Arzneimittel und Therapie

Dupilumab gegen Neurodermitis

Antikörper für Erwachsene mit mittelschwerer bis schwerer Erkrankung

Seit Ende März 2017 ist der voll­humane monoklonale Antikörper Dupilumab in den USA verfügbar, Ende September erfolgte die Zulassung in der Europäischen Union. Der jetzt auch in Deutschland eingeführte Wirkstoff ist das erste ziel­gerichtete Biologikum, das bei atopischer Dermatitis angewendet werden kann. ­Dupilumab (Dupixent®) wurde für mittelschwer bis schwer erkrankte Erwachsene zugelassen, eine Ausweitung der Indikation ist geplant. Der Antikörper wird alle zwei Wochen subkutan appliziert. Er wird als Monotherapie oder in Kombination mit topischen Corticosteroiden eingesetzt.

Bei der Neurodermitis (atopische Dermatitis, AD) handelt es sich um eine komplexe Erkrankung, in deren Pathogenese sowohl genetische als auch mikrobielle und immunologische Faktoren involviert sind. Die Lebensqualität der Betroffenen ist oft erheblich eingeschränkt – insbesondere, wenn die Erkrankung schwer ausgeprägt ist. Neben den stark juckenden und entzün­deten Hauterscheinungen zählen bei ihnen Schlafstörungen, Angstzustände und Depression bis hin zu Suizidgedanken zu den besonders belastenden Symptomen. Bisher konnten diese Patienten häufig nur unzureichend behandelt werden, zumal auch die Zahl der verfügbaren hochwirksamen Medikamente sehr gering war. Für die schwere atopische Dermatitis war bislang nur das systemische Immunsuppressivum Ciclosporin zugelassen. Daneben wurden Azathioprin, Mycophenolatmofetil und Methotrexat off label angewendet.

Entzündungsaktivität auch zwischen Krankheitsschüben

Untersuchungen zeigen, dass bei Neurodermitikern sogar in klinisch unauffälliger Haut eine Entzündungsaktivität vorhanden ist, erläuterte Prof. Dr. Thomas A. Luger, Münster, auf einer von Sanofi Genzyme/Regeneron unterstützten Pressekonferenz anlässlich der europäischen Zulassung von Dupilumab.

Nach derzeitigem Kenntnisstand spielen die proinflammatorischen Interleukine (IL) 4 und 13 dabei eine Schlüsselrolle. Bei gesunden Menschen sind sie Teil der Typ-2-Immunantwort, die unter anderem zum Schutz vor Parasiteninfektionen aktiviert wird. Darüber hinaus haben sie wichtige Funktionen bei der T-Zell-Differen­zierung. So führt die Ausschüttung von IL-4 zur Differenzierung von Typ-2-T-Helferzellen und zur Rekrutierung von eosinophilen Granulozyten. Gemeinsam mit IL-13 induziert IL-4 in B-Zellen eine Ausschüttung von IgE als weitere Immunantwort, die aber auch aller­gische Reaktionen auslösen kann.

Für die Pathophysiologie der atopischen Dermatitis ist relevant, dass Polymorphismen in den Genen für IL-4 und IL-13 gefunden wurden, die mit einem erhöhten Erkrankungs­risiko für atopische Dermatitis assoziiert waren. Studien zeigten außerdem, dass IL-4 und IL-13 in die Entstehung von Juckreiz bei Neurodermitis involviert sind, wobei man die genauen molekularen Mechanismen noch nicht vollständig kennt. Die Sekretion von IL-4 und ­IL-13 kann außerdem zu einer verminderten Expression von Filaggrin führen, was die Hautbarriere gegenüber Infektionserregern und Allergenen schwächt. Die Blockade von IL-4 und IL-13 ist deshalb ein geeignetes Target zur Bekämpfung der Symptome einer Neurodermitis.

Wirkmechanismus von Dupilumab

Die Wirkung von IL-4 und IL-13 kommt erst nach Bindung an den jeweiligen Rezeptor zustande. Die beiden Interleukine binden an zwei unterschiedliche Rezeptorkomplexe (Typ I und II), die aus je zwei Untereinheiten bestehen. Der Typ-I-Rezeptor besteht aus der IL-4-Rezeptor-α (IL-4Rα)-Untereinheit und der γ-Kette (γc) und bindet nur IL-4. Der Typ-II-Rezeptor setzt sich zusammen aus der IL-4Rα- und der IL-13-Rezeptor-α1 (IL-13Rα1)-Untereinheit. Dieser Rezeptor kann sowohl IL-4 und als auch IL-13 binden (s. Abb.). Dupilumab ­bindet spezifisch an die IL-4Rα-Untereinheit beider Rezeptortypen und hemmt damit die Weitergabe ­proinflammatorischer Signale.

