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Beratung

Zwischen traditionell und hydroaktiv

Die schöne neue Welt der Wundversorgung

Ob Bagatellschnitt oder tiefe Verletzung: Heilen muss die Wunde selbst. Wie aber sollte die Versorgung aussehen, die diesen Prozess unterstützt, zumindest nicht stört? Ist Leitungswasser geeignet zum Wundspülen, oder muss es Ringerlösung sein? Ist „Luft an die Wunde“ megaout? Einige Dos and Don’ts der Wundversorgung haben sich gewandelt, und die Zahl und Vielfalt der Wundverbände sind schwindelerregend. Ein kleiner Teil hat auch in die Offizin Einzug gehalten. | Von Ralf Schlenger

Geblieben sind die Basics: Die Versorgung einer Wunde richtet sich unter anderem nach der Art und Tiefe der Verletzung, eventueller Verschmutzung und Infektion sowie an der Wundheilungsphase aus. Liegen die Wundränder dicht beiein­ander und sind gleichmäßig oder glatt durchtrennt (Beispiel: Schnittwunde), kann eine komplikationslose primäre Wundheilung ablaufen. Sie ist nach rund zehn Tagen abgeschlossen und hinterlässt nur eine minimale Vernarbung. Die primäre Wundheilung findet man nur bei aseptischen Operationswunden oder frischen infektionsfreien Verletzungen, die nicht länger als vier bis sechs Stunden zurückliegen. Alle anderen Wunden müssen sekundär verheilen. Dabei wird die Gewebslücke narbig mit Granulationsgewebe aufgefüllt. Dies findet man bei großflächigen, infizierten oder infektionsgefährdeten Wunden, bei Verbrennungen sowie bei allen chronischen Wunden, wie Dekubitus, diabetischem Fußulkus und Ulcus cruris. Beide Arten der Wundheilung laufen in drei ineinanderfließenden Phasen ab:

In der Reinigungsphase (Inflammations-/Exsudationsphase) wird zunächst durch Engstellung der Gefäße der Blutfluss vermindert und durch Aktivierung des Gerinnungssystems mit Ausbildung eines Fibrinnetzes ganz gestoppt. Mit der Exsudation von Blutplasma in das Interstitium wandern neutrophile Granulozyten und Makrophagen (Fresszellen) ins Wundgebiet ein und beginnen mit der Phagozytose von abgestorbenem Gewebe, Bakterien und anderen Fremdkörpern. In dieser Phase treten die typischen Entzündungsreaktionen rubor, dolor, calor, functio laesa auf. Sie ist bei akuten Wunden normalerweise nach drei Tagen abgeschlossen.

! In der Exsudationsphase ist eine starke Saugkapazität der Wundauflage (konventionelle Wundversorgung, s. u.) gefragt: Sie verhindert die Mazeration von Wundrand und Wundumgebung, soll aber die Wunde nicht trockenlegen.

In der Granulations- oder Proliferationsphase wird Gewebe auf Basis des gebildeten Fibrinnetzes neu gebildet. Fibroblasten bilden ein „Gerüst“ für die Neuansiedelung von Zellen und produzieren selbst Kollagen, welches das Granulationsgewebe verfestigt. Migrierende Endothelzellen bilden Kapillaren und stellen eine gute Durchblutung der Wunde her, um den wundspezifisch gesteigerten Stoffwechsel zu gewährleisten. Kapillaren und Granulationsgewebe sind noch sehr empfindlich und müssen durch entsprechende Wundauflagen geschützt werden. Die Granulationsphase beginnt frühestens ab Tag zwei und kann 14 Tage andauern.

! Während der Granulationsphase steht die Wundruhe im Vordergrund. Ein Verband soll schützen, ein warmes, feuchtes Wundmilieu aufrechterhalten, dabei den Gasaustausch nicht behindern (keine feuchte Kammer!). Je länger ein Verband dies ohne Wechsel leistet, desto besser für die Heilung.

