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Besondere Apotheken
„Ein pharmazeutisches Konsil, bitte!“
Wie Apotheker Dr. Barsom Aktas mit einem Ärztenetz zusammenarbeitet
Barsom Aktas studierte in Würzburg Pharmazie, seine Approbation erhielt er 1998. „Leider wurde damals bei uns noch keine Klinische Pharmazie gelehrt, das bedauere ich sehr. Ich hatte schon von Anfang an großes Interesse an der Biochemie und Pharmakologie“, erklärt Aktas, der nach dem Studium in Klinischer Biochemie promovierte. „Der sichere Umgang mit einer komplexen Polymedikation spielte in unserer Ausbildung noch keine Rolle. Ich meine, dieses Gebiet wird auch heute noch viel zu wenig als Schwerpunkt in der Ausbildung gewürdigt. Aber die Fragen der richtigen Anwendung, der Arzneimitteltherapiesicherheit sind doch genau das, was unsere Arbeit schon heute und noch mehr in Zukunft ausmacht. Für uns stehen doch der Patient und seine Therapie im Mittelpunkt. Diese Ausrichtung unseres Berufes muss noch viel wichtiger werden. Zurzeit ist unsere Tätigkeit oft noch reduziert auf ein fehlerarmes funktionierendes Logistiknetz. Das pharmakologische Wissen, das wir als Apotheker haben, wird noch viel zu wenig genutzt – ein Riesenpotenzial, das leider auch die Politik noch nicht voll erkannt hat.“ Und er fügt hinzu: „In Deutschland sucht man immer noch Antworten auf die Frage, wie man am besten auf die Ärzte zugeht, um mit ihnen gemeinsam die Arzneimitteltherapiesicherheit zu verbessern.“
Kristallisationskeim ...
2008 machte sich Aktas selbstständig, er konnte die Engel Apotheke in der Altstadt des mainfränkischen Städtchens Ochsenfurt übernehmen. Nur kurze Zeit später überraschten ihn die umliegenden Ärzte mit der Nachricht, sie werden in ein neues Ärztehaus am Mainufer umziehen. „Da blieb mir nichts anderes übrig, als mich für die Apotheke in diesem Ärztehaus zu bewerben. Ich hatte Glück und bekam den Zuschlag. 2011 konnte ich dann meine zweite Engel Apotheke im MainÄrztehaus eröffnen.“
Einen Anstoß, sich verstärkt für das Thema Medikationsmanagement zu interessieren, gab 2012 die Novellierung der Apothekenbetriebsordnung. Der Passus, dass in Zukunft das Medikationsmanagement zur pharmazeutischen Tätigkeit des Apothekers gehört, machte ihn neugierig. Laut Apothekenbetriebsordnung versteht man unter dem Medikationsmanagement, dass „die gesamte Medikation des Patienten, einschließlich der Selbstmedikation, wiederholt analysiert wird mit den Zielen, die Arzneimitteltherapiesicherheit und die Therapietreue zu verbessern, indem arzneimittelbezogene Probleme erkannt und gelöst werden“. Für Aktas war dies damals Neuland: „Ich konnte mit diesem Begriff zunächst nicht allzu viel anfangen. Was sollte, was durfte und was konnte der Apotheker hier leisten?“ Hinzu kam, dass es vonseiten der Kammer recht wenig Fortbildungsangebote hierzu gab. Auch die Ärzte konnten mit diesem Begriff noch wenig anfangen, die ersten ärztlichen Leitlinien für Multimedikation waren erst im Entstehen.
