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Beratung

Durch Kompression zur Heilung

Entstauung hilft bei offenen Beinen

Das Ulcus cruris venosum, oft auch offenes Bein genannt, ist eine chronische Wunde, die auf eine venöse Erkrankung zurückzuführen ist. Neben operativen und invasiven Verfahren ist die Kompres­sionstherapie eine wichtige Säule in der Behandlung des Ulcus cruris venosum. | Von Kerstin Protz

Bei sach- und fachgerechter Ausführung führt eine Kompressionstherapie zu einer dauerhaften Steigerung des venösen Rückflusses in Richtung des Herzens. Der Druck auf die venösen Gefäße bewirkt deren Verengung. So werden der venöse Rückfluss gesteigert, Ödeme reduziert und Abfallstoffe abtransportiert. Dies bewirkt zu Therapiebeginn eine periphere Entstauung. Die Druck- und Volumenüberlastung im Venensystem mindert sich, wodurch sich auch mögliche Schmerzen verringern [1, 2]. Auch die Haut wird wieder weicher und geschmeidiger. Sie ist meist trocken, schuppig, verhärtet und gelb-braun verfärbt (Abb. 1). Als stabiles Wider­lager für die Beinmuskulatur verstärkt die Kompres­sionstherapie die Arbeit der Sprunggelenk- und Waden­muskelpumpen. Sie unterstützt im weiteren Verlauf die Abheilung von Ulzerationen und beugt dem Neuauftreten von Ödemen sowie der Entwicklung von Thrombosen vor [1, 2]. Grund­lagen für eine erfolgreiche Kompressionstherapie sind fachliche Kenntnisse und Sicherheit im Umgang mit den Materialien auf Versorger- sowie Akzeptanz gegenüber diesen Maßnahmen auf Patientenseite.

Abb. 1: Charakteristisch für Ulcus cruris venosum sind ödematöse Unterschenkel und stark nässende Wunden. Die Haut ist trocken schuppig sowie verhärtet (Dermatolipo­sklerose) und gelb-braun verfärbt (Hyperpigmentierungen).

Kontraindikationen und Risiken

Bevor eine Kompressionstherapie eingesetzt wird, sind Risiken und Kontraindikationen zu ermitteln [3, 4]. Die Therapie ist darauf entsprechend individuell anzupassen.

Als absolute Kontraindikationen gelten:

  • systemische Entzündungen, wie septische Phlebitis, Erysipel (nur in der Anfangsphase; nach dem Wirkeinsatz eines systemischen Antibiotikums auch wieder Kompressionstherapie erforderlich!)
  • dekompensierte Herzinsuffizienz, akute und chronische kritische Ischämie, Phlegmasia coerulea dolens

Relative Kontraindikationen sind:

  • ausgeprägte Sensibilitätsstörungen der Extremitäten
  • chronische kompensierte Herzinsuffizienz, noch kompensierte pAVK, nässende Dermatosen
  • Materialunverträglichkeit, Schmerzen durch die Therapie

Bekannte Risiken und Nebenwirkungen sind nicht passende medizinische Kompressionsstrümpfe sowie eine unsach­gemäße Bandagierung. Diese können zu Schnürfurchen, Blasenbildung, Druckulzera, Nekrosen und nervalen Druckschäden auf periphere Nerven führen [4].

Die Kompressionstherapie unterteilt sich in

  • Entstauungsphase,
  • Erhaltungsphase und
  • Prävention.

Innerhalb dieser Phasen werden unterschiedliche Kompressionsmaterialien wie Kurzzugbinden, Polstermaterialien, Mehrkomponentensyteme, adaptive Kompressionsbandagen, Ulkus-Strumpfsysteme, medizinische Kompressionsstrümpfe sowie An- und Ausziehhilfen eingesetzt [2, 4]. Die Auswahl orientiert sich an der Therapiephase sowie an den Wünschen des Betroffenen und seinen körperlichen Fähigkeiten.

