Gesundheitspolitik

Grüne wollen Cannabistherapie erleichtern

Genehmigungsvorbehalt der Kassen soll abgeschafft werden / Kritik an Einschränkung der ärztlichen Therapiehoheit

BERLIN (bj) | Derzeit muss von den Krankenkassen genehmigt werden, wenn Schwerkranke eine Cannabistherapie erhalten sollen. Die Grünen wollen dies ändern und den Genehmigungsvorbehalt der Kassen beim Medizinalcannabis streichen.

Für Schwerkranke ist es nicht leicht, eine Cannabistherapie zu erhalten. Denn viele Ärzte sind gegenüber Medizinalhanf skeptisch und scheuen die Verordnung. Gesetzlich Versicherte müssen eine weitere Hürde nehmen: Nach § 31 SGB V Absatz 6 ist für die Erstverordnung eine Genehmigung durch die Krankenkassen erforderlich.

Das wollen die Grünen nun ändern. Nach einem Gesetzentwurf, der DAZ.online vorliegt, soll der im § 31 SGB V Absatz 6 stehende Genehmigungsvorbehalt ersatzlos gestrichen werden. Dieser habe sich nicht bewährt, heißt in der Begründung. So sei vorgesehen, dass die Kassen Genehmigungs­anträge nur in begründeten Ausnahmefällen ablehnen sollen. In der Tat würde ein Drittel der Anträge abgelehnt, und dies überwiegend aus formalen Gründen.

Foto: Deutscher Bundestag / Thomas Trutschel
Dr. Kirsten Kappert-Gonther Kassen sollen Cannabis-Verordnung nicht mehr beeinflussen.

„Wer Cannabis als Medizin braucht, muss es auch bekommen können. Die hohe Ablehnungsquote von einem Drittel aller Anträge zeigt, dass die Krankenkassen das Gesetz bisher zu restriktiv auslegen“, erklärt die drogenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion Dr. Kirsten Kappert-Gonther gegenüber DAZ.online.

Erfolgt Ablehnung auch aus finanziellen Gründen?

Die Grünen identifizieren beim Genehmigungsvorbehalt noch ein weiteres Problem. Es sei zu befürchten, dass Anträge von den Krankenkassen auch aus finanziellen Gründen abgelehnt werden, was nicht unbedingt im Sinne der Patienten sei.

Für die Medizinerin ist die Beschränkung der ärztlichen Therapiehoheit durch die Krankenkassen beim Medizinalhanf nicht angemessen: „Wenn Medizinalcannabis ärztlich verordnet wird, muss diese Verordnung gelten. Wie schwerwiegend eine Erkrankung ist und ob Medizinalcannabis indiziert ist, können Ärztin und Patient am besten beurteilen.“

Bislang sind die Genehmigungen spezifisch für eine bestimmte Dosierung, Blütensorte beziehungsweise Extrakt. Insbesondere zu Behandlungsbeginn kann es notwendig sein, bei Sorte und Dosierung zu variieren. Ob bei jedem Sortenwechsel eine neue Genehmigung erforderlich ist, hand­haben die Krankenkassen unterschiedlich. In ungünstigen Fällen kommt es für den Patienten in der Titrationsphase zu mehrwöchigen Therapiepausen.

Dieses Problem hat das Bundes­gesundheitsministerium (BMG) aufgegriffen. In dem Entwurf des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) ist vorgesehen, dass bei einer Änderung der Dosierung oder dem Wechsel zwischen Cannabisblütensorten oder Extrakttypen keine erneute Genehmigung erforderlich sein soll. Für die Grünen-Gesundheitspolitikerin gehen die vorgeschlagenen Änderungen zwar in die richtige Richtung, jedoch nicht weit genug: „Das Mindeste, was die Bundesregierung tun muss, ist, die Anpassung der ärztlichen Verordnung unkompliziert zu ermöglichen. Aber auch dann bleibt das Problem bestehen, dass die Krankenkassen Anträge aufgrund der Indikation ablehnen, obwohl sie dafür keinen gesetz­lichen Auftrag haben.“

Einsparungen beim Apothekenzuschlag geplant

Sollte der Genehmigungsvorbehalt entfallen, könnten die GKV-Aus­gaben zunächst steigen. Die damit verbundenen Mehrkosten werden im Gesetzentwurf auf 2 Millionen Euro monatlich geschätzt. Aus Sicht der Grünen werden diese Mehrkosten zum Teil ausgeglichen, da weniger andere Arzneimittel benötigt werden.

Außerdem gebe es Verbesserungspotenzial in der bisherigen Kostenstruktur. Ein Ansatzpunkt ist für die Grünen der Apothekenzuschlag bei der Abgabe von Cannabisrezepturen, über den der Deutsche Apothekerverband und GKV-Spitzenverband seit länger als einem Jahr ergebnislos verhandeln. Diesen Aspekt hat auch das BMG im GSAV-Entwurf aufgegriffen und die Parteien – erneut – zu Verhandlungen aufgefordert. Dadurch erhofft sich die Bundesregierung eine Einsparung von 25 Millionen Euro im Jahr (s. S. 2).

Weitere Einsparungen vermuten die Grünen, wenn durch den deutschen Anbau weniger importiert werden muss. Bislang ist der Weg zur deutschen legalen Cannabis­ernte allerdings mit Verzögerungen gepflastert. Und ob der Anbau in der Bundesrepublik tatsächlich, wie vom BfArM geplant, 2020 startet, bleibt abzuwarten. Erst kürzlich wurde erneut die Bewerbungsfrist für Bieter bei dem – inzwischen zweiten – Ausschreibungsverfahren verlängert. |

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.