Schließlich werden in der Regenerations- oder Epithelisierungsphase Gefäße zurück- und faserreiches Narbengewebe neu gebildet. Auf dem noch feuchten Granulationsgewebe wandern Epithelzellen vom Wundrand her ein, teilen sich, bis eine verdickte Zellschicht die Wunde vollständig verschließt. Die Epithelisierungsphase beginnt bei akuten Wunden ab Tag vier und kann drei Wochen andauern.

!Auch in der finalen Wundheilungsphase soll die Abdeckung schützen, und ein feucht-warmes Klima ohne Austrocknung aufrechterhalten und nicht mit dem neuen Epithel verkleben.

Kennzeichen chronischer Wunden (länger als acht Wochen) ist es, dass die beschriebenen Prozesse sehr viel langsamer ablaufen, über Wochen, Monate oder gar Jahre.

Wundreinigung und Antisepsis – wann und wie?

Eine adäquate Wundreinigung ist die Voraussetzung für eine optimale Wundbeurteilung und damit Grundlage für den Heilungserfolg. Sie dient dem Ausschwemmen von Fremdkörpern, Zelltrümmern und Bakterien und beim Verbandwechsel zum Lösen von Nekrosen, Belägen sowie Biofilmen, sofern vorhanden. Wundspüllösungen sollten grundsätzlich steril, reizlos, erwärmbar sowie atraumatisch und nicht resorbierbar sein. Diese Anforderungen erfüllen optimal Ringerlösung und physiologische Kochsalzlösung (NaCl 0,9%). Als unkonservierte Lösungen sind sie nach Anbruch rasch zu entsorgen. Eine lange verwendbare Darreichung steht in Form von Kochsalzlösungssprays zur Verfügung (Beispiele siehe Tabelle 1 „Wundspüllösungen“).

Tab. 1: Beispiele für Wundspüllösungen (Auswahl)
Wundspüllösungen
Beispiel
Hersteller
Aufbrauchfrist
Wundspüllösungen unkonserviert
Urgo® steriles Kochsalzlösungsspray
Urgo
bis Ablauf des Verfalldatums
Wundspüllösungen konserviert
ActiMaris® sensitiv/forte
Chemomedica
zwölf Wochen
KerraSol® Lösung/Spray
SastoMed
zwölf Wochen
Granudacyn®
SastoMed
60 Tage
Wundspüllösungen mit Polihexanid
Lavanid® 1/2 Wundspülung
Serag-Wiessner
acht Wochen
Lavasorb® Wundspüllösung
Fresenius Kabi
sechs Wochen
Prontosan® Wound Spray
B. Braun
ein Jahr
Prontosan® Wundspülung
B. Braun
acht Wochen
Wundspüllösungen mit Octenidin
Octenilin® Wundspüllösung
Schülke & Mayr
acht Wochen

! Ringerlösung eignet sich besser bei längerer Spülanwendung oder Dauerbenetzung, weil sie zusätzlich die Elektro­lyte Kalium und Calcium enthält und damit Elektrolyt­verschiebungen im Gewebe vorbeugt.

Konservierte Wundspüllösungen haben je nach Produkt bei hygienischer Entnahme Aufbrauchfristen von sechs bis etwa zwölf Wochen. Als Konservierungsstoffe kommen in diesen Medizinprodukten unter anderem Polihexanid, Octenidin, Natriumhypochlorit und Hypochlorsäure zum Einsatz. Sie dienen der Unterstützung der Infektionsbekämpfung und haben keine Indikation zur Antisepsis infizierter Wunden. Dies bleibt Wunddesinfektionsmitteln vorbehalten, die Erreger nicht nur ausspülen, sondern abtöten können. Die Wundantiseptika kommen bei infektgefährdeten, kritisch kolonisierten und infizierten Wunden zum Einsatz. Sie sollen grundsätzlich ein breites Wirkungsspektrum besitzen, ohne Resistenzen auszulösen, sie sollen lang anhaltend wirken (Remanenz), untoxisch, nicht allergisierend und nicht resorbierbar sein und die Wundheilung nicht stören.

