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„Apotheker gehören an die Front der Arzneimittelversorgung“
Eröffnung des Pharmacon Meran
Kraftvoll und dynamisch war nicht nur das Eröffnungskonzert des Tiroler Blasmusikorchesters, das mit der James-Bond-Titelmelodie den Pharmacon Meran einleitete. Auch die Referenten, Dr. Andreas Kiefer und Professor Udo Di Fabio, hielten ein feuriges Plädoyer für die vor-Ort-Apotheke. Aus ihren jeweiligen Perspektiven sprachen sich beide dafür aus, die öffentliche Apotheke durch ein Rx-Versandverbot zu schützen.
Versandhandel fördert Arzneimittelrisiken
Marktwirtschaftliche Interessen können den Gesundheitsschutz beträchtlich gefährden. In diesem Zusammenhang zeigte der Präsident der Bundesapothekerkammer einen Ausschnitt einer Sendung des Hessischen Rundfunks. In diesem TV-Beitrag gab sich eine Testkäuferin als 80-jährige Dame aus und bestellte bei fünf Versendern drei verschiedene Schmerz- sowie ein Schlafmittel. Mit Bannern wie „andere kauften auch“ wurde die Testkundin aufgefordert, weitere Arzneimittel wie etwa Wick Medinait® zu erwerben. Keiner der Internetanbieter wies auf Wechselwirkungen der Analgetika hin. Ein Versender warnte die 80-Jährige freundlicherweise vor Nebenwirkungen in der Schwangerschaft.
Für Kiefer ist die Sendung ein Beispiel, wie Online-Marketingstrategien Arzneimittelfehlgebrauch fördern. „Ein solcher Mehrgebrauch an Arzneimitteln ist nicht zielführend“, betonte er. Dagegen gehöre es zum gesetzlichen Auftrag der Apotheker, Arzneimittelmissbrauch zu verhindern. Zudem sind Pharmazeuten die kompetentesten Ansprechpartner, was Arzneimittelsicherheit betrifft. „Apotheker gehören an die Front der Arzneimittelversorgung“, bekräftigte der BAK-Präsident.
Auch die zunehmenden Werbeausgaben für OTC-Produkte hält Kiefer für kritisch, weil dadurch ein Mehrverbrauch gefördert werde. Daher fordert Kiefer ein Werbeverbot für OTC-Arzneimittel mit Missbrauchspotenzial. „Arzneimittel sind Vertrauensgüter, keine Konsumgüter“, bekräftigte Kiefer.
Online-Käufer überschätzen ihre Gesundheitskompetenz
Die wohnortnahe Apotheke ist noch aus einem weiteren Grund unverzichtbar, denn sie hilft Kunden mit eingeschränkter Gesundheitskompetenz, ihre Arzneimittel richtig anzuwenden. Laut einer Studie der Universität Bielefeld findet es jeder Fünfte schwierig zu verstehen, was der Arzt ihm erklärt. Einer weiteren Untersuchung zufolge sind 14,5 Prozent der Bevölkerung von jung bis alt funktionale Analphabeten. 26 Prozent können nur langsam und fehlerhaft lesen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass eine mangelnde Gesundheitskompetenz auch beim Internetshoppen gefährlich werden kann. Denn viele online-Käufer überschätzen ihr Arzneimittelwissen und bestellen sorglos Medikamente oder Kombinationen, die ihnen schaden. Deshalb ist es aus Sicht von Kiefer richtig, dass Arzneimittel gewissen Schutzvorschriften unterliegen, auch wenn Verbraucher diese manchmal als lästig empfinden. „Die Rezeptpflicht ist keine Schikane, sondern dient der Verringerung von Arzneimittelrisiken“, findet der Apotheker.
Kiefer optimistisch beim Rx-Versandverbot
Nach der Wahrnehmung von Kiefer ist inzwischen auch in der Politik das Bewusstsein gewachsen, dass Arzneimittel etwas Besonderes sind. „Die Große Koalition wird alles dafür tun, das Rx-Versandverbot umzusetzen“, ist sich der BAK-Präsident sicher. Anderslautende Äußerungen von Regierungspolitikern stuft er als „Startschwierigkeiten“ ein. Es gebe zwar noch „viel zu tun“. Aber Kiefer ist zuversichtlich: „Ich bin nach wie vor der Meinung, wir setzen uns mit unseren Argumenten durch.“
Apotheke dient höherem Ziel
„Als Verfassungsrechtler hätte ich damit kein Problem, den Rx-Versandhandel zu verbieten“, sagte der ehemaliger Verfassungsrichter Udo Di Fabio. Die Apotheke als Institution diene dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung und verdiene daher ihrerseits rechtlichen Schutz. Außerdem sei die organisierte Beratung von zunehmender Bedeutung, weil die Menschen immer älter werden.
Aus seiner Sicht erhalten Institutionen wie die Apotheke zu wenig Wertschätzung. Dies hänge unter anderem mit der aktuellen Europapolitik zusammen, die von westlichen Zielvorstellungen geprägt sei. „Die lokale und inhabergeführte Apotheke wird als Hindernis eines totalen Binnenmarktes wahrgenommen“, schlussfolgerte Di Fabio. Aus seiner Sicht habe die Europäische Union an der einen oder anderen Stelle die Schraube der Supranationalität überdreht. „Es geht um eine Politik der Balance“, sagte Di Fabio. Dies bedeute, auch mal einen Schritt bei der Liberalisierung zurückzurudern. |
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