Bayer-Werk Elberfeld

Meilenstein der pharmazeutischen Industrie

Das Bayer-Werk in Elberfeld bis 1923

Von Lutz Heuer | Das 1866 von Friedrich Bayer gegründete Werk in Elberfeld (heute: Wuppertal) hat viele Geschichten zu erzählen. Es ist nicht die Geburtsstätte der Bayer AG, wohl aber seine Wiege. Etwa alle 20 Jahre hat es sich „neu erfunden“. Dieser Beitrag berichtet von den ersten 60 Jahren des Werkes an der Wupper, von dem oft entscheidenden Wirken von Apothekern, vom positiven Einfluss des bis 1900 gültigen französischen Rechts auf deutschem Staatsgebiet, von chemischen Reaktionen, die erstmals in Elberfeld industrielle Verwendung fanden sowie von pharmazeutischen Beobachtungen und den daraus abgeleiteten Produkten. Die Darstellung umfasst den Zeitraum bis etwa 1923, als die Farbstoffchemie vom Stammwerk in Elberfeld ins (damals neue) Werk nach Leverkusen verlagert wurde.
Foto: Bayer AG

Die meisten Arzneimittel sind chemisch definierte Moleküle, die im Patienten eine positive Veränderung seines Leidens bewirken. Arzneimittelforscher streben nach pharmakotherapeutischen Innovationen und benötigen für den Erfolg neben ihrer persönlichen Qualifikation zwei weitere Voraussetzungen: einen Rechtsrahmen, der Veränderungen begrüßt, und fundierte Theorien, die der praktischen ­Forschung die Richtung vorgeben.

Gewidmet dem langjährigen Werksleiter Dr. Klaus Jelich anlässlich seiner Pensionierung

Code Civil – ein innovationsfreundliches Rechtssystem

Napoleon Bonaparte hatte als Kaiser der Franzosen 1804 den Code Civil erlassen, der auch in den französisch besetzten Gebieten Deutschlands und in einigen Rheinbundstaaten galt. Als „Rheinisches Recht“ behielt der Code Civil auch nach Napoleons Niederlage in der preußischen Rheinprovinz – sowie in den linksrheinischen Gebieten Hessens und Bayerns (Pfalz) sowie im Großherzogtum Baden – Rechtskraft (Abb. 1), bis 1900 im gesamten Deutschen Reich das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) eingeführt wurde [2, 54].

Foto: Deutsche Rechts- und Geschichts-Karte, Th. G. Fisher & Co., Kassel
Abb. 1: Rechtsgebiet des Code Civil im Deutschen Reich vor 1900 (schwarz umrandet, mit Elsass-Lothringen) [41] und chemische Fabriken (1 gelber Punkt ~ 10 Produktionsanlagen) [2, 3, 55, 57, 60]. Noch 2011 entfielen ca. 70 Prozent aller chemischen Umsätze Deutschlands auf das ehemalige Rechtsgebiet des Code Civil.

Der Code Civil ermöglichte den Menschen ein relativ freies Leben und den Entdeckern, Unternehmern und Kaufleuten viele Freiheiten, z. B. neue Fabrikationsmethoden einzuführen. Er war auch der sich ab ca. 1860 entwickelnden chemischen Farben-Industrie förderlich [2, 60]. Im gesamten Deutschen Reich entstanden zwischen 1850 und 1905 in 237 Firmen über 2700 Farbstoff-produzierende Produktionsanlagen [55], davon fast die Hälfte im Bereich des Code Civil, der nur ca. 1/6 der Fläche und Bevölkerung ausmachte [57].

Das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 legte fest, dass „die Landespolizei befugt ist, alle Anstalten [Fabriken] … entweder zu untersagen, oder bestimmten … Regeln zu unterwerfen“. Hingegen wurde im „Relatif aux Manufactures et Ateliers qui répandant une Odeur insalubre ou incommode du 15 Octobre 1810“ nach dem französischem Code Civil geregelt, dass chemische Fabriken nur entfernt von allen Privatwohnungen angelegt werden dürfen und jede Planung derartiger Fabriken in einem Umkreis von 5 km den zuständigen Präfekten bekannt gemacht werden muss [31]. Fabrikanten hatten zwar vor einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung mit Einsprüchen des Nachbarn zu rechnen, nicht aber mit der individuellen Einschätzung preußischer Beamter, der Vielzahl vorliegender preußischer Detailregularien [44] oder Bestandsrechten feudaler Rechtstitel oder ständischer Privilegien. Auch nachträglich begrenzende Rechtsakte (actio negatoria) waren im Code Civil nicht vorgesehen [58].

Industrie im Tal der Wupper

Im Tal der Wupper entstanden zu Beginn des 19. Jahrhunderts Fabriken verschiedenster Couleur (Abb. 2), und schon 1835 schrieb der Verleger Karl Baedecker: „Mit Ausnahme einiger englischer Städte mag es vielleicht keinen Raum der Erde geben, auf dem so bedeutende Fabriken und Manufakturen, so viel Gewerbefleiß, ein so bedeutender Handel und eine solche Menschenzahl zusammengedrängt sich findet, als im Wupperthale“ [9].

Foto: Bayer AG
Abb. 2: In der Wupperaue am Westend von Elberfeld waren anfangs einige Dutzend Firmen mit ähnlicher Struktur (von der Seifenherstellung bis zur Farbstoff­chemie) ansässig, die alle von Bayer übernommen wurden. Plan von 1885.

Friedrich Bayer (1825–1880) gründete 1863 die Firma Friedr. Bayer & Co. in Barmen und 1866 eine Fabrik für Anilinfarben in Elberfeld. Als einer der ersten erahnte er den riesigen Markt für synthetische Textilfarben, die die blaue bzw. rote Pflanzenfarbe aus dem Waid [12] und dem Krapp [13, 14] ersetzen und ergänzen sollten, und begann mit der Synthese von Fuchsinfarbstoffen (rot und blau) [15]. Später kamen andere Sparten hinzu: Arzneimittel (ab 1887), Pflanzenschutz (ab 1892) [49] sowie künstlicher Kautschuk (um 1909). Etliche Chemikalien wurden schon auf biotechnologischem Wege hergestellt, so Aceton, Isopropanol, n-Butanol, Glycerol und auch Citronensäure (ab 1901 für Citarin, später auch Helmitol) [39].

Das pharmazeutisch-chemische Laboratorium (ab 1890) [39], unterstützt durch eine eigens geschaffene Pharmakologie, ein Qualitätssicherungslabor (ab 1896) und der frühe Aufbau einer Zentralanalytik schufen die Voraussetzung für die erfolgreiche Suche nach neuen Arzneimitteln. Der „Technische Raum“ wurde 1891 eingeweiht [56]. Waren 1896 knapp über hundert Chemiker bei Bayer tätig, so stieg ihre Anzahl bis 1913 auf über 300; ihre Erfindungen waren alleine in über 8000 Patenten gesichert [47, 56]. Weniger innovative und damit weniger erfolgreiche Nachbarn im Chemiepark wurden sukzessive übernommen – der Chemiepark im Elberfelder Westende war zum Bayerwerk Elberfeld geworden.

Von der Beobachtung über die Idee zur Leitstruktur

Im Folgenden wird die Entwicklung einiger ausgewählter Arzneimittel der Farbenfabriken vormals Friedr. Bayer & Co. bis ca. 1923 anhand der stofflichen Herkunft erläutert. Sie sind, soweit sinnvoll möglich, anhand der Therapiegebiete dargestellt.

Schmerztherapie

1888: Phenacetin

Phenacetin war das erste Arzneimittel der Bayer AG. Sein Edukt war das 4-Nitrophenol, ein unerwünschtes Beiprodukt der Synthese von 2-Nitrophenol, das für die Synthese des blauen Farbstoffs Benzoazurin G benötigt wurde (Abb. 3). Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit mit dem Anilinderivat Acetanilid, das Kalle & Co. 1886 unter dem Namen Antifebrin als Antipyretikum in den Markt eingeführt hatte, vermutete Carl Duisberg richtig eine fiebersenkende Arzneiwirkung und produzierte es ab 1888 [19]. Durch die Influenza-Welle 1889 bis 1892 gewann Phenacetin schnell an Bedeutung. Erst nach dem zweiten Weltkrieg entdeckte man, dass der eigentliche Wirkstoff sowohl des Acetanilids als auch des Phenacetins das Paracetamol (Acetaminophen) ist. Dieses wird durch den First-pass-Effekt in der Leber aus den beiden „Pro-Drugs“ gebildet. Seither hat Paracetamol die beiden Klassiker in der analgetischen und antipyretischen Therapie ersetzt.