Versorgungsmöglichkeiten in der Entstauungsphase

In dieser Phase liegt der Schwerpunkt auf einer raschen Entstauung der Ödeme und der Reduzierung des Beinumfangs. Dadurch mindert sich gleichzeitig die Menge an Exsudat in der Wunde, und die Grundlage für die Abheilung des Ulcus cruris venosum wird geschaffen. Nach drei bis vier Wochen sollte die Entstauungsphase bei sachgerechter Durchführung und entsprechender Adhärenz des Patienten beendet sein [1, 2, 5]. In der Literatur besteht Einigkeit, dass eine kräftige Kompressionsversorgung erforderlich ist, um dieses Ziel zu erreichen. Der International Compression Club (ICC) definiert folgende Druckwerte bei Kompressionsbandagierungen [6]:

  • leicht: < 20 mmHg,
  • mittelstark: ≥ 20 bis 40 mmHg,
  • stark: ≥ 40 bis 60 mmHg,
  • sehr stark: > 60 mmHg.

In der Entstauungsphase ist ein phlebologischer Kompressionsverband anzulegen, der einen kräftigen Druck von 40 bis 60 mmHg erreichen und bei einer Umfangreduzierung angepasst werden kann. Da sich der Beinumfang bei adäquater Kompressionsversorgung schnell reduziert, kommen Materialien wie Kurzzugbinden, Mehrkomponentensysteme oder adaptive Kompressionsbandagen zum Einsatz [2, 4 ,7]. Diese lassen sich individuell anpassen, wenn der Umfang des Beines abnimmt.

Kurzzugbinden
Die derzeit in Deutschland häufigste Versorgungsoption sind Kurzzugbinden. Sie sind relativ unelastisch, das heißt ihr Dehnungsvermögen liegt bei unter 100%. Dadurch erwirken sie einen hohen Arbeits- und einen niedrigen Ruhedruck. Als Arbeitsdruck wird der Druck bezeichnet, der durch die Ausdehnung des Muskels beim Anspannen gegen den Widerstand der Binde entsteht. Ruhedruck nennt man den Druck, den die Binde auf das Bein ausübt, wenn es sich in Ruhestellung befindet. Phlebologische Kompressionsverbände mit Kurzzugbinden geben nach, verrutschen und verlieren bereits nach wenigen Stunden ihre Form, sodass sie den gewünschten Anlagedruck nicht halten können. Insbesondere bei Bewegung und/oder Ödemreduktion nimmt der Druck über die ersten 24 Stunden erheblich ab. Aus diesen Gründen sind diese Kompressionsverbände mit Kurzzugbinden in der initialen Entstauungsphase oft täglich zu erneuern [2, 4, 8]. Der Praxisalltag zeigt, dass Kurzzugbinden morgens an- und abends abgelegt werden. Wenn der Patient allerdings ohne Bandagierung umherläuft, geht der Entstauungserfolg des Vortags verloren. Daher sind Kurzzugbinden kontinuierlich Tag und Nacht zu tragen.

Für den Anwender ist es kaum möglich zu erkennen, welcher Druck unterhalb eines Kompressionsverbandes tatsächlich besteht. Spezielle Druckmessgeräte z. B. Kikuhime® (TT Meditrade, Sorø, Dänemark) oder PicoPress® (Microlab Elettronica SAS, Padua, Italien) (Abb. 2), sind dafür eine gute Unterstützung. Wegen hoher Kosten (ca. 600 bis 800 Euro je nach Gerät) und der schwierigen Beschaffung aus dem Ausland sind diese Geräte in Deutschland derzeit kaum verfügbar.

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Abb. 2: Mit speziellen Messgeräten kann der Druck unter einer Kompres­sionsbandagierung gemessen werden, ohne diese zu entfernen. (hier: Druck­kontrolle mit PicoPress®)

Aus mehreren Gründen ist der Einsatz von Kurzzugbinden kritisch zu bewerten. In Studien wurden entscheidende Defizite bei ihrer sachgerechten Ausführung deutlich (Abb. 3) [7, 9]. Viele Versorger erreichen weder zuverlässig den therapierelevanten Druckwert, noch gelingt ihnen eine adäquate Anlage [7]. Phlebologische Kompressionsverbände mit Kurzzugbinden werden oft über mehrere Monate getragen, ohne dass der Entstauungserfolg überprüft wird [9]. Wöchentliche Messungen von Vorfuß-, Knöchel- und Wadenumfang ermöglichen die Erfolgskontrolle einer geleisteten Entstauung. Ist keine Umfangreduktion festzustellen, kann dies auf eine insuffiziente Kompressionsversorgung, eingeschränkte Funktion der Venenpumpen oder keine Akzeptanz für die Versorgung hindeuten [4, 9]. Monatelange und nicht sachgerecht ausgeführte Versorgungen sowie dicke, auftragende Verbände beeinflussen die Lebensqualität negativ.