Für den Apotheker kristallisierte sich ein Dreistufen-Modell heraus: der Medikationsplan, die Medikationsanalyse und das eigentliche Medikationsmanagement. Aber viele fragten sich: Wie gehen wir diese neue Aufgabe am besten an? Und wird diese Tätigkeit überhaupt honoriert? Aktas räumt ein: „Ich habe verstanden, dass wir dafür zunächst kein Geld verlangen können, solange nicht eindeutig geklärt ist, was wie zu tun ist.“
... und Schlüsselerlebnis – wie alles begann
In dieser Zeit hatte Apotheker Aktas ein Schlüsselerlebnis: „Eine ältere Kundin kaufte ein Doxylamin-haltiges Schlafmittel. Am nächsten Tag kam sie wieder und sagte, dass sie dieses Präparat nicht nehmen würde. Sie habe in der Packungsbeilage eine Kontraindikation gelesen, nämlich Grauer Star, und den habe sie. Da wurde mir bewusst, dass wir noch viel stärker auf solche Hinweise achten müssen. Wir checken zwar alle möglichen Wechselwirkungen, wir arbeiten mit Datenbanken und tollen Programmen, die solche Wechselwirkungen entdecken, aber der gesamte Bereich der klinischen Daten bleibt außen vor.“ Für Aktas war diese Überlegung die Initialzündung, verstärkt klinische Daten zu berücksichtigen. Er abonnierte das Cave-Modul der ABDA-Datenbank, schaffte sich die Scholz-Datenbank an und besuchte Fortbildungen zum Thema Medikationsmanagement. Er schaute sich exemplarisch die Medikation einiger ihm bekannter Kunden genauer an, spielte mithilfe der Datenbanken einige Fälle durch – „und da habe ich gesehen, wie viel Problempotenzial sehr oft in der Medikation steckt. Allerdings sah ich auch, dass es nicht leicht ist, hier stärker tätig zu werden. Woher bekomme ich klinische Daten? Eigentlich müssten die Hausärzte mit mir zusammenarbeiten“. Trotz eines guten Verhältnisses zu den Ärzten im Haus gestaltete sich die praktische Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker anfangs nicht ganz einfach.
Der Medikationsplan als Brücke
Für Apotheker Aktas war es ein guter Zufall, dass im Oktober 2016 der bundeseinheitliche Medikationsplan (BMP) für die Ärzte verpflichtend eingeführt wurde. Da liefen für ihn zwei Handlungsstränge zusammen: zum einen seine Aktivitäten, sich stärker mit der Medikationsanalyse zu befassen, von der die Ärzte eher weniger wissen, und zum anderen die notwendige Auseinandersetzung der Ärzte mit dem BMP. „Das Thema, sich mehr mit der Multimedikation und den damit einhergehenden Probleme zu befassen, war den Ärzten zwar bewusst, wurde im Alltag aber oft verdrängt oder nicht ausreichend beachtet“, erinnert sich Aktas, „oder sie wussten nicht, wie sie es konkret anpacken sollten. Über den BMP sind wir dann ins Gespräch gekommen.“
Das Gesundheitsnetz MainArzt ist eine GmbH & Co KG, ein Zusammenschluss von Haus- und Fachärzten, dem derzeit 34 Ärzte in der mainfränkischen Region Ochsenfurt, Kitzingen und Würzburg angeschlossen sind, einige davon haben ihre Praxis im Ochsenfurter MainÄrztehaus.
„Als Ärzte des Gesundheitsnetzes auf mich zugingen und mich fragten, wie ich den BMP beurteile, rannten sie damit offene Türen bei mir ein. So sind wir zu einer intensiveren Zusammenarbeit gekommen, der BMP war die Initialzündung, der Kristallisationskeim.“
Die Ärzte gründeten einen Qualitätszirkel und luden Apotheker Aktas dazu ein. In diesem Qualitätszirkel sollte es vor allem um zwei Dinge gehen: um den Umgang mit dem BMP und um eine Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheke zur Medikationsanalyse.
