Arzneimittel und Therapie

Salzscheue Mitbewohner

Laktobazillen verhindern salzinduzierten Blutdruckanstieg

Bei über 30.000 wissenschaftlichen Publikationen zum Zusammenhang von Kochsalzzufuhr und Blutdruck scheint inzwischen alles zu diesem Thema gesagt zu sein. Dass dem nicht so ist, zeigen Forschungsergebnisse, die unser Verständnis der kardiologischen Effekte von Kochsalz revolutionieren könnten.

Bereits seit einigen Jahren wird die Bedeutung der menschlichen Darmbakterien für die Entstehung von Bluthochdruck diskutiert [1]. Die Ergebnisse einer Berliner Forschergruppe weisen nun auf einen völlig neuen Pathomechanismus hin [2]: Eine salzreiche Ernährung reduziert die Laktobazillen im Darm, wodurch der Blutdruck ansteigt. Umgekehrt könnte die Aufnahme dieser Laktobazillen mit der Nahrung einen Blutdruckanstieg durch salzreiche Ernährung verhindern. Die Studienergebnisse liefern eine mögliche Erklärung dafür, weshalb der Blutdruck bei verschiedenen Menschen unterschiedlich empfindlich auf die Kochsalzzufuhr reagiert (Stichwort „Salzsensitivität“) – die individuelle Zusammensetzung des Darmmikrobioms könnte der Schlüssel dazu sein.

Zunächst beobachteten die Wissenschaftler, dass sich bei Mäusen, deren Futter mit einer erhöhten Salzkonzen­tration versetzt wurde (4%), das Darmmikrobiom veränderte. Besonders markant war der Rückgang des Milchsäurebakteriums Lactobacillus murinus. Und auch in Zellkulturen zeigte sich: Die Milchsäurebakterien vertragen keine salzreiche Umgebung. Im nächsten Schritt konnte gezeigt werden, dass die Gabe von L. murinus den Blutdruckanstieg durch salzreiche Kost bei Mäusen verhinderte.

In einer kleinen Pilotstudie mit zwölf Probanden untersuchten die Wissenschaftler daraufhin, ob diese Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind. Die Umstellung der Probanden auf eine sehr salzreiche Ernährung (14 g Kochsalz pro Tag) führte sowohl zu einem Blutdruckanstieg als auch zum Rückgang von L. murinus im Darm. Bei Probanden, die zusätzlich zu der salzreichen Kost ein Probiotikum mit Milchsäurebakterien erhielten, stieg der Blutdruck hingegen nicht. Es gibt bereits erste Hinweise, wie die Milchsäurebakterien dies bewirken: L. murinus verhindert die Induktion von T-17-Helferzellen, die nicht nur an verschiedenen immunologischen Reaktionen, sondern auch an der Blutdruckerhöhung beteiligt sind.

Bevor nun der Rat gegeben wird, die negativen Folgen einer salzreichen Ernährung durch einen Joghurt zwischendurch zu kompensieren, müssen natürlich weitere Studien folgen. |

Quelle

[1] Jose PA, Raj D. Gut microbiota in hypertension. Curr Opin Nephrol Hypertens 2015;24(5):403-9

[2] Wilck N. Salt-responsive gut commensal modulates TH17 axis and disease. Nature 2017;551(7682):585-589

Prof. Dr. Martin Smollich

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.