Abb. 3: Markteinführung der Anilinderivate als Antipyretika. Phenacetin wurde aus 4-Nitrophenol synthetisiert, einem Begleitprodukt der Farbstoffsynthese; strukturell ist es ein Ethylether des Acetanilids; beide sind Prodrugs des Paracetamols.

1899: Aspirin

Als Vorläufer der Acetylsalicylsäure, die ab 1899 als Aspirin vermarktet wurde, hat Bayer 1892 Natriumsalicylat in den Markt eingeführt, dessen Herstellung auf der Kolbe-Schmitt-Synthese von 1860/1885 basierte (Natriumphenolat wird mit Kohlensäure zu Natrium-Salicylat umgesetzt). Die schwierige technische Umsetzung im Druckreaktor gelang Dr. Eugen Frank, einem Apotheker, der auch den gelben Farbstoff Chrysamin, ein Salicylsäurederivat, erfunden hatte [19]. Apotheker wurden in jenen Jahren vor den Chemikern für viele Positionen bevorzugt, meist aufgrund der breiteren akademischen Ausbildung [47, 56]. Frank war auch der erste Vorgesetzte von Carl Duisberg, der nicht nur die frühe Bayer AG stark geprägt hat. Beide gelten als technische Entwickler der für die Farbenindustrie so wichtigen Benzidinsynthese.

Neben Aspirin brachte Bayer weitere Acetylsalicylsäurederivate auf den Markt: 1891 Analgen, 1892 Salophen, 1893 Salol und 1902 Mesotan (Abb. 4). Letzteres war das erste synthetische Arzneimittel für eine transdermale Applikation, was bei lokalen Schmerzen deutliche Vorteile bietet [53]. Leider konnte für Mesotan keine stabile Formulierung gefunden werden, sodass es keinen großen Markterfolg hatte. Es folgte 1906 noch Novaspirin zur Verringerung der Nebenwirkung der Magenbeschwerden.

Abb. 4: Salicylsäurederivate, die durch Bayer in den Markt eingeführt wurden.

Auf der Suche nach analgetischen Wirkstoffen wurde im 1890 erbauten Hauptlaboratorium das Morphin zu Diamorphin acetyliert und 1898 als Heroin® in den Markt eingeführt.

1910: Cykloform

Cykloform ist zwar ein Anilinderivat wie Phenacetin, es handelt sich aber um ein Lokalanästhetikum (Abb. 5). Als Bayer es 1910 in den Markt einführte, erweiterte die Firma ihre Arzneimittel um eine neue Wirkstoffklasse und ein anderes Indikationsgebiet in der Schmerzbehandlung. 1924 folgte das besser wirksame Tutocain. Lokalanästhetika wurden wirtschaftlich noch interessanter, nachdem gut wirkende Naturstoffe wie Cocain als Betäubungsmittel eingestuft und für die damalige Zeit streng reglementiert wurden (Gesetz zur Ausführung des Internationalen Opiumabkommens vom 23.01.1912, in Kraft getreten am 01.01.1930).

Bemerkenswert für die Innovationskraft von Bayer ist die Entwicklung des 1905 eingeführten Alypins [21], denn man hatte die komplexe Struktur des Cocains gezielt so vereinfacht, dass die lokalanästhetische Wirkung erhalten blieb. Bei der Herstellung kam die erst 1901 von Victor Grignard gefundene und bis heute technisch schwierig zu beherrschende Grignard-Reaktion vermutlich weltweit erstmals in einer Produktionsanlage zum Einsatz [19]. Grignard erhielt für seine Entdeckung 1912 den Chemie-Nobelpreis.

Abb. 5: Lokalanästhetika mit Anilinstruktur und das vom Cocain abgeleitete Alypin.

Ebenfalls bemerkenswert ist die Herstellung von Tutocain, in welchem das aus Methylethylketon in einer Mannich-Reaktion entsprechende Keton durch Elektroreduktion in den Dimethylaminoalkohol überführt wird. Die unverändert seltene Elektroreduktion ist mit dem späteren Nobelpreis­träger Fritz Haber verbunden und wurde von Bayer zur technischen Reife weiterentwickelt [52].

Prontosil

Eine weitere wichtige Arzneistoffklasse sind die von den Azofarbstoffen abgeleiteten Sulfonamide, für deren Entwicklung Gerhard Domagk 1939 den Medizinnobelpreis erhielt (Abb. 6). Als Arzt hatte Domagk im Ersten Weltkrieg die verheerenden Auswirkungen von Wundinfektionen machtlos miterlebt. Fortan widmete er sich der Bekämpfung der Infektionserreger und hatte mit dem Desinfektionsmittel Zephirol, einer quartären Ammoniumverbindung, einen durchschlagenden und bis heute anhaltenden Erfolg (enthalten in Benzalkoniumchlorid). Leider versagte das Mittel bei der Anwendung im Körper, da es stark an Plasmaproteine gebunden wird. Aus der Erkenntnis, dass eine im Laborexperiment wirksame Substanz im Körper unwirksam sein kann, schloss Domagk, dass auch das Umgekehrte möglich sein müsse. Er prüfte daher Azofarbstoffe, die Sulfonamidgruppen enthielten und in vitro wenig bakterizid wirksam waren, erst im Tierversuch und dann am Menschen. Überraschend für seine Kollegen stellte er 1935 das Prontosil vor, ein Prodrug, welches durch Mikroben im Darm des Patienten zum hochwirksamen Sulfanilamid umgebaut wird; 1941 wurde die Genehmigung für die großtechnische Produktion in Elberfeld erteilt. Domagk legte damit den Grundstein für das erst um 2010 als eigener Zweig der Wissenschaft anerkannte Forschungsgebiet der PharmacoMicro­biomics [30].

Abb. 6: Prontosil, das erste synthetische Chemotherapeutikum, der Beginn von PharmacoMicrobiomics

Kombinationen von Anilin

1916: Solarson

Antoine Béchamp hatte 1863 aus Anilin und Arsensäure Arsanilsäure dargestellt [24], die er wegen ihrer geringeren (akuten) Toxizität Atoxyl nannte (er hielt sie für das Anilinsalz der Arsensäure). Atoxyl wurde 1892 als wirksam gegen Trypanosomen erkannt [26]. Die Suche nach Wirkstoffen mit analoger Struktur führte zu drei Produkten der Firma Bayer: Sie brachte 1912 Elarson, 1916 Solarson und um 1920 Aricyl auf den Markt (Abb. 7). Bereits vorher hatte Paul Ehrlich aus Atoxyl das Salvarsan entwickelt, das Meister Lucius & Brüning, die spätere Hoechst AG, ab 1910 produzierte.

Abb. 7: Von der Verunreinigung zum lebensrettenden Arzneimittel: 150 Jahre arsenhaltige Wirkstoffe.

Béchamp hatte vor allem über Triphenylmethanfarbstoffe geforscht, für deren Synthese er Nitrobenzol und Toluidine benötigte [25]. Der erste Vertreter dieser Stoffgruppe war das Fuchsin (1856), nach dem Mauvein der erste synthetische Farbstoff überhaupt. Es wurde und wird (als Magistralrezeptur oder Rezepturarzneimittel als Castellani-Lösung) dermatologisch verwendet [27, 28], obgleich es längst als obsolet gilt. Da Fuchsin verfahrensbedingt bis mindestens 1880 Atoxyl-haltig war [25, 28] und Atoxyl selbst in der Dermatologie lange verwendet wurde [29], ist davon auszugehen, dass die Wirksamkeit des Fuchsins auf der Verunreinigung mit Atoxyl beruhte. Arsen-haltige Arzneimittel sind noch immer auf dem Markt, so das 1949 von Hoechst entwickelte Melarsoprol gegen die Schlafkrankheit (in Afrika) [41] und das seit 2000/2002 in den USA und Europa zugelassene Trisenox (Arsentrioxid) gegen die akute Promyelozyten-Leukämie (APL).

