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Dermatologie
Juckreiz, Schuppen, Rötung
Pathogenese und leitliniengerechte Therapie der atopischen Dermatitis
Die atopische Dermatitis (AD), früher als Neurodermitis bezeichnet, ist eine chronisch oder chronisch rezidivierende Hauterkrankung, an der rund 23% der Säuglinge und Kleinkinder in Deutschland leiden. Damit ist sie die häufigste chronische Erkrankung dieser Altersklasse. Mit zunehmendem Alter sinkt die Prävalenz, sodass nur noch 2 bis 4% der Erwachsenen betroffen sind. 30% der im Kindesalter betroffenen Patienten entwickeln jedoch auch im Erwachsenenalter Ekzeme. Kennzeichen einer atopischen Dermatitis sind gerötete und entzündete Hautstellen, von denen ein starker Juckreiz ausgeht. Sowohl Aussehen als auch Lage dieser Hautläsionen sind altersabhängig und können jederzeit spontan auftreten oder abheilen (s. Abb. 1). Die atopische Dermatitis kann gemeinsam mit weiteren Erkrankungen des atopischen Formenkreises auftreten, zum Beispiel allergischen Reaktionen des Sofort-Typs inklusive Asthma und allergischer Rhinokonjunktivitis. Weitere Komorbiditäten sind Infektionen der geschädigten Haut, Ichtyosis vulgaris (eine Fillagrin-Mutation, die zur Barriere-Störung der Haut führt) und Alopezia areata, der kreisrunde Haarausfall. Die Diagnostik der atopischen Dermatitis beinhaltet die Begutachtung des gesamten Hautorgans und die Ermittlung möglicher Auslöser. Ebenso sind eine positive Familienanamnese und frühe Erstmanifestation Charakteristika einer atopischen Dermatitis. Differenzialdiagnostisch sind (eventuell durch eine Biopsie) vor allem das seborrhoische Ekzem im Säuglingsalter und das Ekzemstadium des akuten T-Zell-Lymphoms im Erwachsenenalter auszuschließen. Auch Psoriasis, Skabies, Immundefektsyndrome und andere Ekzemkrankheiten stellen weitere Differenzialdiagnosen dar [1].
Der größte Risikofaktor zur Entwicklung einer atopischen Dermatitis ist eine positive Familienanamnese, da die Auswertung mehrerer Zwillingsstudien genetische Ursachen vermuten lässt [2]. Diverse Umweltfaktoren, Nahrungsmittelallergene und Stress können die Erstmanifestation oder Exazerbation einer atopischen Dermatitis hervorrufen. Des Weiteren zeigen die meisten Patienten mit einer atopischen Dermatitis eine Hautbesiedlung mit Staphylococcus aureus, dessen übermäßiges Wachstum ebenfalls als Auslöser betrachtet wird [3].
Die atopische Dermatitis tritt in zwei Formen auf – der extrinsischen (ca. 80%) und der intrinsischen (ca. 20%). Sie unterscheiden sich vor allem aufgrund ihres inflammatorischen Signalwegs. Der auffälligste Unterschied besteht in einem stark erhöhten IgE-Spiegel bei der extrinsischen Form, der bei der intrinsischen Erscheinungsform im normalen Bereich liegt. Außerdem ist eine positive Familienanamnese bei der Entwicklung einer intrinsischen atopischen Dermatitis weniger häufig. Beide Formen zeigen eine verstärkte Immunantwort über den TH2-Signalweg, die intrinsische Form zusätzlich über den TH17- und TH22-Signalweg [4] (Abb. 2).
Im Gegensatz zur Psoriasis, bei der der TH17-Signalweg (Interleukin 23, IL-23) die wichtigste Rolle spielt, ist die akute atopische Dermatitis durch einen erheblich erhöhten Spiegel der TH2-Signalweg-Zytokine (IL-4, IL-5, IL-13, IL-31 und CCL18) und der TH22-Signalweg-Zytokine (IL-22 und S100-Calcium-bindende Proteine) charakterisiert. Im Gegensatz zur akuten atopischen Dermatitis weist die nicht-läsionale (chronische) AD nur leicht gestiegene Zytokin-Werte der TH2-, TH22- und TH17-Signalwege auf. Die dauerhafte Entzündungsreaktion bewirkt, dass die Differenzierung der Hautzellen gestört und die Hautbarriere geschädigt wird [5, 6]. Aufgrund der nicht ausreichenden Kenntnisse zu den ursächlichen Mechanismen der atopischen Dermatitis ist eine vollständige Heilung kaum möglich. Hauptziel ist es, die bestehenden Symptome zu kontrollieren und einen erneuten Schub nach Möglichkeit hinauszuzögern. Der weltweite Markt der Therapeutika für die atopische Dermatitis wird von topischen Glucocorticoid-Zubereitungen dominiert. Sie machen 61% der Umsätze aus, gefolgt von 29% Umsatzanteilen systemischer Arzneimittel. Topische Immunmodulatoren sind für 10% und der Phosphodiesterase-4(PDE-4)-Inhibitor Crisaborol, der derzeit nur in den USA zugelassen ist, für 0,3% der Umsätze verantwortlich [7].