! Geeignete Produkte basieren auf Octenidin (0,1% mit 2% Phenoxyethanol in Octenisept®) und Polihexanid (z. B. 0,02% oder 0,04% in Serasept® 1/2). Octenidin hat den schnelleren Wirkungseintritt von ein bis zwei Minuten; Polihexanid gilt derzeit als einziges Antiseptikum mit wundheilungsfördernder Wirkung. Schnell und breit wirksam und auch auf Knorpelgewebe erlaubt sind Produkte auf Basis von PVP-Iod (z. B. Betaisodona®, Braunovidon®). Sie haben aber diverse Nachteile wie Verfärbung, Eiweißfehler (Inaktivierung durch Wundexsudat) und Resorbierbarkeit (Kontraindikation bei Schwangerschaft und Schilddrüsenerkrankungen).

Unzeitgemäßes: Durch den enzymatisch katalysierten Zerfall von Wasserstoffperoxid (3%) wird in der Wunde Sauerstoff freigesetzt, der eine gute mechanische Reinigungswirkung erreicht und auch leicht mikrobiozid wirkt. Der Effekt wird in Anwesenheit von Blut und Eiter binnen Sekunden aufgehoben. Und im Unterschied zu Kochsalz- und Ringerlösung ist Wasserstoffperoxid hoch zytotoxisch und führt häufiger zu postoperativen Wundinfektionen. Als obsolet gilt auch Ethacridinlactat (Rivanol®), weil es austrocknet, allergisierend wirkt und die Färbung die Wundbeurteilung erschwert.

Wundspülung mit Leitungswasser: Nur im Notfall

Das Ausspülen oder -duschen von Wunden mit warmem Wasser ist effizient, kostengünstig und gut verfügbar, indes: Leitungswasser ist nicht steril und damit nach allen Hygiene­richtlinien zur Wundspülung nicht geeignet. Die Trink­wasserverordnung verbietet zwar die Anwesenheit von Escherichia coli, Enterokokken und coliformen Bakterien und erlaubt nur bis zu 100 Keime je Milliliter. Die gesetzliche Kontrolle endet aber in den hauseigenen Leitungen, und hier entsteht ohnehin das größere Problem: Höhere Temperaturen, niedriger Wasserdruck und Kalkablagerungen lassen Biofilme sprießen, in denen Bakterien Schutz und beste Vermehrungsbedingungen finden.

! Abhilfe können spezielle Wasserfilter mit 0,2 µm Poren­größe schaffen. Unter dieser Voraussetzung und bei aus­reichend häufigem Filterwechsel ist nach verschiedenen Hygienerichtlinien auch Leitungswasser zur Wundreinigung statthaft [Hübner NO et al. 2017].

Experten unter anderem des Robert Koch-Instituts und der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene weisen darauf hin, dass bei der akuten Wunde die zügige Dekontamination durch gründliche und ausführliche Spülung entscheidender zu sein scheint als das verwendete Medium. Das heißt, Leitungswasser ist im Notfall erlaubt, wobei es dann mindestens Trinkwasserqualität besitzen muss. Als Einschränkung gilt, dass der Einsatz von Wasser zur Spülung am Auge zum Corneal-Ödem führen kann.

Der ideale Wundverband

  • hält ein feucht-warmes Milieu im Wundbereich aufrecht
  • bindet überschüssiges Sekret und toxische Stoffe
  • ist gasdurchlässig
  • ist undurchlässig für Mikroorganismen von außen
  • ermöglicht atraumatischen Verbandwechsel
  • gibt keine unerwünschten Stoffe in die Wunde ab (z. B. Fasern)

[nach T. D. Turner, 1979]