1896: Jodothyrin

Um 1880 begann eine neuartige Synthese von Triphenylmethanfarbstoffen mit Benzaldehyd (statt Toluidin), das nachfolgend mit Iodmethan methyliert wurde; dadurch wurde Bayer einer der größten Produzenten von Iodmethan und blieb es lange Zeit. Durch diese effiziente Methode der Methylierung ergaben sich auch neue Wirkstoffe, so Eumydrin (Mydriaticum) und Jodisan (Iodpräprarat; Abb. 8) [33].

Abb. 8: Die Methylierung mithilfe von Iodmethan (MeI) führte u. a. zu den neuen Wirkstoffen Eumydrin und Jodisan.

Der Schweizer Arzt Jean-François Coindet (1774–1834) hatte den Kropf (Struma) 1820 als Iodmangelerkrankung erkannt [34]. In völliger Unkenntnis der Schilddrüsenhormone wurde darauf mit verschiedensten Iodverbindungen experimentiert, um den drastischen Folgen des Iodmangels – außer Kropf u. a. Myxödem, juvenile Idiotie, Kretinismus, Morbus Basedow – zu begegnen. Da sich die richtige Dosierung der Iodpräparate als kritisch und die Nebenwirkungen als erheblich herausstellten, war die Suche nach einer sicheren Therapie lange ergebnislos. Bayer setzte ab 1890 auf Diioddithymol (Aristol), Diiod-t-butylkresol (Europhen) und Triiodkresol (Losophan), ab 1905 auf Iothion (Diiodhydroxypropan) [35], ab 1906 auf Sajodin (Iodwasserstoffaddukt an Eurucasäure), 1910 auf Eisensajodin und später auf Jodisan.

Das 1896 bei Bayer – durch Arbeiten des Apothekers Eugen Albert Baumann (Schotten-Baumann-Reaktion zur Charakterisierung von Aminogruppen) – entwickelte Jodothyrin (Thyrojodin, Thyroxin) wurde durch Extraktion gewonnen und war das erste (weitgehend) rein dargestellte und für die medizinische Anwendung bereitgestellte Hormon [36]. Leider geriet es als Arzneimittel wieder in Vergessenheit, was auch daran lag, dass man sich damals eine Wirkung bei Dosierungen im Mikrogramm-Bereich nicht vorstellen konnte. Jodothyrin wurde mit 0,15 bis 1 g/Tag verordnet; die wirksame Tagesdosis des damaligen Präparats dürfte aber bei nur 0,2 mg [!] gelegen haben [21]. Hormone waren noch unbekannt – der Begriff wurde erst 1905 von Ernest Starling geprägt. Auf Jodothyrin folgten analoge Entwicklungen biologischer Präparate (ohne Pflanzenextrakte): Protagol (1897, Silberproteinat), Eisensomatose (1897, Eisen-Albuminat), Nukleinsomatose (1904, DNA-Lysat aus Hefe), Candiolin (1915, Fructosediphosphat, biochemisch), Eldoform (1922, Hefeextrakt), Juvenin (1922, Hodenextrakt), Insulin (1925, Extrakt), Vigantol (1927, bio- und photochemisch), Padutin (1930, Kallikrein, Extrakt), Hegeton (1930, Hefeextrakt), Heparinoid (1930), Manetol (1930), Prolan (1930, Extrakt), Unden (1930, Extrakt), Campolon (1931, Leberextrakt), Invertase (1932, biochemisch), Vaduril (1936, Knochenmarkextrakt), Penicillin (1952, biochemisch), Adaptinol (1955, Tagetesblüten-Extrakt), Trasylol (1959, Aprotinin), 1-Asparaginase (1959, Colinase aus E.-coli-Extrakt), Faktor VIII (1980, Plasmaextrakt), Acarbose (1990, biotechnisch), Miglitol (1996, biotechnisch).

Forschungskooperationen

1888 Sulfonal, 1904 Isopral und 1904 Veronal (Hypnotika):

Bayer hat von Beginn an mit Hochschulvertretern intensiv zusammengearbeitet. Emil Fischer (Rosalinfarbstoffe, Veronal, Sajodin) gehörte ebenso zu den ständigen Kooperationspartnern wie der Apotheker Eugen A. Baumann (s. o.), Emil Behring, Ludwig Knorr oder Richard Willstätter [47]. Das ab 1885 verfügbare und ab 1888 vermarktete Sulfonal [19] geht auf die Beobachtung von Baumann zurück, dass diese Substanz schlaffördernd ist. Kurz später folgten Tetronal (1889) und Trional (1890), die erst mit der Einführung der Barbiturate auf Vorschlag von E. Fischer (Veronal 1904, Proponal 1905) an Marktanteil verloren (Abb. 9).

Abb. 9: Für ganz Ausgeschlafene: die in Hochschulkooperationen von Bayer entwickelten Hypnotika.

Produkte aus Forschungskooperationen hatten damals den Nachteil, dass der Hochschulprofessor sein Wissen oft an mehrere Firmen abgab – so entstanden Mittel mit gleicher Zusammensetzung von verschiedenen Firmen. Mit E. Merck Kopf an Kopf wurden so verschiedene Wirkstoffe, u. a. auch 1927 Vigantol (Vitamin D gegen Rachitis, aus Ergosterin nach photochemischer Umlagerung nach Prof. Windaus, Göttingen) in die technische Produktion umgesetzt [39].

Rückblick und Ausblick

Das Werk Elberfeld der Bayer AG hat seit 1914 immer etwa 1400 Mitarbeiter beschäftigt [39], wobei der spätere, reine Forschungsstandort in Aprath nicht inbegriffen ist. War Anfang des 20. Jahrhunderts erst ein Drittel der Mitarbeiter im Pharmabereich tätig, sind heute alle Kräfte auf dieses Gebiet fokussiert. Der jüngste Blockbuster, der in Elberfeld erforscht, entwickelt, produziert und vermarktet wird, ist Rivaroxaban. Er steht in der Reihe der die Bluteigenschaften verändernden Wirkstoffe: Hydrastinin (1912, Hämostyptikum), Kallikrein (1930, Manetol, Padutin, Faktor XII, Hämostyptikum), Aprotinin (1959, Trasylol, Hämostyptikum), Faktor VIII (1980, Antihämorrhagikum), Kogenate (1992, Octocog alpha, Hämostyptikum), Hirudin (2007, Antihämorrhagikum), Lepirudin (2009, rekombinantes Hirudin, Antihämorrhagikum), Xarelto (2011, Rivaroxaban, Antihämorrhagikum), Kovaltry (2016, Octocog alpha, Hämostyptikum).

Die „Chemie“ ist am Standort Elberfeld auf dem steten Rückzug, und nach über 100 Jahren biologischer Produktionsprozesse in den Wupperauen dominieren nunmehr die biotechnologischen Verfahren. Das Produktionswerk Elberfeld ist 150 Jahre nach Gründung zentraler Bestandteil der Wirkstoffproduktion der Bayer AG geblieben – ein klarer Hinweis, dass in Wuppertal Neugier, Kreativität und die Lust auf Erneuerung ein Umfeld vorfinden, in welchem der positive Beitrag einer Innovation geschätzt wird. |

Foto: Bayer AG
Das neue Produktionsgebäude für die Herstellung von Faktor-VIII-Präparaten.

Literatur/Anmerkungen

[1] 1527 wird für Elberfeld und Barmen für die Herzogtümer Jülich, Kleve und Berg geltendes Privileg der „Garnnahrung“ vergeben (gegen Zahlung von 861 Goldgulden). Es legte fest, dass dort das Bleichen und Zwirnen von Garn alleinig erlaubt war (Herstellungs- und Vertriebs- und Angebots-Monopol). Es galt bis 1810 als mit dem Aufkommen der Baumwolle das (nur) auf Leinen bezogene Monopol entwertet wurde. https://de.wikipedia.org/wiki/Garnnahrung (Letzter Zugriff 2016-08-18).