Das Konsil – Beratung statt Bevormundung
„Das hatte natürlich für alle eine neue Qualität der Zusammenarbeit, für die Ärzte, aber auch für mich. Letztlich konnte ich die Ärzte dadurch überzeugen, dass ich die Medikationsanalyse mit dem Etikett „pharmazeutisches Konsil“ versehen habe, also eine Art pharmazeutischer Ratschlag. Ich halte dies für einen sehr guten Begriff.“ In der Medizin versteht man unter dem Begriff Konsil eine patientenbezogene Beratung von Ärzten durch einen entsprechenden Facharzt. Wenn beispielsweise der Hausarzt eine orthopädische Fragestellung hat, bei der er nicht weiterkommt, dann holt er sich ein orthopädisches Konsil vom Orthopäden, dem Fachmann für diese Fragen. Warum sollte sich ein Arzt dann nicht vom Fachmann für Arzneimittel, dem Apotheker, ein pharmazeutisches Konsil einholen? Aktas ist überzeugt: „Dieser Begriff des Konsils hat wesentlich dazu beigetragen, die Ärzte mit ins Boot zu holen. Das war im Übrigen auch der Türöffner für unser erstes Pilotprojekt, die Zusammenarbeit in Richtung Medikationsanalyse mit 25 bis 30 Patienten zu versuchen.“
Trotz aller Erfolge sieht es Apotheker Aktas realistisch: „Man darf sich nichts vormachen. Der Anfang, der Aufbau unseres Qualitätszirkels, war nicht einfach. Die ersten Treffen mit den Ärzten, bei denen ich das Vorhaben erklärte, worum es hier geht, dass es nur ein Konsil ist, kein Eingriff in die Therapiehoheit, dass es nur Vorschläge vonseiten der Apotheke sind und keine Verurteilung einer ärztlichen Therapie, musste vorsichtig und mit viel Fingerspitzengefühl durchgeführt werden. Es war eine Situation, die für beide Seiten neu war. Da war Vertrauensaufbau gefragt. Ich präsentierte vor allem Fallbeispiele. Anhand der Medikation von Patienten zeigte ich, wo die Probleme lagen und wie man sie lösen könnte.“ Freilich, in den anfänglichen Diskussionen kamen auch schon kritische Stimmen auf: Wir Ärzte rüsten unsere Software auf, dann können wir das alleine. Aber es folgte die Einsicht, dass Software bei der Polymedikation sehr schnell an die Grenzen stößt und dass es außerdem oft auf die Gewichtung der Angaben ankommt.
Modellprojekt Medikationsanalyse
Anfang März des vergangenen Jahres startet Apotheker Aktas zusammen mit sieben Ärzten des MainArzt-Netzes ein Modellprojekt. Von den Ärzten beteiligen sich ein Orthopäde, ein Neurologe und fünf Allgemeinmediziner. Die Apotheke spricht Patienten mit Polymedikation an, d. h., sie müssen mindestens fünf verordnete Arzneimittel einnehmen, und gewinnt sie dafür, bei diesem Modellprojekt mitzumachen. Aber es werden auch Verdachtsfälle miteinbezogen, also Patienten, bei denen man aufgrund der Vorgeschichte das Gefühl hat, dass eine Analyse der Arzneitherapie sinnvoll sein könnte. Ein hinzugezogener Rechtsanwalt achtet darauf, dass die Anforderungen des Datenschutzes eingehalten werden. Die Ärzte stellen der Apotheke den aktuellen BMP des Patienten zur Verfügung, außerdem eine Liste mit den klinischen Daten in der ICD 10-Codierung. „Außerdem verpflichten sie sich dazu, auf mein Konsil, das sie von mir bekommen, zu antworten“, so Aktas.
