DAZ aktuell

Spahn will an die Kassen-Reserven

Referentenentwurf für GKV-Versichertenentlastungsgesetz vorgelegt

BERLIN (bro/ks) | Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat seinen ersten Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser zielt darauf ab, die gesetzlich Krankenversicherten finanziell zu entlasten – unter anderem durch die Rückkehr zur Parität. Die Opposition, aber auch der Koalitionspartner kritisierten die Pläne, ebenso der AOK Bundesverband. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) signalisierte überdies: Die Apotheker werden sich beim Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel gedulden müssen.
Foto: Philipp Külker
Bundesgesundheitminister Jens Spahn fordert, dass Krankenkassen „nicht übermäßig Geld horten“.

Seit vergangenem Freitag liegt der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Beitragsentlastung der Versicherten in der Gesetzlichen Krankenversicherung vor – kurz GKV-Versichertenentlastungsgesetz (GKV-VEG). Mit ihm setzt Spahn ein Versprechen des Koalitionsvertrags um, dem er seit seinem Amtsantritt besondere Priorität zumisst: Der Zusatzbeitrag, der derzeit im Durchschnitt bei einem Prozent liegt und allein von den Arbeitnehmern zu schultern ist, soll ab 1. Januar 2019 wieder zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gezahlt werden. Der allgemeine Beitragssatz wird weiterhin bei 14,6 Prozent liegen. Allein dies soll die Kassenmitglieder und Rentner um 6,9 Milliarden Euro entlasten. Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, dass die Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für Selbstständige gesenkt wird – denn viele Kleinunternehmen seien finanziell überfordert. Der durchschnittliche Mindestbeitrag soll auf 171 Euro halbiert werden. Ferner sollen die Krankenkassen verpflichtet werden, die Versicherungsverhältnisse mit sogenannten passiven Mitgliedern zu beenden, um die statistischen Beitragsschulden der Kassen abzubauen. Zur Erklärung hieß es aus dem BMG, dass die Schulden bei den Kassen Ende 2017 bei 6,3 Milliarden Euro lagen – diese seien allerdings insbesondere durch nicht beendete Mitgliedschaften freiwillig Versicherter im EU-Ausland entstanden. Oftmals seien GKV-Mitglieder unbekannt verzogen und zahlten keine Beiträge mehr. Automatisch würden diese Mitglieder dann aber zum Höchstbeitrag weiterversichert – die Kassen erhielten dann außerdem weiterhin Zuweisungen aus dem Fonds für diese verzogenen Mitglieder. Das will das BMG nun stoppen.

Kassen sollen Beiträge senken

Angesicht der mehr als 19 Milliarden Euro Finanzreserven, will Spahn weiterhin dafür sorgen, dass die Kassen ihre Überschüsse zugunsten der Beitragszahler abschmelzen. So sollen die Rücklagen künftig nicht mehr als eine Monatsausgabe betragen. Zur Erklärung: Per Gesetz müssen die Kassen ein Viertel einer Monatsausgabe als Reserve zurückhalten – einige Kassen haben aber das Vierfache einer solchen Monatsausgabe auf ihren Konten hinterlegt. Über einen Zeitraum von drei Jahren sollen die Kassen diese Reserven nun abbauen. Aus dem BMG hieß es dazu, dass hier Beitragssenkungen favorisiert werden, aber auch neue Leistungen oder Prämien wären denkbar, wenn diese im Rahmen des gesetzlich Möglichen angeboten würden. Bauen die Kassen ihre Milliarden-Rücklagen nicht ab, müssen sie Beiträge an den Gesundheitsfonds abführen. Und: Eine Kasse, die über mehr als eine Monatsausgabe verfügt, soll ihren Zusatzbeitrag nicht mehr anheben dürfen. Aus dem Ministerium hieß es weiterhin, dass von den 112 Krankenkassen derzeit 68 über mehr als eine Monatsausgabe verfügen. Alleine acht der elf ­AOKen in Deutschland seien betroffen.

Schließlich sollen die Krankenkassen in Zukunft für ihre betriebsinternen Altersrückstellungen mehr Geld in Aktien investieren können. Derzeit dürfen sie 10 Prozent der Rückstellungen für ihre Mitarbeiter in Aktien investieren. Die Zahl soll auf 20 Prozent angehoben werden.

Bei Grünen, FDP und SPD stießen die Pläne des Ministers auf Kritik: „Spahn greift hier ohne Sinn und Verstand in die Wirtschaftsplanung der Kassen ein“, erklärte etwa die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, ­Maria Klein-Schmeink. Das führe zu einem „Beitrags-Jojo“, der für die Versicherten kaum etwas bringe. „Das Geld wird im kommenden Jahr dringend gebraucht, um die Kosten für die Verbesserungen bei der Pflege und auch bei der Versorgung im ländlichen Raum zu finanzieren.“

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Theurer kritisierte die vorgesehene Belastung der Arbeitgeber. Dies zeige, „dass die Union nichts verstanden hat“. Die Beitragserhöhung für Arbeitgeber sei ein „fatales Signal“. Die geplante Pflicht zur Abschmelzung der Rücklagen sei hingegen ein Schritt in die richtige Richtung, „denn Sozialkassen sind keine Sparkassen“, so Theurer.

SPD kündigt Widerstand an

Auch SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach ist nicht überzeugt: „Wenn wir jetzt die Rücklagen der Kassen abschmelzen, haben wir auf Dauer nicht genug Mittel, um gegen den Pflegenotstand anzugehen.“ Spahns Vorschlag werde dazu führen, dass die Krankenkassenbeiträge schon in dieser Wahlperiode wieder steigen müssten. „Wir werden ihn so nicht mittragen.“

Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch, sieht es zwar positiv, dass überschüssige Gelder im Gesundheitsfonds an die Versichertengemeinschaft zurückgegeben werden sollen. „Kritisch sehen wir aber, dass Herr Spahn auch an die Rücklagen der einzelnen Krankenkassen ran will. Der Plan, die Krankenkassen zur Senkung des Zusatzbeitragsbeitrags zu zwingen, wenn die Rücklagen über eine Monatsausgabe hinausgehen, ist ein gravierender Eingriff in die Beitragssatzautonomie der Krankenkassen. Hier schießt der Gesundheitsminister übers Ziel hinaus.“

Zögern beim Rx-Versandverbot

Wer gehofft hatte, Spahn würde auch das Rx-Versandverbot schnell angehen, muss sich gedulden. Der Minister machte schon bei seinem ersten Besuch im Gesundheitsausschuss des Bundestags deutlich, dass er das Verbot weiterhin für kritisch halte (siehe AZ Nr. 17, 2018, S. 1). Auch aus dem BMG ist zu vernehmen, dass das GKV-Versichertenentlastungsgesetz nun absolute Priorität hat. Zudem soll rasch die im Koalitionsvertrag versprochene Pflegereform vorgelegt und die Situation in der ambulanten ärztlichen Versorgung verbessert werden. Erst danach könne man sich verstärkt Fragen wie dem Rx-Versandverbot widmen, hieß es. |

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