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- DAZ 34/2018
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Recht
Anzeigen oder nicht?
Rechtssicherer Umgang mit Rezeptfälschungen
Ein Bruch der apothekerlichen Schweigepflicht hat strafrechtliche Folgen. So stellt § 203 Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) unmissverständlich klar, dass eine solche Verletzung mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe geahndet werden kann. Daneben drohen dem Apotheker auch erhebliche berufsrechtliche Folgen, die bis zum Entzug der Approbation oder einem Berufsverbot reichen können.
Grenzen der Schweigepflicht
Der Umfang der Schweigepflicht ist allerdings nicht eindeutig. Wie soll sich etwa der Apotheker verhalten, wenn ihm oder Mitarbeitern ein Rezept vorgelegt wird, an dessen Echtheit er Zweifel hat? Muss er auch dann schweigen, wenn der auf dem Rezept genannte Patientenname möglicherweise gar nicht echt ist und er ein strafbares Verhalten des Patienten vermutet? Darf er sich in diesem Fall an den etwaig verschreibenden Arzt oder gar an die Polizei wenden oder setzt er sich dem Risiko einer eigenen Strafbarkeit aus?
Welche rechtliche Möglichkeiten der Apotheker hat, soll anhand von drei praktisch relevanten Fallbeispielen verdeutlicht werden:
Fall 1
In der M. Apotheke erscheint ein Kunde mit einem (angeblich) von Dr. med. S. ausgestellten Rezept für Tilidin-Tabletten. Da der Aufdruck der Adresse nicht vollständig ist und das Rezept auch nicht magnetcodiert ist, kommen bei der Mitarbeiterin des Apothekers Zweifel an seiner Echtheit auf. Sie zeigt das Rezept dem Apotheker, der sich nunmehr bei Dr. med. S. informieren möchte, ob dieser das Rezept ausgestellt hat.
Bereits an dieser Stelle, also der Rückfrage des Apothekers bei dem vorgeblich behandelnden Arzt, lauern erste Fallstricke. Denn die durch § 203 StGB sanktionierte Schweigepflicht gilt auch zwischen Berufsgeheimnisträgern (BGH, Urteil vom 11.12.1991, Az.: VIII ZR 4/91). Somit darf sich der Austausch zwischen Ärzten untereinander oder Arzt und Apotheker nicht ohne Weiteres auf sensible Patienteninformationen beziehen. Auch in diesem Verhältnis besteht das Risiko einer Strafbarkeit. Dass der Mitteilungsempfänger, also der Arzt oder Apotheker, selbst schweigepflichtig ist, ist dabei irrelevant.
Bei einem etwaigen Anruf eines Apothekers bei dem verordnenden Arzt ist jedoch eine rechtliche Besonderheit zu beachten: So setzt die Verwirklichung des Straftatbestandes voraus, dass dem verschreibenden Arzt die Information bislang noch unbekannt gewesen ist. Dies bedeutet, dass der verschreibende Arzt bislang noch keine Kenntnis von der Erkrankung des Patienten bzw. von der gewählten Art der Medikation gehabt haben darf. Dies ist bei einem behandelnden Arzt, der auch das einzulösende Rezept ausgestellt hat, indes nicht der Fall. Diesem ist – im Zweifel bereits deutlich vor dem Apotheker – bekannt, woran der Patient leidet und welche Arzneimittel er verschrieben hat, so dass der Apotheker ihm durch einen Anruf kein „Geheimnis“ offenbaren kann. Bereits dies schließt einen Bruch der Schweigepflicht und damit auch eine Strafbarkeit aus. Stellt sich im Rahmen des Telefonates heraus, dass der Arzt nicht der Verordner ist, unterliegt der Apotheker einem Irrtum, der den Straftatbestand ausschließt.
Für diese Auffassung streitet auch § 17 Abs. 8 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO). Hiernach hat das pharmazeutische Personal einem erkennbaren Arzneimittelmissbrauch in geeigneter Weise entgegenzutreten. Entsprechend wird in der Literatur zutreffend darauf verwiesen, dass der Apotheker sich unverzüglich über die Verdachtsmomente vergewissern muss und bei dem Arzt, den das Rezept ausweist, Rückfrage halten muss (Erbs/Kohlhaas-Senge/Hadamitzky, Kommentar zur ApBetrO, April 2018, § 17 Rn. 17). Bei einem begründeten Missbrauchsverdacht ist die Abgabe zu verweigern.
Fall 2
Der Apotheker der M. Apotheke hat im Rahmen des Telefonates mit dem vorgeblich behandelnden Arzt erfahren, dass dieser die Tabletten nicht verschrieben hat. Er stellt sich nunmehr die Frage, ob er die Polizei über die mögliche Rezeptfälschung informieren darf.
Zunächst gilt, dass der Apotheker durch seine Schweigepflicht gebunden ist, die nicht grundsätzlich durch den Verdacht einer strafrechtlichen Handlung eines Kunden aufgehoben wird. Eine Strafanzeige wäre nur dann gerechtfertigt, wenn der Apotheker zur Information der Polizei verpflichtet oder zumindest berechtigt ist.
