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Recht
Abgabe ohne persönlichen Kontakt – geht das?
Arzneimittel per Bote und aus Abholfächern
Fall 1: Arzneimittel aus Abholfächern
Herr M. hat einen 10-Stunden-Arbeitstag vor sich und fühlt sich nicht wohl. Eine Erkältung scheint im Anmarsch zu sein. Doch etliche Termine halten ihn davon ab, an diesem Tag selbst in die Apotheke zu fahren. Wie praktisch, dass die Apotheke um die Ecke einen Internetshop anbietet. Online sucht er die bewährten Arzneimittel gegen seine Erkältung, bezahlt elektronisch und wählt aus, dass er seine Bestellung abends nach Geschäftsschluss aus den Abholfächern der Apotheke erhalten möchte.
Das Problem: Herr M. hat für den Bezug der gewünschten, apothekenpflichtigen Arzneimittel eine Mischform aus Versandhandel, Botendienst und Abgabe außerhalb der Apotheke gewählt. Die in § 17 Abs. 2 Satz 2 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) geforderte Beratung durch einen Apotheker oder durch das pharmazeutische Personal wäre nicht eingehalten, wenn es sich um eine Zustellung per Boten handelt. Liegt aber tatsächlich eine Botenzustellung vor? Oder handelt es sich um die Abgabe im Wege des Versandhandels, für die eingeschränkte Beratungspflichten gelten?
Ohne auf die teilweise recht schwierige Abgrenzung zwischen Zustellung per Bote und Versand einzugehen: Hier beauftragt die Apotheke weder einen Dritten noch einen Mitarbeiter mit der Zustellung der Arzneimittel. Der Kunde holt sich diese selbst ab. Lediglich die Bestellung im Internetshop der Apotheke ist ein Element des Versandhandels. Doch allein die Bestellung online oder über ein Terminal macht den Vorgang nicht zu einer zulässigen Form des Versandhandels (vgl. jüngst Landgericht Mosbach zu Arzneimittelautomaten, Urteil vom 14.06.2017, AZ: 4 O 18/17).
Entscheidend ist die Form der Abgabe an den Kunden. Da diese durch eine Abholung erfolgt, liegt de facto weder eine Botenzustellung noch ein Versand vor. Aber kann das dazu führen, dass die Abgabe ohne persönlichen Kontakt und mit eingeschränkten Beratungspflichten erfolgen kann, obwohl das nur nach § 11a Apothekengesetz ausnahmsweise im Wege des Versandes möglich ist?
Die Lösung: Hilfreich für die Beantwortung dieser Frage sind die Entscheidungsgründe des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 24.06.2010, AZ: 3 C 31/09), mit dem grundsätzlich die Abgabe nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel über Apothekenterminals für zulässig erachtet wurde (so auch Verwaltungsgericht Mannheim, Urteil vom 28.07.2009, AZ: 9 S2852/08). Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt argumentiert: Mit der Einführung des Versandhandels habe der Gesetzgeber dem Kunden die Möglichkeit eröffnet, Arzneimittel zu beziehen, ohne dass er die Apotheke betreten muss. Daher können Arzneimittel auch außerhalb der Apotheke durch ein Terminal abgegeben werden, was allerdings nicht für verschreibungspflichtige Arzneimittel gelte.
Das Bundesverwaltungsgericht sagt aber auch klar, dass ein Apotheker gegen seine Beratungspflicht nach § 20 Abs. 1 ApBetrO verstößt, wenn das Terminal außerhalb der Öffnungszeiten betrieben wird. Denn der Kunde, der einen Versand nicht abwarten könne, dürfe wie beim Notdienst auch außerhalb der Öffnungszeiten mit einer Beratung rechnen. Das bedeutet, dass die Abgabe an Herrn M. gegen die Beratungspflicht nach § 20 Abs. 1 ApBetrO verstößt.
Ein solcher Verstoß kann dadurch vermieden werden, dass der Kunde vor der Abgabe, z. B. bei Eingang der Bestellung, durch das pharmazeutische Personal aktiv telefonisch beraten wird. Denkbar ist auch eine Anwendung des § 17 Abs. 2a Nr. 7 ApBetrO: Danach muss der Kunde eine Telefonnummer angeben, unter der er kostenlos zu mitgeteilten Zeiten beraten wird. Denn ein Unterschied zum Versand ist hier im Ergebnis nicht erkennbar. Der Kunde kann sowohl in der Offizin, als auch beim Versand auf eine Beratung verzichten.