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Abb. 3: Nicht sachgemäße Kompressionsversorgung mit Kurzzugbinden.

Cave: Jeder phlebologische Kompressionsverband mit Kurzzugbinden ist grundsätzlich zu unterpolstern, da eine unsachgemäße Anlage Einschnürungen, nervale Schädigungen, Drucknekrosen, Blasen und/oder Hautläsionen erzeugen kann. Hierfür können z. B. Watte- oder Schaumstoffpolsterbinden, Pelotten (als Fertigprodukte oder individuell zuschneidbar) angewendet werden (Abb. 4). Bei der Polsterung ist auch die Form der zu wickelnden Extremität zu berücksichtigen, so dass Hervorhebungen oder Absenkungen entsprechend aufgepolstert werden. Dadurch verteilt sich der Druck gleichmäßig auf der gesamten Extremität [2, 4].

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Abb. 4: Durch das Unter- und Aufpolstern können Druckschäden von Haut und Nerven vermieden und eine gleichmäßige Druckverteilung erreicht werden. Fehlerhaft angelegte Kompressionsverbände oder schlecht sitzende Kompressionsstrümpfe führen zu Schmerzen, Einschnürungen und Druckschäden.

Mehrkomponentensysteme
Diese Systeme setzen sich aus zwei bis vier fertig konfektionierten Komponenten zusammen: z. B. Polster-, Kompres­sions- und kohäsiven Fixierbinden. Im Unterschied zu Kurzzugbinden sind für die Anlage von Mehrkomponentensystemen keine aufwendigen Bandagierungstechniken notwendig. Einige Systeme verfügen über spezielle Dehnungstechniken oder haben visuelle Marker, die eine korrekte Anlage erleichtern (Abb. 5 A und B) [2, 4, 10]. Unabhängig von der Zusammensetzung oder vom Hersteller sind Mehrkomponentensysteme dazu geeignet, einen therapierelevanten Druck von ≥ 40 mmHg zu erzeugen. Eine abschließende, kohäsive Binde ermöglicht es, den Anlagedruck relativ lange konstant zu halten und beugt zusätzlich einem schnellen Verrutschen vor. Mehrkomponentensysteme können daher – je nach Entstauungssituation – bis zu sieben Tage am Bein verbleiben [2, 4]. Für einen Knöchel-Arm-Druck-Index von 0,6 bis 0,8, also bei einer arteriellen Durchblutungsstörung, ist die kräftige Kompressionstherapie normalerweise nicht geeignet. Allerdings gibt es spezielle „Lite-Mehrkomponentensysteme“ für Menschen mit arteriellen Durchblutungsstörungen – ohne kritische Ischämie. Im Gegensatz zu Kurzzugbinden sind Mehrkomponentensysteme weder waschbar noch wiederverwendbar. Bezieht man die Kosten für die Wundversorgung mit ein, ist ihr Einsatz kosteneffektiver, da sich der Entstauungserfolg schneller einstellt und in der ­Folge weniger Aufwendungen für Wundauflagen notwendig sind. Studien weisen auf die Überlegenheit dieser Systeme gegenüber den Kompressionsverbänden mit Kurzzugbinden hin [11].

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Abb. 5: Druckindikatoren jeweils vor und nach entsprechender Dehnung (A) und die Anlage eines Mehrkomponentensystems mit optischen Markierungen (B). Korrekt ist die Anlage, wenn ein Quadrat mit einem Kreis entsteht.

