Infektiologie

Gefährliche Schmetterlingsmücke

Überträger von Erregern in Krankenhäusern

Wenn es um Gefahren geht, denkt man möglicherweise an deren Eintrittswahrscheinlichkeiten, um ein Risiko abzuschätzen. In Verbindung mit Tieren fallen einem Tiger ein oder die gesundheitlich weitaus gefährlicheren Malariamücken. Andere Insekten dürften recht spät auf der Liste der in Europa tödlichen Gefahren aufgetaucht sein. Bis das Robert Koch-Institut vor ihnen warnte [2, 9].

Acinetobacter baumannii gilt als einer der gefährlichsten Infektionserreger, nicht erst 2017 warnte die WHO vor ihm [1]. Sein Ausbreitungspotenzial ist weit größer als das der methicillinresistenten Staphylococcus aureus (MRSA-Keime) [2]. Bekannt als Erreger von Harnwegs-, Wund- (auch bei Verbrennungen) und Atemwegsinfektionen (häufig bei Alkoholikern) ist Acinetobacter baumannii mit zunehmender Multiresistenz bei gleichzeitiger Umweltresistenz ausgestattet. Er ist ein sogenannter 4MRGN-Erreger, also ein gegen mindestens vier Antibiotika multiresistentes gramnegatives Bakterium gemäß der Definition der Kommission für Krankenhaus­hygiene und Infektionsprävention. Er zeichnet sich durch eine hohe Über­lebensfähigkeit auch nach Austrocknung über Wochen auf unbelebtem Material aus.

Foto: Ab H Baas - Saxifraga Foundation
Die Schmetterlingsmücke ist ca. 5 mm groß. Der Kulturfolger stammt ursprünglich aus tropischen und subtropischen Gebieten und hat sich vom Mittelmeerraum aus nach Norden verbreitet.

Acinetobacter baumannii kommt in Böden und Abwässern vor, besonders auch in Kläranlagen und Klinikabwässern sowie in der Geflügelzucht [3] und bei Wildvögeln [4]. Es gibt verschiedene Subspezies, die nicht alle gleich gefährlich sind. Er wird in Kliniken vor allem durch die Hände des Personals, medizinische Materialien, Tastaturen, Lampen von Stations- zu Patientenzimmern und zurück übertragen. Für 9% aller Infektionen auf Intensivstationen ist Acinetobacter baumannii verantwortlich.

Als „Iraqibacter“ erlangte er Anfang der 1990er-Jahre eine fragwürdige Prominenz, als verwundete US-Soldaten im Irak und in Afghanistan sich damit infizierten. Im Universitätsklinikum Kiel (UKSH) sind 2015 31 Personen erkrankt, zwölf davon tödlich [5]. In Österreich starben im selben Jahr zwei von fünf Babys bei einem Ausbruch in einer Frauenklinik. Bei der Infektionswelle am UKSH war A. baumannii wahrscheinlich durch einen in der Türkei erkrankten Deutschen eingeschleppt worden. In den darauf folgenden sechs Wochen starben in Kiel weitere elf schwerkranke Patienten. Die Frage nach der Verbreitung innerhalb der Klinik blieb ungeklärt. Ein Verdacht fiel auf Vektoren für die Keime wie Fliegen [6]. Zur Wundbehandlung eingesetzte Maden der Fliege Lucilia sericata konnten jedoch als Überträger ausgeschlossen werden [7].

