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Verhütung

Frau muss sich nicht vor Antibiotika fürchten

Hormonelle Kontrazeptiva wirken zuverlässig

Hormonelle Kontrazeptiva stellen heutzutage eine der wichtigsten und zuverlässigsten Mittel zur Empfängnisverhütung und Schwangerschafts­kontrolle dar. Ein Großteil der eingesetzten Präparate besteht aus einer Estrogen- und Gestagen-Kombination, wobei jede der Komponenten für sich alleine eine antikontrazeptive Wirkung besitzt. Diese werden meist oral in Form von Tabletten (der sogenannten Antibabypille) oder transdermal durch Verhütungspflaster oder auch in Form von vaginalen Verhütungsringen angewendet. Immer wieder stellen Frauen die Frage, ob die Einnahme von Antibiotika die Wirkung der „Pille“ abschwächen kann. | Von Edgar Harms

Die künstlich eingestellten Hormonspiegel führen über einen negativen Rückkopplungsmechanismus dazu, dass der Körper, genauer gesagt die Hypophyse, die Produktion von Gonadotropin-Inkretinen drosselt. Hierdurch wird unter anderem der Eisprung (Ovulation) verhindert. Die Gabe eines Estrogens würde theoretisch genügen um einen ausreichenden Empfängnisschutz zu bieten. Estrogen-Monopräparate würden jedoch durch eine Proliferationsanregung am Endometrium (Gebärmutter) die Karzinombildung fördern. Daher wird ein Gestagen zugesetzt, das diesen Effekt antagonisiert. Die kontinuierliche alleinige Zufuhr eines Gestagens wirkt ebenfalls kontrazeptiv. Bei niedrig dosierten Gestagen-Monopräparaten wie der klassischen Levonogestrel-haltigen „Minipille“ wird der Eisprung zwar weniger zuverlässig unterdrückt, durch eine Modifizierung des Zervikalschleims und der Uterusschleimhaut wird jedoch ein Eindringen und Einnisten der Spermien in die Gebärmutter (Uterus) derart gestört, dass eine Schwangerschaft verhindert wird. Die klassische Minipille erfordert jedoch eine quasi stundengenaue Anwendung und es kommt häufiger zu Zwischenblutungen. Die „neue Minipille“ enthält dagegen das Gestagen Desogestrel. Sie verhindert zuverlässiger den Eisprung und erlaubt eine größere Schwankung der täglichen Einnahme. Noch bequemer und anwendungssicherer sind außerdem weitere Gestagen-Monopräparate in Form von Monatsdepotspritzen und Hormon-Implantaten.

Nicht verwechselt werden sollten „Minipillen“ dabei mit den sogenannten „Mikropillen“ Bei diesen hormonellen Kontrazeptiva handelt es sich um Estrogen-Gestagen Tabletten mit einem relativ geringen Estrogen-Gehalt < 50 µg und einem im Vergleich höheren Gestagen-Gehalt. Die eigentliche Ovulationshemmung geschieht hierbei vornehmlich durch das höher konzentrierte Gestagen. Das niedrig dosierte Estrogen dient vor allem der Zykluskontrolle. Trotzdem können auch bei „Mikropillen“ gelegentlich (im Vergleich zu „Minipillen“ seltener) Zwischenblutungen auftreten. Diese müssen zwar bei verstärktem Auftreten aufgeklärt werden, in der Regel deuten sie allerdings nicht auf einen verringerten kontrazeptiven Schutz hin. Davon abgesehen besitzen „Mikropillen“ eine geringere Nebenwirkungsrate als höher konzentrierte hormonelle Kontrazeptiva und auch eine sehr gute Wirksamkeit, weswegen sie heutzutage bevorzugt verwendet werden.

