Gesundheitspolitik

Politik contra Impfstoff-Festpreismodelle

Sachsen-Anhalt folgte Vorbild der AOK Nordost – Politik fühlt sich „torpediert“

BERLIN (ks) | Der Magdeburger Bundestagsabgeordnete Tino Sorge (CDU) hat sich in die Diskussion um die Grippeimpfstoffversorgung eingeschaltet: „Entgegen dem klaren Willen des Gesetzgebers setzen viele Krankenkassen ihre riskante Praxis fort, Verträge für die Impfstoffversorgung mit nur einem Hersteller auszuhandeln“, kritisierte er. Er forderte die Kassen auf, diese Praxis zu stoppen.

Erst vor einem Jahr hatte der Gesetzgeber die Impfstoffausschreibungen mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) gestoppt. Nun stehen die Festpreismodelle von Kassen und Apothekerverbänden in der Kritik. Der Vorwurf: Der Preis sei so gering, dass letztlich nur ein Hersteller für die Versorgung in Betracht komme. Sorge ist überzeugt: „Angesichts der soliden Finanzlage der GKV besteht keine Veranlassung, den kritischen Bereich der Impfstoffversorgung aus kurzfristigen Kostenerwägungen heraus zu gefährden.“

Auslöser für Sorges Forderung ist, dass nun auch in Sachsen-Anhalt ein Festpreismodell für die Ver­sorgung mit Grippeimpfstoffen vereinbart wurde. Und zwar nach dem Vorbild der Vereinbarung der AOK Nordost mit den Apothekerverbänden der Länder Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Während Sachsen-Anhalt in den vergangenen Jahren auf klassische Rabattverträge für Grippeimpfstoffe gesetzt hat, gibt es im Nordosten die Festpreisvereinbarung seit 2011. Danach bekommen die Apotheker von der Kasse einen fixen Betrag pro generisch verordneter Impfdosis. Je günstiger sie den Impfstoff besorgen können, desto höher ist ihre Marge. Auch in anderen Bundesländern wurden solche Vertragsmodelle umgesetzt, etwa in Hessen. Der Unterschied in der kommenden Saison ist, dass erstmals ein Festpreis für einen tetravalenten Impfstoff vereinbart wurde – und zwar in Höhe von 10,95 Euro für die Apotheken. Und das ist aus Sicht der meisten Hersteller eines solchen Vierfach-Impfstoffs zu wenig. Lediglich Mylan bietet seinen Impfstoff in diesem preislichen Rahmen an.

Die Ärztekammer Sachsen-Anhalt hält gar nichts von der neuen Vereinbarung: „Aus der seit Jahres­beginn grassierenden heftigsten Grippeepidemie seit 17 Jahren haben Krankenkassen offenbar keine Schlüsse gezogen. Vielmehr werden Verträge zu Niedrigpreisen geschlossen, so dass letztlich wohl nur ein einziger Hersteller infrage kommt und damit Lieferengpässe provoziert werden. Was heute preiswert erscheint, kann uns erneut teuer zu stehen kommen“, mahnt Kammerpräsidentin Dr. Simone Heinemann-Meerz.

AOK verteidigt Verträge

Die AOK Sachsen-Anhalt ist hingegen überzeugt, dass mit dem Vertrag die Impfstoff-Versorgung gesichert sei: Früher als sonst werde eine „Bestandsaufnahme“ gemacht, wie viele Impfstoffe in der kommenden Saison benötigt werden. „Die Hersteller wissen verbindlich, was benötigt wird.“ Die Kasse glaubt auch nicht, dass sie gesetzliche Vorgaben umgeht: Mit dem AMVSG seien lediglich die exklusiven Ausschreibungen abgeschafft worden. Die Vereinbarung mit dem Landesapothekerverband gelte dagegen unabhängig von einem Hersteller. Der Arzt behalte seine Verordnungshoheit.

Die Politik ist dennoch kritisch. Auch die SPD-Gesundheitspolitikerin Martina Stamm-Fibich machte am vergangenen Donnerstag bei einer Diskussionsrunde von Pro Generika deutlich, dass ihr die Grippeimpfstoffvereinbarungen missfallen: „Es ist erschreckend, wie etwas, das sich der Gesetzgeber überlegt und sauber aufgeschrieben hat, am Ende torpediert wird.“ Vor einem Monat hat sich bereits die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, Karin Maag, ähnlich geäußert. |

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