Kongresse

Die Agenda der Versorgungsapotheker

Jahrestagung des Bundesverbands der klinik- und heimversorgenden Apotheker

MAINZ (ks) | Der Bundesverband klinik- und heimversorgender Apotheker (BVKA) hat sein Aktionsfeld schon vor einiger Zeit auf weitere Bereiche der Spezialversorgung ausgedehnt. Dies soll künftig auch der Verbandsname widerspiegeln: Die Mitgliederversammlung beschloss am 7. Juni eine Umbenennung in Bundesverband der Versorgungsapotheker (BVVA). Bei der BVKA-Jahrestagung in Mainz wurden überdies aktuelle Versorgungsthemen diskutiert. Zudem sorgte ein Vortrag zu Securpharm für Ernüchterung bei den anwesenden Apothekern – gerade bei der Klinikversorgung gibt es nämlich noch ein großes Fragezeichen.
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Mainz war der Veranstaltungsort der Mitgliederversammlung des Bundesverbandes klinik- und heimversorgender Apotheker – dort benannte sich der Verband auch um in Bundesverband der Versorgungsapotheker (BVVA).

„Wir sind die Stimme der Apotheken mit Spezialversorgung“, erklärte BVKA-Vorsitzender Dr. Klaus Peterseim die Umbenennung. Die offizielle Nutzung des neuen Verbandsnamens mit neuem Logo wird nach der Eintragung ins Vereinsregister erfolgen. Bereits vor zwei Jahren hatte der BVKA sein traditionelles Aktionsfeld für die klinik- und heimversorgenden Apotheken um die Bereiche Palliativ- und Substitutionsversorgung erweitert. Nun folgte auch eine Satzungsänderung. Zweck des BVVA ist demnach die Wahrnehmung und Förderung der gemeinsamen fachlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen der selbstständigen Leiter öffentlicher Apotheken, die sich auf die pharmazeutische Versorgung in besonders geregelten Versorgungsbereichen spezialisiert haben.

Aufgaben für die neue Legislaturperiode

In seinem berufspolitischen Bericht blickte Peterseim zunächst zurück auf die gesundheitspolitische Lage der zurückliegenden Monate – um sich dann den Aufgaben für die neue Legislaturperiode zuzuwenden. Erklärte Ziele des Verbands im Bereich der Heimversorgung sind unter anderem die Veröffentlichung eines neuen Muster-Heimversorgungsvertrags und die ­Honorierung von Zusatzleistungen für Heimbewohner und -träger. In der Krankenhausversorgung will der BVKA eine praktikable Lösung finden, wie ab kommendem Jahr die neuen europäischen Vorgaben zum Fälschungsschutz umgesetzt werden können. Klinik(versorgende)-Apotheken stehen hier angesichts der großen Packungsmengen vor besonderen Problemen – doch die delegierte EU-Verordnung ignoriert diese Situation. Zudem will sich der Verband dafür einsetzen, dass für Krankenhaus- und Versorgungsapotheken gleiche Standards gelten. Krankenhausapotheken, so Peterseim, sollen Organisationseinheit der Klinik bleiben und nicht zu „Logistikzentren auf der grünen Wiese“ werden.

Ein neues Thema für den BVKA sind zudem die Stationsapotheker, die nun in Niedersachsen flächendeckend etabliert werden sollen. Peterseim findet es zwar gut, dass so mehr pharmazeutische Kompetenz in die Kliniken einzieht. Doch mit dem neuen Gesetzentwurf der rot-schwarzen Regierung in Niedersachsen hat er seine Probleme. Demnach sollen die Stationsapotheker nun nicht mehr zur Apotheke, sondern direkt zum Krankenhaus gehören (siehe hierzu auch Seite 12). „Wir brauchen keine Stationsapotheker, die der Verwaltung unterstellt sind“, sagte Peterseim. Er fürchtet nun, dass die Trennung von pharmazeutischer Betreuung (über das Krankenhaus) und Arzneimittelbelieferung (durch die Krankenhausapotheke oder die krankenhausversorgende Apotheke) die Versorgung aus einer Hand beenden könnte – und um die hatte der BVKA jahrelang gekämpft. Bevor es losgehe mit den Stationsapothekern sei zudem eine Reihe wichtiger Fragen zu klären – etwa hinsichtlich der Ausgestaltung der Position, der Ausbildung und der Abgrenzung zum Fachapotheker für Klinische Pharmazie. Er betonte zudem, dass es ohne zusätzliche Studienplätze schwierig werde, die neuen Stellen zu besetzen. Schließlich gebe es schon heute in den meisten Gegenden einen Approbiertenmangel. Und eine „Kannibalisierung der Offizinapotheken“ müsse dringend verhindert werden.

In der Palliativversorgung will der BVKA unter anderem auf rechtliche Klarstellungen zur Kooperation des Apothekers mit dem Palliativ-Care-Team hinarbeiten. Zudem sollen der Erfahrungsaustausch intensiviert und Inhalte der Arbeit definiert werden – Ziel ist eine Leitlinie. Ziele in der Substitutionsversorgung sind etwa die Aufnahme der Teilabgabe von Substitutionsmitteln in der Hilfstaxe, ein Honorar für die auf die Apotheke verlagerten Aufgaben und eine Mustervereinbarung zwischen Substitutionsarzt und -apotheker.