Metabolismus der Sexualhormone

Sexualhormone wie Estrogene (z. B. Ethinylestradiol) und Gesta­gene (z. B. Dienogest) werden nach der Resorption teilweise bereits in der Darmschleimhaut und in der Leber durch Enzyme metabolisiert (First-Pass-Effekt). In einem ersten Schritt können funktionelle Gruppen in die eher lipophilen Sexualsteroide eingeführt werden (Phase-I-Reaktion, Funktionalisierungsreaktion) z. B. findet beim Ethinylestradiol über Cytochrom-P450-System unter anderem eine hydroxylierung zum 2-Hydroxy-Ethinylestradiol statt. Über solche funktionellen Gruppen können weiterhin Kopplungsreaktionen stattfinden (Phase-II-Reaktionen, Konjugationsreaktionen). So können die Sexualsteroide z. B. mithilfe der UDP-Glucuronosyltransferase (UGT) mit Glucuronsäure glucuronidiert oder durch die Sulfotransferase sulfatiert werden. Die so entstandenen hydrophileren Metabolite können dann über die Nieren, aber auch über die Galle eliminiert werden (Ethinylestradiol-Metaboliten werden z. B. im Verhältnis 4 : 6 über den Urin und die Galle ausgeschieden).

Bei einer Ausscheidung über die Galle kann der Glucuronsäure- oder Sulfatrest durch die im Dickdarm vorhandenen Mikroorganismen wieder abgespalten werden. Damit können die Sexual­steroide erneut über die Darmschleimhaut aufgenommen und der Leber zugeführt werden (enterohepatischer Kreislauf). Ein Teil davon gelangt auch wieder in den systemischen Kreislauf.

Bei Estrogenen wie Ethinylestradiol zeigen viele der entstehenden Metabolite noch eine endokrinologische Aktivität und werden durch den enterohepatischen Kreislauf rückresorbiert, so dass der erneut resorbierte Anteil zur Gesamtwirkung beiträgt. Dagegen werden Gestagene (z. B. Dienogest) durch die Phase-I-Reaktion weitgehend zu endokrinologisch inaktiven Metaboliten abgebaut und/oder kaum rückresorbiert, weshalb die Re-Zirkulation bei diesen keinen relevanten Anteil an der Gesamtwirkung besitzt und demnach auch nicht durch den enterohepatischen Kreislauf beeinflusst wird [4].

Wechselwirkung mit Antibiotika?

Eine Verringerung der kontrazeptiven Wirksamkeit durch eine Wechselwirkung mit Antibiotika wird seit Längerem diskutiert und wird oft befürchtet. Eine folgenschwere Reduktion der frei verfügbaren Estrogen/Gestagen-Konzentration könnte theoretisch durch folgende Effekte hervorgerufen werden:

  • Induktion von Sexualhormon-abbauenden Enzymen (Estrogene werden z. B. durch CYP3A4 Enzyme abgebaut; die Beeinflussung des Gestagen-Abbaus hierdurch ist dagegen vernachlässigbar)
  • Störung des enterohepatischen Kreislaufs und damit der Rückgewinnung der Hormone durch eine Reduktion der Darmflora (siehe Kasten „Metabolismus der Sexualhormone“)
  • Induktion des Sexualhormon-bindenden Globulins (SHBG) und dadurch Reduktion der frei verfügbaren bioaktiven Sexualhormone

Für Rifamycin-Antibiotika (z. B. Rifampicin), die starke CYP3A4- und SHGB-Induktoren sind, ist eine Abschwächung der Wirkung der hormonellen Kontrazeptiva bereits bekannt und bestätigt. Die Beeinflussung des enterohepatischen Kreislaufs durch eine veränderte Darmflora wird dagegen in ihrer Auswirkung auf die kontrazeptive Wirkung meist überschätzt, da Gestagene hierdurch kaum in ihrer Wirksamkeit beeinflusst werden.

Pearl Index

Ein Maß für die Zuverlässigkeit von Methoden zur Empfängnisverhütung ist der Pearl-Index. Er gibt den Anteil der sexuell aktiven Frauen, bezogen auf 1200 Anwendungsmonate (entspricht der Anwendung einer Methode von 100 Frauen über ein Jahr) an, die trotz Verwendung einer bestimmten Verhütungsmethode schwanger werden.