Eine Pflicht zur Erstattung von Strafanzeigen und damit zur Information der Polizei ist im deutschen Strafrecht eine Ausnahme und nicht in hier nicht relevanten Sonderfällen einschlägig (vgl. § 138 StGB).
Es stellt sich somit die Frage, ob der Apotheker zumindest das Recht hat, die Polizei zu informieren, auch wenn er hierzu nicht verpflichtet ist. Diese Frage ist in der Rechtsprechung nicht entschieden. Sie setzt eine Rechtsgüterabwägung im Einzelfall voraus. In diese Abwägung muss die Vorschrift des § 17 Abs. 8 ApBetrO einfließen, wonach der Apotheker einem erkennbaren Arzneimittelmissbrauch in geeigneter Weise entgegenzutreten hat und bei begründetem Missbrauchsverdacht die Abgabe verweigern muss (s. o.). Darüber hinaus wird der bloße Anruf beim verordnenden Arzt nicht weiterhelfen. Denn der Kunde könnte bei fehlender Unterstützung staatlicher Ermittlungsbehörden den Versuch unternehmen, das Rezept bei einer anderen Apotheke einzureichen. Der Anruf bzw. die Strafanzeige dient demnach nicht nur der Verfolgung einer bereits begangenen Straftat (Fälschung des Rezeptes), sondern auch der Verhinderung weiterer Straftaten wie der Verwendung gefälschter Rezepte oder insbesondere dem Handel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln oder gar Betäubungsmitteln (Beschaffungskriminalität). Dies sind erhebliche Straftaten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität. Überdies dient die Anzeige auch dem Schutz der Mitarbeiter.
Es ist ferner fraglich, ob der Kunde in diesen Fällen überhaupt schutzbedürftig ist, denn er wird im Zweifelsfall auch nicht seine „echten“ Daten angeben. Insofern ist es auch nur verständlich, dass das Landeskriminalamt (LKA) Berlin eine Rufnummer bereithält, unter der der Apotheker Rezeptfälschungen melden kann. Es ist nicht zu unterstellen, dass das LKA Apotheker in eine strafrechtliche Problematik „reinlaufen“ lässt.
Bei derart erheblichen Rechtsverstößen müssen die Apotheker zur Information der Strafverfolgungsbehörden demnach berechtigt sein.
Auszug aus dem Strafgesetzbuch (StGB)
§ 203 Verletzung von Privatgeheimnissen
(1) Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als
1. Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehörigen eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert,
2. Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlussprüfung,
3. Rechtsanwalt, Kammerrechtsbeistand, Patentanwalt, Notar, Verteidiger in einem gesetzlich geordneten Verfahren, Wirtschaftsprüfer, vereidigtem Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten oder Organ oder Mitglied eines Organs einer Rechtsanwalts-, Patentanwalts-, Wirtschaftsprüfungs-, Buchprüfungs- oder Steuerberatungsgesellschaft,
4. Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater sowie Berater für Suchtfragen in einer Beratungsstelle, die von einer Behörde oder Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt ist,
5. Mitglied oder Beauftragten einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes,
6. staatlich anerkanntem Sozialarbeiter oder staatlich anerkanntem Sozialpädagogen oder
7. Angehörigen eines Unternehmens der privaten Kranken-, Unfall- oder Lebensversicherung oder einer privatärztlichen, steuerberaterlichen oder anwaltlichen Verrechnungsstelle
anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
Auszug aus der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO)
§ 17 Erwerb und Abgabe von Arzneimitteln und Medizinprodukten
(8) Das pharmazeutische Personal hat einem erkennbaren Arzneimittelmissbrauch in geeigneter Weise entgegenzutreten. Bei begründetem Verdacht auf Missbrauch ist die Abgabe zu verweigern.
Fall 3
Der Apotheker in der M. Apotheke stellt fest, dass eine seiner Mitarbeiterinnen das beschriebene Tilidin-Rezept eingelöst hat. Ihr waren die Anhaltspunkte für eine Rezeptfälschung nicht aufgefallen, während der Apotheker diese nun erkennt. Er stellt sich erneut die Frage, ob er die Polizei informieren soll und darf.
Soweit die auf einer (vermeintlichen) Rezeptfälschung angegebenen Arzneimittel tatsächlich bereits abgegeben worden sind, ist der Apotheker nach einhelliger Auffassung ohne Weiteres berechtigt, die Polizei zu informieren. So befinden sich Arzneimittel, die stark enthemmende und aggressionssteigernde Wirkung entfalten können, im Umlauf. Dies führt zu einer erheblichen Gefährdung für Rechtsgüter der Allgemeinheit (Sicherheit im Straßenverkehr, etwaige Gewaltdelikte), die einen Bruch der Schweigepflicht des Apothekers rechtfertigen.
In Zweifelsfällen sollte zuvor anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden, um sich nicht angreifbar zu machen. |
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