A. baumannii ist in der Lage, Biofilme zu bilden – bevorzugt in Abwasser­rohren. Diese komplexen Verbände aus Mikroorganismen sind sehr widerstandsfähig. Gerade die in Kläranlagen gefundenen A. baumannii zeichnen sich durch überdurchschnittlich hohe multiple Antibiotikaresistenz aus [8] und werden durch den Klärprozess oft nicht abgereichert. Abwasser, Brackwasser und Biofilme sind auch der Lebensraum der Larven der Schmetterlingsmücke Clogmia albipunctata, auch Abortfliege genannt. Vor knapp über einem Jahrzehnt aus Südeuropa importiert, kommen sie vermehrt in den Abwasserleitungen von Kliniken aber auch Industriebauten oder in Privathaushalten vor. Die Larven leben vom Biofilm, werden nur selten in den Rohren entdeckt, da sie auch unter Wasser längere Zeit überleben. Schmetterlingsmücken sind relativ schlechte Flieger. Nur selten, wenn der Siphon oder ein Bodentank im Sommer trocken gefallen ist, entdeckt man sie in den Sanitäranlagen, dann oft massenhaft. Sie leben sonst wie ihre Larven im Abflussrohr und verbreiten sich dort im Dunklen. Werden sie aufgescheucht, so fliegen sie meist nur ein sehr kurzes Stück. Ihr Taumelflug ist ein guter Schutz, da sie dadurch zum Beispiel von Fressfeinden nur schwer zu fangen sind.

Foto: Rob Felix - Saxifraga Foundation
Schmetterlingsmücken leben bevorzugt in flachen, stark verschmutzten Gewässern und kleinen Wasser­ansammlungen. So findet man sie in Toiletten, in der Kanalisation oder in Kläranlagen. Die sogenannte Abortfliege kann scharenweise auftreten.

Das Problem im Krankenhaus

Die Merkblätter für Biologische Arbeitsstoffe weisen ebenso wie das Epidemiologische Bulletin des Robert Koch-Instituts [9] darauf hin, dass die kleine Schmetterlingsmücke vermutlich einer der hauptsächlichen mechanischen Vektoren von A. baumannii ist. So konnte auf der nur ca. 5 mm großen Schmetterlingsmücke A. baumannii in erheblicher Anzahl nachgewiesen werden [10]. Zwar kann eine Übertragung auch durch Kopfläuse erfolgen, diese sind aber in Intensivstationen vermutlich weniger ein Problem.

Einmal mit A. baumannii infiziert können Patienten aufgrund vorliegender Resistenz meist nicht mehr mit Acylureido-Penicillinen, Cephalosporinen der dritten und vierten Generation, Fluorchinolonen oder Carbapenemen behandelt werden; Piperacillin-Tazobactam, Cefotaxim, Ceftazidim, Ciprofloxacin, Imipenem oder Meropenem sind nicht mehr wirksam; gelegentlich hat die Behandlung mit Ampicillin oder Doxycyclin noch Erfolg.

Siphons reinigen eine Lösung?

Was können Krankenhäuser oder Apotheken tun, um eine Übertragung durch die Schmetterlingsmücke zu begrenzen? Die Siphons zu reinigen wird zwar empfohlen [11], ist aber aufgrund der in großen Häusern unübersichtlichen Abwassersysteme wenig erfolgversprechend. Auch die üblichen Chlor-haltigen oder tensidischen Reinigungsmittel scheitern, ebenso wie Reinigungsmittel mit Sauerstoffradikalen, in den Abwasserrohren schon an der Bakterienlast, sodass sie auch gegen die Larven der Schmetterlingsmücke nichts ausrichten können. Auch unverdünnte Chlorbleichlauge im Siphon ist keine wirksame Methode. Eine Möglichkeit wäre es, die Siphons mit Wasser gefüllt zu halten, da das die Zahl der Larven wirksam begrenzt.