Traditionelle vs. moderne Wundversorgung

Generell werden traditionelle (inaktive) und moderne (aktive bzw. hydroaktive) Wundauflagen unterschieden. Produkte der klassischen trockenen Wundversorgung können viel Wundsekret aufnehmen. Genau dies, das Absorbieren von Wundexsudat, kann zu einem Austrocknen der Wunde führen, was heute für den Heilungsprozess als nachteilig gesehen wird: Bei trockenem Milieu verharren die für Phagozytose und Immunprozesse wichtigen Makrophagen während der Reinigungsphase der Wunde am Wundrand; in der Granulationsphase vermögen die neuen Epithelzellen nicht, über den Wundbereich zu wandern, um ihn zu verschließen. Zudem wird der Verbandwechsel bei ausgetrocknetem Exsudat schmerzhaft und heilungsstörend. Wenn Kapillaren und Fibrinfasern in die Wundauflage einwachsen, reißt die Wunde beim Verbandwechsel regelrecht auf. Ein feucht-warmes Milieu ist auch aus dem Grund für die Wundheilung optimal, weil sich Epithelzellen erst oberhalb 28 °C teilen, vermehren und sich neu anordnen.

Niemals out: Pflaster & Co

Domäne von Wundschnellverbänden (Pflaster), Mull, Vlies und Saugkompressen ist die Primärversorgung von Akutwunden. Ihre Stärken kommen in der Exsudationsphase der Wunde zum Tragen: Schutz gegen äußere Einflüsse, Polsterfunktion, Aufnahme von Wundsekret, Träger von Arzneien und Antiseptika.

Sterile Mullkompressen eignen sich zur Erstversorgung von akuten traumatischen oder chirurgischen Wunden, zur Blutstillung und zum raschen Aufsaugen von Blut. Sie lassen sich zur Reinigung von Wundumgebung und Wunde durch Wischen und Tupfen einsetzen, entweder trocken oder mit sterilen Wundspüllösungen, sowie als Arzneimittel­träger z. B. für feuchte Wundumschläge, Antiseptika oder Externa. Als Sekundärverband können Mullkompressen durch ihre hohe Saugkraft effektiv Exsudat, Gewebe­trümmer und Bakterien ableiten.

! Ihre Indikation als Primärverband endet wegen der Verklebungsgefahr bei schon granulierenden oder epithelisierenden Wunden sowie bei schwach exsudierenden und sekundär heilenden Wunden (z. B. Dekubitus). Besondere Formen sind Nabelkompressen und Schlitzkompressen. Verbandpäckchen und Augenkompressen stellen Mull-Watte-Kombinationen dar.

Ähnliche (Kontra-)indikationen wie Mullkompressen haben Vlieskompressen, also nicht gewebte Textilien aus verfestigten Faservliesen, meist Viskose. Sie sind kostengünstig, sehr weich und drapierfähig, den Baumwoll-Mullkompressen aber in Reißfestigkeit, Ansauggeschwindigkeit und Saugkapazität unterlegen.

Dem Wunsch nach mehr Saugvermögen bei geringer Verklebungsneigung werden Saugkompressen aus mehreren Materialschichten gerecht. Die Vlieshülle besteht meist aus glatten, hydrophoben, Synthesefasern; sie umschließt einen hoch saugfähigen Kern aus Zellstoff, Saugvlies oder Watte (z. B. Cutisorb, Mesosorb, Urgo Pad, Zetuvit). Die Verklebungsneigung der Wundauflage kann durch wundseitige perforierte Kunststofffolie oder -netze (z. B. Askina Pad, Solvaline N) oder durch Aluminiumbedampfung (Aluderm, Alumin, Metalline) minimiert sein. Eine Weiterentwicklung stellen Vlieskompressen mit „Superabsorber“ dar (z. B. Askina Absorb+, Vliwasorb) für sehr stark nässende Wunden dar, die eingelagertes Exsudat auch unter Kompression sicher binden.

Als Primärverband stellen die Saugkompressen eine preiswerte Alternative zu modernen Wundauflagen in der Reinigungsphase stark exsudierender Wunden dar, wenn häufige Verbandwechsel absehbar notwendig sind. Als Sekundärverband werden sie zur saugstarken Abdeckung von Primärverbänden (z. B. Alginat, imprägnierte Wundgazen) bei stärker sezernierenden Wunden eingesetzt.