Pearl-Index = Zahl der Schwangerschaften × 12 × 100 ÷ Anzahl der Zyklen

Je niedriger der Pearl-Index ist, desto sicherer ist die Methode. Häufig schwanken die Pearl-Index-Werte in der Literatur mehr oder weniger stark. Dies liegt daran, dass zum Teil unterschiedliche Datenquellen zur Berechnung verwendet werden. So muss z. B. unterschieden werden, ob die verwendeten Datenquellen die reine Methodensicherheit unter optimalen Bedingungen (konsequente und korrekte Anwendung) angeben, oder auch typische Anwendungsfehler unter Alltagsbedingungen berücksichtigen, was dann zu höheren Werten führt [1].

Tab.: Pearl-Werte der verschiedenen Verhütungs­methoden (nach [3]). Je niedriger der Pearl-Index, desto sicherer ist ein Verhütungsmittel.
Methode
Pearl-Index
natürliche Kontrazeptionsmethoden
Coitus interruptus
10 bis 38
mechanische Kontrazeptiva
Präservativ (für Männer oder Frauen)
0,4 bis 2 (bis 12)
hormonale Kontrazeptiva
klassische Östrogen/Gestagen-­Präparate („Antibabypille“)
0,2 bis 0,5
Mikropille
0,2 bis 0,5
Minipille
0,8 bis bis 1,5
Hormonpflaster
0,7 bis 0,88
Vaginalring
ca. 0,65
Gestagen-Depotinjektion
ca. 0,5
Gestagen-Implantat
ca. 0,3
Sterilisation
0,004 bis 0,06

Einige ältere Studien hatten auch in Zusammenhang mit anderen Antibiotika-Gruppen über ungewollte Schwangerschaften trotz der Einnahme von hormonellen Kontrazeptiva berichtet. Dies hatte auch vielfach Einzug in die Beratungspraxis gefunden und für viele Apotheker gehört heute der Ratschlag zu einer zusätzlichen Barriereverhütungsmethode (z. B. Kondome) bei der Antibiotika-Abgabe an Frauen im gebärfähigen Alter immer noch zur guten Beratungspraxis. Da diese Studien jedoch ohne Kontrollgruppen durchgeführt worden waren, war deren Aussage allerdings deutlich begrenzt. Orale hormonelle Kontrazeptiva (klassische „Antibabypille“ oder „Mikropille“) sind zwar bei konsequenter und korrekter Anwendung äußerst zuverlässig (Pearl Index 0,2 bis 0,5), unter Alltagsbedingungen und typischen Anwendungsfehlern (vergessene Tabletten) erhöht sich jedoch die Fehlerquote auch ohne Antibiotika-Einnahme deutlich (s. Kasten „Pearl-Index“, s. Tab.). In einem systematischen Review hatte nun ein Team von amerikanischen Wissenschaftlern durch eine ausführliche Datenbank-Analytik (Medline, Embase, www.clinicaltrials.gov und Cochrane Library) diesen Umstand untersucht. Berücksichtigt wurde jegliche Form der Therapie mit hormonellen Kontrazeptiva (Tabletten, Depotspritzen, Vaginalring, Pflaster, Implantate) in Zusammenhang mit der Einnahme aller relevanten Antibiotika-Gruppen (Aus­nahme: Rifampicin). Ausgeschlossen wurden Studien ohne Kontrollgruppe. Folgende Outcomes wurden untersucht:

  • (ungewollte) Schwangerschaften
  • Surrogat-Parameter: Eisprungbestimmung (anhand typischer Hormon-Blutwerte z. B. lutenisierendes Hormon und Ultraschall-Untersuchungen)
  • pharmakokinetische Parameter der Hormone und Antibiotika: area under the curve (AUC), Spitzenplasmaspiegel (Cmax), Steady-State-Level
  • Nebenwirkungsrate: Durchbruch-/Schmierblutungen

Fazit ...