Wie haben die Ärzte reagiert, als sie von der Apotheke auf dieses Modellprojekt angesprochen wurden? „In der Regel überwiegend gut“, freut sich Apotheker Aktas, „allerdings lehnte auch der eine oder andere Arzt ab. In der Regel waren es die älteren Ärzte, die dieser engeren Zusammenarbeit und dem pharmazeutischen Konsil ablehnend gegenüberstanden, während die jüngeren Ärzte sehr aufgeschlossen waren. Im Gegenteil, keiner der jungen Ärzte fühlte sich von mir als Apotheker bevormundet, sie waren sogar dankbar für die Arzneimittelinformationen, für die Medikationsanalyse. Sie erkannten den Wert der pharmazeutischen Informationen und wussten: Es geht nicht darum, hier jemanden vorzuführen oder Unkenntnis nachzuweisen, es geht einfach darum, die Risiken für den Patienten zu minimieren. Und deswegen habe ich bei den Ärzten immer wieder herausgestellt: Es ist keine Überprüfung der Verschreibung, kein Hinterfragen der Medikation, es ist ein pharmazeutisches Konsil, ein Rat, der ihnen ermöglicht, sich in seiner Entscheidung leichter zu tun. Der Arzt muss die Gewissheit haben, dass er die Oberhand in der Arzneitherapie behält.“ Von Vorteil für das Projekt war dabei, dass es für die Ärzte des MainÄrzte-Netzes selbstverständlich ist, einen Medikationsplan auszustellen, sofern ein Patient die Kriterien für die Ausstellung des BMP erfüllt.
Aktas fasste die Ergebnisse des Modellprojekts in einem Bericht zusammen. Daraus geht ganz klar hervor: Die Medikationsanalyse bringt deutliche Vorteile für die Patienten. Die Ergebnisse zeigten, dass dem Arzt nur etwa zwei Drittel der Medikation überhaupt bekannt waren. Zwei Fälle einer Doppelmedikation, drei relevante Interaktionen und sechs Arzneimittelnebenwirkungen konnten identifiziert werden. Außerdem konnte bei einem Patienten eine anderthalb Jahre andauernde Lymphdrainage beendet und ein geplanter Krankenhausaufenthalt vermieden werden. Insgesamt wurden zehn rezeptpflichtige Arzneimittel entweder durch OTC-Arzneimittel ersetzt oder entfielen ersatzlos. „Auch nach dem Modellprojekt sprechen wir Patienten an, für die eine Medikationsanalyse von Vorteil sein könnte, das Modellprojekt geht in eine ständige Zusammenarbeit über“, so Aktas.
Das MainArzt-Netz und die Apotheke
Die MainArzt GmbH & Co. KG gibt es seit 2004, wie Geschäftsführer Heiner Redeker erläutert. Ärzte haben sich zusammengeschlossen, anfangs als Verein zur Fortbildung, dann kam die Idee der integrierten Versorgung dazu, was eine professionelle Rechtsform erforderlich machte, die GmbH & Co KG. Man handelte frühzeitig Verträge mit der AOK aus, die heute noch laufen.
„Im Prinzip ist der Vertrag einfach aufgebaut: Wenn wir es schaffen, dass die Patienten mindestens genauso gut versorgt werden, aber kostengünstiger, teilen sich die AOK und die MainArzt die Differenz“, so bringt es Redeker auf den Punkt. Kosteneinsparungen liegen z. B. darin, dass die Ärzte bestimmte Untersuchungen nicht doppelt machen (Röntgenaufnahmen z. B.) oder sie sich untereinander besser bei der Medikation absprechen. Redeker: „Unsere Ärzte haben eine Art ‚rotes Telefon‘, über das sie sich unkompliziert anrufen und sich auch über die Medikation austauschen können. Dieser telefonische kurze Draht wurde auch mit Apotheker Aktas eingerichtet, hier nennt er sich dann ‚blaues Telefon‘: Der Apotheker hat über diese Leitung sofort den Arzt am Telefon.“
Aktuell sind 34 Ärzte im Raum Ochsenfurt, Würzburg und Kitzingen im Gesundheitsnetz MainArzt zusammengeschlossen, weitere Ärzte wollen sich anschließen. Jeder Arzt kann mitmachen, vorzugsweise Hausärzte, denn beim Hausarzt können sich die Patienten einschreiben.
Aktuell sind 3500 Netzpatienten eingeschrieben. Der Vorteil für die Ärzte: Sie rechnen alle über die gleiche Verrechnungsstelle ab und nutzen dieselbe Software. Und: Alle Patientendaten liegen auf einem Zentralserver, über den sie von Praxis zu Praxis verschickt werden können. Wenn der Patient vom Hausarzt zu einem Facharzt überwiesen wird, teilt der Hausarzt dies seinem fachärztlichen Kollegen mit, der dann die freigegebenen Daten abrufen kann. Die Kommunikation zwischen den Ärzten erfolgt ebenfalls über diesen Server.