Umfangreiches Studien­programm

Vor der Zulassung war Dupilumab weltweit in klinischen Untersuchungen umfassend geprüft worden. Das Studienprogramm LIBERTY AD umfasste sechs multizentrische, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-III-Studien mit insgesamt fast 3000 erwachsenen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis. Sie wurden sowohl in der Monotherapie als auch in Kombination mit topischen Corticostero­iden bis zu 52 Wochen untersucht. In einer Langzeitstudie beobachtete man die Patienten bis zu drei Jahre. Die Inhibition der IL-4-/IL-13-Signalgebung führte in den Studien zu einer schnellen und nachhaltigen Verbesserung des Juckreizes, einem Rückgang der Hautläsionen und zu einer gesteigerten Lebensqualität. So erreichten beispielsweise unter einer Dupilumab-Monotherapie signifikant mehr Patienten eine mindestens 75-prozentige Verbesserung der Ekzemschwere und –ausdehnung (bestimmt mithilfe des Eczema Area and Severity Index, EASI-75) gegenüber dem Ausgangswert nach Woche 16 (47,7% unter Dupilumab vs. 13,3% unter Placebo).

Nebenwirkung Konjunktivitis gut beherrschbar

Dupilumab zeigte in den Zulassungsstudien ein gutes Verträglichkeitsprofil. Sehr häufig, das heißt bei mehr als einem von zehn Behandelten, traten Reaktionen an der Injektionsstelle wie Rötung, Schwellung und Jucken auf. Zu den häufigen Nebenwirkungen (bei bis zu 10% der Patienten) zählten Kopfschmerzen, Herpes labialis und Augensymptome wie Augentrockenheit, -rötung, -jucken und Konjunktivitis. „Die Nebenwirkung Konjunktivitis lässt sich durch eine Gabe von Cortison-haltigen Augentropfen gut beherrschen“, sagte Prof. Dr. Andreas Wollenberg, München, während der Pressekonferenz.

Verabreichung von Dupilumab

Das Arzneimittel kann als Monotherapie oder in Kombination mit topischen Glucocorticoiden angewendet werden. Es wird mittels einer Fertigspritze mit Sicherheitssystem subkutan in den Oberschenkel, den Oberarm oder im Bereich des Abdomens appliziert. Die empfohlene Dosierung beträgt 600 mg als Anfangsdosis (zwei Injektionen zu je 300 mg), gefolgt von 300 mg alle zwei Wochen. Nach einer Unterweisung durch den Arzt kann der Patient dies in Eigen­regie oder mit Unterstützung einer Betreuungsperson durchführen. Die Fertigspritze soll zwischen 2 und 8 °C im Kühlschrank gelagert werden. Nach der Entnahme aus dem Kühlschrank muss 45 Minuten bis zur Injektion gewartet werden, damit die Lösung Raumtemperatur angenommen hat. Die Fertigspritze darf weder Hitze noch direktem Sonnenlicht ausgesetzt und nicht geschüttelt werden. Bis zu 14 Tage kann Dupixent® auch bei Raumtemperatur (unter 25 °C) aufbewahrt werden. Zum Schutz vor Licht soll man die Fertigspritze im Originalkarton belassen.

Ausblick: weitere mögliche Indikationen

Die Zulassung für die atopische Dermatitis scheint erst der Anfang einer möglicherweise langen „Karriere“ von Dupilumab zu sein. Derzeit wird das Biologikum in einem breit angelegten klinischen Entwicklungsprogramm untersucht. In der Indikation atopische Dermatitis umfasst es Studien an Kindern im Alter zwischen sechs Monaten und elf Jahren mit schwerer Neurodermitis und Jugend­lichen (zwölf bis 17 Jahre) mit mittelschwerer bis schwerer Erkrankung.

Außerdem wird Dupilumab zur Behandlung weiterer entzündlicher Erkrankungen untersucht, bei denen die Zytokine IL-4 und IL-13 eine wichtige Rolle spielen. Dazu zählt das persistierende unkontrollierte Asthma (Phase III), Polyposis nasi (Phase III) und die eosinophile Ösophagitis (Phase II). ­Ende Oktober 2017 wurden die Ergebnisse einer Phase-III-Studie mit Dupilumab bei erwachsenen und jugendlichen Patienten mit schwerem Steroid-abhängigem Asthma veröffentlicht. Es konnte gezeigt werden, dass der ­primäre Endpunkt und wichtige sekundäre Endpunkte erreicht wurden. Nach 24 Wochen reduzierte Dupilumab als Ergänzung zur Standardtherapie den Einsatz von oralen Corticosteroiden zur Erhaltungstherapie in der ­Gesamtpopulation im Durchschnitt signifikant um 70%, während mit Placebo nur eine Reduktion von 42% erreicht wurde. Nähere Informationen zu diesen Studien finden sich unter www.clinicaltrials.gov. |

Quelle

Simpson EL et al. Two Phase 3 Trials of Dupilumab versus placebo in atopic dermatitis. NEJM 2016; 375(24):2335–2348

www.clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT01949311

Fachinformation Dupixent®, Stand September 2017

Prof. Dr. Thomas A. Luger, Münster, Prof. Dr. Andreas Wollenberg, München, Presse­konferenz von Sanofi Genzyme/Regeneron, 17. Oktober 2017, Berlin

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

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