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Kardiologie

Diagnose Vorhofflimmern

Wie die Herzrhythmusstörung zweifelsfrei nachgewiesen werden kann

Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung und eine der häufigsten Ursachen für Arztkontakte. Nach neuesten Berechnungen leiden fast 1,8 Millionen (2,2% der deutschen Bevölkerung) an Vorhofflimmern. Vorhofflimmern ist als Rhythmusstörung selbst nicht lebensbedrohlich, kann aber zu gravierenden Folgeschäden führen, insbesondere zu einem Schlaganfall und – weniger häufig – auch zu Herzschwäche. Daher ist eine frühzeitige Diagnose essenziell. | Von Thomas Meinertz

Der erste Anfall von Vorhofflimmern wird meist als dramatisch empfunden und führt nicht selten zur Notaufnahme in eine Klinik. Plötzlich einsetzendes Herzstolpern, Herzschlag bis zum Hals, Druckgefühl im Brustkorb, Angst, Atemnot, Schweißausbruch und Schwindelgefühl lösen bei vielen Betroffenen Panik aus. Manche glauben, ihre letzte Stunde sei gekommen. Andere denken, sie hätten einen Herzinfarkt. Meist hört das Vorhofflimmern nach einigen Stunden schlagartig wieder auf. Diese Form der Rhythmus­störung nennt man anfallsweises oder paroxysmales Vorhofflimmern. Falls das Vorhofflimmern weiter anhält, spricht man vom persistierenden Vorhof­flimmern.

Viel seltener tritt Vorhofflimmern zum ersten Mal in der persistierenden Form auf. Jüngere Patienten spüren zwar meist den Beginn, die Beschwerden sind aber weniger ausgeprägt und mehr durch Leistungsschwäche und Atemnot bestimmt.

Früherkennung: eine wichtige Aufgabe

Patienten im hohen Lebensalter vertragen Vorhofflimmern meist relativ gut. Viele bemerken es überhaupt nicht. Ursache hierfür ist die bei älteren Patienten deutlich niedrigere Kammerfrequenz während des Vorhofflimmerns. Andererseits kann Vorhofflimmern völlig unbemerkt verlaufen. Die Patienten missdeuten ihre Beschwerden oder negieren sie völlig. Diese Patienten sind viel häufiger als man früher dachte. Nicht selten wird Vorhofflimmern erst nach eingetretenem Schlaganfall entdeckt. Besonders gefährdet sind Bevölkerungsgruppen im Alter über 60 Jahre, insbesondere solche mit Bluthochdruck, koronarer Herzkrankheit oder Herzmuskelschwäche. Vorhofflimmern frühzeitig zu erkennen und damit diesen Menschen rechtzeitig zu helfen, ist eine wichtige Aufgabe für die Zukunft. Entsprechende Untersuchungsprogramme zur Erkennung von Vorhof­flimmern wurden bereits initiiert. Ein Beispiel für solch ein Programm zur Früherkennung ist das Arena Projekt Vorhofflimmern Rhein-Neckar, bei dem Apothekenkunden anhand einer einfachen Messung auf Anzeichen von Vorhofflimmern untersucht werden (s. Beitrag "Auch ein Fall für die Apotheke!").

Welche Diagnostik ist notwendig?

Drei Patientengruppen müssen unterschieden werden: Solche mit nachgewiesenem Vorhofflimmern, solche mit klinischem Verdacht auf Vorhofflimmern (die z. B. über Episoden von Herzstolpern berichten) und Patienten, die gefährdet sind, ein Vorhof­flimmern zu entwickeln.

Zur Diagnostik gehören neben der Anamneseerhebung die körperliche Untersuchung, das 12-Kanal-Elektrokardiogramm (EKG) sowie die Echokardiografie. Zur Anamnese gehört es auch, mögliche auslösende Faktoren von Vorhofflimmern zu erfassen.

