Management

Change Management: So nehmen Sie Ihr Team mit

Teil 2: Psychologische Aspekte des Veränderungsmanagements

Wenn eine Veränderung an­gekündigt wird, hält sich die Begeisterung der Mitarbeiter häufig in engen Grenzen. Motiviert zeigen sich nur diejenigen, die diese Änderung klar befürworten oder sie sogar selbst angestoßen haben. Die Mehrheit empfindet Veränderungen jedoch eher als „Störfaktor“, sträubt sich gegen technische und organisatorische Neuerungen oder reagiert sogar mit erkennbarem Widerstand. Was verbirgt sich hinter diesem Verhalten?  Von Cornelia Tromm

Es reicht offenbar nicht, dass die Apothekenleitung notwendige Veränderungen beschließt. Sie benötigt auch den Rückhalt ihrer Mitarbeiter. „Nobody likes change, except wet babies“, ist eine sehr treffende Aussage von Allan Dobrin, dem ehemaligen Vizekanzler der Universität New York. Aus Mit­arbeitersicht ist eine ablehnende Haltung gegenüber Veränderungen durchaus nachvollziehbar, denn diese bedeuten ja beispielsweise:

  • Aufgeben von bewährten Gewohnheiten,
  • Änderung von gelernten oder Erlernen von neuen Verhaltensweisen,
  • Verlassen der Komfortzone und auch
  • Angst vor Überforderung.
Foto: tashatuvango – stock.adobe.com

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Ergebnis des Gallup Engagement Index 2016. (Das Gallup-Institut untersucht seit 2001, wie hoch der Grad der emotionalen Bindung von Mitarbeitern an ihren Arbeitgeber ist und damit ihr Engagement und die Motivation bei der Arbeit.) Abbildung 1 zeigt über alle Branchen betrachtet, welches die drei wichtigsten Motivationsfaktoren für Mitarbeiter sind.

Abb. 1: Die drei wichtigsten Motivationsfaktoren für Mitarbeiter (branchenübergreifend ermittelt).

Eine Veränderung droht demnach häufig das zu gefährden, was auf Platz 1 der von Gallup erhobenen Motivationsfaktoren steht: Die Möglichkeit, das tun zu können, was man richtig gut kann.

Typische Reaktionsmuster der Mitarbeiter

In der frühen Phase einer Veränderung ist es (fast) unvermeidlich, dass Mitarbeiter das Ziel, die Hintergründe oder Motive der Veränderung nicht einsehen oder nicht verstehen: „Es läuft doch alles gut!“ Daher können sie sich mit der Maßnahme nicht identifizieren. Sie vermuten, dass es „nichts bringt“, oder sogar, dass sie übervorteilt werden.

Die Reaktionen der Mitarbeiter fallen – je nach Typ – unterschiedlich aus. Die verschiedenen Ausprägungen werden im Change Management in vier Gruppen eingeteilt (s. Abb. 2).

Abb. 2: Im Change Management werden Reaktionen der Mitarbeiter in vier Gruppen eingeteilt (Akzeptanzmatrix von Mohr, Woehe, Diebold; Erläuterungen s. Text).

Hier die entsprechende Beschreibung in der Reihenfolge des „Schwierigkeitsgrades“:

Die Promotoren

Diese Mitarbeiter schätzen die Veränderung für sich persönlich als wenig gravierend ein oder sehen sie sogar positiv. So haben sie gegenüber der geplanten Maßnahme kaum oder gar keine Vorbehalte. Sie können wertvolle Promoter, also Unterstützer sein in dem Bestreben, weitere Kollegen zu überzeugen und „ins Boot zu holen“.

Die Skeptiker

Diese Gruppe sieht eher das halb leere als das halb volle Glas und argumentiert überwiegend mit sachlichen Vorbehalten. Sind ihre Einwände berechtigt, sollten sie diskutiert und auf der Sachebene geklärt werden. Wenn Skeptiker erkennen, dass ihre Argumente ernst genommen werden und zu einer Verbesserung führen, engagieren sie sich durchaus eher stärker.

Die Bremser

Diese Mitarbeiter haben persön­liche Vorbehalte. In der Regel spielen hier Ängste eine Rolle: vor dem „Neuen“ und vor (vermuteten) möglichen Konsequenzen. Das gibt niemand gerne offen zu. Ängste werden hinter Sachargumenten versteckt, doch dabei werden emotionale Reaktionen deutlich. Ängste kann man selten mit Sachargumenten ausreden, aber man kann sie in Gesprächen konkretisieren.

