Gesundheitspolitik

Was Taxis und Apotheken verbindet – und trennt

Bundesgerichtshof hält von Dritten gewährte Rabatte auf Taxi-Festpreise für zulässig

BERLIN (ks) | Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit einer Rabattaktion im Taxigewerbe befasst und dabei einen Schlenker zu Apotheken-Boni unternommen. Tatsächlich gibt es für Taxiunternehmen eine tarifliche Preisbindung und damit Festpreise, die sich mit denen für rezeptpflichtige Arzneimittel vergleichen lassen. Was heißt das für Rabattaktionen? Für deutsche Apotheker sind Rx-Boni bekanntermaßen tabu – das hat der BGH schon 2010 entschieden. Doch Taxi-Rabatte ließen die Karlsruher Richter nun durchgehen. Der Fall sei hier anders gelagert, so die Richter. (Urteil des BGH vom 29. März 2018 – I ZR 34/17)

Gestritten hatten zwei Taxi-Vermittler: Geklagt hatte ein genossenschaftlicher Zusammenschluss von Taxizentralen, der die Taxi-Bestell-App „Taxi Deutschland“ betreibt. Auf der Gegenseite stand ein Unternehmen, das ebenfalls Taxi-Dienstleistungen vermittelt – über die App „My Taxi“. Dieses hatte Bonusaktionen initiiert, bei denen registrierte Nutzer lediglich die Hälfte des regulären Fahrpreises zahlen mussten. Die andere Hälfte erhielt der Taxifahrer – abzüglich Vermittlungsgebühren – von „My Taxi“. Dies hielt die Konkurrenz für wettbewerbswidrig: Solche Boni verstießen gegen die Pflicht, die behördlich festgesetzten Taxitarife einzuhalten.

Während das klagende Unternehmen in den ersten beiden Instanzen Recht bekam und die Beklagte verurteilt wurde, solche Rabattaktionen künftig zu unterlassen, hatte der BGH eine andere Sicht auf die Dinge. Er hat der Revision des „My Taxi“-Betreibers stattgegeben und die Klage abgewiesen.

Anstiftung zum Wett­bewerbsverstoß?

Nun liegen die Urteilsgründe vor. Laut BGH verstoßen die Bonus­aktionen nicht gegen die tarifliche Preisbindung für Taxiunternehmer. Die streitenden Unternehmen sind selbst keine Taxiunternehmer, für die die Festpreise gelten. Doch sie könnten ihre Kunden, die Taxiunternehmen, die ihre Vermittlungsleistungen in Anspruch nehmen, zu Wettbewerbsverstößen verleitet haben. Allerdings verneinen die Karlsruher Richter dies. Zwar seien die Vorschriften zur Tarifpflicht im Taxiverkehr als Marktverhaltensregeln im Sinne des Lauterkeitsrechts zu sehen. Damit könnte ein Verstoß hiergegen auch einen Unterlassungsanspruch begründen. Doch hier sei dies nicht der Fall. Es komme darauf an, dass Taxiunternehmen den Festpreis vollständig bekommen, die Tarifpflicht also eingehalten wird. Wie genau dies geschieht, ist aus BGH-Sicht ohne Bedeutung. Die vorliegende Variante, nach der der Kunde eine Hälfte der Vergütung zahlt und das vermittelnde Unternehmen die andere Hälfte, halten die Richter jedenfalls für in Ordnung. Am Ende ist es der volle Festpreis. Soweit der Vermittler dabei eine Provision von 7% des Fahrpreises abziehe, handele es sich um eine zulässige Vergütung seiner Vermittlungsleistung und nicht um eine unzulässige Umgehung der Tarifpflicht. Es liege auch kein an ein konkretes Umsatzgeschäft gekoppeltes Provisionsmodell vor, wie es dem Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem Buchpreisbindungsgesetz vor Augen gestanden haben mag. Vielmehr würden die Bonusaktionen unabhängig von konkret vermittelten Fahrten gewährt.

Vergleich zu fixen Buch- und Rx-Preisen

Dass hier keine so strenge Betrachtungsweise nötig ist wie bei der Buchpreisbindung, erläutert der BGH anhand der Schutzzwecke der jeweiligen Gesetze: Das Buchpreisbindungsgesetz diene dem Schutz des Kulturgutes Buch, indem es durch die verbindlichen Preise einen breiten Zugang zu vielen Verkaufsstellen sichere. Provisions­modelle, die dazu führen, dass sich die Nachfrage bei bestimmten Buchhändlern konzentriert, könnte die Zahl der Buchläden verringern und den Schutzzweck damit beeinträchtigen. Sinn und Zweck der Tarifpflicht des Taxiunternehmers sei dagegen die Funktionsfähigkeit des Taxiverkehrs. Solange den Taxi­unternehmen ausreichende Vermittlungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden, bestehe kein Grund, hier den Wettbewerb im Interesse der Funktionsfähigkeit des Taxiverkehrs einzuschränken. Vorliegend würden die Vermittlungsmöglichkeiten sogar erweitert, nicht aber eingeschränkt.

Nicht zuletzt nehmen die Richter Bezug auf den 2010 vom BGH entschiedenen Fall „Bonuspunkte“. Hier wurde angenommen, die Preisbindung für Arzneimittel sei auch verletzt, wenn für das preisgebundene Produkt zwar der korrekte Preis angesetzt werde, dem Kunden aber damit gekoppelt Vorteile gewährt würden, die den Erwerb günstiger erscheinen ließen. Der Unterschied zum Taxifall: Der Apotheker gewährte den Vorteil selbst, ihm floss der ge­bundene Preis damit nicht mehr vollständig zu.

Lässt das Urteil nun Spielraum für Dritte, die auf neue Modelle der Arzneimittelbelieferung setzen? Könnte ein Vermittler – etwa Amazon oder Ebay – vielleicht Rx-Boni übernehmen und dafür eine Vermittlungsgebühr der Apotheken einvernehmen? Ganz so einfach dürfte das nicht sein – auch im Hinblick auf den Schutzzweck der Tarifbindung für Taxis und der Rx-Preisbindung, die sicherlich nicht vergleichbar sind. |

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