„Leider ist es derzeit noch nicht möglich, der Apotheke den Zugang zum Server zu erlauben und in diese Kommunikationswege mit einzubinden“, bedauert Redeker, „allerdings kann die Apotheke in den integrierten Versorgungsvertrag mit einsteigen, was bei einem weiteren Projekt, das Ärzte und Apotheke gemeinsam angehen wollen, erfolgen soll: einem Projekt zur Sturzprophylaxe von gefährdeten Patienten.“
Das MainArzt Netzwerk ist darüber hinaus auch am Projekt Arena (Arena steht für „Antibiotika-Resistenzentwicklung nachhaltig abwenden“) beteiligt, dessen Ziel es ist, die Wirksamkeit von Antibiotika langfristig zu erhalten. Das Projekt wird durch Geld aus dem Innovationsfonds unterstützt. Die Ärzte von 14 Arztnetzen in Bayern und Nordrhein-Westfalen wollen noch genauer hinschauen, ob oder welche Antibiotika zur Behandlung wirklich nötig sind. Bei Treffen in Qualitätszirkeln wird diskutiert, in welchen Fällen Antibiotika sinnvoll sind und wann auf sie verzichtet werden kann.
Patienten erkennen den Nutzen
Die Patienten sind überwiegend sehr dankbar, bestätigt Apotheker Aktas, dass sich ihr Apotheker so intensiv um ihre Medikation kümmert: „Allein die Tatsache, dass man ihnen eine Stunde lang zuhört und mit ihnen spricht – so lange braucht es mindestens, bis wir mit ihnen die Medikation und den Medikationsplan erörtert haben, außerdem eine Brown-Bag-Analyse gemacht und die klinischen Daten, die wir von den Ärzten zur Verfügung gestellt bekommen haben, besprochen haben. Natürlich gehört dazu auch der Small-Talk über die Familie, über die Kinder und zu den Lebensumständen – das alles trägt zu einer vertrauensvollen Atmosphäre bei, nur so findet man den Zugang zu den Patienten.“ Die Ergebnisse des Gesprächs und der Medikationsanalyse schickt die Apotheke dann an den Arzt. „Anhand von Leitlinien schlagen wir den Ärzten auch Alternativen zur bestehenden Therapie vor“, so Aktas. In aller Regel reagieren die Ärzte darauf, in wenigen Fällen fragt der Apotheker auch aktiv nach, falls keine Reaktion erfolgte. Er spricht auch die Patienten an, ob eine Therapieänderung erfolgte. „Natürlich übernehmen die Ärzte nicht immer und nicht alle unsere Vorschläge“, weiß Aktas, „aber das ist dann auch in Ordnung. Unsere Arbeit ist lediglich das Konsil, die Beratung.“
Aktas bestätigt: „Auch wenn es anfangs schwierig war, es macht Spaß, sein pharmazeutisches Wissen einzubringen und dazu beizutragen, dass die Patienten spürbar besser von ihrer Arzneitherapie profitieren. Die Patienten, denen man helfen konnte, ihre Arzneitherapie besser zu vertragen, zu optimieren, sind hochdankbar. Man konnte Nebenwirkungen, unerwünschte Arzneiwirkungen ausmerzen. Es ist die Arbeit, warum ich Apotheker geworden bin.“
Von der Kasse bekommt Aktas kein Honorar für diese pharmazeutische Leistung. Von den Patienten, die in das Modellprojekt aufgenommen waren, verlangte er 25 Euro für die Analyse – es war ein symbolischer Preis, den die Patienten auch bereitwillig zahlten.
