Arzneimittel und Therapie

Antibiose bei Otitis media nicht zu kurz!

Bei Kindern unter zwei Jahren ist Therapieerfolg gefährdet

Eine akute Mittelohrentzündung heilt meist spontan aus und sollte zunächst symptomatisch mit systemischen Analgetika und unterstützenden Maßnahmen wie Wärme behandelt werden. Ist dies nicht ausreichend, ist eine antibiotische Therapie angezeigt. Eine neue Studie zeigt, dass eine verkürzte Therapie von fünf Tagen der Standardtherapie mit zehn Tagen unterlegen ist und den Therapieerfolg gefährden kann. Die erhoffte Abnahme von Resistenzen und Nebenwirkungen blieb aus.

Fast 40% aller Kinder erkranken bis zum zehnten Lebensjahr mindestens einmal an einer akuten Mittelohrentzündung. Diese meist harmlos verlaufende Krankheit ist auch der häufigste Anlass für eine Antibiotika-Therapie bei Kindern. Meist wird sie durch Pneumokokken, Haemophilus influenzae oder Moraxella catarrhalis ausgelöst und folgt auf einen Atemwegsinfekt. Typische Symptome sind plötzlich einsetzende heftige Ohrenschmerzen zusammen mit Hör­störungen, reduziertem Allgemeinzustand, Reizbarkeit, optional Fieber und Schwindel sowie Paukenerguss. Stillen in den ersten drei Lebensmonaten gilt als risikomindernd, die Benutzung von Schnullern wirkt sich dagegen wohl nachteilig aus. Ein Risikofaktor ist Passivrauchen. Da eine unkomplizierte Mittelohrentzündung in 80% der Fälle spontan ausheilt und der Großteil der Kinder binnen der ersten 24 Stunden schmerzfrei ist, sollte vor einer möglichen Antibiose zunächst eine symptomatische Therapie erfolgen.

Zum Einsatz kommen systemische Analgetika wie Paracetamol und Ibuprofen. Auf Acetylsalicylsäure sollte wegen des Risiko des selten auftretenden Reye-Syndroms verzichtet werden. Die Wirksamkeit von lokalen Analgetika (Ohrentropfen) ist nicht nachgewiesen. Zudem erschwert deren Anwendung die Beurteilung des Trommelfells. Auch der Nutzen von abschwellenden Nasensprays ist nicht wissenschaftlich belegt. Allerdings kann ein Nasenspray Beschwerden durch eine oft parallel auftretende Rhinitis lindern, so den Schlaf verbessern und daher zur kurzzeitigen Anwendung empfohlen werden. Lindernde Wirkung haben auch Wärme (z. B. durch eine Rotlichtlampe) und das als Hausmittel bekannte Zwiebelsäckchen. Im Allgemeinen sollten körper­liche Anstrengungen vermieden und auf eine ausreichende Flüssigkeits­zufuhr geachtet werden.

Sollten diese Maßnahmen nicht ausreichen oder ein komplizierter Fall vorliegen (z. B. Kinder unter 2 Jahren, beidseitige Manifestation), ist eine Antibiotika-Therapie mit Amoxicillin, Makroliden oder Cephalosporinen (Reserve) angezeigt. Um Resistenzen zu vermeiden, wird oft versucht, die Dauer der Antibiose zu reduzieren. Eine kürzlich veröffentlichte Studie der Universität Pittsburgh hat untersucht, ob dieses Vorgehen den Therapieerfolg gefährden kann. 520 Kinder im Alter zwischen sechs und 23 Monaten mit akuter Mittelohrentzündung erhielten entweder Amoxicillin-Clavulansäure über zehn Tage oder über fünf Tage plus fünf Tage Placebo. Am Ende des Behandlungszeitraums hatte bei 34% der Probanden der Fünf-Tagesgruppe die Therapie versagt, dagegen nur bei 16% in der Zehn-Tagesgruppe. Ebenso war die durchschnittlich erzielte Punktzahl in den Symptomfragebögen der Fünf-Tagesgruppe höher. Es wurden keine signifikanten Unterschiede im Auftreten Penicillin-resistenter Stämme im Nasen-Rachenraum beider Gruppen gefunden. Ebenso verhielt es sich mit den beobachteten Nebenwirkungen. Daher erscheint eine verkürzte Antibiotika-Therapie zumindest für Kinder unter zwei Jahren keine sinnvolle Option zu sein. |

Quelle

Hoberman A., Shortened Antimicrobial Treatment for Acute Otitis Media in Young Children, New England Journal of Medicine, 22. Dezember 2016

Kenna MA., Acute Otitis Media — The Long and the Short of It, New England Journal of Medicine, 22. Dezember 2016

DEGAM, S2k-Leitlinie „Ohrenschmerzen“, Stand November 2014

Apothekerin Sarah Katzemich

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