Adaptive Kompressionsbandagen
Diese moderne Versorgungsoption wird auch Klett- bzw. Wrap-Verband oder -System genannt. Sie ist eine Alternative zu den Kompressionsverbänden mit Kurzzugbinden oder Mehrkomponentensystemen. In Deutschland gibt es derzeit zwei dieser Systeme: CircAid® juxtacures der Firma medi und Juzo Compression Wrap® der Firma Juzo (Abb. 6). Bei diesen Systemen ist der Anlagedruck segmental über mehrere Klettverschlüsse einstellbar. Dies kann nach kurzer Einführung von Menschen, die noch so beweglich sind, dass sie an ihre Füße kommen, selbst übernommen werden bzw. durch Hilfe ihrer Angehörigen erfolgen [2, 4, 12]. Der erzeugte Druck ist derzeit bei einem System (CircAid® juxtacures) durch eine visuelle Messscheibe kontrollierbar. Es gibt diese Systeme für die Versorgung bei offenen Beinen mit einer Druckwertspanne von 20 bis 60 mmHg. Durch die Klettverschlüsse ist der Druck jederzeit individuell nachjustierbar. Die Bandage kann also bei einer Ödemreduktion einfach angepasst werden, während eine Kompressionsbandagierung zu erneuern ist. Es gibt adaptive Kompres­sionsbandagen derzeit mit oder ohne extra Fußbandage – je nach Hersteller. Die Produkte ohne Fußklettung haben den Vorteil, dass der Betroffene im Vergleich zu allen Bindenbandagierungen weniger Schuhprobleme hat.

Fotos: medi GmbH & Co. KG, www.medi.de; Julius Zorn GmbH, Aichach, www.juzo.de
Abb. 6: Adaptive Kompressionsbandagen Mit Klettverschlüssen kann einfach und schnell auf Schwankungen im Beinumfang reagiert werden. Links der CircAid® juxtacures der medi GmbH & Co. KG. Der Juzo® Compression Wrap (Mitte und rechts) lässt sich in zwei Segmenten einzeln und auch kombiniert anwenden.

Versorgungsmöglichkeiten in der Erhaltungsphase

Es liegt ein stabiler Zustand vor, Ödeme sind entstaut und die Ulus-Heilung schreitet voran. Jetzt entfällt die Notwendigkeit aufwendiger Kompressionsbandagierungen, da sich der Beinumfang nicht mehr fortlaufend reduziert. In dieser Phase kommen Ulkus-Strumpfsysteme (Abb. 7) oder medizinische Kompressionsstrümpfe zum Einsatz [2, 4].

Foto: K. Protz
Abb. 7: Ulkus-Strumpfsystem Der Unterziehstrumpf (oben) hat einen geringeren Kompressionsdruck und fixiert die Wundauflage, der zweite eigentliche Kompressionsstrumpf erwirkt den notwendigen therapierelevanten Druck. Unten das komplett angelegte System.

Ulkus-Strumpfsysteme bestehen aus zwei Komponenten: einem Unterziehstrumpf, der den Wundverband schützt und fixiert und einem klassischen medizinischen Kompressionsstrumpf, der den therapierelevanten Druck erwirkt. Der Unterziehstrumpf übt bereits einen leichten Druck aus, wird Tag und Nacht getragen und aus hygienischen Gründen täglich gewechselt. Daher enthält jedes System zwei Unterziehstrümpfe. Diese dienen bei einigen Produkten als Gleithilfe für den tagsüber darüber zu tragenden medizinischen Kompressionsstrumpf, der morgens vor dem Aufstehen angelegt wird. Die Kombination aus beiden Strümpfen erwirkt den erforderlichen Kompressionsdruck (meist Kompressionsklasse III), wenn der Patient tagsüber in Bewegung ist. Der Patient ist wesentlich beweglicher im Sprunggelenk im Vergleich zu phlebologischen Kompressionsverbänden mit Kompressionsbinden, hat weniger Schuhprobleme oder Einschränkungen durch verrutschte Binden. Zudem sind Betroffene oder gegebenenfalls deren Angehörige nach entsprechender Schulung oft in der Lage, solche Systeme selber an- und auszuziehen. Ulkus-Strumpfsysteme haben sich zur Therapie des Ulcus cruris venosum gegenüber den Kompressionsbandagierungen als überlegen erwiesen [2, 4, 11].