Wundschnellverbände dienen der zeitsparenden Erstversorgung kleinerer akuter Wunden (Bagatellverletzungen wie Schnitt- und Schürfwunden, in steriler Form auch zur Abdeckung von Operationsnähten). Schutz vor eindringendem Schmutz und Bakterien bieten sie nur, wenn das Wundkissen zentral auf dem Trägermaterial aufgebracht ist (Island-Verbände) und einen Rundumverschluss der Wunde gewährleistet. Nicht angezeigt sind sie zur Behandlung großer, tiefer oder sekundär heilender Wunden. Als Trägermaterial dienen engmaschige, unelastische oder elastische Gewebe aus Baumwolle/Viskose oder Vliesstoffe aus Baumwolle oder Kunstfaser.

Tab. 2: Beispiele für Wundschnellverbände (Auswahl)
Trägermaterial
Beispiel
elastischer Vliesstoff
Medipore®, Primapore®, Urgosoft®, Ypsipor®
wasserabweisender Schaumstoff mit Polsterwirkung
Dermaplast® Sport, Gothaplast® Blasenpflaster
mikroperforierte PE-Folie oder PE-Laminat
Aluderm-aluplast® Kinder-Strips/stabil Strips, Curaplast® Strips sensitiv/Kids, Gothaplast® robust/Kinderpflaster, Hansaplast®Universal Water resistant, Rudaquick® Strips, Urgo® Kinder­pflaster, Urgo® wasserfest
plastifizierter Vliesstoff
Mepore® pro
transparente, atmungsaktive, wasserdichte Polyurethanfolie
Curapor® transparent, Cutifilm® plus, Dermaplast® Aqua
Gota-Por-PU® Wundfilm, Hansaplast Aqua Protect®, Hydrofilm Plus®, Tegaderm® 3M® + Pad, Optiskin®

Wasserfeste Wundschnellverbände besitzen z. B. Kunststofffolien aus Polyethylen oder PVC als Trägermaterial. Trotz Mikroperforation kann es darunter zu Hautmazerationen kommen. Atmungsaktive, wasserfeste Varianten bestehen aus einem Vliesträger mit hauchdünner Polyethylenfolie oder einer transparenten Polyurethan-Trägerfolie, auf die das Wundkissen aufgebracht ist. Die Wundkissen selbst bestehen meist aus Kunstfaser-Vliesstoffen, die mit einer nichtverklebenden Wundkontaktschicht, gegebenenfalls mit antibakteriell wirkender Silber-Beschichtung (z. B. Hansaplast® Med) oder Aluminium-Bedampfung (z. B. aluderm-aluplast®). Als Klebemasse werden stark klebende Zinkoxid-Kautschuk-Klebemassen (z. B. in Leukoplast®, Omniplast®, Porofix®, Rudaplasto®) und weniger stark haftende, aber hautfreundlichere Polyacrylat-Klebemassen (z. B. in Leukoflex®, Omnipor®, Leukosilk®, Omnisilk®, Rudafix®) eingesetzt. Zinkoxid-Kautschuk-Kleber sind trocken bei Raumtemperatur aufzubewahren. Polyacrylat-Kleber hingegen sind kaum temperatur- und feuchteempfindlich, sterilisierbar und röntgenstrahlendurchlässig.

Für besondere Verwendungszwecke stehen speziell geschnittene Wundschnellverbände zur Verfügung: Augenokklusionspflaster, Fingerverbände, Fingerkuppenverbände und Fingergelenk Injektionspflaster/Impfschutzpflaster für die Arztpraxis. Wundnahtstreifen (z. B. Askina® Strip, Omnistrip®) werden als primärer Wundverschluss z. B. bei kleinen Platzwunden eingesetzt, in der Arztpraxis auch zur Entlastung geklammerter Wunden. Klammerpflaster (z. B. Porofix®) erlauben ebenfalls die Adaption von Wundrändern.

