DAZ aktuell

Massiver Lieferengpass bei Metronidazol

Bislang kein Hinweis auf Problem in Defektliste des BfArM

jb/hb/ral | Apotheken haben derzeit massive Probleme, orales Metronidazol zu bekommen. Lediglich einzelne Packungen sind offenbar noch verfügbar. Eine Meldung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gibt es aber bislang nicht.

Am 20. Januar habe er die letzten Packungen Metronidazol erhalten – von Aristo, erklärt der Offenbacher Apotheker Dr. Hans Rudolf Diefenbach, der seit langem Lieferengpässe von Kollegen sammelt und immer wieder auf das Thema hinweist. Im Moment gebe es aber nichts. Auch konkrete Liefertermine lägen ihm nicht vor, sagte Diefenbach gegenüber DAZ.online. Andere Kollegen berichten Ähnliches. Bei dem einen oder anderen sind je nach Großhändler immer wieder mal einzelne Packung verfügbar, zum Beispiel von Heumann oder Artesan. Viele bekommen aber wie Diefenbach im Moment gar nichts.

Wirft man einen Blick in die Defektliste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), findet sich kein Hinweis auf Probleme bei Metronidazol. Bislang habe kein Zulassungsinhaber einen derartigen Engpass gemeldet – weder beim BfArM noch bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), erklärte ein Sprecher des BfArM gegenüber DAZ.online.

Versorgung mit parenteralem Metronidazol ist besser

Offensichtlich wird seitens der Hersteller derzeit kein besonderer Bedarf gesehen, die Fachöffentlichkeit zu informieren. Denn die Meldungen zu Lieferengpässen erfolgen bislang freiwillig durch die Zulassungsinhaber – und zwar für Arzneimittel, bei denen ein besonderer Informationsbedarf der Fachöffentlichkeit vorausgesetzt wird. Derzeit wird dieser bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln angenommen, die überwiegend zur Behandlung lebensbedrohlicher oder schwerwiegender Erkrankungen bestimmt sind und für die keine Alternativpräparate verfügbar sind. Und in der Klinik, wo solche lebensbedrohlichen Erkrankungen in der Regel behandelt werden, sieht die Situation tatsächlich besser aus. Parenterales Metronidazol scheint lieferbar zu sein. Ein Münchner Krankenhausapotheker berichtet, ihm lägen keine Informationen zu Engpässen vor. Abfragen bei Großhändlern bestätigen dies. Allerdings sei die Nachfrage längst nicht mehr so gewaltig wie früher, erklärt der Apotheker. In seinen ersten Jahren im Krankenhaus habe man bei abdominellen Infektionen oft mit der Kombination aus Cephalosporinen und Metronidazol gearbeitet. Heute setze man mehr Pip/Taz oder Carbapeneme ein, die im anaeroben Spektrum ganz gut wirken. Spannend werde es vor allem in der Bauchchirurgie, wenn Pip/Taz und Metronidazol gleichzeitig ausgehen. Aber danach sehe es im Moment zumindest nicht aus.

Whitepaper

Unter dem Titel „Joint Supply Chain Actors Statement on Information and Medicinal Products Shortages” haben acht Verbände der europäischen Interessensvertretung der Pharmaindustrie, des Großhandels und der Apotheker eine Reihe gemeinsamer Empfehlungen auf den Weg gebracht.

In dem Statement bekennen sich die Verbände entschlossen zu einem erhöhten Engagement zur Lösung des Problems. Die Empfehlungen fordern konkret mehr Transparenz und Daten über die Verfügbarkeit von Medikamenten, die Früherkennung und Beurteilung potenzieller Engpässe und eine konsistente Berichterstattung. Um eine Verknappung so früh wie möglich zu identifizieren, wird der Begriff „Verdacht eines Engpasses“ eingeführt. In einem solchen Fall sollen alle an der Versorgung mit dem betroffenen Arzneimittel Beteiligten in die Beurteilung der Situation eingebunden werden.

Außerdem soll der Zugang zu den Informationen über alle Teile der Lieferkette verbessert werden, inklusive einer optimierten Daten-Infrastruktur und gemeinsamer Governance-Prozesse. Informationssysteme müssten so zuverlässig, aktuell und umfassend wie möglich sein, fordern die Verbände. Um die Zusammenarbeit der an der Arzneimittelversorgung Beteiligten im Hinblick auf den Informationsaustausch zu verbessern, wird ein „Code of collaboration“ vorgeschlagen.

Das Whitepaper baut laut Auskunft der Verbände auf bestehenden Praktiken auf, beinhaltet aber nach ihrer Einschätzung auch einige Merkmale für ein ideales Informationssystem über Medikamenten-Engpässe. Die europäischen Verbände hoffen, dass ihre Empfehlungen unter Berücksichtigung der nationalen Besonderheiten eines jeden Landes dabei helfen, die jeweiligen IT-Systeme auf nationaler Ebene zu verbessern.

Derzeit 150 Defektmeldungen

Metronidazol ist aber nicht der einzige Engpass, mit dem sich Apotheker gegenwärtig rumschlagen müssen. Diefenbach berichtet von derzeit 150 Defektmeldungen. Andere Apotheker vermissen zwischen 30 und 50 Lagerartikel – allerdings Rx und OTC. Mehrmals täglich werde die Verfügbarkeit beim Großhandel geprüft, berichten Kollegen. Es gehe zum Teil um Minuten, bis ein Artikel wieder ausverkauft sei.

Die europäischen Industrieverbände der Arzneimittelhersteller, Großhändler, Paralleldistributoren und der Apotheker haben nun ein gemeinsames „Whitepaper“ zur Bekämpfung von Lieferengpässen vorgestellt (siehe Kasten). Der Fokus soll vor allem auf der Verbesserung der Transparenz und der Bereitstellung von Informationen liegen. |

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