Wundversorgung

Da in der Entstauungsphase sehr viel Exsudat gebildet werden kann, sind Verbandmittel zu nutzen, die viel Exsudat aufnehmen und unter dem Druck der Kompressionsversorgung möglichst wenig wieder abgeben, z. B. Vlieskompressen mit Superabsorber. Der unterstützende Einsatz von Hydrofaser bzw. Hydrofiber oder transparenten Hautschutzfilmen (z. B. Cavilon™) kann Mazerationen von Wundrand und -umgebung vorbeugen. In der Erhaltungsphase wird die Versorgung bei mäßiger Exsudation z. B. auf feinporige Polyurethanschaumverbände umgestellt. Um die trockene, schuppige Haut weniger zu reizen, sollten Produkte ohne Kleberand und mit hautfreundlichen Silikon-Beschichtungen angewendet werden.

Prävention

Nach Abheilung der Ulzerationen wird die Versorgung auf medizinische Kompressionsstrümpfe umgestellt, um einem Rezidiv vorzubeugen. Üblicherweise sind medizinische Kompressionsstrümpfe zur Prävention lebenslang zu tragen. Oft wird hierfür eine mittlere Kompression mit Strümpfen in Kompressionsklasse (KKL) II verordnet [2, 4]. Kompressionsstrümpfe sind als Konfektionsware oder Maß­anfertigung erhältlich. Zudem gibt es verschiedene Strickverfahren: Rund- und Flachstrick. Beim Rundstrickverfahren wird der Strumpf mit einer fest definierten Anzahl an Nadeln auf einem Strickzylinder produziert und ist daher nahtlos. Es können weder zusätzliche Maschen auf- noch Maschen wieder abgenommen werden. Eine Anpassung an die Beinform erfolgt lediglich durch Änderung der Maschengröße (feste oder lockere Strickung) bzw. der Fadenspannung und ist so nur in geringem Maße möglich. Daher hat dieses Verfahren bei außergewöhnlichen Beinumfängen Grenzen. Im Flachstrickverfahren können Maschen individuell auf- oder abgenommen werden. So ist eine Anpassung auch an außergewöhnliche Beinumfänge möglich. Der Strumpf wird an einem Stück gestrickt und am Ende zusammengenäht, so dass eine Naht entsteht. Flachstrickprodukte sind deutlich gröber, fester, dicker und weniger elastisch als rundgestrickte Kompressionsstrümpfe.

Venensport als Prävention

Da die Kompressionstherapie ihre volle Wirkung erst bei Aktivierung der Muskelpumpen erlangt, sollte der Betroffene täglich Venensportübungen durchführen. Dazu gehören Fuß auf- und abwippen, Fußkreisen, Greifübungen mit den Zehen, Treppensteigen, Spazierengehen oder Nordic Walking. Als Gedächtnisstütze dient die 3-S- und 3-L-Regel: Sitzen und Stehen ist Schlecht, Lieber Laufen und Liegen.

Zudem gibt es in jeder Kompressionsklasse feinere oder gröbere Materialien für die Versorgung verschiedener Beinumfänge. Um die Akzeptanz des Betroffenen zu erhöhen, ist eine Vielzahl an Farben, Mustern, Strassbesatz, speziellen Webungen oder integrierten Pflegestoffen zur Schonung der Haut erhältlich (Abb. 8). Für die Versorgung von Menschen mit offenen Beinen ist meist eine Unterschenkelkompres­sionsversorgung ausreichend.

Foto: K. Protz
Abb. 8: Es steht mittlerweile eine große Auswahl an medizinischen Kompressionsstrümpfen in vielen Farben, Mustern, Verzierungen und Webungen zur Verfügung.

Die unterstützende Nutzung von An- und Ausziehhilfen erhöht die Selbstpflegekompetenz des Betroffenen und schont zudem das Strumpfmaterial. Da es eine Vielzahl an Modellen gibt, sollte vorab eine individuelle Beratung erfolgen.