Ausnahmegenehmigung für Neonicotinoide

Vermutlich wirken viele Insektizide, insbesondere die zurzeit umstrittenen Neonicotinoide gegen die Larven. Eine Verwendung für diesen nicht zugelassenen Zweck ist aber aufgrund des § 12 Pflanzenschutzgesetzes strafbewehrt. Allerdings kann nach § 22 (2) Pflanzenschutzgesetz neben dem Zulassungsinhaber auch ein Verwender den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bei der jeweiligen Landesbehörde beantragen, um „im Einzelfall die Anwendung eines zugelassenen Pflanzenschutzmittels in einem anderen als den mit der Zulassung festgesetzten Anwendungsgebieten“ genehmigt zu bekommen. Da mit zunehmenden nosokomialen Ausbrüchen zu rechnen ist, sollte ein überregionaler Klinik­betreiber eine solche Ausnahmegenehmigung zur Bekämpfung der Schmetterlingsmücke vorbereitet haben, um schnell reagieren zu können, wenn die Schmetterlingsmücke einmal gesichtet wurde. Da die Ausbreitung im Kanalsystem erfolgt, sind neuere Einrichtungen fast ebenso häufig betroffen, wie „traditionelle“ Krankenhäuser.

Weitere Probleme im Anflug

Die klimatischen Veränderungen werden dazu führen, dass neben diesem Überträger von Krankheiten weitere zu uns kommen. So ist die Sandmücke schon seit über einem Jahrzehnt „im Anflug“ [12]. Sandmücken übertragen die protozoischen Parasiten der Gattung Leishmania, die die Leishmaniose hervorrufen. Für die Ausbreitung muss erst eine Mindestanzahl an infizierten Personen existieren, damit die Verbreitung epidemisch werden kann. Im Gegensatz zur Schmetterlingsmücke mit ihrem zurzeit noch engen Verbreitungsgebiet (Abwasserohre und Aborte) ist die Sandmücke prinzipiell überall anzutreffen. |

Literatur

[1] Guidelines for the prevention and control of carbapenem-resistant Enterobacteriaceae, Acinetobacter baumannii and Pseudomonas aeruginosa in health care facilities. World Health Organization 2017

[2] Hofmann F. Acinetobacter baumannii Ba-0.1. Merkblätter Biologische Arbeitsstoffe, 54. Ergänzungslieferung 3/2018, Ecomed Verlag

[3] Fischer I, Schurer S, Jäckel R, Rieger MA. Epidemiologie arbeitsbedingter Infektionskrankheiten, Projekt F 5198/A91 2013. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, www.baua.de

[4] Wilharm G et al. Relatedness of wildlife and lifestock avian isolates of the nosocomial pathogen Acinetobacter baumannii to lineages spread in hospitals worldwide. Environmental Microbiology 2017;19:4349-4364, www.ncbi.nlm.nih.gov
[5] NN. Tödliche Keime: Bereits zwölf Patienten in Kieler Klinikum gestorben. www.welt.de, 26. Januar 2015

[6] Förster M. Synanthrope Fliegen als Träger und potenzielle Vektoren von pathogenen Mikroorganismen und Parasiten. Dissertation an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 2011

[7] Christiansen B. Persönliche Kommunikation, Hygienebeauftragten des Universitätsklinikums Kiel (UKSH) Februar 2015

[8] Higgins PG, Hrenovicc J, Seifert H, Dekicc S. Characterization of Acinetobacter baumannii from water and sludge line of secondary wastewater treatment plant. Water Research 2018;140: 261-267, www.sciencedirect.com

[9] Acinetobacter Baumannii – ein Krankenhauskeim mit beunruhigen Entwicklungspotenzial. Epidemologisches Bulletin des Robert Koch-Instituts 2013;32:295- 299, www.rki.de

[10] Pfeiffer Y. Aktuelles zu Acinetobacter baumannii. FG13 Nosokomiale Infektionserreger und Antibiotikaresistenzen. Fachtagung Krankenhaushygiene Halle (Saale) 2014

[11] NN. Clogmia albipunctata – eine eingeschleppte Schmetterlingsmücke. Pest Control – Vereinsunabhängiges Magazin für die Schädlingsbekämpfungsbranche 2013;55:18

[12] Steinhausen I. Untersuchungen zur Verbreitung von Sandmücken (Phlebotomen) in Deutschland mit Hilfe geographischer Informationssysteme (GIS). Diplomarbeit an der Universität Bonn, 2005


Apothekerin Heike Heuer

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