Die diagnostisch schwierigste Patientengruppe ist die mit Verdacht auf Vorhofflimmern aufgrund der klinischen Symptomatik oder eines vorangegangenen Schlaganfalls. Nicht selten stammt der erste Hinweis für anfallsweise auftretendes Vorhofflimmern vom Patienten. Ihm fällt auf, dass bei der Blutdruckmessung der Pulsschlag völlig un­regelmäßig ist, der Blutdruck nicht richtig gemessen wird (stark schwankende Werte innerhalb eines kurzen Zeitraums) oder das Blutdruckmessgerät „Error“ anzeigt. Dies ist ein Hinweis, aber kein Beweis für Vorhofflimmern. Gleiches gilt für die vom Patienten phasenweise getasteten Pulsunregelmäßigkeiten.

Vom klassischen Langzeit-EKG bis zur App

Um Vorhofflimmern zweifelsfrei nachzuweisen, muss ein EKG in dem Moment geschrieben werden, in dem Vorhofflimmern besteht. Allerdings tritt Vorhofflimmern bei vielen Patienten nur von Zeit zu Zeit auf, teilweise dann, wenn gerade kein Arzt erreichbar ist. Manchmal gelingt es mit einem klassischen Langzeit-EKG, Vorhofflimmern zu erfassen. Dieses kann über 24 oder 48 Stunden und mit modernen Geräten sogar über sieben Tage registriert werden. Wenn die Abstände zwischen den Vorhofflimmerepisoden jedoch lang sind (z. B. mehrere Wochen), ist das Langzeit-EKG nicht geeignet, diese Rhythmusstörung zu erfassen.

Hier können sogenannte Ereignisrekorder helfen. Diese existieren als sogenannte externe Ereignisrekorder oder als EKG-Rekorder, die unter die Haut implantiert werden.

Bei externen Ereignisrekordern gibt es unterschiedliche Konzepte. Sie bestehen entweder in einer wiederholten, kurzzeitigen EKG-Registrierung oder als kontinuierliche Überwachung. Beim externen Ereignisrekorder mit intermittierender Überwachung wird der Patient aufgefordert, sobald er eine Herzunregelmäßigkeit verspürt, den externen Ereignisrekorder auf die Haut im Brustbereich zu drücken und ein EKG von 30 Sekunden bis zu wenigen Minuten abzuleiten. Mittlerweile ist es sogar möglich, dass EKG von den Fingerspitzen abzuleiten und eine EKG-Kurve aufzuzeichnen.

Zunehmend werden auch Smartphones mit speziellen Apps eingesetzt, um den Herzrhythmus zu überwachen. Der Patient ist damit in der Lage, auch komplette Elektrokardiogramme über Oberflächenelektroden abzuleiten oder durch die Beurteilung des Kapillarpulses Hinweise auf die Herzfrequenz und Pulsunregelmäßigkeiten zu gewinnen. Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz eines solchen externen Ereignisgerätes ist, dass der Patient sein Vorhofflimmern spürt und genug Zeit hat, das Gerät ordnungsgemäß anzuwenden. Dazu muss die Vorhofflimmerepisode mindestens 30 Sekunden anhalten.

Externe Ereignisrekorder mit kontinuierlicher Überwachung werden mit Klebeelektroden direkt an der Haut fixiert, sodass das Gerät permanent den Herzrhythmus erfassen kann. Im Fall eines Ereignisses aktiviert der Patient den Rekorder und speichert auf diese Weise das EKG vor und nach der Aktivierung. Einige Geräte sind auch in der Lage, bestimmte Rhythmusstörungen, die vorher entsprechend definiert werden, selbstständig zu erkennen. Sie aktivieren dann automatisch die EKG-Erfassung.

Implantierbare Ereignisrekorder werden in lokaler Betäubung links neben dem Brustbein unter die Haut gesetzt. Die Elektroden zur EKG-Erfassung sind in das Gehäuse eingelassen, sodass eine Elektrodenimplantation in das Herz nicht erforderlich ist. Die Lebenszeit der Geräte beträgt mehrere Jahre. Neben der automatischen Erkennung von Vorhofflimmern besteht auch bei den implantierbaren Rekordern die Möglichkeit, via Internet die Daten zum betreuenden Arzt zu übertragen. |

Autor

Foto: Wort & Bild Verlag Ronald Frommann

Prof. Dr. med. Thomas Meinertz, Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Herzstiftung, Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie sowie für Pharmakologie und Klinische Pharmakologie, ehemaliger Direktor der Klinik Innere Medizin/Kardiologie am Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf (UKE) und des Universitären Herzzentrums Hamburg (UHZ).

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