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Rechtsprechung 2017
Zwischen Großhandelszuschlag und Kuschelsocken
Ansonsten immer wieder mittendrin im Kampfgetümmel: DocMorris und seine anwaltlichen Sekundanten, die nichts unversucht lassen, in Hüffenhardt und anderswo die Grenzen des rechtlich Zulässigen auszutesten und zu verschieben. In ihrem Versuch, die Grundfeste des bestehenden Arzneimittelversorgungssystems zum Einsturz zu bringen, sind sie allerdings 2017 nicht viel weiter gekommen. Im Gegenteil: Auch die Gerichte in Deutschland scheinen von den kruden Oktober-2016-Thesen der sechs Richter der Kleinen Kammer des Europäischen Gerichtshofs und dem von ihnen proklamierten Ende der Preisbindung für ausländische Arzneimittelversender nicht so recht überzeugt zu sein (auch wenn hier mit dem 20. Zivilsenat des OLG Düsseldorf eine traurige Ausnahme die Regel bestätigt). Und wer weiß: Vielleicht gibt es ja in Luxemburg noch eine zweite Chance?
Ansonsten banden unsere Zivil-, Verwaltungs- und Sozialgerichte auch 2017 wieder einen bunten Strauß interessanter, bisweilen überraschender und hier und da auch skurriler Judikate – von Retax, Widerrufsrechten und Kapselherstellung über Rezeptur-Bündelung, Prokura und Mischpreisen bis zu Joysticks, Ofenkrustis und Kuschelsocken. Erinnern Sie sich noch?
Wer das Preisrecht nicht akzeptiert, hat das Nachsehen. Vor dem Europäischen Gerichtshof konnte DocMorris am 19. Oktober 2016 preisbindungsrechtlich einen Erfolg für sich verbuchen, vor dem Bundessozialgericht ist der Konzern hingegen abermals gescheitert. Die Niederländer hatten das EuGH-Urteil nutzen wollen, um Herstellerrabatte von pharmazeutischen Unternehmen erstattet zu bekommen – und zwar bezogen auf Zeiträume, in denen sie noch nicht dem Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung und die Abwicklung der Herstellerabschläge beigetreten waren. Diskriminiert sei DocMorris schon deshalb nicht, so das Gericht, weil die Versandapotheke dem Rahmenvertrag jederzeit hätte beitreten können. (AZ 3, S. 1)
Krankenhausapotheken dürfen höhere Preise verlangen. Krankenhausapotheken ist es gestattet, privat Versicherte ambulant mit Zytostatika-Zubereitungen zu versorgen. Dabei sind sie nicht an die Arzneimittelpreisverordnung gebunden. Nach einem Urteil des Landgerichts Bremen dürfen sie daher sogar höhere Preise berechnen als öffentliche Apotheken. (AZ 3, S. 3)
Kein Platz für „Joysticks“. Vibratoren und Erotik-Spielzeuge sind nicht apothekenüblich im Sinne der Apothekenbetriebsordnung und dürfen deshalb nicht zum Sortiment in der Offizin gehören. Eine entsprechende Untersagungsverfügung der Apothekerkammer Niedersachsen ist vom Verwaltungsgerichts Osnabrück bestätigt worden. (AZ 3, S. 3)
BGH befasst sich nicht mit Masern–Streit. Ein Impfgegner lobte vor sechs Jahren 100.000 Euro für den Beweis aus, dass Masern/Viren existieren. Ein Medizinstudent legte daraufhin entsprechende Studien vor. Dennoch weigerte sich der Impfgegner, sein Versprechen einzulösen. Vor dem Landgericht obsiegte der Medizinstudent in erster Instanz. In der Berufungsinstanz wurde seine Klage jedoch aus formalen Gründen abgewiesen. Auf inhaltliche Fragen ging das Oberlandesgericht Stuttgart dabei allerdings nicht ein. Eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das OLG-Urteil blieb beim Bundesgerichtshof ohne Erfolg. (AZ 5, S. 3)
Langsamer vorläufiger Rechtsschutz. Weil der niederländische Arzneimittelversender Shop Apotheke auf seiner Webseite vergleichende Werbung zu einem Arzneimittel von Bionorica veröffentlicht hatte, kassierte er eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Nürnberg-Fürth. Allerdings vergingen bis zur grenzüberschreitenden Zustellung der Verfügung nicht weniger als sieben Wochen. (DAZ 5, S. 12)
Im Schaufenster geht es auch ohne Preis. Bislang galt auch für die Schaufensterwerbung von Apotheken: Ein Einzelhändler, der seine Ware sichtbar ausstellt, muss sein Angebot mit einer gut lesbaren Preisauszeichnung versehen. Damit ist jetzt Schluss. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die reine Präsentation einer Ware im Schaufenster nicht von der Pflicht zur Preisangabe erfasst wird. Die Karlsruher Richter sehen in der schlichten Präsentation nicht die Voraussetzungen eines „konkreten Angebots“ erfüllt. Ein solches Angebot erfordere jedoch die Preisangabenverordnung. (AZ 7, S. 2)
Kasse muss Rabatt offenlegen. Wie viel Geld Krankenkassen durch Arzneimittelrabattverträge sparen, gibt das Bundesgesundheitsministerium in jedem Quartal als Gesamtsumme bekannt – wie hoch die einzelnen Rabatte sind, galt hingegen als Geschäftsgeheimnis. Doch nun hat Anfang des Jahres ein Bielefelder Apotheker unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz vor dem Verwaltungsgericht Minden einen Auskunftsanspruch gegen die Ostwestfälische Betriebskrankenkasse (BKK) Diakonie erstritten. In dem Urteil wurde die BKK zur Offenlegung ihrer Daten verpflichtet. (AZ 8, S. 2)
