Aus den Ländern

Viele Herausforderungen für Apotheken

Hamburger Apothekerverein: Jörn Graue wiedergewählt

HAMBURG (tmb) | Bei der Mitgliederversammlung des Hamburger Apothekervereins am 22. November erläuterte der Vereinsvorsitzende Dr. Jörn Graue in einem rhetorisch beeindruckenden Vortrag vielfältige Entwicklungen rund um die Apotheken. Neben der politischen Lage waren Retaxationen, Rechtsstreitigkeiten mit den Krankenkassen und bürokratische Herausforderungen wesentliche Aspekte.

Bei den politischen Themen standen das lange Warten auf das Rx-Versandverbot und mögliche andere Reaktionen auf das EuGH-Urteil im Mittelpunkt. Außerdem kritisierte Graue den Vorschlag, für eine neue Apothekenhonorierung aus dem derzeitigen Honorar etwas wegzunehmen, um es anders zu verteilen (siehe AZ 2017, Nr. 48, S. 8). Dagegen begrüßte Graue das Skonti-Urteil des BGH. Die dort verworfene Position des OLG Bamberg wäre für sehr viele Apotheken einem „Todesurteil“ gleichgekommen, erklärte Graue. Ihm fehle jedes Verständnis dafür, nun „Nachbesserungen“ an den Preisvorschriften zu fordern. Den Großhändlern rief er zu: „Rabatte sind doch nichts Neues.“

Ärger mit den Krankenkassen

Trotz der Schiedsstellenentscheidung, dass formale Rezeptfehler nicht zu Retaxationen führen sollten, konstatierte Graue weiterhin „nicht enden wollende Retaxationswellen“. Offensichtlich würden einige Kassen „nach neuen Retaxations-Pfründen Ausschau halten“. „In mühevollen Gesprächen haben wir immer wieder versucht, den Auslegungskapriolen zu widersprechen“, erklärte Graue. Außerdem berichtete Graue, dass der Hamburger Apothekerverein gegen die DAK prozessiere, weil sie ihrer Mitgliederzeitschrift einen Flyer einer niederländischen Versandapotheke beigefügt habe. Der Apothekerverein sehe das im Arzneiliefervertrag festgelegte Neutralitätsgebot verletzt, während die Krankenkasse mittelbare Werbung davon nicht betroffen sehe. Für die Klärung sei mit einem längeren ­Instanzenweg zu rechnen.

Über einen Erfolg berichtete Graue bezüglich des Rechtsstreits gegen die City BKK, den der Apothekerverein 2005 begonnen und 2015 gewonnen hatte, als die City BKK bereits nicht mehr bestand. In diesen Tagen haben die Apotheken, die 2005 ihre Forderungen an den Apothekerverein abgetreten hatten, die eingeforderten Apothekenabschläge aus dem Jahr 2003 zurückerhalten. In diesem Verfahren hatte das Landessozialgericht Hamburg entschieden, dass eine Krankenkasse den gesamten Anspruch auf den Kassenabschlag für den Abrechnungsmonat verliert, wenn sie den Betrag ungerechtfertigt kürzt und damit nicht fristgerecht zahlt. Vereinsgeschäftsführer Dr. Thomas Friedrich betonte, die pünktliche Bezahlung durch die Krankenkasse sei entscheidend für den Abschlag. Diese Entscheidung sollte auch in anderen Bundesländern beachtet werden.

Neue „Baustellen“ in Sicht

Als vorhersehbare künftige Probleme für die Apotheken sprach Graue das Entlassrezept und die Hilfsmittelversorgung an. Er befürchtet, das auf die Schnelle produzierte Entlassrezept werde zu einem Danaergeschenk. ­Außerdem dürften die Umsetzung des Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetzes (HHVG), die Konkretisierung von Qualitätsanforderungen und die Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses die Hilfsmittelversorgung weiter erschweren. Dies werde ein „Abschied in Raten von der apothekerlichen Versorgung“ mit Hilfsmitteln und wirke zulasten der Versicherten, so Graue.

Digitalisierung nicht zu weit treiben

Zur Digitalisierung konstatierte Graue Nachholbedarf im Vergleich zu anderen Ländern und äußerte doch grundsätzliche Befürchtungen zu diesem „Hype“. So wie in der Aufklärung die Religion als Welterklärungsmuster verabschiedet worden ist, werde nun gefragt, ob Privatsphäre, Individualität und ähnliche Errungenschaften religionsähnliche Dogmen seien, die von der technischen Wirklichkeit ad absurdum geführt werden. „Der Mensch verliert im binären System die Herrschaft über die Maschinen und wird selbst zum Informations­vorgang“, mahnte Graue und folgerte, das gehe entschieden einen Schritt zu weit.

Neuer Vorstand

Die Mitgliederversammlung bestätigte in turnusmäßiger Wahl Dr. Ulrike Hahn, Katrin Hensen, Caroline Klante und Dr. Lutz Schehrer als Vorstandsmitglieder des Hamburger Apothekervereins. Dr. Lawrence Oshinowo, der auch Vorstandsmitglied bei der Apothekerkammer Hamburg ist, wurde neu in den Vereinsvorstand gewählt. In der anschließenden konstituierenden Sitzung des neu gewählten Vorstandes wurde Graue einstimmig als Vorsitzender bestätigt. Klante und Hensen sind nun erste bzw. zweite Stellvertreterin. |

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