Beschichtete Wundgazen (Salbenkompresse, „Fettgaze“) stellen grobmaschige Gewirke aus Baumwolle oder Kunstfasern dar, die mit hydrophobem Carbogel (meist dickflüssiges Paraffin), Öl-in-Wasser-Emulsionen oder mit quellfähigen Hydrokolloiden beschichtet sind. Dies soll das Verkleben mit der Wunde bzw. mit der hinter der Gaze aufgebrachten Mull- oder Saugkompresse verhindern. Manche Produkte tragen eine antiseptische Imprägnierung (z. B. Bactigras®, Betaisodona® Wundgaze, Tegaderm® Matrix). In der Regel sind tägliche Verbandwechsel notwendig.

! Als weniger zur Verklebung neigende Fortentwicklung können Wunddistanzgitter gelten (vgl. Tabelle 3: „Moderne Wundauflagen“). Im Vergleich zu den Wundgazen sind sie feinmaschiger und entweder gar nicht oder mit hautfreundlichen Silikon- oder Hydrokolloid-Beschichtungen versehen. Diese Produkte können bis zu sieben Tage auf der Wunde verweilen, was sie auch kostengünstiger macht.

Haupteinsatzgebiet für Wundgazen und Distanzgitter sind oberflächliche, mäßig bis stark nässende Wunden (z. B. Schürf- oder Risswunden, Verbrennungen, chronische Wunden, plastische und kosmetische Chirurgie) und das Abdecken von aufgebrachten Hydrogelen.

Moderne Wundversorgung: (hydro)aktiv

Die Trennlinie zwischen „traditioneller“ und „moderner“ Wundversorgung ist nicht immer scharf. Eine feuchte Wundheilung und reduzierte Verklebeneigung bieten viele Wundauflagen. Hauptmerkmale der modernen, hydroaktiven Wundversorgung sind die Schaffung und Aufrechterhaltung eines feucht- warmen Wundklimas über einen längeren Zeitraum, das Ausschalten der Verklebeneigung und ein auf die Wundart und Heilungsphase abgestimmtes Exsudat­management. Optimale Produkte unterstützen die Wundheilung auch in der Regenerations- und Epithelisierungsphase, bei seltenem Verbandwechsel, um die Wundruhe und Heilung nicht zu stören.

Hydroaktiv bedeutet, dass die feuchten Verbände Beläge aufweichen können und die autolytische Wundreinigung unterstützen. In der Folge einige Beispiele, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, Dasselbe gilt für die „modernen Wundauflagen“, die die Tabelle 3 zeigt.