TÜV Rheinland kommt davon. Im Skandal um die Brustimplantate der französischen Firma PIP sinken die Chancen, dass betroffene Frauen Schmerzensgeld vom TÜV Rheinland bekommen. Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass Stellen wie der TÜV nicht grundsätzlich verpflichtet sind, Medizinprodukte wie Implantate selbst zu prüfen oder unangekündigte Inspektionen in Unternehmen durchzuführen. (AZ 8, S. 2)
DocMorris scheitert in Karlsruhe. Auch 2017 hatte sich das Bundesverfassungsgericht mit DocMorris zu befassen. Diesmal ging es um eines der zahlreichen Verfahren, die von der Apothekerkammer Nordrhein gegen den niederländischen Arzneimittelversender geführt wurden. Das Oberlandesgericht Köln war im Februar 2014 in einer Entscheidung zu dem Schluss gekommen, dass die Auslobung von Rezept-Boni gegen das Arzneimittelpreisrecht verstößt und wettbewerbswidrig ist. Eine Revision gegen sein Urteil ließ das Oberlandesgericht nicht zu, eine von DocMorris hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof blieb ohne Erfolg. Aber auch jetzt gaben die Niederländer nicht klein bei und riefen mit einer Verfassungsbeschwerde das Bundesverfassungsgericht an. Allerdings wurde die Beschwerde vom obersten deutschen Gericht erst gar nicht zur Entscheidung angenommen. In ihrem Beschluss stellen die Karlsruher Richter klar, dass die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen des Arzneimittelpreisrechts in Deutschland durch die Rechtsprechung, insbesondere durch einen Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, bereits endgültig geklärt wurden. Daran ändere auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 nichts. Dadurch, dass der Bundesgerichtshof keine Veranlassung sah, den Europäischen Gerichtshof anzurufen, wurde nach Auffassung des Bundesverfassungsgericht auch nicht das Recht von DocMorris auf den verfassungsrechtlich gewährleisteten „gesetzlichen Richter“ verletzt: in seiner Entscheidung zur Nichtzulassungsbeschwerde hatte sich der Bundesgerichtshof nämlich intensiv mit der europäischen Rechtslage auseinandergesetzt. (AZ 9, S. 1)
Retax-Beanstandung nur binnen Jahresfrist. Krankenkassen können unrichtige Rechnungen nur innerhalb von zwölf Monaten nach Ende des Kalendermonats, in dem die Lieferung des Arzneimittels erfolgte, berichtigen. Bei dieser Frist handelt es sich um eine absolute Ausschlussfrist, mit deren Ablauf ein Retaxierungsanspruch erlischt. Hierfür ist es auch nicht nötig, dass der betroffene Apotheker innerhalb einer weiteren Dreimonatsfrist Einspruch gegen eine Beanstandung der Krankenkasse erhebt, um Nachteile zu vermeiden. Eine nach Fristablauf durch die Kasse unzulässig erhobene Beanstandung löst keine solche Pflicht aus. Dies hat das Landessozialgericht Darmstadt in einem rechtskräftigen Urteil festgestellt. (AZ 10, S. 3)
Recht auf Suizid-BtM im Einzelfall. Das vom Grundgesetz geschützte Allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst auch das Recht eines schwer und unheilbar kranken Patienten zu entscheiden, wie und zu welchem Zeitpunkt er sein Leben beenden möchte. Daraus kann sich nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts im extremen Einzelfall ergeben, dass der Staat – hier: das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – den Zugang zu einem Betäubungsmittel nicht verwehren darf, das dem Patienten eine würdige und schmerzlose Selbsttötung ermöglicht. Voraussetzung ist jedoch, dass der Patient seinen Willen frei bilden und entsprechend handeln kann. Das Urteil des obersten deutschen Verwaltungsgerichts ist nicht ohne Kritik geblieben. (AZ 10, S. 3)
Entgeltfortzahlung vom ersten Tag an. Wird eine Arbeitnehmerin, die mit einem Arbeitgeber einen in der Zukunft liegenden Arbeitsvertrag (hier: 1,5 Monate) abgeschlossen hat, in der Zwischenzeit schwanger und verordnet ihr ein Arzt zum eigentlichen Beginn der Tätigkeit ein Beschäftigungsverbot, so hat der Arbeitgeber dennoch vom ersten Tag des Arbeitsverhältnisses an Gehalt zu zahlen. Er kann nach einem rechtskräftigen Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg nicht argumentieren, dass die Arbeitnehmerin noch keine Minute für ihn tätig war. (AZ 10, S. 6)