Allerdings dürften dieser Lösung noch die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts entgegenstehen, dass ein Apotheker gegen seine Beratungspflicht verstößt, wenn das Terminal außerhalb der Öffnungszeiten betrieben wird.
Auszug aus der Apothekenbetriebsordnung
§ 17 Erwerb und Abgabe von Arzneimitteln und Medizinprodukten
(1a) Arzneimittel dürfen, außer im Falle des § 11a des Apothekengesetzes und des Absatzes 2a, nur in den Apothekenbetriebsräumen in den Verkehr gebracht und nur durch pharmazeutisches Personal ausgehändigt werden. Satz 1 ist auf apothekenpflichtige Medizinprodukte entsprechend anzuwenden.
(2) Die Zustellung durch Boten der Apotheke ist im Einzelfall ohne Erlaubnis nach § 11a des Apothekengesetzes zulässig; dabei sind die Arzneimittel für jeden Empfänger getrennt zu verpacken und jeweils mit dessen Namen und Anschrift zu versehen. Absatz 2a Satz 1 Nr. 1 und 2 und Satz 2 gilt entsprechend; Absatz 2a Satz 1 Nr. 5 bis 7 und 9 ist, soweit erforderlich, ebenfalls anzuwenden. Bei Zustellung durch Boten ist dafür Sorge zu tragen, dass die Arzneimittel dem Empfänger in zuverlässiger Weise ausgeliefert werden. Sofern eine Beratung in der Apotheke nicht bereits vorgenommen wurde, muss die Beratung durch das pharmazeutische Personal der Apotheke in unmittelbarem Zusammenhang mit der Auslieferung erfolgen.
(2a) Bei dem nach § 11a des Apothekengesetzes erlaubten Versand hat der Apothekenleiter sicherzustellen, dass
2. das Arzneimittel entsprechend den Angaben des Auftraggebers ausgeliefert und gegebenenfalls die Auslieferung schriftlich bestätigt wird. Der Apotheker kann in begründeten Fällen entgegen der Angabe des Auftraggebers, insbesondere wegen der Eigenart des Arzneimittels, verfügen, dass das Arzneimittel nur gegen schriftliche Empfangsbestätigung ausgeliefert wird,
7. die behandelte Person darauf hingewiesen wird, dass sie als Voraussetzung für die Arzneimittelbelieferung mit ihrer Bestellung eine Telefonnummer anzugeben hat, unter der sie durch pharmazeutisches Personal der Apotheke mit Erlaubnis zum Versand apothekenpflichtiger Arzneimittel gemäß § 11a des Apothekengesetzes auch mittels Einrichtungen der Telekommunikation ohne zusätzliche Gebühren beraten wird; die Möglichkeiten und Zeiten der Beratung sind ihnen mitzuteilen.
§ 20 Information und Beratung
(1) Der Apothekenleiter muss im Rahmen des Qualitätsmanagementsystems sicherstellen, dass Patienten und andere Kunden sowie die zur Ausübung der Heilkunde, Zahnheilkunde oder Tierheilkunde berechtigten Personen hinreichend über Arzneimittel und apothekenpflichtige Medizinprodukte informiert und beraten werden. Die Verpflichtung zur Information und Beratung über Arzneimittel muss durch Apotheker der Apotheke ausgeübt werden, sie kann durch andere Angehörige des pharmazeutischen Personals der Apotheke übernommen werden, wenn der Apothekenleiter dies zuvor schriftlich oder elektronisch festgelegt hat. Dabei hat er auch zu definieren, in welchen Fällen ein Apotheker der Apotheke grundsätzlich hinzuzuziehen ist.
Fall 2: Botendienst nach Rezepteinwurf
Frau K. bringt frühmorgens ihre Kinder in die Schule. Sie hat ein Kassenrezept über ihre Dauermedikation dabei. Da ihre Stammapotheke noch geschlossen hat, wirft sie das Rezept in den Briefkasten mit der Notiz, dass sie sich eine Zustellung durch den Botendienst an diesem Tag wünscht.
