Arzneimittel und Therapie

Viral oder bakteriell?

Schnelltest verbessert Diagnose bei Infektionen im Kindesalter

Bei Kindern, die aufgrund von Fieber unbekannter Herkunft oder akuten Atemwegsinfektionen notfallmäßig behandelt werden müssen, sind die verantwortlichen Erreger meist nicht bekannt. Obwohl häufig viral bedingt, wird die Erkrankung im Zweifel mit Antibio­tika behandelt. Mithilfe eines Pro­tein-basierten Assays soll die Differenzierung zwischen viralen und bakteriellen Infektionen bei Kindern einfacher werden.

Als Auslöser von akuten Atemwegsinfektionen bei Kindern spielen Bakterien nur eine untergeordnete Rolle: Sie sind bei Fieber unbekannter Herkunft für weniger als 1% aller Fälle, bei akuten Atemwegsinfektionen für rund 28% der Fälle verantwortlich. Der Großteil der Erkrankungen ist viral bedingt. Da eine Unterscheidung zwischen bakteriellen und viralen Infektionen aufgrund klinischer Parameter häufig nicht möglich ist, wird oft eine empirische antibakterielle Therapie eingeleitet, auch wenn dadurch eine potenzielle Resistenzbildung gefördert wird. Umgekehrt wird ein Teil der Patienten mit bakteriellen Infektionen nicht antibiotisch versorgt, was klinische Komplikationen bis hin zu einer erhöhten Mortalitätsrate zur Folge haben kann.

Assay misst Proteine im Serum

Um die Differenzierung zwischen viral und bakteriell bedingten Infektionen zu erleichtern, wurde der Protein-basierte Test Immuno­xpert™ (Hersteller MeMed Diagnostics; Israel) ent­wickelt. Dabei handelt es sich um ein In-vitro-Diagnostikum, das die Tatsache ausnutzt, dass Viren und Bakterien unterschiedliche Signalkaskaden des Immunsystems aktivieren. So sind bei bakteriellen Infektionen die Werte für C-reaktives Protein (CRP), bei viralen Infektionen die Werte für TNF-related apoptosis-inducing ligand (TRAIL) erhöht. Der Test beruht auf der Messung dieser zwei Werte sowie auf dem Wert für Interferon-Gamma induziertes Protein 10 (IP-10), dessen Konzentration bei viralen und bakteriellen Infektionen unterschiedlich hoch ist. Der Immunoassay besitzt die CE-Kennzeichnung und ist für den klinischen Einsatz in der EU, der Schweiz und Israel zugelassen. 2016 vergab die Europäische Kommission Fördermittel für den Einsatz von Immunoxpert™ mit dem Ziel, einen unnötigen Gebrauch von Antibiotika zu reduzieren.

Funktionsweise des Protein-basierten Tests Immunoxpert™ zur Unterscheidung von bakteriellen und viralen Infektionen (CRP: C-reaktives Protein; IP-10: Interferon-Gamma induziertes Protein 10; TRAIL: TNF-related apoptosis-inducing ligand)

Test erlaubt Zuordnung

Zur Validierung des Tests wurden im Rahmen einer prospektiven, doppelblinden Studie Kinder im Alter zwischen zwei und 60 Monaten ausgewählt, die aufgrund einer Infektion der unteren Atemwege oder aufgrund von Fieber ohne erkennbare Ursache in einem Krankenhaus vorgestellt wurden. Jeweils drei erfahrene Pädiater unterschieden unter Zuhilfenahme von klinischen Parametern, Labor­werten und einem Follow-up von 28 Tagen, ob eine virale oder bakterielle Infektion vorgelegen hatte. Zusätzlich wurde ein Protein-basierter Assay (Immunoxpert™) durchgeführt. Zur Auswertung kamen die Daten von 577 Kindern im medianen Alter von 21 Monaten. Die Pädiater stuften 71 Infektionen als bakteriell und 435 als viral bedingt ein. Bei weiteren 71 Infektionen konnten die Fachärzte keine eindeutige Zuordnung treffen; diese Fälle wurden von der Primäranalyse ausgeschlossen.

Der Test zeigte eine Zuordnung von viraler und bakterieller Infektion: Die Sensitivität, also die Wahrscheinlichkeit, dass ein kranker Patient ein positives Testergebnis erhält, lag bei 86,7%, die Spezifität und damit die Wahrscheinlichkeit, dass ein gesunder Patient ein negatives Testergebnis ­erhält, bei 91,1%. Der positive Vorhersagewert (Wahrscheinlichkeit des Vorhandenseins der Krankheit bei positivem Testergebnis) lag bei 60,5%, der negative Vorhersagewert (Wahrscheinlichkeit bei negativem Testergebnis gesund zu sein) bei 97,8%. In den von den Pädiatern eindeutig als bakteriell oder viral eingestuften Infektionen lag die Sensitivität bei 87,8% und die Spezifität bei 93%, der positive und nega­tive Vorhersagewert bei 62,1% bzw. 98,3%.

Weniger Antibiotika?

Diese Daten weisen darauf hin, dass die Diagnose mithilfe eines Schnelltests verbessert werden kann. So reduzierte der Test die Anzahl der Fälle, bei denen virale Infektionen fälschlicherweise als bakterielle Infektionen diagnostiziert wurden, um mehr als die Hälfte. Die Konsequenzen einer frühen Differenzierung sind die Vermeidung von Über- oder Untertherapie sowie ein Beitrag zur Verhinderung von Antibiotikaresistenzen. |

Quelle

Van Houten CB et al. Lancet Infect Dis 2016, published online am 21. Dezember; doi: http://dx.doi.org/10.1016/S1473-3099(16)30519-9

http://www.me-med.com/ (Zugriff am 8.1.2017)

http://cordis.europa.eu/project/rcn/205215_de.html (Zugriff am 8.1.2017)

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

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