DocMorris muss nach Telefonnummer fragen. Auch niederländische Versender sind an die Vorgaben der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) gebunden. Nach § 17 Abs. 2a Nr. 7 ApBetrO müssen Apotheken beim Versandhandel Kunden darauf hinweisen, dass sie „als Voraussetzung für die Arzneimittelbelieferung mit ihrer Bestellung eine Telefonnummer anzugeben“ haben, um ggf. pharmazeutisch beraten werden zu können. Unter Hinweis auf ihre „Telefon-Hotline“ ignorierte DocMorris diese Vorgabe regelmäßig auf ihren Bestell-Coupons und Werbeflyern. Dem schob jetzt das Landgericht Stuttgart einen Riegel vor. In einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren, das von einer Apothekerin aus Baden-Württemberg angestrengt worden war, verurteilte das Landgericht DocMorris dazu, auf ihren Bestellcoupons etc. in Zukunft die Telefonnummer des Bestellers abzufragen. Ihre gegen das Urteil eingelegte Berufung haben die Niederländer inzwischen zurückgenommen, nachdem das Oberlandesgericht Stuttgart in der mündlichen Verhandlung nachdrücklich darauf hingewiesen hatte, sich der Rechtsauffassung des Landgerichts anschließen zu wollen. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart ist deshalb rechtskräftig. (DAZ 10, S. 14; AZ 45, S. 1)
Filialapotheken dürfen Rezepturen bündeln. Jede Apotheke in Deutschland muss ein Labor vorhalten, um Rezepturen herstellen zu können. Aber wie sieht es aus, wenn ein Apotheker in einem Filialverbund mehrere Apotheken betreibt? Darf er Rezepturen dann in einer von diesen Apotheken bündeln? Das Verwaltungsgericht Osnabrück bejaht dies. Entgegen der Auffassung der Apothekerkammer Niedersachsen lasse § 17 Abs. 6c Satz 2 Nr. 2 ApBetrO auch den Bezug von Rezepturarzneimitteln von einer Apotheke aus einem Filialverband zu. Für eine einschränkende Auslegung, dass Rezepturarzneimittel damit nicht mitumfasst seien, gebe es „keinerlei Anhaltspunkte“. Eine Berufung gegen das Urteil ließ das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen nicht zu. Nicht betroffen von der Entscheidung ist die Vorgabe in § 4 Abs. 2 ApBetrO, dass jede (Filial-)Apotheke mit einem Labor ausgestattet sein muss. (AZ 11, S. 2)
Sozialgericht: Aut-idem-Kreuz schlägt Rabattvertrag. Wie soll eine Apotheke mit einem Rezept über einen Reimport umgehen, wenn der Arzt ein Aut-idem-Kreuz gesetzt hat, aber ein Rabattvertrag über das Originalarzneimittel besteht? Die gängige Auffassung lautet: Der Rabattvertrag hat vor dem Aut-idem-Kreuz Vorrang, da es sich bei Original und Import letztlich um identische Arzneimittel handelt. Eine andere Auffassung vertritt jetzt – wie zuvor schon das Sozialgericht Koblenz – das Sozialgericht Bremen. Danach hat die Therapiehoheit des Arztes Vorrang, sodass das Aut-idem-Kreuz den Rabattvertrag „schlägt“. Die DAK-Gesundheit musste deshalb einem Apotheker, der retaxiert wurde, weil er den verordneten Copaxone Reimport statt des rabattierten Originals abgegeben hatte, knapp 1300 Euro nebst Zinsen zurückzahlen. (AZ 14, S. 1)
Mischpreise in Gefahr? Wird ein und dasselbe Arzneimittel künftig in unterschiedlichen Indikationen auch unterschiedliche Preise haben können? Diese Frage werfen zwei Entscheidungen des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg auf, in denen es um die Festsetzung des Erstattungsbetrags nach § 130 b SGB V für die beiden Arzneimittel Eperzan® und Zydelig® ging. Darin vertritt das Gericht die Auffassung, dass die derzeitige Mischpreisbildung rechtswidrig sei, wenn ein Zusatznutzen nur in einer „Teilpopulation“ festgestellt werden könne und der Mischpreis keine „nutzenadäquate Vergütung“ darstelle. So wie der Mischpreis heute gebildet werde, finde er keine Grundlage im Gesetz. Die pharmazeutische Industrie reagierte irritiert auf die Entscheidungen und fordert von der Politik eine rechtliche Klarstellung. (DAZ 13, S. 20; AZ 27, S. 3)
Gratis-Sonnenbrille geht nicht. Wie das Landgericht Köln festgestellt hat, handelt es sich bei einer Sonnenbrille, die gratis zusammen mit einem Arzneimittel an Kunden abgegeben wird, um eine unzulässige Zugabe und nicht um eine „geringwertige Kleinigkeit“ im Sinne von § 7 des Heilmittelwerbegesetzes. Der Apothekenkooperation Linda AG wurde es deshalb verboten, entsprechend für ein Heuschnupfenspray zu werben. (DAZ 14, S. 16)
Sind 50-Cent-Gutscheine erlaubt? Sowohl zivilrechtlich als auch verwaltungsrechtlich stand 2017 die Marketing-Aktion eines niedersächsischen Apothekers mit 50-Cent-Bonus-Gutscheinen auf dem juristischen Prüfstand. Während das Landgericht Lüneburg in einem Eilverfahren entschied, dass die Bonus-Bons des Winzener Apothekers wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden sind, kam das Oberverwaltungsgericht Lüneburg kurze Zeit später im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu dem Schluss, dass das praktizierte Bonus-Modell bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel die gesetzlich zwingende Arzneimittelpreisbindung verletzt. Ein Verstoß gegen § 78 Abs. 1 und 2 des Arzneimittelgesetzes liege immer schon dann vor, wenn für das preisgebundene Arzneimittel zwar zunächst der korrekte Preis angesetzt werde, dem Kunden aber gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels ein Vorteil zukomme, der den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lasse. (AZ 13, S. 2; DAZ 16, S. 20; AZ 17, S. 3; AZ 34-35, S. 1)