Das Problem: Die Abgabe des Rezeptes durch Einwurf und der Wunsch nach Zustellung durch den Boten haben erkennbar zur Folge, dass die Apotheke keinen persönlichen Kontakt zur Kundin hat und ihrer Beratungspflicht nicht nachkommen kann. Grundsätzlich kann gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 der ApBetrO die Zustellung der Arzneimittel im Einzelfall durch einen Boten erfolgen. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich um einen Einzelfall und nicht um eine dauerhafte, sich wiederholende Zustellung per Bote handelt, ebenso, dass die Einhaltung der weiteren Voraussetzungen nach § 17 Abs. 2 Satz 2 ApBetrO in Verbindung mit Abs. 2a erfüllt wird. Da aber Frau K. bei der Rezeptübergabe nicht persönlich in der Apotheke war, muss die Beratung nach § 17 Abs. 2 Satz 3 der ApBetrO durch pharmazeutisches Personal in unmittelbarem Zusammenhang mit der Auslieferung erfolgen.
Häufig wird aber der Botendienst nicht durch pharmazeutisches Personal umgesetzt. Somit stellt sich die Frage, wie alternativ vorgegangen werden kann. Der Bundesgerichtshof (Urteil v. 19.07.2012, Az: I ZR 40/11) hat die telefonische Beratung mit der persönlichen in der Apotheke gleichgesetzt. Allerdings betraf das die telefonische Beratung, wie sie beim Versand nach dem schon zitierten § 17 Abs. 2a Nr. 7 der ApBetrO vorgesehen ist. Auch wenn das vom Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 23.07.2013, Az: I 20 U 116/12) strenger gesehen wurde – mit Hinweis auf die Neuregelung des § 17 Abs. 2 S. 3 habe die Beratung ausdrücklich in der Apotheke oder bei Auslieferung zu erfolgen –, hat sich in der Literatur die Auffassung durchgesetzt, dass im vorliegenden Fall die telefonische Beratung ausreichend ist(vgl. Cyran/Rotta, § 17 Rz 467; Kieser, A&R 2013, 249ff.).
Die Lösung: Folgt man dieser Auffassung, bedeutet das praktisch, dass Frau K. vor Aushändigung ihrer Arzneimittel durch den (nicht pharmazeutischen) Boten telefonisch durch das pharmazeutische Personal informiert und beraten werden muss. Scheitert eine entsprechende Kontaktaufnahme, darf das Arzneimittel nicht durch den Boten überbracht werden. Auch ein schriftlicher Hinweis für die Möglichkeit der telefonischen Beratung, wie sie für den Versand vorgesehen ist, dürfte angesichts des klaren Wortlauts der Regelung in § 17 Abs. 2 S. 2 der ApBetrO für die Botenzustellung nicht reichen. Denn bei der Botenzustellung handelt es sich nach dem gesetzlichen Leitbild um einen Einzel- und damit um einen Ausnahmefall.
Fall 3: Telefonische Bestellung rezeptpflichtiger Arzneimittel
Nach einem Hausbesuch bei einem älteren Ehepaar stellt der Internist Dr. L. einige Rezepte aus. Die Patienten übermitteln die Verordnung anschließend telefonisch an ihre Apotheke und bitten darum, ihnen die benötigten Arzneimittel per Botendienst auszuliefern.
Das Problem: Nach wie vor gilt, dass eine Abgabe nur dann zulässig ist, wenn die Voraussetzungen der Botenzustellung inklusive der pharmazeutischen Beratung vorliegen. Entweder erfolgt die Beratung mit der Auslieferung durch pharmazeutisches Personal oder sie erfolgt vorab telefonisch unter den oben beschriebenen Bedingungen.
Die Lösung: Seiner Beratungspflicht nach § 20 der ApBetrO kann der Apotheker nur nachkommen, wenn er das Rezept vorliegen hat. Auf die telefonischen Auskünfte des Ehepaars darf er sich nicht verlassen. Zu leicht könnten hier Informationen aus dem Rezept falsch oder unvollständig weitergegeben werden. Um z. B. mögliche Wechselwirkungen zu prüfen oder beim verschreibenden Arzt Rückfragen stellen zu können, muss das Rezept vorliegen.
Dabei kann ein elektronisch übermitteltes Rezept genügen, denn allein für die Erfüllung der Beratungspflicht ist es unerheblich, ob das Rezept im Original vorliegt oder in Kopie. Für die Auslieferung bzw. Abgabe des Arzneimittels muss dem Apotheker oder pharmazeutischen Personal das Rezept allerdings im Original vorliegen. |
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