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„Wir müssen uns unentbehrlich machen“
Interview mit Christian Redmann, Apotheker aus dem oberfränkischen Ebermannstadt
DAZ: Herr Redmann, bald ist Halbzeit bei Ihrer Petition und zwei Drittel der benötigten Unterschriften sind im Kasten. Sind Sie zuversichtlich, dass bis November das Quorum erreicht wird?
Redmann: Ich bin nach wie vor zuversichtlich, dass wir die benötigten Stimmen zusammenbekommen werden und das Quorum erreichen.
DAZ: Wie kamen Sie auf die Idee, eine Petition zu starten, mit der Sie die Umsetzung des Rx-Versandverbotes von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn einfordern wollen?
Redmann: Ich konnte und vor allem wollte nicht mehr mit ansehen, wie sich engagierte Kolleginnen und Kollegen jeden Tag mit steigender Bürokratie, wachsenden Zukunftsängsten, Nachwuchssorgen und immer neuen Hiobsbotschaften politischer Natur aufreiben – und niemand etwas effektiv dagegen zu tun schien. Wir hatten seit 2016 aus meiner Sicht eine ungelöste – systembedrohende – Entwicklung, kurz vor Weihnachten 2017 ein Gutachten und seitdem eine Strategie des Schweigens. Das war mir zu wenig, auch wenn ich die Taktik rational dahinter verstehe. Ich wollte mich nicht mehr hilflos fühlen – es ist auch mein Beruf und meine Zukunft, die andere entscheiden.
DAZ: Werden Sie eigentlich häufig auf Ihre Initiative angesprochen?
Redmann: Es war lange Zeit ruhig, aber die Anfragen werden erfreulicherweise immer mehr. Anfangs erreichte ich sehr viele über die Vernetzungsmöglichkeiten in sozialen Medien, jetzt rufen oder mailen mich Kollegen auch direkt an. Seitdem einige Apothekerkammern und -verbände uns unterstützen und seit sich die genossenschaftlichen Großhandlungen für uns stark machen, scheint Schwung in die Petition gekommen zu sein. Die Anfragen haben auch dadurch zugenommen.
DAZ: Gäbe es Ihrer Meinung nach auch Alternativen zu einer Petition, mit der die Apothekerinnen und Apotheker ihr Anliegen – unabhängig von der Standesvertretung – zum Ausdruck bringen können?
Redmann: Das Logischste wäre es zunächst, wenn wir uns an der „Basis“ erstmal einig darüber würden, wohin wir wollen: Agieren wir als Heilberufler, generieren wir uns als Kaufmann? Mit welchem Image tun wir das, welche Message wollen wir damit senden?
Keine Alternative, aber eine zusätzliche Möglichkeit wäre es, wenn so viele Kollegen wie möglich ihre Bundestagsabgeordneten anschreiben würden und jeweils individuell mit eigenen Worten authentisch schilderten, welche Auswirkungen der Versandhandel auf die Versorgungsstruktur und vor allem für die Patienten vor Ort hätte.
DAZ: Fühlen Sie sich durch die ABDA ausreichend gut vertreten bei der Forderung nach einem Rx-Versandverbot? Was könnte anders laufen?
Redmann: Ich bin nicht in die Verhandlungen involviert und muss mangels besseren Wissens ja darauf vertrauen, dass das was die Verantwortlichen machen, das Beste ist, was man tun kann. Aus diesem Grund kann ich nicht beurteilen, was anders laufen könnte. Vielleicht liegt darin das Problem: niemand weiß was verhandelt wird – aber alle müssen beruhigt glauben, es würde schon das Bestmögliche rauskommen. Zwar verstehe ich, dass nicht alles kommuniziert werden kann und dass man manches nicht diskutieren möchte oder sollte. Vermittelt mir das aber genügend Sicherheit hinsichtlich der beruflichen Zukunft? Bedauerlicherweise nein.
DAZ: Kritisiert wurde ja, dass eine Petition kein adäquates politisches Mittel sei für eine Standesvertretung. Trotzdem haben einige hochrangige Standespolitiker öffentlich unterschrieben. Können Sie die Kritik nachvollziehen?
Redmann: Nicht direkt, aber ich denke, man muss differenzieren. Wir haben auf der einen Seite Institutionen, die sich in gewissen politischen Räumen bewegen bzw. deren Regeln einhalten müssen, und wir haben auf der anderen Seite engagierte Einzelpersonen in verantwortlicher Stelle. Für eine Institution mag es in der Tat kein „adäquates Mittel“ sein, ihre Ziele so zu artikulieren – für eine Einzelperson aber umso mehr. Nichts anderes habe ich ja getan und ich rechne es jedem Standespolitiker hoch an, der sich als Privatperson in meiner Petition eingetragen hat. Zurück zur „Kritik“ – ich kann schwerlich verstehen, warum eine Unterschriftenaktion wie die der ABDA als Willensbekundung auf der einen Seite legitimes Werkzeug sein soll, eine Petition verknüpft mit einer Willensbekundung jedoch nicht.