[2] Ralf Henneking: Chemische Industrie und Umwelt. Zeitgeschichte für Unternehmensgeschichte, Beiheft 86, Herausgeber: Hans Pohl, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1994.

[3] Gründungen von chemischen Fabriken in der preußischen Rheinprovinz wie von der Aachener Spiegelmanufaktur in Aachen, der AG für Düngerfabrikation in Köln/Ehrenfeld, der AG für Stückfärberei in Elberfeld, der Alizarin- und Anilinfarbenfabrik Carl Neuhaus in Elberfeld, von C. Alsdorf in Monheim, von C. vom Bauer in Elberfeld und Haan, von Fr. Bayer & Co in Barmen, Elberfeld und Leverkusen, von H. Beisen in Hersel/Bonn, den Benzinwerken Rhenania in Düsseldorf, von W.Böninger in Neviges, O. Born in Opladen, O.Bredt & Co in Barmen, Chemische Werke Crefeld in Linn, Chemische Werke Phoniak in Neuss, Chemische Werke Schlebusch, Leverkusen, EE. Chur in Bergisch Gladbach, Fr. Curtius & Co in Duisburg, von Dahl & Co in Barmen und Elberfeld, Bergwerks-AG Dahlbach in Essen, Dörr & Krügener in Bonn, C. Dörr in Elberfeld, A.J. Dornela in Düsseldorf, P. Emmerich in Köln/Ehrenfeld, Dr. Espenscheidt in St. Goer und Sonnborn, Gebrüder Evers in Benrath, W. Feld & Co. in Linn und Hönningen, E. Flick in Barmen, Gebrüder Flick in Opladen, Dr. Frank in Solingen, H. Friedrichs in Opladen, Fr. Frische in Elberfeld, F. Gantert in Barmen, Gebrüder Gessert in Elberfeld, Th. Goldschmidt in Essen, Ph. Greiff in Logerich, Griesheim-Elektron in Küppersteg (Leverkusen), Gronewald & Stommeln in Elberfeld, Groß & Co in Gerresheim, E. Haas in Heerdt, H. Herberts in Barmen, J. Herold in Monzingen/Nahe, Heubruch GmbH in Barmen, L.L.Hölsch in Barmen, M. Honigmann in Würselen, Dr. E. Jacob in Kreuznach, C. Jäger in Barmen, Haan, Lohausen und Opladen, J. Knublauch in Solingen, König & Co. in Mühlheim/Rhur, Königshof, Pottgießer & Pierre in Fischeln, Gebr. Köttgen & Co in Langenberg, L. Krafft in Boppard, Küchle & Buff in Krefeld, M.J. Kuhnen in Elberfeld, C. Langerfeld in Möchengladbach, H. Leithoff in Krefeld, C- Leverkus & Söhne in Opladen, Lienau & Co in Uerdingen, H.W. v.d.Linde in Krefeld, G. v.d.Linde in St. Tönis, Dr. G. Linck in Solingen, L. Lindner in Düsseldorf, Lithopone- und Fabrbenfabrik Reisholz in ebenda, Chem Werker Reisholz in ebenda, J. Loosen in Wiesdorf, J. Lückerrath in Euskirchen, A. Lüttgen in Mühlheim/Rhein, Dr. Marquard in Bonn, Matthes & Weber in Duisburg, F. Meisen in Köln, O. Meurer in Remagen, Fr. Meyer in Barmen, Dr. H. Müller in Benrath, L. Müller in Wesel, Gebr. Müller in Köln, Müller & Narath in Barmen, Müller Packard & Co. in Limburg, C. Neuhaus in Elberfeld, Sonnborn und Heerdt, R. Neuhoff in Barmen, Odenkirchener Farbenfabriken in ebenda, Ohlendorf & Co in Ememrich, Gebr. Otten in Heerdt, Padberg & Schneider in Odenkrichen, H. Petersen in Deutz, J.P. Pietboef in Düsseldorf, Dr. Podesta & Co. in Barmen, Raffinierwerke Reisholz in ebenda, Remy, Erhard & Co in Weißenthurm, P.W. Reuter in Schleiden, Rheinische Beleuchtungs-AG in Beuel, Rheinische HolzdestillationsGmbH in Oberkassel, Rhenania AG in Solberg und Oberhausen, C. Richter in Elberfeld, P. Römer & Co. in Elberfeld, C.R.Rüttgers in Grefrath, Runkel, Martin & Co in Opladen, Sachtleben & Co in Homberg/Rhein, Dr. Scheulen in Krefeld, Schöneberg & Hufschmidt in Elberfeld, Fr. Schroer in Giesenkirchen, J. Schler in Wülfrath, Dr. A. Schulte in Elberfeld, Th. Schwiertz in Uerdingen, H. Siegle in Duisburg, H. Stöß in Elberfeld und Haan, H. Strauven in Düsseldorf, Terheggen & Wieynk in Krefeld, Dr. M. Thümmel in Elberfeld, Gebr. Toenges in Elberfeld, Tillmanns, ter Meer in Uerdingen, Verwer & Majert in Schlebusch, Majert & Co in Schlebusch, Vorster & Grüneberg in Kalk und Rodenkrichen, L. Vossen & Co in Neuss, Fr. Wachs in Elberfeld, Wassermann & Jäger in Kalk, A. Waßuth & Co in Barmen, R. Wedekind & Co in Uerdingen, J. Weiler in Ehrenfeld, E. ter Meer in Uerdingen, Weiler-ter Meer in Uerdingen und Müngersdorf, L. Wesenfeld & Co. in Barmen, A. Weyermann & Söhne in Opladen, W.A. Wirz in Ehrenfeld, Wöllner & Co in Köln, Dr. W. Wolff in Elberfeld, Dr. Wolter in Kalk, A. Wülfing in Elberfeld, Wülfing, Dahl & Co in Neuss, H. & F. Zimmermann in Wesseling.

[4] Gerhard Dabringhausen: Heckinghausen, 1300 Jahre an der Grenze zwischen Rheinland und Westfalen, Edition Köndgen, 2012, Wuppertal

[5] „Am 5. April 1815 wurden die Gebiete, welche die heutige Rheinprovinz bilden, durch Beschluß des Wiener Kongresses an Preußen übergeben, ohne daß man die Bewohner dieser Landesteile zuvor gefragt. Daß damit Alle zufrieden gewesen, läßt sich um so weniger behaupten, da ein nicht ganz geringer Teil der Stadtbevölkerung von Elberfeld und Barmen aus ehemaligen Märkern bestand, die das vorige Jahrhundert hierdurch die Mark, welche preußisch war, verließen und hierher auswanderten, weil sie die preußischen Zustände gar nicht so liebenswürdig fanden.“ http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/ihd/content/pageview/1501255 (Letzter Zugriff 2016-10-05).

[6] Ed. Beyer: Die Fabrik-Industrie des Regierungsbezirkes Düsseldorf vom Standpunkte der Gesundheitspflege, Verlag Ad.Spaarmann, 1876.

[7] Der Regierungs- und Medizinalrath Dr. Beyer schrieb 1876 über die gerade einmal 10 Jahre zurückliegende beginnende Industriellen Revolution ein wohl einmaliges Werk der Industriegeschichte. Es befasst sich sowohl mit den Errungenschaften der Technik, den neuen Möglichkeiten der Produkte der Fabrik-Industrie auch mit den Problemen, die diese konzentrierte Form des Wirtschaften mit sich brachte. Die Verbesserung der sanitären Verhältnisse wurden ebenso wie die Beseitigung von Abfallstoffen, Kinderarbeit und Beschäftigung von Frauen und Jugendlichen diskutiert und ins Zeitgeschehen einsortiert. Fabrik-Industrie verstand sich im Gegensatz zur Hausindustrie, die ähnliche Tätigkeiten wie Weben, Spinnen, Färben auf die Haushalte verteilt hatte und die angesprochenen Themen damals wie heute anders einordnet.

