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Gesundheitspolitik
„Es gab keine Alternative zur Anzeige“
Im Bottroper Zyto-Prozess berichtet der ehemalige kaufmännische Leiter über Machenschaften in der Apotheke
Porwoll gab an, dass er Peter S. schon seit seiner Kindheit gekannt und seit 2012 für ihn gearbeitet habe – offensichtlich gerne und mit 100.000 Euro pro Jahr auch gut bezahlt.
Ende 2014 habe ihm eine Zyto-PTA, die bereits gekündigt hatte, geraten, sich insbesondere einen Wirkstoff anzusehen: Sie hätte den Eindruck, dass maximal die Hälfte aller hiermit bestückten Spritzen richtig produziert worden sei. Auf der Weihnachtsfeier 2014 hätten auch andere PTAs das Thema angesprochen. Im Frühjahr 2015 kam außerdem die PTA Marie Klein hinzu, mit der es gleichfalls Gespräche hierzu gab. Zunächst hätten sie aber eine „gemeinsame Sprache“ entwickeln müssen, „um über einen Themenbereich zu sprechen, über den man eigentlich gar nicht sprechen kann“, erklärte Porwoll vor Gericht.
Nur eine Kontrolle durch die Amtsapothekerin
Auch die hygienischen Mängel kamen zur Sprache: Porwoll habe den Apotheker im Zyto-Labor in Straßenkleidung gesehen. Es habe in seiner Zeit nur eine angekündigte Kontrolle durch die Amtsapothekerin gegeben – sowie die Abnahme eines neuen Zyto-Labors.
Im Jahr 2015 sei sein Vater an Krebs erkrankt und verstorben, was das Thema „Zyto-Herstellung“ für ihn wieder auf den Tisch brachte, erklärte der Zeuge – da „natürlich auch im Raum stand“, dass er Therapien von der Bottroper Apotheke bekommt. Von Kollegen hätte er zuvor schon gehört, „dass das nicht so gut wäre“. Im Februar 2016 habe er dann angefangen, sich einige Wirkstoffe genauer anzusehen, die wenige Jahre zuvor auf den Markt gekommen waren – und die eingekaufte Menge mit der verschriebenen verglichen. „Das sind zwei Summen, die stellt man nebeneinander – und dann stellt man fest, dass es eine Diskrepanz gibt“, erklärte Porwoll. Teils seien nur gut 30 bis 45 Prozent der verkauften Wirkstoffmenge eingekauft worden – auch habe er eines Tages S. gesehen, wie er bei einer Liefermenge von drei Ampullen eines Arzneimittels acht als Warenbestand verbucht habe. Bei der Bedeutung des Fundes „gab es für mich keine Alternative mehr, außer das zur Anzeige zu bringen“, sagte Porwoll vor Gericht. Mit dem Apotheker zu sprechen, sei für ihn nicht infrage gekommen.
In einem Schreiben an das Gericht hatten die Verteidiger von S. vorgebracht, dass Differenzen durch Schwarzmarkteinkäufe oder unberücksichtigte Anfangsbestände zu erklären seien. Andere Einkaufswege beispielsweise aus dem Kofferraum eines Hexal-Vertreters seien ihm nicht bekannt, erklärte Porwoll.
Am 29. November 2016 kam es zur Razzia. In einem Gespräch hätten ihm der Vater, der Steuerberater von S. sowie ein Anwalt vorgeworfen, „das getan zu haben, was ich getan habe“, sagte der Zeuge. Er habe auf den Rat seines Anwalts geschwiegen. Ihm sei bei dem Gespräch fristlos gekündigt worden.
Auf die Frage des Staatsanwalts, warum S. als Chef in der Herstellung gearbeitet habe, zitierte Porwoll seinen früheren Chef: Weil er „es gut kann“, habe dieser ihm gesagt. S. habe sich morgens die Herstellungen rausgesucht, die er selber übernehmen wolle. Ein System bei mutmaßlichen Unterdosierungen könne er selber nicht erkennen, erklärte der Zeuge. Auf die Frage der Nebenklägerin Heike Benedetti, die seit Herbst 2017 monatliche Demonstrationen in Bottrop organisiert, erklärte Porwoll, dass die Zyto-Apotheke onkologischen Praxen teilweise Geschenke gemacht habe: Die Kosten für die Weihnachtsfeier einer Bottroper Praxis seien übernommen worden.
Die Verteidiger von S. stellten Porwoll im Vergleich zu den Nebenklägern nur wenig Fragen. So wurde eine mehr als zehn Jahre zurückliegende Verurteilung wegen Betrugs angesprochen, die Porwoll kürzlich selber gegenüber der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ erwähnt hatte. Wenn das alles ist, was die Verteidiger anzubringen haben, „dann ist das wenig“, erklärte der Vorsitzende Richter Johannes Hidding in dieser Angelegenheit. „Das ist jetzt hier nicht so entscheidend.“ |
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