Darf Ginkgo ins Drogerieregal? Ein Zwist zwischen den Traditionsunternehmen Schwabe aus Karlsruhe und Klosterfrau aus Köln beschäftigte die deutschen Gerichte schon viele Jahre. Seit 2008 stritten die Firmen um die Frage, ob Ginkgo-Präparate mit Tagesdosierungen von 100 mg apothekenpflichtig sind oder nicht. Während in einem Urteil des Landgerichts Bielefeld im November 2009 die Verkehrsfähigkeit des Klosterfrau-Produkts bestätigt worden war, bejahte das Oberlandesgericht Hamm eine pharmakologische Wirkung des Extrakts und untersagte dem Kölner Hersteller, das Produkt weiter ohne Zulassung in Verkehr zu bringen und zu bewerben. Nachdem Klosterfrau Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt hatte, beendeten die Parteien ihren Ginkgo-Streit Anfang Mai außergerichtlich. Danach anerkennt Klosterfrau, dass es sich bei seinem Produkt nicht um ein Nahrungsergänzungsmittel, sondern um ein Arzneimittel handelt, darf „Gingko Plus“ jedoch noch bis Ende 2017 in Drogerien verkaufen lassen. (DAZ 16, S. 18; AZ 19, S. 1)
OLG-Zivilsenat spekuliert und Wettbewerbszentrale muss zahlen. Kopfschütteln löste eine Kostenentscheidung des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aus. Der Senat hatte seinerzeit – entgegen der Rechtsprechung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes und des Bundesverfassungsgerichts – durch einen Vorlagebeschluss das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 zur grenzüberschreitenden Arzneimittelpreisbindung provoziert. Nun legten die Düsseldorfer Richter noch einmal nach. Obwohl die Deutsche Parkinson Vereinigung inzwischen gegenüber der Wettbewerbszentrale eine Unterlassungserklärung abgegeben hatte und der Rechtsstreit somit einvernehmlich beendet wurde, muss die Wettbewerbszentrale, so die Düsseldorfer Richter, alle Kosten des Verfahrens tragen. In seinem 25-seitigen Beschluss nimmt der Senat einseitig die Position von DocMorris ein, zeigt offene Sympathie für eine weitreichende Deregulierung des Apothekenmarktes und spekuliert darüber, dass von „Apothekerkreisen“ Druck auf die Parkinson-Vereinigung ausgeübt worden sei, die Unterlassungserklärung abzugeben. Bemerkenswert auch, dass der 20. Zivilsenat den Streitwert des Verfahrens von ursprünglich 15.000,- Euro auf jetzt 250.000,- Euro festsetzte. Der Beschluss des 20. Zivilsenats ist rechtskräftig und kann nicht mehr angegriffen werden. (AZ 18, S. 3; AZ 26, S. 3)
Rezepturen für den Praxisbedarf? Darf eine Apotheke ohne besondere Erlaubnis Arzneimittel als Praxisbedarf herstellen, wenn keine patientenindividuelle Verordnung vorliegt? Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig-Holstein benötigt die Apotheke hierfür eine Herstellerlaubnis. Das Urteil, das nicht unwidersprochen blieb, ist noch nicht rechtskräftig. (DAZ 17, S. 20)
Gericht verbietet Werbung für DocMorris-Rezept-Bonus. Die Siemens Betriebskrankenkasse (SBK) darf in ihrer Mitgliederzeitschrift nicht mit einem DocMorris-Flyer werben, der einen 10-Euro-Gutschein für die Einlösung eines Rezeptes verspricht. Damit bestätigte das Landgericht München auch im Hauptsacheverfahren eine bereits 2014 ergangene einstweilige Verfügung, die die Apothekerkammer Nordrhein gegen die Kasse erwirkt hatte. Das Gericht sieht in der Werbung einen Verstoß gegen das Zugabeverbot im Sinne von § 7 Heilmittelwerbegesetz. Diese Norm ist, wie die Münchner Richter ausführen, auch nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 zum Arzneimittelpreisrecht anwendbar – jedenfalls soweit sie nicht an die Verletzung des Preisrechts anknüpft. Dies ergibt sich nach Auffassung des Gerichts aus den unterschiedlichen Schutzzwecken von Arzneimittelgesetz und Heilmittelwerbegesetz. (AZ 20, S. 3)
Schranken für Neodolor®-Werbung. Eine umfassende Niederlage musste die Firma Pharma FGP vor dem Oberlandesgericht München einstecken: Die Richter untersagten 11 von 12 Werbeaussagen zu dem gegen Kopfschmerzen zugelassenen homöopathischen Arzneimittel Neodolor®. Schon die Vorinstanz hatte unter Verweis auf fehlende Studien mehrere Aussagen zu Neodolor® als irreführend angesehen. (AZ 20, S. 3)
DocMorris will 2,6 Millionen Euro. Vor dem Landgericht Düsseldorf steht ein weiterer Rechtsstreit zwischen DocMorris und der Apothekerkammer Nordrhein an. Wie das Landgericht bestätigte, haben die Niederländer eine Schadensersatzklage gegen die Apothekerkammer eingereicht. Dabei gehe es um einen Betrag in Höhe von 2,6 Millionen Euro. (DAZ 21, S. 14)
BGH-Urteil pro Impfung. Was tun, wenn Eltern uneins sind, ob ihr Kind geimpft werden soll oder nicht? Nach einem langjährigen Gerichtsverfahren hat der Bundesgerichtshof entschieden: Da die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission als medizinischer Standard allgemein anerkannt sind, reicht es, wenn ein Elternteil in die Impfung einwilligt. (AZ 22, S. 2)
