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Elektronisches Rezept kommt im Südwesten
Modellprojekt in Baden-Württemberg: Ärzte schicken digitale Verschreibung an Apotheken
Eigentlich ist deutschen Ärzten die Fernbehandlung verboten. Die Berufsordnungen erlauben eine Behandlung per Telefon oder Internet nur, wenn der Arzt den Patienten schon kennt. Und den Apotheken ist es verboten, Rezepte zu beliefern, die erkennbar ohne direkten Kontakt zwischen Arzt und Patient ausgestellt wurden. Doch seit Sommer 2016 erlaubt die Berufsordnung der Ärzte in Baden-Württemberg Modellprojekte, um die Fernbehandlung zu erproben (s. Kasten „Baden-Württemberg erlaubt Fernbehandlung im Modellversuch“). Der Präsident der Ärztekammer Baden-Württemberg, Dr. Ulrich Clever, sagte dazu im März 2017: „Erstmals in Deutschland gestatten wir, dass ärztliche Behandlungen ausschließlich über Kommunikationsnetze durchgeführt werden. In einer Erprobungsphase wird dies im Rahmen von Modellprojekten geschehen.“ Das sei ein echter Paradigmenwechsel, da bisher nur „Bestandspatienten“ telemedizinisch betreut werden durften. Man reagiere nicht zuletzt auf eine große Nachfrage unter den Ärzten nach solchen Lösungen. Aber auch in der Politik, bei den Krankenkassen und in der Industrie sei „das Interesse riesig“. Immerhin seien solche Angebote in anderen Ländern längst Versorgungsrealität. Clever: „Wir sehen in den Modellprojekten vielfältige Chancen für die Zukunft, gerade auch vor dem Hintergrund der Demografie und des technisch Machbaren. Und wir gehen davon aus, dass wir mit unserem Weg auch dem allenthalben spürbaren Ärztemangel ein Stück weit begegnen können.“
Baden-Württemberg erlaubt Fernbehandlung im Modellversuch
Paragraf 7 Absatz 4 der Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg erlaubt seit dem Sommer 2016, die Fernbehandlung in Modellversuchen zu erproben:
„Ärztinnen und Ärzte dürfen individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchführen. Auch bei telemedizinischen Verfahren ist zu gewährleisten, dass eine Ärztin oder ein Arzt die Patientin oder den Patienten unmittelbar behandelt. Modellprojekte, insbesondere zur Forschung, in denen ärztliche Behandlungen ausschließlich über Kommunikationsnetze durchgeführt werden, bedürfen der Genehmigung durch die Landesärztekammer und sind zu evaluieren.“
Vorerst nur Privatversicherte und Selbstzahler
Das große Interesse unter Ärzten spürt auch Katharina Jünger, eine der Gründerinnen und Geschäftsführerin des Internetportals TeleClinic. Dieses hat die Ausschreibung der Ärztekammer für eines der Projekte gewonnen. Mit an Bord sind auch die Apotheken vor Ort, die die elektronischen Rezepte beliefern sollen. Die Landesapothekerkammer (LAK) Baden-Württemberg war frühzeitig eingebunden und sieht das Projekt durchaus positiv, wie LAK-Präsident Dr. Günther Hanke auf der letzten Kammerversammlung im November sagte. Nun startet der Modellversuch, vorerst aber nur mit Privatversicherten und Selbstzahlern.
Und so funktioniert das Konzept: Nachdem sich der Patient bei TeleClinic angemeldet hat, kann er sich dort telefonisch, online oder per App melden und sein Problem schildern. Eine medizinische Assistenz nimmt die Patientendaten auf und sammelt alle relevanten Dokumente. Dann organisiert sie eine Telekonsultation durch einen passenden Arzt zum vom Patienten gewünschten Zeitpunkt. Diese findet per Videotelefonie über die TeleClinic-Plattform statt. Der Arzt dokumentiert diese Beratung in der Patientenakte, die ebenfalls auf der Plattform gespeichert ist. Über 150 Fachärzte aus ganz Deutschland machen schon mit, abgedeckt werden 30 Fachrichtungen, darunter Orthopädie, Pädiatrie, Dermatologie, Psychiatrie und Gynäkologie.