[8] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Bundeskabinett beschließt Entwürfe zur Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie, Berlin, 27.04.2016, http://www.bmub.bund.de/presse/pressemitteilungen/pm/artikel/bundeskabinett-beschliesst-entwuerfe-zur-umsetzung-der-seveso-iii-richtlinie/# (Letzter Zugriff 2016-08-24). Die Seveso-Richtlinien legen fest, in welchem Abstand zu genutzter Bebauung Anlagen wie chemische Betriebe errichtet werden dürfen.

[9] Karl Baedeker: Deutschland. Rheinreise von Strassburg bis Dusseldorf mit Ausflügen nach Baden, Heidelberg, und Frankfurt, an die Bergstrasse, durch die Taunusbaeder, das Nahe-, Ahr- und Wupperthal und nach Aachen. Verlag K. Baedecker, Koblenz und A. Baedecker Rotterdam, 1843.

[10] „Und wenn unsere Industrie auch so großartig, unser Absatz so weitverzweigt wäre wie die Industrie und der Handel Englands, so würden wir dieselben Resultate erleben, während jetzt bei uns die Wirkung der Konkurrenz in der Industrie und im Verkehr in einer allgemeinen, dauernden Depression aller Geschäftszweige, in einem unglückseligen Mittelzustande zwischen entschiedener Blüte und gänzlichem Verkommen, in einem Zustande der gelinden Stockung, d.h. der Stabilität, sich fühlbar macht“. Karl Marx / Friedrich Engels: Werke, Band 2, S. 536 – 557, Dietz Verlag, Berlin/DDR 1972; Friedrich Engels: Zwei Reden in Elberfeld: Vorgetragen in Elberfeld am 8. und 15. Februar 1845 aus: „Rheinische Jahrbücher zur gesellschaftlichen Reform“, 1845. Erster Band, S. 45-62 und 71-81. http://www.mlwerke.de/me/me02/me02_536.htm (Letzter Zugriff 2016-08-25). Die Reden von Engels folgten die Hungerkrise von 1846 – 1848, als die stark gewachsene Bevölkerung den verfügbaren Nahrungsmittelspielraum überschritt. Erst nach 1850 wurde der Bevölkerungsüberhang durch die schneller fortschreitende Industrialisierung abgebaut und die Versorgungssituation normalisierte sich.46

[11] Thilo Ernst: Die Elberfelder Armenpflege 1800 – 1919, Magisterarbeit Soziologie 2003 http://www.ehrenamtsbibliothek.de/literatur/pdf_596.pdf (Letzter Zugriff 2016-08-25). Das Elberfelder System ist eine auf Ehrenamt bezogene Fürsorge für Minderbemittelte.

[12] Waid (Isatis tinctoria) enthält nur ca. 0,3% Indigo in der Trockenmasse bei Erträgen von ca. 30 – 40 t/ha (ca. 0,1 t Indigo/Jahr x ha). (https://mediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/1/3/130918_fnr4_0225_broschuere_faerbepflanzen_web.pdf (Letzter Zugriff 2016-08-24).

[13] Arne Andersen: Historische Technikfolgenabschätzung am Beispiel des Metallhüttenwesens und der Chemieindustrie 1850 – 1933, Franz Steiner Verlag Stuttgart, 1996.

[14] Im Krapp, Färberkrapp oder Rubia tinctorum ist der Farbstoff Alizarin enthalten. Vor der Alizarinsynthese lag der Weltverbrauch bei 50.000 t Krappwurzel, entsprechend 500 – 750 t Alizarin. Der Ertrag von Krapp liegt bei Erntereife nach drei Jahren bei ca. 15 – 30 t/ha (https://mediathek.fnr.de/media/downloadable/files/samples/1/3/130918_fnr4_0225_broschuere_faerbepflanzen_web.pdf (Letzter Zugriff 2016-08-24), das bedeutet, dass ca. 1860 ca. 7.000 ha bestes Ackerland mit Krapp besetzt waren. Die gestiegenen Bedarf (s. Arne Andersen, S. 239) hätten den 20fachen Flächenverbrauch alleine in 1909 gefordert. Für die Blau- und Brauntöne der Anilinfarben waren die Bedarfe 1909 noch stärker gestiegen (100fach auf mindestens 47.777 t). Grob abgeschätzt wären damit 140.000 ha Ackerland für Rot und 480.000 ha für Blau und Braun nötig. Diese 620.000 ha entsprechen etwa der Anbaufläche von Kartoffeln, Zuckerrüben und Erbsen im Deutschland des Jahre 2016 (https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/LandForstwirtschaftFischerei/FeldfruechteGruenland/AktuellFeldfruechte1.html Letzter Zugriff 2016-08-24). Mangels Wirtschaftlichkeit schlossen schließlich alle Fabriken, die Alizarin aus dem Krapp extrahierten – Dr. Gessert wechselte so vom Betriebsleiter einer schlesischen Krappfabrik zum Fabrikanten von Alizarin ins Westend in Elberfeld – direkt neben Bayer. (Hermann Pinnow: Werksgeschichte. Der Gefolgschaft der Werke Leverkusen, Elberfeld und Dormagen zur Erinnerung an die 75. Wiederkehr des Gründungstages der Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. gewidmet von der I.G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft, 1938)

[15] Arne Andersen / Gerd Spelsberg (Hg.): Das Blaue Wunder, Zur Geschichte der synthetischen Farben, Volksblatt Verlag, Köln 1990

[16] Die Entdeckung der chemischen Herstellung von Fuchsin aus Teerdestillaten geschah in Polen, Frankreich, England und Deutschland fast zeitgleich Ende der 1850er Jahre. Als gelernter Kaufmann, ausgebildet in einer Chemikalienhandlung und Sohn eines Seidenwirkers erkannte Friedrich Bayer, sen. diese Möglichkeiten der synthetischen Farbstoffe sofort und begann, diese in seiner heimischen Küche herzustellen und in der ganzen bekannten Welt feilzubieten. Die Nachfrage wuchs stetig und er konnte den Bedarf nur durch Erweiterung seiner Produktionsmöglichkeiten decken. Er und sein Mitgründer Friedrich Weskott erweiterten erst in Barmen, bevor sie sich entschieden, eine leistungsfähige Anlage in Elberfeld „Am Westende“ in der Vogelsaue zu bauen. In unmittelbarer Nähe zur Bergisch-Märkischen-Eisenbahn mit Zugang zu Prozesswasser aus der Wupper und unterstützt durch den Chemiker August Siller wurde am 5. September ein Genehmigungsantrag gestellt, am 9. Oktober der Kaufvertrag für ein Grundstück gezeichnet und am 17. Oktober 1866 ward die Anilin-Farben-Fabrik Fr. Bayer in der Vogelsaue von der Königlich-Preußischen Regierung zu Düsseldorf genehmigt. Die den damaligen Stand der Technik optimal entsprechende Anlage produzierte fortan neben Fuchsin (Magenta) auch Feinblau, Lichtblau, Alkaliblau, Chinablau und Wasserblau sowie Baumwollblau, Methylviolett, Neugrün und Iodgrün. Bayer produzierte in enger Nachbarschaft zu anderen Chemieanlagen, die ebenfalls Teerfarbstoffe herstellten oder hierfür Rohstoffe bereiteten. Aber auch Seifenherstellung, Pulver und Zünder, Rohstoffe für Gerber, Bleicher und Färber kamen aus dem „Chemiepark“ an der Wupper. Die Nachbarn hießen Peter Hufschmidt, G. Schönefeld, Gebrüder Gessert, C. vom Bauer, Arnold Lange oder Gessert & Kyllmann. Alle produzierten „Chemie“. Später kamen in den „Chemiepark“ Römer & Co, Carl Neuhaus, Dahl & Co., C. Dörr, Gronewald & Stommeln, Farbenfabriken Carl Jäger, M.J. Kuhnen, Gebr. Toenges, H. Stöß, Schöneberg & Hufschmidt, Fr. Wachs, A. Wülring sowie ein städtisches Gaswerk aber auch ein Carl Rumpff dazu. Letzterer hatte Ende der 1860er Jahre für Bayer die Teerfarbenfabriken in Albany, USA mitgegründet und kam nach Elberfeld zurück um hier wesentlich die Geschicke der Firma Bayer mit zu leiten. Durch Heirat wurde er Friedrich Bayer sen.‘s Schwiegersohn und die dadurch gestärkte Einheit führte zu starkem Wachstum von Bayer – getrieben durch Innovation, neue Produkte, bessere Verfahren und globalen Vertrieb. Die genannten Nachbarn wurden so sprichwörtlich überrannt, die Grundstücke und Mitarbeiter schrittweise übernommen. Heute ist das ganze Gelände an der Wupper Teil von Bayer.