Fremdbesitz-gesteuerten Strukturen vorbeugen

Mit Blick auf den Koalitionsvertrag betonte Peterseim, dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens eine der größten Herausforderungen des Gesundheitswesens in den nächsten Jahren sein werde. Stichworte sind etwa die Telemedizin und die elektronische Patientenakte. Für den BVKA lese sich der Koalitionsvertrag in diesem Punkt wie eine „Agenda“. Der Verband sei strukturell, personell und technisch gut gerüstet, so der BVKA-Vorsitzende. In der Klinik-, Heim-, Palliativ- und Substitutionsversorgung biete die ­Digitalisierung die große Chance, die Versorgung nachhaltig zu verbessern. Die Versorgungsapotheken müssten dabei Treiber der Digitalisierung sein. Peterseim ist überzeugt: „Wenn wir es nicht machen, dann tun es andere außerhalb der Apotheke.“ Eine Vernachlässigung neuer Tätigkeitsfelder führe nur zum Markteintritt fremder Anbieter und langfristig zu Fremdbesitz-gesteuerten Strukturen.

securPharm: Was steckt noch unter der Spitze des Eisbergs?

Für eine gewisse Unruhe sorgte ein Vortrag des Sprechers des Vorstands von securPharm, Dr. Reinhard Hoferichter. Er gab einen Überblick über den Stand der Dinge in Sachen Fälschungsschutz. Bekanntlich gelten ab 9. Februar 2019 europaweit die neuen Vorschriften zur Verifizierung von Arzneimitteln in der legalen Lieferkette. Doch je näher der Zeitpunkt rückt, desto klarer wird den Beteiligten, dass sie bislang offenbar nur die Spitze des Eisbergs gesehen haben. Hoferichter zufolge wird das securPharm-System zum Stichtag zwar startklar und damit bereit für die Verifizierung und Ausbuchung sein. Doch wie es mit Herstellern und Apotheken aussieht, will er kaum prognostizieren. Denn noch sind die Zahlen zum Status quo nicht sehr beeindruckend – und dabei gilt Deutschland in Europa als Vorreiter bei der Umsetzung der EU-Vorgaben. Hierzulande müssen sich 400 Hersteller an das System anbinden – bislang sind es etwa 100, die einen Vertrag geschlossen haben. Tatsächlich schon Daten ins System geladen haben sogar erst 30 bis 40 Unternehmen – und von diesen wiederum nur sechs oder sieben über den EU-Hub. „Die Hersteller haben also noch eine riesige Aufgabe vor sich“, so Hoferichter. Bei den Apotheken sehe es nicht viel besser aus. Im securPharm-Pilot waren 400 Apotheken angemeldet, aktiv seien jedoch nur rund 100 gewesen. Es werde nun Zeit, dass sich die Apotheken an das System anbinden – dazu müssen sie sich zunächst über die Netzgesellschaft Deutscher Apotheker (NGDA) für den Zugang legitimieren. Hoferichter rief alle Apotheken auf, alle Vorbereitungsschritte möglichst rasch zu gehen, um im dritten Quartal in die praktische Erprobung einzusteigen. Er räumte allerdings ein, dass ein Problem nicht bis Februar 2019 zu lösen sei: Wie mit den großen Packungsmengen für Kliniken umzugehen ist. Die Hersteller werden es nicht schaffen, rechtzeitig aggregierte Codes zu generieren, mit der Arzneimittellieferungen palettenweise verifiziert und ausgebucht werden können. Allein mit dem Pflichtprogramm – der Serialisierung und der Datenbereitstellung hätten sie genug zu tun. Zusatzfunktionalitäten einzurichten sei ihnen nicht mehr möglich.

Ambulante spezialfachärztliche Versorgung

Thema der BVKA-Jahrestagung war zudem die Ambulante Spezialfachärztliche Versorgung (ASV). Hier werden Patienten mit komplexen Erkrankungen von einem Team spezialisierter Ärzte verschiedener Fachrichtungen behandelt. Die ASV kann von Krankenhäusern sowie niedergelassenen Fachärzten und Medizinischen Versorgungszentren angeboten werden. Noch ist die Zahl der Angebote überschaubar. Doch Gabriele Prahl von der GfG Gesellschaft für Gesundheitsökonomie und -management in Hamburg zeigte die Chancen dieser Versorgungsform auf. Viele fürchteten sie als bürokratisches Monster – tatsächlich sei alles nur eine Frage der guten Organisation, meint Prahl. Ungeklärt ist allerdings die Frage, wie die Arzneimittelversorgung in ASV läuft – über die Krankenhaus- oder über die Offizinapotheke? Eine explizite Regelung gibt es nicht. Klar ist, dass es sich nicht um eine ambulante Versorgung handelt, sondern um einen dritten eigenständigen Sektor zwischen ambulant und stationär. Jedenfalls in Fällen, in denen Patienten am Ort etwa eines niedergelassenen Onkologen behandelt werden, ist die Krankenhausapotheke nicht mehr zuständig. Das ist sie laut Prahl auch „eher nicht“, wenn niedergelassene Onkologen als Teil des ASV-Teams Patienten am Ort des Krankenhauses behandeln.

Der zweite Tag der Jahrestagung war aufgeteilt in vier Symposien zu den vier Spezialgebieten des BVKA: Prof. Dr. Hilko Meyer, der sich um die juristischen Belange des Verbandes kümmert, stellte seinen Entwurf für einen Heimversorgungs-Vertrag zur Diskussion. Im Symposium zur Klinikversorgung ging es um Arzneimitteltherapiesicherheit als Teil des klinischen Risiko-Managements und die Etablierung von Stationsapothekern in Niedersachsen. Bei der Palliativversorgung ging es um besondere Herausforderungen für Palliativärzte und neue Entwicklungen in der Schmerztherapie. Schwerpunkt im Symposium Substitutionsversorgung war das Thema Cannabis.  |

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