Traubenzucker vor dem EuGH.Dextro Energy darf auch künftig nicht mit angeblichen gesundheitlichen Vorzügen von Traubenzucker werben. Der Europäische Gerichtshof wies eine Klage des Unternehmens ab. Zuvor hatte die EU-Kommission die Zulassung der von Dextro Energy beantragten gesundheitsbezogenen Aussagen unter Hinweis auf die Health Claims Verordnung abgelehnt. Mit seiner Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof die Rechtsauffassung der EU-Kommission bestätigt. (AZ 24, S. 3)
Exklusivität der Altverträge gilt. Im Streit zwischen Krankenkassen und Apotheken um die Exklusivität von Alt-Rabattverträgen zur Versorgung mit Zytostatikazubereitungen hat das Sozialgericht Altenburg im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zugunsten der Krankenkassen entschieden. In Frage stand, ob die Zyto-Verträge zwischen Krankenkassen und Apotheken noch Exklusivität genossen hatten, bis sie zum 31. August 2017 unwirksam wurden. Ende Mai hatte Staatssekretär Stroppe in einem Schreiben an die Kassenverbände ausgeführt, dass seit dem Inkrafttreten des Arzneimittelversorgungstärkungsgesetzes auch bei der Zyto-Versorgung wieder das Recht auf freie Apothekenwahl bestehe. Dieser Einschätzung widersprach das Sozialgericht mit der Begründung, dass für die Gesetzesauslegung nicht die Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Gesundheit maßgeblich sei, sondern der Wortlaut des Gesetzes. (DAZ 24, S. 15)
Hüffenhardt: Landgericht weist DocMorris in die Schranken. In mehreren Urteilen hat das Landgericht Mosbach DocMorris untersagt, über einen Arzneimittelautomaten im schwäbischen Hüffenhardt apothekenpflichtige und/oder verschreibungspflichtige Arzneimittel an Patienten abzugeben. Das Gericht widersprach der Argumentation von DocMorris, dass ihre Aktivitäten von der erteilten Versandhandelserlaubnis gedeckt seien. Allein der Umstand, dass die Arzneimittel über ein Videoterminal angefordert würden, lasse deren Abgabe nicht zu einer Bestellung über den Versandhandel mutieren. Ferner sah das Gericht Vorschriften des Arzneimittelgesetzes und der Apothekenbetriebsordnung verletzt. Mit seinen Entscheidungen bestätigte das Landgericht die Ausführungen in einem vom Deutschen Apotheker Verlag in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten, in dem die Apothekenrechtsexperten Sabine Wesser und Valentin Saalfrank nachweisen, dass mit dem Betreiben des stationären Arzneimittelabgabeautomaten eine Reihe von Ordnungswidrigkeiten und sogar Straftatbestände verwirklicht werden. (AZ 23, S. 1; AZ 24, S. 1; AZ 25, S. 1.; DAZ 25, S. 12; AZ 26, S.1; DAZ 26, S. 11; AZ 29, S. 3; DAZ 32, S. 14; AZ 41, S. 2; AZ 49, S. 1)
ASS ohne Extraportion. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat Ratiopharm untersagt, seine ASS-Schmerz-Brausetabletten, die zusätzlich Ascorbinsäure enthalten, mit der Aussage „Eine extra Portion Vitamin C unterstützt das Immunsystem“ zu bewerben. Der Grund: Das Präparat war nur zur Schmerzbehandlung zugelassen worden. (AZ 25, S. 3)
Potenter, schlanker und glücklicher mit Arginin? Das Landgericht Dresden hat in einer rechtskräftigen Entscheidung verschiedene Aussagen zu einem Nahrungsergänzungsmittel mit dem Bestandteil Arginin verboten. Der Hersteller hatte das Mittel unter anderem wie folgt beworben: „Die Potenz auf natürliche Weise stärken“, „Arginin steigert die Ausschüttung von Wachstumshormonen, fördert den Aufbau von Muskeln und den Abbau von Fettgewebe“, „Erfolgreich gegen erektile Dysfunktionen einzusetzen“ und „Blutdruck natürlich senken“. (AZ 25, S. 3)
Erneute Entscheidung über Metoprolol-Vertragsstrafe erforderlich. Viele Apotheker dürften sich an den Sommer 2011 erinnern, als der AOK-Exklusiv-Vertragspartner Betapharm das Rabatt-Arzneimittel Metoprolol Succinat Beta 47,5 und 95 nicht liefern konnte. Damit die Patienten nicht unversorgt blieben, mussten sie ein wirkstoffgleiches Präparat abgeben. Einige Apotheken bedruckten das Rezept trotzdem mit der PZN des Rabatt-Arzneimittels. So machte es auch eine Apothekerin, gegen die daraufhin von der AOK eine Vertragsstrafe verhängt wurde. Ob dies rechtens war, sollte in einem Musterverfahren geklärt werden. Nachdem die Vorinstanzen der Apothekerin Recht gegeben hatten, hat nun das Bundessozialgericht der Vorinstanz, dem Landessozialgericht Stuttgart, aufgegeben, noch weitere Feststellungen zu treffen und zu würdigen. (DAZ 27, S. 15)