Die Widerständler

Widerständler sind „aus Prinzip“ dagegen und lassen sich, wenn überhaupt, nur mit Mühe überzeugen. Sie sind häufig Initiatoren von negativem „Flurfunk“ und Verursacher von schlechter Stimmung im Team. Mit autoritären Anweisungen kann man Widerständler zwar ruhigstellen, aber nicht gewinnen. Und die Erfahrung zeigt: Wer auf Widerstände mit Druck reagiert, verstärkt sie. Dieser Mitarbeitertyp tritt erfreulicherweise nur vereinzelt auf. Wenn es gelingt, alle übrigen Mitarbeiter zu überzeugen, hat man gegen den Widerständler „gewonnen“.

Emotionale Reaktionen auf Veränderungen

Stehen aus Mitarbeitersicht oder auch faktisch gravierende Veränderungen an, kommt es häufig zu ausgeprägten emotionalen Reaktionen, die proportional zu der Komplexität einer Veränderung spürbar werden. Wer echte Zustimmung erreichen und seine Ziele nachhaltig umsetzen will, sollte verstehen, was Veränderungen bei den Mitarbeitern auslösen.

Bei den meisten Projekten lässt sich gut beobachten, dass die emotionalen Reaktionen der Beteiligten nach einem bestimmten Schema ablaufen. Nach Prof. Richard K. Streich vollziehen sich diese Reaktionen im Zeitablauf in sieben Phasen (siehe Abb. 3).

Abb. 3: Die sieben Phasen emotionaler Reaktionen auf Veränderungen (Erläuterungen siehe Text).

Phase 1: Schock, Überraschung – „Das kann nicht wahr sein …“

Die Betroffenen werden mit der notwendigen Veränderung konfrontiert. Die typische Reaktion in dieser Phase ist Schock und Überraschung, Unverständnis und auch Angst vor der neuen Situation.

Erkennbare Signale sind:

  • ablehnende Körperhaltung,
  • unstrukturierte Gesprächs­führung,
  • Schweigen.

Phase 2: Ablehnung, Widerstand – „Das stimmt nicht …“

Nach dem ersten Schockzustand schließen sich die Betroffenen häufig gegen die Veränderung zusammen, um klarzumachen, dass die angekündigte Maßnahme aus ihrer Sicht überflüssig ist. In ihrer ablehnenden Haltung manifestiert sich die Angst, gewohnte Strukturen zu verlieren.

Erkennbare Signale sind:

  • Blockadehaltung,
  • „Nein, weil …“,
  • „Früher war es …“,
  • scheinbare Zustimmung („Jaja, das machen wir schon“).

Empfehlung

In Phase 1 und 2 ist es sehr wichtig, die Mitarbeiter verständlich über die Hintergründe und das Ziel der Veränderungsmaßnahmen zu informieren und ihre Bedenken ernst zu nehmen.

Phase 3: Rationale Einsicht – „Vielleicht doch …“

Zeigt die Kommunikation erste Früchte, verstehen die Betroffenen den Änderungsbedarf und erkennen, dass die Veränderungsmaßnahme vielleicht nötig ist. Allerdings ist ihre Bereitschaft, das eigene Verhalten zu prüfen und zu modifizieren, noch wenig ausgeprägt.

Erkennbare Signale sind:

  • Nachlassen des Widerstands,
  • „Mag sein, dass …“,
  • „Eigentlich …“.

Empfehlung

Machen Sie individuelle Chancen deutlich und setzen Sie erreichbare Teilziele. Wenn die Mitarbeiter positive Ergebnisse wahrnehmen, werden sie die nächste Phase erreichen.

Phase 4: Emotionale Akzeptanz – „Es stimmt eigentlich …“

Der Wendepunkt: Das Team beginnt, die Veränderung für sich zu akzeptieren und gewohnte Verhaltensweisen zu verlassen.

Erkennbare Signale sind:

  • Gespräche werden ruhiger geführt,
  • offene Körperhaltung,
  • Lächeln.

Phase 5: Lernen, Testen – „Mal versuchen …“

Die Betroffenen beginnen, mit der geänderten Situation umzugehen. Sie entwickeln Neugier, erproben das Neue und lernen durch Erfolge, aber auch durch Misserfolge.