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass bei der Co-Administration von hormonellen Kontrazeptiva und Antibiotika im Vergleich zu den Kontrollgruppen keine erhöhten Schwangerschaftsraten gefunden wurden. Auch bei den Surrogat-Parametern zeigten sich keine signifikanten Unterschiede. Bei den pharmakokinetischen Parametern wurden lediglich bei Dirithromycin (nicht in Deutschland verfügbar) signifikant – wenn auch nur kurzfristig – geringfügig reduzierte Ethinylestradiol-Werte gefunden. Inwieweit diese schwache Reduktion das Schwangerschaftsrisiko jedoch tatsächlich erhöhen kann, ist unsicher, zumal die Gestagen-Werte unverändert waren. Ansonsten wurden in einigen Kombinationen leicht erhöhte Estrogen/Gestagen- oder Antibiotika-Konzentrationen gemessen, was jedoch den Schwangerschaftsschutz nicht beeinträchtigen sollte und wodurch auch keine erhöhten Nebenwirkungen berichtet wurden.

... mit Einschränkungen

Einschränkungen der Aussagekraft ergaben sich dadurch, dass zwar alle relevanten Antibiotika-Gruppen untersucht wurden, aber nicht von allen Antibiotika harte Endpunkte (Schwangerschaftsraten) vorlagen, die ausgewertet werden konnten. Außerdem waren die Studienpopulationen zum Teil sehr klein, so dass die Aussagekraft erniedrigt war. Die Autoren selbst schränken die Übertragbarkeit gegenüber relativ niedrig konzentrierten Präparaten (< 30 µg Ethinylestradiol oder < 150 µg Levonorgestrel) ein, da zu diesen weniger ausreichende Studiendaten gefunden werden konnten. Da jedoch auch bei diesen Präparaten eine ausreichend hohe Gestagen-Konzentration vorlag und es auch generell keine Hinweise auf eine Reduktion der Gestagen-Konzentrationen gab, ist auch hier keine relevante Beeinflussung der Wirksamkeit zu erwarten.

Ansonsten scheinen genetische Prädispositionen (CYP3A4-Substrat ultra rapid metabolizer) und starkes Übergewicht weitaus größere Einflussfaktoren zu sein.

Weder Beweise noch Hinweise

Letztendlich lässt sich sagen, dass keine Beweise und auch keine Hinweise für eine Abschwächung der Wirkung von hormonellen Kontrazeptiva durch Antibiotika gefunden werden konnten. Ein Wissen, dass sich mittlerweile auch immer mehr in den aktuellen Leitlinien niederschlägt und in Zukunft vermutlich auch die Beratungspraxis in den Apotheken zunehmend verändern wird. |

Literatur

[1] Simmons KB, Haddad LB, Nanda K, Curtis KM. Drug interactions between non-rifamycin antibiotics and hormonal contraception: a systematic review. Am. J Obstet Gynecol 2018;218:88–97, e14

[2] von Wolff P, Stute pP. Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin: Das Praxisbuch. Stuttgart, Schattauer Verlag 2013

[3] Pearl-Index: Online-Informationen des Pschyrembel, www.pschyrembel.de, Stand: 14. März 2018

[4] Lupp A. Orale Kontrazeptiva: Risikoreiche Interaktionen. Dtsch Arztebl 2016;113(11):18-20, DOI: 10.3238/PersGyn.2016.03.18.05

Autor

Dr. Edgar Harms, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe; Mitbegründer der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Infektionen und Infektionsimmunologie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG); bis 2014 Chefarzt der Gynäkologie St. Elisabeth Krankenhaus Grevenbroich; aktuell Chefarzt am Evangelischen Krankenhaus Mettmann GmbH; weiterhin operativ tätig am Lukas Krankenhaus Neuss (Schwerpunkt: Urogynäkologie) und am Johanna-Etienne Krankenhaus Neuss (Schwerpunkt: Onkologie) sowie Tätigkeit in der Kinderwunschpraxis Praxis für Gynäkologie und Geburtshilfe in Grevenbroich (Schwerpunkt: Endokrinologie); darüber hinaus aktives Engagement als Operateur für Ärzte ohne Grenzen in Eritrea

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