[17] Die Lebenserwartung, Mitte des 19ten Jahrhundert nur um 35 Jahre, stieg mit der Fabrikindustrie ebenso, wie die Bevölkerungszahl. 1864 war Wuppertal, damals noch als Barmen und Elberfeld getrennt, die größte Stadt im Regierungsbezirk Düsseldorf, vor Düsseldorf selbst aber auch vor Essen, Krefeld und Duisburg. Die Farbenfabriken hatten Bedarf an Strom welcher dazu beitrug, ein Kraftwerk seitens der Stadt unmittelbar angrenzend an die Farbenfabriken zu bauen. Die Straßenbahn in Wuppertal wurde von Pferdekraft auf Elektromotoren umgestellt. Erst 1900 wurde die elektrisch betriebene Schwebebahn u.a. durch das Werksgelände errichtet.

[18] Clayton Christensen gilt als Entdecker der disruptiven Innovation. Diese zielt darauf ab, neue Märkte oder neue Kundengruppen durch eine radikale Änderung der Produkte anzusprechen. Besonders in den Internetunternehmen im Silicon Valley wird anhand dieses Grundsatzes versucht neue Produktlösungen zu finden und Märkte zu erschließen. Das Vorgehen entspricht den heutigen Vorstellungen des Innovationsmanagement in drei Phasen:

• Impulsphase: Beobachtung von Trends, Identifikation zukunftsweisender Technologien

• Bewertungsphase: Tauglichkeit für die jeweilige Branche

• Technologietransfer: Projekt geht in Serie

[19] Friedrich Bayer / Carl Duisberg: Geschichte & Entwicklung der Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co. Elberfeld. In den ersten 50 Jahren, Meisenbach Riffarth & Co, München 1918, Seite 238.

[20] Rudolf Schmitt: Manufacture of Salicylic Acid, US 334290, 12. Januar 1886. Dieses Patent verbesserte die von Kolbe gefundene Synthese von Salicylsäure derart, dass man nunmehr an eine industrielle Nutzung denken durfte. Da die Reaktion unter Druck ausgeführt wurde, stellte sie für die Ingenieure eine besondere Herausforderung dar. Der Technische Überwachungsverein (TÜV), gegründet als Dampfkessel-Revisions-Verein, war erst 1866 in Baden gegründet worden, Unterlagen zum Bergischen Dampfkesselrevisionsverein sind erst ab 1897 nachweisbar https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/3CJFSWZ7SPMRC57QPKEGCCWRV57TUSO4 (Letzter Zugriff 2016-08-25).

[21] Anonym: Pharmazeutische Producte der Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co, Elberfeld, Ergänzungsband 1906.

[22] Sascha Redder: Untersuchungen zum Polymorphieverhalten des Aspirins, Dissertation, Dortmund 2010 http://duepublico.uni-duisburg-essen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-41061/diss_redder_oL.pdf (Letzter Zugriff 2016-08-26). Obgleich Aspirin seit über 100 Jahren in industriellem Maßstab produziert wird, ergeben sich veritable Fragen, wie an dieser Dissertation zu verfolgen ist. Die Stabilität des scheinbar einfachen Moleküls Aspirin in seiner Formulierung bedarf einer langen Erfahrung, siehe hierzu 23

[23] Autorenkollektiv (Herausgeber: Clemens Lutter; Gestaltung Carl Duisberg): Die Geschichte des Werkes Elberfeld (1908 – 1953), Bayer AG 1953.

[24] Antoine Béchamp: De l‘action de la chaleur sur l‘arséniate d‘aniline et la formation d‘une anilide de l‘acide arsénique. Comptes rendus des séances de l‘Académie des sciences. Band 56, 1863, S. 1172-1175. Béchamp hatte Arsensäure und Anilin stark erhitzt und er glaubte, das Anilid der Arsensäure erzeugt zu haben. Die Umlagerungsreaktion konnte er noch nicht korrekt zuordnen. http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k3013s/f1172.image.r=Comptes%20rendus%20des%20s%C3%A9ances%20de%20l‘Acad%C3%A9mie%20des%20sciences.langDE (Letzter Zugriff 2016-08-25). Eine bessere Vorschrift für die Herstellung von Atoxyl findet sich in Ernst Fourneau (Übersetzung durch M.Tennenbaum): Heilmittel der organischen Chemie und ihre Herstellung, Springer Fachmedien 1927, Wiesbaden, ab Seite 269.

[25] Otto Mühlhäuser: Über die Fabrikation des Arsenfuchsins. Polytechnisches Journal 1887, Band 266, Seiten 455 – 467, 503 – 517, 547 – 563. http://dingler.culture.hu-berlin.de/article/pj266/ar266108 (Letzter Zugriff 2016-08-25).

[26] U. Holzgrabe, A. Bechthold: Antibiotische Chemotherapie, Deutsche Apotheker Zeitung 2000, Nr. 8, S. 43. https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2000/daz-8-2000/uid-6307 (Letzter Zugriff 2016-09-13). Axel Helmstädter: 100 Jahre Salvarsan: Chemisch auf Erreger zielen, Pharmazeutische Zeitung 51/52/2010 http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=36310 (Letzter Zugriff 2016-08-25).

[27] Gisela Scheininger: Geschichte der Erforschung und der Therapie von Mykosen in der Gynäkologie und Geburtshilfe, Dissertation München 2004 https://edoc.ub.uni-muenchen.de/3018/1/Scheininger_Gisela.pdf (Letzter Zugriff 2016-08-25). Triboulet: Die Behandlung der Pyodermitis durch lokale Applikation von Ziehlschem Fuchsin. Le nourisso, Jan. 1913. Ref. Derm- Wschr. 57, 1011.

[28] Anonym: E.Merck’s wissenschaftliche Abhandlungen aus den Gebieten der Pharmakotherapie, Pharmazie und verwandter Disziplinen, Nr. 37: Anilinfarben in der Therapie. E.Merck, Chemische Fabrik. http://digisrv-1.biblio.etc.tu-bs.de:8080/docportal/servlets/MCRFileNodeServlet/DocPortal_derivate_00017482/gesamtwerk.pdf S. 71 (Letzter Zugriff 2016-08-25).

[29] Martin Mayer: Atoxyl. Deutsches Kolonial-Lexikon 1920, Band 1, S. 94.

[30] http://pharmacomicrobiomics.com/ (Letzter Zugriff 2016-09-14). Eine unerwartet große Zahl an oral applizierten Wirkstoffen wird entscheidend durch die Darmflora verändert und so in der Wirkung verändert, verstärkt oder überhaupt erst zum Wirkstoff gewandelt. Die zitierte Datenbank liefert hierzu einen umfassenden Eindruck.

[31] http://www.ineris.fr/aida/consultation_document/3377 (Letzter Zugriff 2016-09-15). Article 1er du décret du 15 octobre 1810: A compter de la publication du présent décret, les manufactures et ateliers qui répandent une odeur insalubre ou incommode, ne pourront être formés sans une permission de l‘autorité administrative : ces établissements seront divisés en trois classes. La première comprendra ceux qui doivent être éloignés des habitations particulières ; La seconde, les manufactures et ateliers dont l‘éloignement des habitations n‘est pas rigoureusement nécessaire, mais dont il importe, néanmoins, de ne permettre la formation qu‘après avoir acquis la certitude que les opérations qu‘on y pratique sont exécutées de manière à ne pas incommoder les propriétaires du voisinage, ni à leur causer des dommages. Dans la troisième classe seront placés les établissements qui peuvent rester sans inconvénient auprès des habitations, mais doivent rester soumis à la surveillance de la police. Article 3 du décret du 15 octobre 1810: La permission pour les manufactures et fabriques de première classe ne sera accordée qu‘avec les formalités suivantes : La demande en autorisation sera présentée au préfet, et affichées, par son ordre, dans toutes les communes, à cinq kilomètres de rayon. Dans ce délai, tout particulier sera admis à présenter des moyens d‘opposition. Les maires des communes auront la même faculté. Article 5 du décret du 15 octobre 1810 S‘il n‘y a pas d‘opposition, la permission sera accordée, s‘il y a lieu, sur l‘avis du préfet et le rapport de notre ministre de l‘intérieur.