Offene Regale sind nicht tabu. Nach § 4 der Apothekenbetriebsordnung müssen Wände und Oberflächen sowie der Fußboden am Rezepturarbeitsplatz leicht zu reinigen sein, damit das Kontaminationsrisiko für Arzneimittel minimal ist. Nach einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt bezieht sich die Formulierung „müssen leicht zu reinigen sein“ allein auf die Beschaffenheit von Wänden, Oberflächen und Fußböden und damit letztlich auf deren Material und Verarbeitung. So wären etwa ein Teppichboden oder Fasertapeten in der Rezeptur ungeeignet. Ein „Reinigungsergebnis“ selbst ist damit nicht unmittelbar vorgegeben. Allerdings stellt das Gericht auch fest, dass offene Regale am Rezepturarbeitsplatz mindestens einmal pro Woche feucht gereinigt werden müssen. (AZ 28, S. 2)
Gericht versagt BKK-Chef mehr Geld. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat dem Vorstandsvorsitzenden der Schwenninger Betriebskrankenkasse üppige Zuschläge zu seiner Grundvergütung versagt. Die Kasse mit bundesweit etwa 330.000 Versicherten wollte ihrem Chef Siegfried Gänsler rund ein Drittel mehr bezahlen – insgesamt 217.252 Euro. Die Aufsichtsbehörde stimmte diesem Plan allerdings nicht zu und wurde in ihrer Rechtsauffassung vom zuständigen Landessozialgericht bestätigt. Maßgeblich für die Bewertung einer „angemessenen“ Vergütung sei der Vergleich der Vorstandsvergütungen von Krankenkassen mit jeweils vergleichbarer Größe. Durch die zusätzlichen Vergütungsbestandteile im Zusatzvertrag werde im konkreten Fall dieses Maß „mehr als deutlich überschritten“. (AZ 28, S. 3)
Isentress® bleibt im Markt. Das HIV-Arzneimittel Isentress® darf in Deutschland weiter von MSD vertrieben werden – jedenfalls vorläufig. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden und damit eine entsprechende Entscheidung des Bundespatentgerichts bestätigt. (AZ Nr. 29, S. 2)
Keine Gratis-Abgabe von Blutzucker-Messgeräten. Wer kostenlos Blutzucker-Messgeräte abgibt, handelt nach einem Urteil des Landgerichts Dresden unlauter. In Übereinstimmung mit der Wettbewerbszentrale sieht das Gericht hierin einen Verstoß gegen das heilmittelwerberechtliche Zuwendungsverbot. Zudem sei eine diesbezügliche Werbung irreführend, weil Diabetes-Patienten nicht darauf hingewiesen würden, dass die Kosten für das Messgerät letztlich im Rahmen einer Gesamtkalkulation über den Kauf erforderlicher Teststreifen mitbezahlt werden müssten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (DAZ 30, S. 13)
Versandapotheken müssen Widerrufsrecht einräumen. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg sind AGB-Klauseln von Versandapotheken, die das Widerrufsrecht für Arzneimittel generell ausschließen, rechtswidrig. Vielmehr müssen Versandapotheken Arzneimittel zurücknehmen, wenn ein Kunde sein Widerrufsrecht ausübt. Zudem sehen es die Richter als unzureichend an, wenn eine Versandapotheke bei der Bestellung einer ungewöhnlich hohen Menge von Schmerzmitteln ausschließlich mit einem pauschalen Aufklärungshinweis reagiert, der vom Kunden nur mit einem „Okay“ als gelesen zu bestätigen ist. (AZ 31, S. 1; DAZ 46, S. 26)
Auch Versender brauchen Vorrat für Wochenbedarf. Apotheken müssen nach § 15 der Apothekenbetriebsordnung mindestens den durchschnittlichen Wochenbedarf eines Arzneimittels in ihrer Apotheke vorrätig halten. Diese Vorgabe gilt nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück auch für öffentliche Apotheken mit Versanderlaubnis (Versandapotheken) – auch dann, wenn der Versand an einem ausgelagerten Standort betrieben wird. (AZ Nr. 34-35, S. 3)
Impfstoffverträge sind nicht kündbar. Rabattverträge mit Impfstoffherstellern sind von den Krankenkassen nach Inkrafttreten des Arzneimittelversorgungstärkungsgesetzes nicht ohne Weiteres kündbar. Auch die Exklusivität der Verträge bleibt trotz der geänderten Rechtslage bestehen. Dies hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in einer Eilentscheidung festgestellt. (DAZ 34, S. 13)
Versender muss Umsatzsteuer erstatten. Ausländische Arzneimittelversender bekommen – anders als inländische Apotheken – von der Krankenkasse nur die Nettopreise erstattet. Die Umsatzsteuer muss die Kasse in der Regel direkt abführen. Ausländische Versandapotheken haben deshalb nach einem Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz die zu viel gezahlte Umsatzsteuer an die Kasse zurückzuzahlen. (DAZ 35, S. 14)
Urteil nach Selbstjustiz. Aus Ärger über Retaxationen der AOK Rheinland/Hamburg griff ein Apotheker zur Selbstjustiz – und fälschte Rezepte. Das Amtsgericht Bonn verurteilte ihn deshalb zu einer Haftstrafe von einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung. (DAZ 35, S. 17)