Tab. 3: Moderne (interaktive) Wundauflagen [Quelle: modifiziert nach Protz K. Moderne Wundversorgung]
Produktgruppe
Beispiel
Hersteller
Aktivkohle Wundauflagen
Actisorb® silberfrei
kCI Medizinprodukte
Askina® Carbosorb
B. Braun
Vliwaktiv®
Lohmann & Rauscher
Alginate
Askina® Sorb
B. Braun
GoTa-sorb® Kompresse
Gothaplast
Melgisorb® Plus Kompresse
Mölnlycke Health Care
Sorbalgon®
Paul Hartmann
Sorbsan®
B. Braun
Suprasorb® A Kompresse
Lohmann & Rauscher
UrgoSorb®
Urgo
Enzym-Alginogel
Flaminal® Forte
Flen Pharma
feinporige Polyurethanschaum-/Hydropolymerverbände
Allevyn® nicht haftend
Smith & Nephew
Askina® Foam /Toucj/Transorbent
B. Braun
Eco-Foom®
Robin Wound
Kendall® Schaumverband
Covidien Deutschland
PermaFoam®/comfort/concave/sacral
Paul Hartmann
PolyMem® Max nichtklebendes Wund-Pad
Mediset
Suprasorb® P nicht klebend /selbstklebend
Lohmann & Rauscher
UrgoTül® Foam Border
Urgo
Versiva® XC (nicht) adhäsiv/Ferse/sakral
ConvaTec GmbH
feinporige Polyurethanschaum-/Hydropolymerverbände mit Hydrogel
HydroTac® /comfort
Paul Hartmann
feinporige Polyurethanschaum-/Hydropolymerverbände mit Polihexanid
Suprasorb® P + PHMB non-adhesive
Lohmann & Rauscher
feinporige Polyurethanschaum-/Hydropolymerverbände mit Silber
Acticoat® Moisture Control
Smith & Nephew GmbH
Askina® Calgitrol Ag
B. Braun
UrgoCell® Ag Border/Silver
Urgo
feinporige Polyurethanschaum-/Hydropolymerverbände mit Silber und Silikon
Allevyn® Ag Gentle
Smith & Nephew GmbH
Mepilex® Ag
Mölnlycke Health Care
Hyaluronsäure
Hyalofill®-F /Hyalomatrix
ATG med
Hyalo4® Start Salbe/Control Creme/Spray
Fidia Pharma
Textus® heal Spray
biocell
Hydrogele als Tubengel, unkonserviert
Tegaderm™ 3M™ Hydrogel
3M Deutschland
Askina® Gel
B. Braun
Cutimed® Gel
BSN medical
Hydrosorb® Gel
Paul Hartmann
Suprasorb® G Amorphes Gel
Lohmann & Rauscher
UrgoHydrogel® mit Applikator
Urgo
Hydrogele als Tubengel, konserviert
Octenilin®
Schülke & Mayr
Prontosan® Wound Gel
B. Braun
Repithel®
Mundipharma
Hydrokolloid Wundauflagen
Tegaderm™ 3M™ Hydrocolloid
3M Deutschland
Aktivmed® Hydrokolloidwundauflage
aktivmed
Algoplaque®
Urgo
Askina® Biofilm Transparent
B. Braun
Cutimed® Hydro B / L
BSN medical
Eco-Hydro®
Robin Wound
GoTa®-derm foam/thin
Gothaplast
Hydrocoll®
Paul Hartmann
Replicare®
Smith & Nephew
Suprasorb® H Standard / dünn
Lohmann & Rauscher
Traumasive® Film
Hexal
Varihesive® E
ConvaTec
hydrophobe Wundauflagen
Cutimed® Siltec Sorbact
BSN medical
Keim- und geruchsbindende Wundauflage
SanaFactur® antibac carbon Zorflex
sanaFactur
silberhaltige Wundauflagen
Acticoat®
Smith & Nephew
Silverlon® flex
sanaFactur
Vlieskompressen mit Superabsorber
Tegaderm™ 3M™ Superabsorber
3M Deutschland
Askina® Absorb+
B. Braun
Curea® P1
Curea medical
Cutimed® Sorbion
BSN medical
Mextra® Superabsorbent
Mölnlycke Health Care
Urgo® Superabsorber
Urgo
Vliwasorb®
Lohmann & Rauscher
Zetuvit® Plus
Paul Hartmann
Vlieskompressen mit Aktivkohle
Curea® P1 duo active
Curea medical
Wundauflagen aus feuchter Cellulose
Suprasorb® X Kompresse
Lohmann & Rauscher
Wunddistanzgitter
Adaptic® touch
KCL Medizinprodukte
Askina® SilNet
B. Braun
Atrauman® Silicone
Paul Hartmann
DracoTüll® Silikon
Dr. Ausbüttel & Co.
Lomatuell® Pro
Lohmann & Rauscher
Makesa®-Tüll
Rogg Verbandstoffe
Mepitel®
Mölnlycke Health Care
UrgoTül®
Urgo
Wunddistanzgitter mit Silber
Atrauman® Ag
Paul Hartmann
UrgoTül® Silver
Urgo

Alginate sind Salze und Ester der Alginsäure aus Seealgen. Calciumalginat lässt sich zu Fasern verspinnen und zu Vlieskompressen oder Tamponaden aus dicken Fasersträngen verarbeiten. Auf der Wunde saugt die trockene Calciumalginat-Faser natriumreiches Exsudat auf und wandelt sich unter Abgabe von blutstillenden Calcium-Ionen zu löslichem Natriumalginat, das auf der Wundoberfläche ein feuchtes Gel bildet. Das Gel kann große Mengen Exsudat aufnehmen und so die Wundreinigung unterstützen. Alginate sind sehr weich, flexibel, gut zu drapieren. Ihr Haupteinsatzgebiet sind daher mäßig bis stark nässende, tiefe Wunden, Wundhöhlen und -taschen, aber auch infizierte Wunden. Alginate müssen mit einem Sekundärverband abgedeckt und fixiert werden, etwa einer Saug- oder Schaumstoffkompresse.