[32] Interessant ist auch die Entwicklung und Vermarktung des Präparats Alinit – angereicherte Bodenbakterien (Bacillus Ellenbachensis), mit denen die Stickstoffdüngung verringert werden sollte. Das Produkt wurde ab 1897 produziert, 1902 aber wieder eingestellt. Die Forschungsarbeiten gehen dabei auf Albert von Caron zurück, die er auf seinem Rittergut Ellenbach bei Kassel ab 1892 durchführte und später patentierte (US 679600; US 679601). Wilhelm Kolbe: Bakterien und Brache im Haushalt der Natur; Leben und Wirken des Landwirts und Bakteriologen Dr. h.c. Albert von Caron (1853 – 1933) im Spiegel der Naturforschung und Familiengeschichte. Verlag Dr. W.A.Kolbe, Burscheid 1993.

[33] Boden E: Über Jodisan, Klinische Wochenzeitschrift(1925) (4) 29 S. 1402 – 1404.

[34] Jean-Francois Coindet: Extrait de l’ouvrage de Mme Fulhame, intitulé : « An essay on combustion… », Johnson, Robinson, Cadell, London, 182 pages, 1794, Annales de Chimie, 1798, 25, 58-85. Jean-Francois Coindet: Mémoire sur l’hydrencéphalie, ou céphalite interne hydrencéphalite, J.J. Paschoud, libraire, Paris et Genève, 282 pages, 1817. Jean-Francois Coindet: Découverte d’un nouveau remède contre le goitre. Bibliothèque Universelle, Sciences et Arts, Genève, 1820, 14, 190-198, and Annales de Chimie et de Physique (Paris), 1820, 15, 49-59. http://www.eurothyroid.com/about/met/coindet.html (Letzter Zugriff 2016-09-16).

[35] Wesenberg G (1905) Jothion, ein perkutan anzuwendendes Jodpräparat, Archiv für Dermatologie und Syphilis Vol 74 (2-3) Seite 301-306

[36] Schon im Jahr der Erstausbietung 1896 wurden 125 kg reines Thyroxin aus Hammeldrüsen produziert. Dazu wurden die Schilddrüsen 30 Stunden lang mit 10%iger Schwefelsäure gekocht, aufschwimmende Fette entfernt und filtriert. Der Filterkuchen wurde mit kaltem Wasser und dann mit heißem Ethanol ausgezogen. Eugen Baumann: Thyroid Extract and Process of making same US626648 (Anmelder: Farbenfabriken Bayer & Co, Elberfeld). Zur Person Eugen Baumann siehe auch: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/fb/Eugen_Baumann_Nachruf_1897.pdf (Letzter Zugriff 2016-09-16). Reinste Ware erhielt man auf dem Weg der basischen Aufarbeitung, wie er seit 1919 durch den Amerikaner Kendall beschrieben wurde. Edward C. Kendall: Isolation of the Iodine Compound which occurs in the Thyroid. Journal of Biological Chemistry 1927, 72:213-221. Kendall erhielt 1950 für seine Studien an Hormonen den Medizinnobelpreis. http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/medicine/laureates/1950/kendall-lecture.pdf (Letzter Zugriff 2016-09-16).Eine Übersicht über die Entwicklung wichtiger Hormone aus Organextrakten gibt: Franz Kohl: Cortison, die Wunderdroge gegen Rheuma, Pharmazeutische Zeitung 10/2001 http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=22468 (Letzter Zugriff 2016-09-16).

[37] Lars U.Scholl: Der Industriemaler Otto Bollhagen 1861 – 1924, Koehler Verlagsgesellschaft S. 27 – 31, 61(1992). Das Bild kostet damals 7000 Mark, entsprechend dem doppelten Jahresgehalt eines Chemikers bei Bayer.

[38] W. v. Cancrin: Ueber Istizin, Dtsch. Med. Wochenschr. 40(5), 230-231 (1914) https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/s-0029-1190153.pdf (Letzter Zugriff 2016-09-16).

[39] C. Duisberg, Cl. Lutter: Die Geschichte des Werkes Elberfeld 1908 – 1953, Eigenverlag 1953

[40] Die vom Chemiker Robert Emanuel Schmidt ab 1887 in Elberfeld gefundene besonders farbechte Farbstoffklasse der Anthrachinonfarbstoffe wie Alizarin R, Purpurin und die Alizarinoragne, -rot, -saphirol B durchlaufen eine Reihe von komplexen Zwischenstufen. Das als Abführmittel ab 1913 vermarktete Istizin ist eines dieser Zwischenprodukte und hat als reduzierte Form des Cignolins (Dithranol) seit 1916 einen festen Bestandteil in der Therapie der Psoriasis.

[41] WHO Model List of Essential Medicines (19th List, April 2015) http://www.who.int/medicines/publications/essentialmedicines/EML_2015_FINAL_amended_NOV2015.pdf?ua=1 (Letzter Zugriff 2016-09-16). Carsten Suntrop: Chemiestandorte: Markt, Herausforderungen und Geschäftsmodelle, Wiley, Leipzig, 2016.

[42] Anonym: Historische Begründung eines Deutschen Chemie Museums. Keine Angabe zu Verlag oder Erstelldatum. „Danach erfuhr Mitteldeutschland einen ersten Entwicklungsschub zwischen etwa 1880 und 1920. Die Gründungen waren in erster Linie an den günstigen Standortfaktoren festgemacht. Damit wurde der Raum Bitterfeld/Wolfen zur Keimzelle der chemischen Industrie Mitteldeutschlands“ http://www.deutsches-chemie-museum.de/uploads/media/Geschichte_der_chemischen_Industrie.pdf (Letzter Zugriff 2016-09-19). Die chemische Industrie wurde im Chemiedreieck Bitterfeld, Halle, Merseburg mit Leuna, Buna, Schkopau, Schwarzheide, Chemnitz sowie Piesteritz und Bernau wurden erst in den Weltkriegen I + II aufgebaut.

[43] Cornelius Cretschmar: Das rheinische Civilrecht in seiner heutigen Geltung, Verlag von Felix Hagel, Düsseldorf 1888. http://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht?PPN=PPN732481694&PHYSID=PHYS_0042&DMDID=DMDLOG_0001 (Letzter Zugriff 2016-09-21).

[44] Preußisches Gesetz über die Benutzung der Privatflüsse, vom 28. Februar 1843 ab Seite 578. http://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht?PPN=PPN732481694&PHYSID=PHYS_0042&DMDID=DMDLOG_0001 (Letzter Zugriff 2016-09-21).

[45] Friedrich von Restorff: Topographisch-Statistische Beschreibung der Königlich Preußischen Rheinprovinzen, Berlin u.a., (1830 ) http://bsb3.bsb.lrz.de/~db/1001/bsb10014034/images/index.html?id=10014034&fip=xdsydeayaxdsydfsdrsdasxdsydxdsydqrsyztsyzts&no=60&seite=401 (Letzter Zugriff 2016-09-22).

[46] Wolfgang Hoth: Die Industrialisierung einer rheinischen Gewerbestadt – dargestellt am Beispiel Wuppertal. Inauguraldissertation, Köln 1974, Herausgegeben vom Rheinisch-Westfälischem Wirtschaftsarchiv zu Köln, 1975.