Keine Inländerdiskriminierung durch Kuschelsocken-Verbot. Welche Zugaben und Boni sind in der Apotheke erlaubt und welche nicht? Nach zwei Urteilen des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen sind Kuschelsocken als Geschenk für die Rezepteinlösung jedenfalls tabu – mögen sie auch einen noch so geringen Wert haben. In seinen Entscheidungen stellt das Gericht fest, dass die in Deutschland für verschreibungspflichtige Arzneimittel geltenden Preisbindungsvorschriften sowohl verfassungsgemäß als auch europarechtskonform sind. Auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 ändert nach Auffassung des Gerichts nichts daran, dass die nationalen Vorschriften in Deutschland zur Anwendung kommen. Der Wettbewerbsvorteil für ausländische Versender habe sich „noch nicht so gravierend“ zulasten inländischer Apotheken ausgewirkt, dass von einer Inländerdiskriminierung deutscher Apotheken gesprochen werden könne. (DAZ 37, S. 14)
Baldriparan®-TV-Spot verspricht zu viel. Pfizer hat mit seinem TV-Werbespot für „Baldriparan® Stark für die Nacht“ die Grenzen des wettbewerbsrechtlich Zulässigen überschritten. Nach Auffassung des Landgerichts Berlin führt der Spot, der unter anderem mit einem hervorgehobenen Hinweis „1 Dragee am Abend“ für gutes Ein- und Durchschlafen wirbt, den Fernsehzuschauer in die Irre. Die gleiche Aussage auf der Packung beanstandeten die Berliner Richter jedoch nicht. (DAZ 37, S. 17)
Landgericht beschränkt Rezepturen. Ein Urteil des Landgerichts Hamburg zur Kapselherstellung könnte, falls es Bestand hat, die Grundfeste der Rezeptur erschüttern. Ist es eine Rezeptur, wenn ein Apotheker auf ärztliche Verordnung einen industriell vorgefertigten Wirkstoff dosiert und mit Hilfsstoffen in Kapseln abfüllt? Oder stellt er ein Fertigarzneimittel her, das der Zulassung bedarf? Immer wieder gehen Pharmaunternehmen gegen Apotheker vor, die von den Firmen vertriebene Produkte selbst als Arzneimittel herstellen. So erging es auch einem hessischen Apotheker, der Idebenon-Kapseln anfertigte. In erster Instanz wurde er jetzt vom Landgericht Hamburg verurteilt, es zukünftig zu unterlassen, die von ihm hergestellten Kapseln als zulassungsfreie Rezepturarzneimittel in Verkehr zu bringen und dafür zu werben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Apotheker will weiter für das Rezepturprivileg kämpfen und hat Berufung eingelegt. (DAZ 39, S. 16)
Großhandelszuschläge sind lediglich Preisobergrenzen, Fixzuschlag ist kein Muss. Ein mit Spannung erwartetes Urteil fällte der Bundesgerichtshof Anfang Oktober: Danach legt die Arzneimittelpreisverordnung für pharmazeutische Großhandlungen bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln an Apotheken mit den dort vorgesehenen Großhandelszuschlägen lediglich eine Preisobergrenze, nicht jedoch eine Preisuntergrenze fest. Die Regelung stellt ihrem Wortlaut nach die Erhebung von Zuschlägen – gleich, ob prozentualer oder Fest-Zuschlag – in das Ermessen des Großhandels, der deshalb auf den Fest-Zuschlag von 70 Cent ebenso ganz oder teilweise verzichten kann wie auf den preisabhängigen Zuschlag von 3,15 Prozent (maximal 37,80 Euro). Die Apothekenbranche reagierte erleichtert auf das Urteil. Die bisherige Konditionenpraxis wurde damit für rechtmäßig erklärt. Auch der beklagten Großhändler AEP zeigte sich äußerst zufrieden mit dem Ausgang des Verfahrens. Dagegen waren die Reaktionen von Gesundheitspolitikern durchaus gemischt. Einigkeit herrschte dort darin, dass eine baldige Honorarreform wünschenswert ist. (AZ 41, S. 1; DAZ 41, S. 11; DAZ 46, S. 22, S. 26)
Streitfall Prokura: Registergericht darf nicht einfach löschen. Dürfen Apothekenleiter ihren Angestellten eine Prokura erteilen? Dazu gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen. Nun hat sich der Bundesgerichtshof mit der Frage befasst. Eine klare Antwort gibt er allerdings nicht. Im konkreten Fall ging es um eine Prokura für einen Nichtapotheker, die das Registergericht unter Hinweis auf § 7 Apothekengesetz (ApoG) löschen wollte. Mit seiner Entscheidung bestätigte der BGH ein Urteil der Vorinstanz, die festgestellt hatte, dass es einem Apotheker nicht grundsätzlich untersagt sei, eine Prokura auch an einen Nichtapotheker zu erteilen. Deshalb könne der Eintrag ins Handelsregister nicht von Amts wegen gelöscht werden. Ein eventueller Verstoß gegen § 7 ApoG sei der Prüfungsbefugnis des Registergerichts entzogen. Vielmehr sei die Beurteilung der gewerberechtlichen Zulässigkeit einer Prokura zunächst ausschließlich Sache der Aufsichtsbehörde. (AZ 42, S. 3; DAZ 42, S. 16)
Falschabgabe milde geahndet. Ein Apotheker aus dem Kreis Minden-Lübbecke dürfte Mitte Oktober aufgeatmet haben: Zwar erhielt er vom Berufsgericht für Heilberufe am Verwaltungsgericht Münster einen Verweis und eine Geldstrafe von 1000 Euro, doch seine Approbation konnte er behalten. Der Hintergrund: Eine 78-jährige Patientin war verstorben, nachdem ihr der Apotheker im September 2014 ein falsches Arzneimittel abgegeben hatte. Zuvor war der Apotheker vom Landgericht Bielefeld deshalb zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 60 Euro verurteilt worden. Zugute kam dem Angeklagten dabei, dass er die Betroffene selbst über seinen Irrtum informiert hatte und andernfalls angesichts der Vorerkrankungen der Patientin die Todesursache vermutlich nicht erkannt worden wäre. Auch seine „nachdrücklich und glaubhaft geschilderte tiefe emotionale Betroffenheit“ ließ die Richter zu der Meinung kommen, dass es keiner über den Verweis und einer Geldbuße hinausgehenden berufsgerichtlichen Maßnahme bedürfe, um den Beschuldigten nachhaltig anzuhalten, seinen Berufspflichten künftig zuverlässig nachzukommen. (AZ 43, S. 1)