Wie so oft: Es liegt an den Menschen
Apotheker Aktas zeigt sich überzeugt: „Ein ähnliches Ergebnis, wie es bei unserem Modellprojekt herausgekommen ist, würde sich wohl in jeder Apotheke ergeben. Das heißt, es gibt großen Bedarf für eine intensive Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker. Mit unseren Ergebnissen haben wir harte Fakten und gute Argumente für die gesundheits- und berufspolitische Diskussion, in welche Richtung sich der Apothekerberuf entwickeln sollte.“
Aktas geht davon aus, dass sich jüngere Kolleginnen und Kollegen mit den neuen Herausforderungen leichter tun, zumal sie schon während ihrer universitären Ausbildung die Grundlagen der Klinischen Pharmazie gehört haben: „Ich gebe zu, für mich war es ein hartes Stück Arbeit, mich da einzuarbeiten. Ich habe einige neue Lehrbücher dazu durchgearbeitet.“
Das Projekt zwischen Apotheke und Ärztenetz hat auch gezeigt: Wie so oft im Leben liegt es an den Menschen, die zusammentreffen, ob ein Vorhaben gelingt oder nicht. „Ich hatte Glück mit meinen Ärzten, dass sie der Zusammenarbeit mit mir sehr aufgeschlossen gegenüberstanden. Der Ton macht die Musik – das gilt vor allem, wenn man Verbesserungsvorschläge für Arzneiverordnungen vorbringt. Da ist ein vertrauensvoller Umgang miteinander das A und O“, so Aktas.
Die Ärzte und der Apotheker haben sich dafür ausgesprochen, die Zusammenarbeit fortzusetzen, die Ergebnisse waren für alle so überzeugend. In Planung ist bereits ein zweites Projekt, das sich der Sturz-Prophylaxe widmet. Mithilfe der Scholz-Datenbank lassen sich beispielsweise Wahrscheinlichkeiten berechnen, inwieweit eine Medikation zur Gefahr eines Sturzes führen kann. „Wir werden daher in diesem Jahr versuchen, die Patienten herauszufiltern, die davon betroffen sein könnten, und versuchen, die Medikation umzustellen.“
Zukunftsmusik Anforderungsschein
Was bereits von verschiedener Seite angedacht ist, versucht Apotheker Aktas in die Tat umzusetzen: Er ließ von einem Grafiker einen Vordruck entwickeln im Format und Aufbau eines Rezeptes, aber in der Farbe einer Überweisung. Mit diesem Vordruck bittet der Arzt die Apotheke, eine Medikationsanalyse durchzuführen bzw. die Polymedikation auf unerwünschte Wirkungen zu überprüfen. Der Arzt händigt diesen Vordruck einem Patienten aus, der fünf und mehr Arzneimittel einnehmen muss. Der Patient legt diesen Vordruck in seiner Apotheke vor. Aktas: „Mit diesem Vordruck fordert der Arzt quasi eine Beratung, ein Konsil an, den pharmazeutischen Sachverstand mit einzubinden.“
Und wenn man dieses Formular noch mit einer PZN versehen und bei der Krankenkasse für eine angemessene Honorierung einreichen könnte, wäre das perfekt, oder? „Das wäre der nächste Schritt“, meint Aktas, „aber wir sollten als Apotheker erst einmal lernen, unsere Hausaufgaben zu machen. Noch bietet längst nicht jede Apotheke eine Medikationsanalyse an, noch kann es nicht jede Apotheke in dem gewünschten Umfang leisten.“
Was sagen die beteiligten Ärzte dazu?
