf Lebensmittel zugeschnitten. Der juristische Kunstgriff, mit Blick auf die Unverkäuflichkeit retournierter Arzneimittel von einem „rechtlichen Verderben“ auszugehen, scheint denn doch zu artifiziell. Er ver­bietet sich jedenfalls aus anderen Auslegungsgrundsätzen: Bei § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, die eng auszulegen ist. Weiterhin dürfen die zusätzlichen Voraussetzungen der neuen Nr. 3 (Versiegelung und Siegelbruch) nicht umgangen werden, indem man die Unverkäuflichkeit generell dem Verderben der Ware gleichstellt. Schließlich hat sich der Gesetzgeber in der Begründung zum Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie explizit gegen einen solch weiten Ausschluss des Widerrufsrechts im Arzneimittel-Versandhandel ausgesprochen.

Auch die weiteren genannten Ausnahmen vom Widerrufsrecht finden im Arzneimittelversand­handel regelmäßig keine Anwendung. Lediglich Rezepturarzneimittel sind nach § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB nicht retournierbar, da es sich um eine individualisierte, prinzipiell einmalige Ware handelt. Bereits Defekturarzneimittel und erst recht übliche industrielle Fertigarzneimittel fallen aber nicht unter diese Regelung.

Schluss mit findiger Gesetzesauslegung

Damit ist nach dem neuen Fernabsatzrecht im Regelfall von einem zwingenden Widerrufsrecht der Verbraucher auszugehen. Dieses belastet die Versandapotheken angesichts der Unverkäuflichkeit zurückgesandter Arzneimittel schwer. Zudem unterliegen Versandapotheken einem Kontrahierungszwang, weshalb sie sich gegen Viel-Retournierer kaum angemessen wehren können. Auf der anderen Seite ist der Verbraucher auch ohne Widerrufsrecht bereits geschützt: im Rx-Segment durch die Verschreibung des Arztes, im OTC-Segment durch die umfassende, ggf. auch proaktive Beratungspflicht der Versandapotheken. Darüber hinaus gilt für alle Arzneimittel selbst in Präsenzapotheken das Verbot der Selbstbedienung. Eine umfassende Prüfungsmöglichkeit der Ware, die im Fernabsatz mit dem Widerrufsrecht erst geschaffen werden soll, besteht daher generell nur in eingeschränktem Umfang. Vor diesem Hintergrund dürften, wie auch das OLG Naumburg feststellt, gute Gründe dafür sprechen, das Widerrufsrecht im Arzneimittelversandhandel auszuschließen. Dies wäre jedoch eine Aufgabe des Gesetzgebers gewesen. Durch eine findige Auslegung des geltenden Rechts lässt sich das Ergebnis nicht (mehr) erreichen. |

Autor

Dr. Elmar Mand ist Leiter der Nachwuchsforschergruppe für Zivilrecht und Gesundheitsrecht sowie Mitglied der Forschungsstelle für Pharmarecht an der Philipps-Universität Marburg.

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