[47] Werner Plumpe: Carl Duisberg, 1861 – 1935, Anatomie eines Industriellen, C.H.Beck, 2016. S. 78ff. Plumpe beschreibt in diesem Buch auch den umfassenden Kampf zu einer verbesserten Ausbildung für Chemiker. „Bei uns kann überhaupt jeder, was bei Apothekern nicht der Fall ist, seine Bildung sei noch so gering, nicht nur Chemie studieren, sondern an einzelnen Universitäten sogar das bisher einzige Abschlußexamen für Chemiker, das Doktorexamen, machen. Fast will es uns erscheinen, als wenn die besseren und tüchtigeren Elemente sich vom Studium der Chemie ab- und anderen Fächern zuwenden und mehr die Unfähigen, welche es nicht so weit gebracht, sich das Recht zum Studium eines höheren Berufs erwerben, als einzige Zufluchtsstätte „die Chemie“ ansehen“. (S. 159). In seinem Bemühen, die Bildung für Chemiker zu verbessern, schuf Duisberg vor 1907 auch den ersten gymnasialen Chemieunterricht in Deutschland (S. 161). Auch die vielen Forschungskooperationen mit Hochschulprofessoren (S. 170) sollten hierzu beitragen.

[48] Gustav Schultz: Die Chemie des Steinkohlentheers mit besonderer Berücksichtigung der künstlichen organischen Farbstoffe, Friedrich Vieweg und Sohn, Braunschweig 1882. http://cybra.p.lodz.pl/Content/3665/ChemieSteinkohlentheers_OCR.pdf (Letzter Zugriff 2016-10-05). Die Darstellung der Chemie ist umfassend, die Farbenhersteller werden im 41 Kapitel ab Seite 1038 aufgeführt.

[49] Pflanzenschutz war den Menschen im 19. Jahrhundert ein besonderes Anliegen – nur fehlten adäquate Mittel und Methoden. 1868 wurde für J.P.Wilson „Paris Green“ in Mineralöl formuliert gegen den in USA besonders gefürchteten Kartoffelkäfer patentiert (siehe Thomas Dunlap: DDT: Scientists, Citizens, and Public Policy. Princeton University Press, Seite 19 ff, New York and Guidford 1981). Paris Green entsprach chemisch dem Schweinfurter Grün, einem grünfarbigen Pigment aus einer Arsen-Kupfer-Zubereitung, die bis in 20. Jahrhundert auch im Weinanbau angewendet wurde. Später fanden dann auch andere anorganische Mischungen Verwendung wie zum Beispiel Calciumarsenat, das Nebenprodukt aus der Fuchsinherstellung (siehe Anmerkung 19). Antinonnin war das erste organische Pflanzenschutzmittel.

[50] F. Himmelweit: The collected Papers of Paul Ehrlich Vol III Chemotherapy, Pergamon Press London, Oxford, New York, Paris 1960 Seite 564. Siehe auch: Paul Ehrlich: Über den jetzigen Stand der Chemotherapie, Vortrag, gehalten vor der Deutschen Chemischen Gesellschaft am 31. Oktober 1908; http://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/institut/veroeffentlichungen-von-paul-ehrlich/1906-1914/1909-jetziger-stand-chemotherapie.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (Letzter Zugriff 2016-10-12).

[51] Verfahrensbedingt entsteht bei der Reaktion von Anilin und Arsentrioxid Arsanilsäure. Das Verfahren zur Herstellung von Arsanilsäure nach Béchamps setzt Anilin mit Arsensäure bei 100 bis zuletzt 180°C um und erhält einen in Sodalösung oder salpetersaurer Lösung lösliche farblose Kristalle (amphotere Arsanilsäure).24 Fuchsin entsteht unter selbigen Bedingungen,25 etwas besser noch bei 200°C. Die Mischung muss aber p/m-Toluidine enthalten, um den Triphenylmethanfarbstoff Fuchsin zu bilden. In Proben aus der Zeit um 1870 konnte Arsanilsäure eindeutig nachgewiesen werden (Analytik bei der Firma eurofins Deutschland).

[52] Fritz Haber: Grundriss der Technischen Elektrochemie auf theoretischer Grundlage, Verlag R.Oklenbourg, 1898. https://archive.org/details/grundrissdertec00habegoog (Letzter Zugriff 2016-10-13). Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co, Deutsches Reich Patentschrift DE 303303 (20. März 1917).

[53] Arthur Eichengrün: Ueber Aristochin, Mesotan, Helmitol und Theocin, Pharmazeutische Zeitung, 29.Oktober 1902, Seite 857-858 http://digisrv-1.biblio.etc.tu-bs.de/dfg-files/00038087/DWL/00000868.pdf (Letzter Zugriff 2016-10-19).

[54] Severin-Barboutie B (2016) Das Großherzogtum Berg (1806 – 1813) und Boch R (2016) Das Bergische Land im 19.Jahrhundert (1814 – 1914) in: Gorißen S, Sassin H, Wesoly K (Hg.) Geschichte des Bergischen Landes. Das 19. Und 20. Jahrhundert. Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2016.

[55] Homburg E, Murmann JP (2016) Global Database of Synthetic Dye Firms and Plants, 1848 – 1914. http://professor-murmann.net/Homburg_Murmann_Sydnthetic_Dye_Database_Handbook.pdf (Letzter Zugriff 2016-12-16). Die Datenbank stand mir zu historischen Forschung dankenswerter Weise zur Verfügung. Der Zugang wird durch mir durch Professor Murmann und Professor Homburg eingerichtet. J. Peter Murmann johann.peter.murmann@etss.net, E. Hoffmann e.homburg@maastrichtuniversity.nl. Die Datenbank umfasst mehrere Tausend Einträge zur Gründung von chemischen Anlagen, die sich mit Farbstoffen auseinandersetzten. Ein besonderer Dank geht an dieser Stelle an Professor Murmann, der mir etwas über 2700 Anlagengründungen in Deutschland in den Grenzen von 1871 als Excel-Tabelle auskoppelte, die 237 Firmen umfassten. Durch die in Anmerkung 3 genannten Anlagen ergänzt konnte so die oben zitierte Zuordnung von Neugründungen in den Rechtsgebieten des Code Civil und anderer mit hoher statistischer Aussagekraft getroffen werden.

[56] Meyer-Thurow G (1982) The Industrialization of Invention: A Case Study From the German Chemical Industry, ISIS 73(268)

[57] Klippel, Diethelm (Herausgeber): Deutsche Rechts- und Gerichtskarte. Nachdruck der Ausgabe Kassel 1896. Mit einem Orientierungsheft neu herausgegeben und mit einer Einleitung versehen. Goldbach, Keip 1996. 23 x 15,1 cm. XVI, 42 Seiten und eine mehrfach gefaltete farbige Karte (ISBN 3-8051-0352-2.

[58] Thier, Andreas in Gordley, James (Herausgeber) (2010): The Development of Liability between Neighbours, Seite 91 -106.

[59] Müller, Gustav (1902) Die Chemische Industrie in der deutschen Zoll- und Handelsgesetzgebung des neunzehnten Jahrhundert. R. Gaertner’s Verlagsbuchhandlung, Hermann Heyfelder SW Berlin 1902. Seiten 135, 143 – 147, 313, 314, 376.

[60] Die „chemische Fabrikindustrie unterlag damals noch keiner einheitlichen Definition, so dass verschiedene Quellen unterschiedliche Definitionen nannten und Vergleiche erschweren. Die Herstellung von anorganischen Grundstoffen wie Soda, Natron, Alaun, Phosphor und allerlei anderer Salze ist, so denn die Produktionsmenge erheblich ist, oft an den Fundort entsprechender natürlicher Quellen gebunden. Die hiervon unabhängige Farbstoff und beginnende pharmazeutische Chemie ist hingegen durch die zugrundeliegende gesetzliche Regulierung dominiert.

[61] Deckers, Daniel (2016) Napoleons Vermächtnis, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2016-12-19.

[62] Buch über Pharmaziegeschichte ….

[63] https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Apothekerzeitung

[64] https://de.wikipedia.org/wiki/Edikt_von_Salerno

Autor

Dr. Lutz Heuer, Diplom-Chemiker, seit 1990 bei der Bayer AG. Tätigkeiten in der chemischen Forschung, Anwendungstechnik sowie Produktion. Seit drei Jahren im Werk Wuppertal verantwortlich für die Anlagen- und Verfahrenssicherheit und Störfallbeauftragter des Standorts Elberfeld.

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