Aus Sicht von Heike Noller, Fachärztin für Innere Medizin, hat sich das Netz bewährt, allerdings haben sich auch die Strukturen verändert: „Wir haben dazugelernt, wir mussten auch mit Enttäuschungen fertig werden, mit Vorhaben, die wir mit großer Energie angefangen haben, aber letztlich nicht umsetzen konnten“, berichtete sie in unserem Gespräch. „Unterm Strich allerdings stehen wir nach wie vor hinter diesem Netzwerk. Wir haben unseren Netzgedanken bereits vielen Kolleginnen und Kollegen empfohlen, wobei einige berufspolitische Probleme sehen, wenn sie beispielsweise im Hausärzteverband organisiert sind und diesen als mächtigeres Sprachrohr sehen. Dies kann ich zwar ein Stück weit verstehen, aber für mich bietet eine Teilnahme in unserem Netz enorm viele Vorteile, der unkomplizierte Austausch untereinander, die kurzen Wege.“ Und sie fügt hinzu: „So ist es bei uns selbstverständlich, dass wir einen Medikationsplan erstellen, sofern es angezeigt ist – auch wenn es einen zeitlichen Mehraufwand bedeutet und dieser nicht adäquat vergütet wird.“
Auch die Zusammenarbeit mit Apotheker Aktas sieht die Ärztin sehr positiv, insbesondere über den Weg des Konsils: „Damit habe ich überhaupt kein Problem, im Gegenteil, ich beantrage beim Apotheker aktiv eine Beratung zu einer arzneimitteltherapeutischen Frage – das ist vollkommen in Ordnung. Natürlich gibt es Entscheidungen, bei denen ich mich als Ärztin über den Rat des Apothekers hinwegsetze, da keine bessere Alternative zur Verfügung steht. Aber dass ich auf mögliche Komplikationen hingewiesen werde, ist für mich richtig und auch eine Arbeitsersparnis.“
Auch Dr. Thomas Wolfsteiner, Facharzt für Allgemein- und Sportmedizin, und Dr. Daniel Knelles, Facharzt für Orthopädie, sind überzeugt: „Der Zufriedenheitsgrad in unserem Netz ist sehr hoch“, sagen sie beide übereinstimmend in unserer Gesprächsrunde. Sie wären froh, wenn mehr Kolleginnen und Kollegen und mehr Kassen Interesse an dieser Netzkultur hätten. Von der Zusammenarbeit mit Apotheker Aktas ist Thomas Wolfsteiner begeistert, „das ist hervorragend“, so sein Kommentar dazu. „Ich schätze es sehr, beim Apotheker, beim Arzneimittelfachmann einen Rat einholen zu können. Insgesamt profitieren alle Patienten durch die Kooperation der Ärzte untereinander, aber auch mit dem Apotheker.“ Und er fügt hinzu: „Wir profitieren allein schon dadurch, dass die Apotheke die Medikationspläne checkt. Bei den im Netz angeschlossenen Hausärzten ist der Medikationsplan nämlich mittlerweile etabliert.“ Begünstigt wurde dies dadurch, dass die Ärzte mit der gleichen Software arbeiten, die den Medikationsplan bei Vorliegen der Voraussetzungen automatisch anbietet.
„Wir schicken unsere Patienten gerne zur Medikationsanalyse in die Apotheke“, so Wolfsteiner weiter. Er hält es für eine „sehr gute Idee“, dem Patienten hierfür einen Überweisungsschein auszustellen: „Ich kann als Arzt damit den Wunsch äußern, dass ich eine Medikationsanalyse für sinnvoll halte, und es mittels Überweisungsschein anregen. Was allerdings noch aussteht, ist eine angemessene Vergütung der Apotheke für diese Analyse, eine Vergütung, die von der Kasse übernommen werden müsste“, so Wolfsteiner, „sonst mache ich mir Sorgen, dass unsere Apotheke dies eines Tages nicht mehr leisten kann.“
Daniel Knelles ist überzeugt: „Ziel wird in Zukunft verstärkt sein, individuell auf den Patienten einzugehen, die individuelle Medizin. Und dafür werden sich die Kollegen immer mehr untereinander, aber auch mit dem Apotheker austauschen müssen.“ Und Thomas Wolfsteiner weiß, dass dies die Patienten auch immer mehr einfordern: „Patienten nutzen Apps, machen Arzneichecks und kommen dann zu uns: Warum haben sie diese Unverträglichkeit nicht gesehen? Das Problem dabei ist, dass sie sich alle selbst für kompetent halten. Aber im Netzwerk und mit dem Apotheker stellen wir uns breiter auf und sind dadurch unschlagbar“, lacht Wolfsteiner. |
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