Indikationen für das sofortige Entfernen jeder Kompres­sionsversorgung sind:

  • zunehmende Schmerzen
  • akute Bewegungseinschränkungen
  • Blau- oder Weißfärbung der Zehen
  • Missempfindungen und Taubheitsgefühle
  • Kurzatmigkeit und Schweißausbrüche

Hautpflege

Hauttrockenheit, Rötungen, Schuppungen und Juckreiz sind typische Symptome bei Menschen mit Ulcus cruris venosum. Zudem können die Kompressionsmaterialien Hautirritationen verstärken. Daher benötigt diese Haut eine tägliche Pflege zur Erhöhung der Elastizität und Minderung von Juckreiz. Hierbei kommen fetthaltige Salben-Grundlagen auf Wasser-in-Öl-Basis mit Feuchthaltefaktoren wie Urea oder Glyzerin zum Einsatz. Die Produkte sollten keine alkoholischen Zusätze oder Allergene wie Parabene, Perubalsam, Wollwachse, Propylenglykol oder Duftstoffe enthalten. Die Hautpflege sollte vor dem Anlegen von medizinischen Kompressionsstrümpfen eingezogen sein, da die Strümpfe nicht darauf gleiten und gegebenenfalls geschädigt werden können.

Fazit

Jede adäquate Kompressionsversorgung ist besser als keine! Allerdings sind Kompromisse bezüglich des Drucks bei Adhärenzproblemen des Betroffenen möglich. Der Markt bietet eine Vielzahl an Produkten und Methoden, die es ermöglichen, jedem Patienten eine individuell auf ihn ab­gestimmte Versorgung zukommen zu lassen. |

Literatur

[1] Dissemond J, Eder S, Läuchli S, Partsch H, Stücker M, Vanscheidt W. Kompressionstherapie des Ulcus cruris venosum in der Phase der Entstauung. Med Klin Intensivmed Notfmed DOI 10.1007/s00063-016-0254-9

[2] Dissemond J, Protz K, Reich-Schupke S, Stücker M, Kröger K. Kompressionstherapie des Ulcus cruris. Der Hautarzt 2016;67:311-325

[3] Diagnostik und Therapie des Ulcus cruris venosum. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie, AWMF-Leitlinien-Register Nr. 037/009, Entwicklungsstufe 3, Stand: 2008, www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/037–009.html

[4] Protz K, Dissemond J, Kröger K. Kompressionstherapie – Ein Überblick für die Praxis. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2016

[5] Stücker M, Altmeyer P, Reich-Schupke S. Therapie des Ulcus cruris venosum - Neues und Bewährtes. Der Hautarzt 2011;62:504-508

[6] Partsch H, Clark M, Mosti G, Steinlechner E, Schuren J, Abel M, Benigni JP, Coleridige-Smith P, Cornu-Thénard A, Flour M, Hutchinson J, Gamble J, Issberner K, Juenger M, Moffatt C, Neumann HAM, Rabe E, Uhl JF. Classification of compression bandages: practical aspects. Dermatol Surg 2008;34(5):600-609

[7] Heyer K, Protz K, Augustin M. Compression therapy – cross-sectional observational survey about knowledge and practical treatment of specialised and non-specialised nurses and therapists. Int Wound J 2017;14(6):1148-1153

[8] Jünger M, Ludwig A, Bahboht S, Haase H. Comparison of interface pressures of three compression bandaging systems used on healthy volunteers. J Wound Care 2009;18(11):476–480

[9] Protz K, Heyer K, Dörler M, Stücker M, Hampel-Kalthoff C, Augustin M. Kompressionstherapie – Kenntnisse und Anwendungspraxis. J Dtsch Dermatol Ges 2014;12:794-801

[10] Weindorf M, Stoffels I, Klode J, Dissemond J. Einfluss visueller Kontrollsysteme auf den Druck von Kompressionsverbänden – Erste Resultate einer prospektiven klinischen Untersuchung verschiedener Anwenderkollektive. Phlebologie 2012;41:18-24

[11] O`Meara S, Cullum N, Nelson EA, Dumville JC. Compression for venous leg ulcers. Cochrane Database Syst Rev 2012;11:CD000265

[12] Mosti G, Cavezzi A, Partsch H, Urso S, Campana F. Adjustable Velcro Compression Devices are more effective than inelastic bandages in reducing venous edema in the initial treatment phase: a randomized controlled trial. Eur J Vasc Endovasc Surg 2015;50:358-374

Autorin

Kerstin Protz, Krankenschwester, Projektmanagerin Wundforschung am Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP) am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf, Referentin für Wundversorgungskonzepte, Vorstandsmitglied Wundzentrum Hamburg e. V.

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