Almased-Mindestpreis ist unzulässig. Die Firma Almased darf, wie der Bundesgerichtshof festgestellt hat, Apotheken keine Mindestpreise für ihr Diät-Pulver vorschreiben – auch nicht, wenn es sich dabei um eine begrenzte Sonderaktion handelt. (AZ 43, S. 3)
Arzneimittel oder Medizinprodukt? Nicht nur die Wirkweise, sondern auch die Präsentation kann über den Arzneimittelstatus eines Präparats entscheiden. Ein sog. Präsentationsarzneimittel liegt regelmäßig vor, wenn der Hersteller für sein Produkt eine therapeutische Wirksamkeit in Bezug auf bestimmte Erkrankungen oder heilende, krankheitsvorbeugende oder Leiden lindernde Wirkungen in Anspruch nimmt. Vor diesem Hintergrund handelt es sich, wie das Verwaltungsgerichts Köln festgestellt hat, bei dem von der Klosterfrau-Tochter Syxyl vertriebenen Produkt Allergolact® um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel – auch wenn es „nur“ einen homöopathischen Wirkstoff enthält. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; Klosterfrau hat Berufung eingelegt. (AZ 44, S. 1)
Cialis®-Patent ist nichtig. Seit 15. November 2017 ist in Deutschland der Vertrieb von Tadalafil-Generika auch in einer Dosierung von fünf Milligramm zulässig. Im Oktober hatte das Bundespatentgericht das Patent des Cialis®-Herstellers Lilly für Tadalafil bis zu einer Wirkstärke von fünf Milligramm für nichtig erklärt. Damit verloren Mitte November alle Wirkstärken ihren Patentschutz in Deutschland. (AZ 44, S. 3)
dm blitzt abermals vor Gericht ab. Bereits zum zweiten Mal scheiterte der Versuch von dm, vor dem Österreichischen Verfassungsgerichtshof die Apothekenpflicht in der Alpenrepublik zu Fall zu bringen. Der Antrag der Drogeriekette wurde – aus formalen Gründen – erneut zurückgewiesen. (DAZ 44, S. 18)
Ofenkrusti-Gutscheine sind wettbewerbswidrig. Boni und Zugaben bei Rezepteinlösung sind verboten – vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2016 war die deutsche Rechtsprechung in diesem Punkt klar. Aber: Gibt die Luxemburger Entscheidung Anlass, dies nun anders zu sehen? Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main sagt nein und hat bestätigt, dass die Brötchen-Gutscheine einer Apothekerin preisrechtlich weiterhin unzulässig sind und einen Wettbewerbsverstoß darstellen. (AZ 46, S. 3)
Strikte Fristen gelten auch für Kassen. Wie streng ist mit gesetzlichen Fristen im Sozialgesetzbuch umzugehen? Nach Auffassung des Bundessozialgerichts gilt: Reagiert eine Krankenkasse auf einen Leistungsantrag eines Versicherten nicht fristgerecht, gilt er als genehmigt. (AZ 46, S. 3)
Zwölf Tage am Stück arbeiten? Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs hat auch in der Apotheke manchen Mitarbeiter aufgeschreckt. Danach muss ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber erst nach 12 Arbeitstagen einen Ruhetag eingeräumt bekommen. Allerdings weist die Apothekengewerkschaft Adexa darauf hin: Für Apothekenangestellte gilt dies aufgrund des deutschen Arbeitszeitrechts und bestehender Tarifverträge im Regelfall nicht. (DAZ 46, S. 21)
Bionorica scheitert mit Klage vor dem EuGH. Enttäuschung für Phyto-Hersteller: Der Europäische Gerichtshof hat eine Klage von Bionorica abgewiesen, mit der das Unternehmen die Untätigkeit der EU-Kommission bei der Umsetzung der Health Claims Verordnung beanstandet hatte. Allerdings erfolgte die Abweisung aus formellen Gründen. Das Gericht befand durchaus, dass sich die Kommission bei der Umsetzung und Anwendung der Verordnung zu viel Zeit gelassen hatte. (AZ 48, S. 2)
Keine Beihilfe für rezeptfreie Arzneimittel. Beamte haben keinen Anspruch darauf, dass die Beihilfe Kosten für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel übernimmt. Das Bundesverwaltungsgericht hat den grundsätzlichen OTC-Leistungsausschluss in der Bundesbeihilfeverordnung für wirksam erklärt. (AZ 48, S. 3)
Preisstopp auf dem Prüfstand. Die Finanzlage der Krankenkassen ist so gut wie nie. Dennoch hat der Gesetzgeber in diesem Jahr erneut das Preismoratorium verlängert, das seit August 2010 die Preise für Nicht-Festbetragsarzneimittel auf dem Stand August 2009 einfriert – und zwar bis Ende 2022. Dagegen hat das Unternehmen InfectoPharm jetzt Verfassungsbeschwerde eingelegt. (AZ 50, S. 2) |
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