Erkennbare Signale sind:

  • Mitarbeiter zeigen Interesse,
  • stellen Fragen und
  • machen Fehler.

Empfehlung

In den Phasen 4 und 5 kommt es zu Pannen und Fehlern bei der Umsetzung. Hier ist Ihre (gelassene) Unterstützung nötig, damit die Mitarbeiter nicht in eine frühere Phase zurückfallen.

Phase 6: Erkenntnis – „Es geht ja tatsächlich …“

Die Mitarbeiter erkennen, dass die Veränderung auch etwas Gutes hat. Durch erlebte – und bestätigte – Erfolge beginnt die Integration der Veränderung in den Alltag.

Erkennbare Signale sind:

  • Mitarbeiter suchen selbst aktiv nach Lösungen und
  • stellen Sachfragen.

Empfehlung

Freuen Sie sich erkennbar über „quick wins“ – zum Beispiel mit einer kleinen unerwarteten Belohnung (wie einem spendierten Kuchen).

Phase 7: Integration – „Es ist selbstverständlich …“

Die neuen Handlungs- und Verhaltensweisen werden nun von den Mitarbeitern vollständig in den Alltag integriert und als selbstverständlich erachtet.

Erkennbare Signale sind:

  • Entspannung,
  • Stolz,
  • gute Laune.

Empfehlung

Bevor Sie die nächste Veränderung starten, lassen Sie dem Team Zeit, um Routine zu gewinnen. Prüfen Sie dabei immer wieder einmal, ob ein Nachjustieren erforderlich ist.

Der Schlüssel: Offene Kommunikation

Der Harvard-Professor John P. ­Kotter, der besonders im Bereich des Change Managements bekannt wurde, fand in seinen Stu­dien heraus, dass rund 70 Prozent aller begonnenen Veränderungsprozesse scheitern.

Der häufigste Grund des Scheiterns bei der Umsetzung von Veränderungen liegt in der mangelhaften Kommunikation mit dem Team. Vielfach werden die Mitarbeiter nicht aktiv in die Planung einer Veränderung eingebunden. Kotters Fazit: „Change Management gelingt nicht dadurch, dass die Führungsabteilung die notwendigen Veränderungen überdenkt und beschließt. Vielmehr müssen die Mitarbeiter gewonnen werden.“

Hier greift eine wichtige Regel der Krisenkommunikation:

Der Mangel an Informationen wird immer mit Emotionen aufgeladen.

Je weniger Informationen Mitarbeiter rund um einen Veränderungsprozess haben, desto intensiver läuft der „Flurfunk“ und umso größer werden Sorgen, Ängste und Widerstände. In dieser Gefühls­melange wird es zunehmend schwierig, das Team mit Fakten zu überzeugen. Darum hier drei Empfehlungen:

1. Informieren Sie Ihr Team frühzeitig über Ihre Überlegungen. Erklären Sie den Grund und das Ziel der von Ihnen geplanten Veränderung. Das bietet Ihnen die Chance, dass berechtigte Einwände konstruktiv in die Maßnahmenplanung einfließen.

2. Beschreiben Sie an konkreten und für das Team nachvollziehbaren Beispielen, welche Vorteile die Veränderung mit sich bringt: vereinfachte Abläufe, reduzierter Arbeitsaufwand, Zeitersparnis, verbesserte Kommunikation … Erläutern Sie unbedingt auch die eventuellen Nachteile für den Einzelnen oder das gesamte Team. Diese Offenheit schafft Vertrauen und hilft, dass Widerstände und Ängste erst gar nicht aufkommen. Wichtig ist im Übrigen auch die Information, welche wahrscheinlich befürchteten Konsequenzen nicht folgen.

3. Manchmal ist es nützlich, die Dringlichkeit einer Maßnahme zu verdeutlichen, indem die Worst-Case-Szenarien genannt werden für den Fall, dass auf die geänderten Rahmenbe­dingungen nicht mit einer entsprechenden Veränderung reagiert wird.

Das Ziel Ihrer Kommunikation sollte sein, dass die Mitarbeiter am Ende eines Veränderungsprozesses nicht sagen „Wir wurden verändert“, sondern „Wir haben uns verändert“. |

Cornelia Tromm, Kommunikations­beraterin, -trainerin und -coach, www.cornelia-tromm.de

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