Das Besondere im Modellversuch Baden-Württemberg ist, dass der Arzt im Zuge der Telekonsultation auch eine Erstdiagnose stellen und Arzneimittel verschreiben darf. Die Rezepte werden elektronisch direkt an die gewünschte Apotheke geschickt. Allerdings ist den deutschen Apotheken nach § 48 Arzneimittelgesetz (AMG) eigentlich die Belieferung von Rezepten verboten, wenn für die Apotheke erkennbar ist, dass sie ohne direkten Kontakt zwischen Arzt und Patient ausgestellt wurden („Lex DrEd“, s. Kasten „Apotheken dürfen keine ‚Fern-Rezepte‘ beliefern“). Ausländische Versandapotheken dagegen dürfen solche Rezepte deutscher Kunden bedienen. Um die Apotheke vor Ort trotzdem in das baden-württembergische Modellprojekt einbinden zu können, beruft sich TeleClinic auf die Formulierung, dass von dem Verbot „in begründeten Einzelfällen“ abgewichen werden darf. Dieser Argumentation hat sich nicht nur die Landesärztekammer angeschlossen, sondern auch das Landesministerium für Soziales und Gesundheit, das Bundesgesundheitsministerium sowie die Landesapothekerkammer, wie TeleClinic-Chefin Jünger stolz erzählt.
Apotheken dürfen keine „Fern-Rezepte“ beliefern
Seit der im Herbst 2016 verabschiedeten 4. AMG-Novelle ist den Apotheken im § 48 Arzneimittelgesetz die Belieferung von Rezepten verboten, die erkennbar ohne direkten Arzt-Patienten-Kontakt ausgestellt wurden. In Anlehnung an die Internetseite DrEd.com aus Großbritannien, die v. a. Verschreibungen für die Antibaby-Pille und Potenzmittel ausstellt, wird diese Regelung auch „Lex DrEd“ genannt. Wörtlich heißt es im § 48 AMG:
„(…) Eine Abgabe von Arzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, darf nicht erfolgen, wenn vor der ärztlichen oder zahnärztlichen Verschreibung offenkundig kein direkter Kontakt zwischen dem Arzt oder Zahnarzt und der Person, für die das Arzneimittel verschrieben wird, stattgefunden hat. Hiervon darf nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden, (…).“
Apotheken erhalten digitale Rezepte über apotheken.de
Wie aber kommen die elektronischen Rezepte in die Apotheke? Die digitalen Verschreibungen müssen mit einer qualifizierten elektronischen Signatur ausgestattet an die Apotheken übermittelt werden. Dazu arbeitet TeleClinic mit apotheken.de zusammen, dem Online-Service des Deutschen Apotheker Verlags. Dieser bietet für über 7000 Apotheken in ganz Deutschland Online-Services wie Websites, Newsletter, Apotheken-Apps, Online-Sichtwahl und eine Online-Arzneimittelreservierung an. Mit dieser Technik kann das elektronische Rezept in die teilnehmenden Apotheken gelangen, erklärt Thomas Koch, apotheken.de-Projektleiter. Die Apotheke bekommt das Rezept als „Reservierung“ eines Arzneimittels angezeigt. Das elektronische Rezept wird von der Apotheke dann im persönlichen Bereich auf mein.apotheken.de eingesehen, heruntergeladen und ausgedruckt. Da sich der Modellversuch – zumindest in der ersten Stufe – nur an Privatpatienten richtet, wird das Rezept ausgedruckt, ganz normal abgestempelt und dem Kunden mitgegeben, der es dann bei seiner Krankenversicherung einreichen kann.
Die einzige Voraussetzung für die Apotheken, um an dem Modellprojekt teilzunehmen, ist die Anbindung an das „Reservierungssystem“ von apotheken.de, für das eine monatliche Gebühr anfällt. In Baden-Württemberg muss die Apotheke übrigens nicht angesiedelt sein: Die Ausnahmeregelung gilt für alle deutschen Apotheken, stellt Jünger klar. Auch der Wohnort der Patienten sei irrelevant. Nur die Ärzte müssen Mitglied der hiesigen Ärztekammer sein, damit die Berufsordnung für sie gilt.
An ausländische Versandapotheken können die digitalen Rezepte aus dem Modellversuch nicht geschickt werden – das war eine der Voraussetzungen dafür, dass die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg grünes Licht gegeben hat. Auch apotheken.de hat dies zur Bedingung der Teilnahme gemacht, wie Projektleiter Koch betont.
Bisher ist das Modellprojekt nur für Privatversicherte und Selbstzahler zugänglich. Die privaten Krankenversicherungen Barmenia und Debeka sind als offizielle Projektpartner dabei, aber auch jeder andere Privatversicherte kann die Rezepte einreichen, wie TeleClinic erklärt. Ein vergleichbares Projekt für gesetzlich Versicherte steht aber schon in den Startlöchern, ab dem 1. März sollen in den Modellregionen Stuttgart und Tuttlingen auch Kassenärzte aus der Ferne behandeln. Auch bei „Doc Direkt“ sind die Dienstleister TeleClinic und apotheken.de wieder dabei. |
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