Hydrofiber®-Verbände („Instant-Gele“) aus Carboxy­methylcellulose werden als Kompressen trocken auf die Wunde aufgebracht, saugen vertikal Wundexsudat auf und bilden ein klares, durchscheinendes Gel. Wundränder und Wundumgebung bleiben trocken.

Hydrogele

sind einerseits in der Lage, Feuchtigkeit abzugeben und dadurch Schorf vorzubeugen bzw. Beläge aufzuweichen. Andererseits können sie auch selbst Exsudat absorbieren und festhalten. Ihr hoher Wassergehalt prädisponiert sie für trockene bis mäßig sezernierende Wunden und für die Wundheilung in der Granulations- und Epithelisierungs­phase. Hydrogele stehen als halbfeste Zubereitungen in der Tube und als Gelkompressen zur Verfügung. Gelbildner ist meist Carboxymethylcellulose (CMC).

Hydroaktive Wundauflagen für den Handverkauf

Blasenpflaster auf Hydrokolloidbasis werden schon länger angeboten. Doch auch für die akute Versorgung von Bagatellverletzungen sind Wundschnellverbände mit hydroaktiven Wundkissen auf dem Vormarsch. Hydrokolloidpflaster stehen in kleinen Abpackungen und handlichen Größen zur Verfügung, die meisten sogar wasserdicht, so dass Baden und Duschen möglich sind.

Bei konsequenter Versorgung mit diesen Produkten, z. B. bei Schürfwunden, sollte sich kein wundheilungsblockierender Schorf bilden. Das feuchte Aussehen der Wunde ist für manche Anwender ungewohnt (Mythos „Luft an die Wunde lassen!“) und erfordert Beratung. Bei markanten Entzündungszeichen ist auf den Arzt zu verweisen.

Hydrokolloiden liegt eine Suspension gelbildender Partikel (meist Carboxymethylcellulose) in einer hydrophoben Klebematrix zugrunde, aufgebracht auf eine semipermeable Polyurethan-Trägerfolie. Die Hydrokolloidmasse kann ohne zusätzliche Fixierung direkt auf die Wunde bzw. auf die umgebende trockene und fettfreie Haut geklebt werden. Je nach gewählter Dicke absorbiert sie mehr oder weniger viel Sekret und bildet ein feuchtes Gel über der Wunde. Hydrokolloide finden bei leicht bis stark sezernierenden Wunden in allen Wundheilungsphasen Verwendung.

Polyurethanschaum/Hydropolymer-Verbände können ein Vielfaches ihres Gewichtes an Flüssigkeit aufnehmen und, je nach Produkt, zurückhalten oder auf Druck wieder abgeben. Hydropoylmere eignen sich vor allem bei mäßig bis stark nässenden Wunden und bieten eine gute Schutz- und Polsterfunktion. |

Literatur

Wilson F, Kohm B. Verbandmittel, Krankenpflegeartikel, Medizinprodukte. 10., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Deutscher Apotheker Verlag 2014

Protz K. Moderne Wundversorgung. 8. Auflage, Elsevier, München 2016

Hübner NO et al. Anforderungen an die Wundereinigung mit Wasser GMS Krankenhaushyg Interdiszip 2007;2(2):Doc61, www.egms.de/static/de/journals/dgkh/2007-2/dgkh000094.shtml

Autor

Ralf Schlenger ist Apotheker und arbeitet als freier Autor und Medizinjournalist in München.

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