Leitlinie zur Therapie der atopischen Dermatitis
Die derzeitigen Behandlungsstrategien der atopischen Dermatitis in der deutschen Leitlinie gliedern sich in ein Vier-Stufenschema und sind vor allem Glucocorticoid-gestützt (s. Abb. 3).
Die erste Stufe ist die Anwendung von Basistherapeutika zur Vorbeugung trockener Haut und zum Schutz der natürlichen Hautbarriere. Je nach Hautzustand werden hier O/W- oder W/O-Emulsionen empfohlen, ein Zusatz von Harnstoff oder Glycerin ist abzuwägen.
Beim Auftreten leichter Ekzeme wird in Stufe zwei ein schwachwirksames Glucocorticoid (z. B. Hydrocortisonacetat) topisch angewendet, das nach Abheilen in einer Intervall-Therapie oder einer proaktiven Nachbehandlung fortgeführt wird. Bereits in der zweiten Stufe ist ein topischer Calcineurin-Inhibitor (Ciclosporin A, Tacrolimus und andere) alternativ zum Glucocorticoid oder als Add-on möglich. Insbesondere in problematischen Bereichen wie dem Gesicht und Genitalbereich sowie der behaarten Kopfhaut (Capillitium) und dem Windelbereich (CAVE: Okklusion → Resorptionserhöhung) bei Säuglingen ist eine Therapiedauer von nur wenigen Tagen möglich. In problematischen Hautarealen ist ein Calcineurin-Inhibitor bei notwendiger Langzeitbehandlung Mittel erster Wahl.
Bei moderaten Ekzemen wird nach Stufe drei behandelt und die Potenz des Glucocorticoids gesteigert (z. B. Triamcinolonacetonid). Auch hier ist eine Alternative zum Glucocorticoid möglich. Tacrolimus ist erst ab 17 Jahren beziehungsweise bei jüngeren Kindern erst nach besonderer Aufklärung der Eltern anzuwenden, da hier aufgrund einer möglichen Erhöhung der Hautkrebswahrscheinlichkeit auf Sonnenschutz zu achten ist. Bei viralen Infektionen und einer Phototherapie muss die Applikation unterbrochen werden. Auch in der dritten Stufe wird eine Intervalltherapie oder proaktive Nachbehandlung angestrebt.
Die vierte Stufe sieht bei persistierenden schweren Ekzemen eine immunmodulierende, orale Dauertherapie vor. Mit Glucocorticoiden soll aufgrund des hohen systemischen Nebenwirkungspotenzials nur kurzfristig peroral behandelt werden. Zur immunmodulierenden Therapie wird in Deutschland hauptsächlich Ciclosporin A empfohlen, nach Versagen auch Azathioprin, das vermehrt in den USA eingesetzt wird. Beide Arzneistoffe erfordern wegen erhöhter Hautkrebsgefahr einen strikten Sonnenschutz. Bei Azathioprin muss zur Dosisfindung der Thiopurinmethyltransferase-Spiegel bestimmt werden. Die Thiopurinmethyltransferase ist an der Inaktivierung von Thiopurinen wie Azathioprin beteiligt. Durch Variationen im entsprechenden Gen können eine verringerte Enzymaktivität und damit eine Erhöhung der Konzentration an aktivem Thiopurin-Wirkstoff die Folge sein.
Weitere Therapieoptionen bei Ciclosporin-Versagen stellen Methotrexat und Mycophenolatmofetil dar. Bei einem zusätzlichen Handekzem kann auch Alitretinoin erwogen werden. In der Leitlinie aus dem Jahr 2012, die noch bis Mitte 2018 gültig ist, werden Biologicals aufgrund der zu diesem Zeitpunkt unzureichenden Studienlage nicht bewertet und empfohlen. Die Zulassung von Dupilumab ist in der Leitlinie nicht berücksichtigt [8]. In die aktuell europäische Konsensus-basierte Leitlinie aus 2018 ist Dupilumab jedoch als Therapieoption in der vierten Stufe bei Versagen topischer Therapie und Ausschluss anderer systemischer Optionen aufgenommen [8a, 15].
Als nicht-medikamentöse Maßnahmen werden Neurodermitis-Schulungen, Selbsthilfegruppen und Eliminationsdiäten nach entsprechender Abklärung empfohlen. Auch eine Milbenreduktion und eine psychologische Therapie können bei klarer Indikation empfohlen werden. Erwogen werden können eine UV-A/UV-B-Phototherapie, bei schweren Verläufen der atopischen Dermatitis auch eine Immunabsorption und eine extrakorporale Photopherese. Hervorzuheben ist, dass die deutsche Leitlinie in keiner Phase eine Empfehlung für Polidocanol, Gerbstoffe, Zink, Mastzellstabilisatoren, Ketotifen, Laktobazillen oder ω-6-Fettsäuren ausspricht. Lediglich in Ausnahmefällen ist die Einnahme von H1-Antihistaminika sinnvoll [1]. |
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