DAZ: Wenn eine Petition innerhalb von vier Wochen nach Veröffentlichung im Internet von 50.000 oder mehr Personen unterstützt wird, lädt der Petitionsausschuss den Initiator zur Beratung über das Anliegen ein. Was hätten Sie dort vorgetragen?
Redmann: Ich hätte versucht transparent zu machen, welche gravierenden Nachteile das weitere Ausdünnen unseres Apothekennetzwerkes mit sich bringen wird – aus Patientensicht. Durch meine Tätigkeiten im palliativen Bereich hätte ich angeführt, welche Patientenkollektive in welcher Form vom Verlust einer Apotheke vor Ort betroffen wären, welche speziellen Versorgungsbestandteile wegfallen würden und wie sich die Versorgungsqualität und -quantität auf die Therapiequalität auswirken würde.
DAZ: Spüren Sie eigentlich in Ihrer Apotheke den Versandhandel – betriebswirtschaftlich oder persönlich, im Gespräch mit den Kunden?
Redmann: Man kommt natürlich ins Gespräch – unsere Kunden kommen gerne zu uns und vertrauen meinem Team und mir hinsichtlich ehrlicher und kompetenter Beratung. Sicher erlebt man manchmal Diskussionen über Versandapotheken und Preispolitik, aber das sind eher noch Ausnahmen als die Regel. Allerdings sind Preisvergleiche durchaus nicht mehr unüblich und mit der Erhöhung des Bekanntheitsgrads der üblichen Verdächtigen nimmt die Neugierde auf die Internetbestellung auch bei uns zu.
Die Petition im Web
Die Petition läuft bis 7. November 2018. Sie hat bereits mehr als 34.000 Unterstützer – 50.000 sind für eine Petition an den Bundestag nötig. Dann wird sie im Petitionsausschuss beraten.
Wer mitzeichnen will: Sie finden die Petition, wenn Sie im Suchfeld auf DAZ.online den Webcode T4MG2 in die Suchmaske eingeben.
DAZ: Was ist denn Ihrer Meinung nach das beste Mittel, unabhängig von der „großen Politik“, den Menschen vor Ort klarzumachen, dass die Apotheken mehr zu bieten haben als die Arzneimittelversender?
Redmann: Wir müssen uns meines Erachtens auf unsere Kernkompetenzen innerhalb des Gesundheitssystems besinnen und diese verstärkt als „systemrelevant“ gegenüber Politik, Krankenkassen und Kunden herausarbeiten. Wir haben aus meiner Sicht in der Vergangenheit durch den merkantilen Aspekt unseres Berufs den Anschein erweckt, es würde „immer noch günstiger“ gehen – dieses Bild vom reichen Apotheker hat sich nicht nur bei Kunden, sondern wohl auch in der Politik festgesetzt und fällt nun auf uns zurück. Wer kollektiv nur als Kaufmann oder Arzneimitteldistributor wahrgenommen wird, wird am Ende auch als solcher behandelt – und zwar nur als solcher und ob er will oder nicht. Deswegen denke ich, ein Weg aus dem jetzigen Dilemma ist die lokale Vernetzung aller Parteien im Gesundheitssystem vor Ort. Wir müssen uns unentbehrlich machen – durch verstärkte Abfrage, welche Dienstleistungen von uns erwartet werden, wie wir partnerschaftlich mit Einrichtungen vor Ort wechselwirken können.
DAZ: Haben Sie sich schon etwas vorgenommen für den Tag, an dem das Quorum Ihrer Petition erreicht wird? Oder beginnt dann erst der spannende Teil und das bange Warten darauf, was die Bundesregierung aus dem Anliegen von mindestens 50.000 Unterzeichnern macht?
Redmann: An dem Tag, an dem die Petition die erforderliche Marke überschreitet, werde ich vermutlich ganz normal arbeiten und mich meinen Kunden widmen. Nach Erreichen der 50.000 setze ich mich mit den Verantwortlichen von openpetition.de in Verbindung und bespreche das weitere Vorgehen. Wie die Bundesregierung, respektive zunächst der Petitionsausschuss, reagiert ist meines Wissens nach festgelegt, so dass es meines Erachtens nach wenig Platz für Aufregung geben wird.
DAZ: Vielen Dank für das Interview und noch viel Erfolg für Ihre Petition. |
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