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Beratung

(K)ein banaler Infekt

Das verschnupfte Baby ist anatomisch und immunologisch ein anderes Wesen

Banal oder grippal heißen Atemwegsinfekte, die durch eine Vielzahl von Viren verursacht werden und meist absteigend Nase, Rachen, Kehlkopf und Bronchien befallen. So weit gilt dies für alle Altersstufen. Das Kindesalter hat aber einige Besonderheiten, die nicht nur die häufigen Infekte bedingen, sondern auch schneller zu Atemproblemen führen. Mit Blick aufs therapeutische Arsenal lassen sich verschnupfte Babys und Kleinkinder ohnehin nicht als „kleine Erwachsene“ behandeln. | Von Ralf Schlenger

Bei Kindern im Vorschulalter gelten bis zu zwölf banale Infekte pro Jahr als normal. Dass ihr Kind, statistisch gesehen, alle vier Wochen verschnupft ist und hustet, verleitet Eltern manchmal zu Fehlannahmen. Sie denken an Rückfälle, an eine chronische Infektion, oder befürchten eine besondere Infektanfälligkeit oder eine Allergie. Diese Möglichkeiten sind nicht ausgeschlossen und sollten gegebenenfalls ärztlich abgeklärt werden. Meist ist es jedoch so, dass in kurzen Abständen immer neue akute virale Infekte auftreten. Im Wesentlichen zeichnen drei Faktoren für die Infekthäufung im Kindesalter verantwortlich.

Die anatomischen Verhältnisse: Beim Baby sind die inneren Nasengänge nur millimetergroß, auch beim jungen Kleinkind ist das Nasenlumen noch sehr eng, ebenso der Übergang in den Rachen. Das hat zur Folge, dass schon eine geringe Schleimhautschwellung die Nasenatmung maßgeblich einschränkt und das Kind zwingt, durch den Mund zu atmen. Im Säuglingsalter besteht weiterhin eine Weichheit des Kehlkopfknorpels und der Epiglottis (eine mit Schleimhaut überzogene Knorpelplatte oberhalb des Larynx), die eine inspiratorische Atemnot begünstigt. Diese Besonderheit verliert sich innerhalb des ersten Lebensjahres. Ein weiteres Entwicklungsmerkmal ist die kurze, enge Ohrtrompete, die vom Nasenrachen zum Mittelohr zieht. Auch hier führt eine Schwellung schnell zur Verlegung mit der Gefahr der Otitis media.

Das unreife Immunsystem: Das Neugeborene besitzt eine immunologische Grundausstattung durch maternale Antikörper, den „Nestschutz“, der die ersten paar Monate anhält. Jeder Kontakt mit neuen Erregern aus der Umwelt trainiert fortan das kindliche Immunsystem – ein absolut normaler und notwendiger Prozess. Ein durch übertriebene Hygiene und Isolierung unterfordertes Immunsystem gilt als anfälliger für Allergien. Die Reifung der humoralen und zellulären Immunabwehr ist erst mit rund zehn Jahren abgeschlossen.

Die Exposition: Sechs bis acht Infekte pro Jahr sind ein Durchschnittswert, bis zu zwölf leichte Infekte gelten noch als normal. Es besteht eine Abhängigkeit von der Exposition mit neuen Erregern: Die Zahlen steigen also in der kalten Jahreszeit und in Phasen, in denen das Kind mit neuen Geschwistern oder anderen Kindern in Kontakt kommt, etwa beim Eintritt in Krippe oder Kindergarten.

Altersgruppe und Atemfrequenz

Dass Kleinkinder „hektisch“ atmen, muss nicht beunruhigen: Die Atemfrequenz ist stark altersabhängig und beträgt in Ruhe normalerweise:

  • etwa 40 bis 50 Atemzüge/Minute beim Neugeborenen (erste vier Lebenswochen)
  • etwa 30 bis 40 Atemzüge/Minute beim Säugling (erstes Lebensjahr)
  • etwa 20 bis 30 Atemzüge/Minute beim Kleinkind (bis sechs Jahre)
  • beim älteren Kind etwa 16 bis 25 Atemzüge/Minute
  • beim Erwachsenen etwa 12 bis 18 Atemzüge/Minute.

„Babyschnupfen“: wann harmlos?

Aufgrund der anatomischen Gegebenheiten kann schon ein leichtes Anschwellen der Atemwegsschleimhäute beim Säugling zu Atemproblemen führen. Dazu muss noch nicht einmal ein Infekt vorliegen, die Schleimhäute können auch in Abhängigkeit vom Erregungszustand anschwellen. Der Baby- oder Säuglingsschnupfen kann insofern harmlos sein. Schon kleine Mengen normales, klares Nasensekret stören das freie Atmen. Verschärft sich die Lage durch einen akuten Atemwegsinfekt, lassen die Säuglinge schnell ein ziehendes, „juchzendes“ oder schnarchendes Nebengeräusch bei der Einatmung hören. Der inspiratorische Stridor bessert sich in Bauchlage. Klinisch relevant ist, wenn es zu Atemaussetzern kommt, oder wenn mit der Atemnot Trink- und Schlafprobleme einhergehen. Ein Baby mit freier Nase kann gleichzeitig trinken und atmen. Bei eingeschränkter Nasenatmung lässt die Trinkleistung nach, das Kind bleibt hungrig, schreit, schläft schlecht. Säuglinge, insbesondere in den ersten vier Lebenswochen, sollten daher beim Auftreten von Schnupfensymptomen besser einem Kinderarzt vorgestellt werden.

Kinderschnupfen: Wann zum Arzt?

  • starke und/oder unklare Beschwerden, insbesondere Atemnot
  • hohes, anhaltendes Fieber (nicht: physiologischer Temperaturanstieg abends und nach Anstrengung)
  • plötzlicher Erkrankungsbeginn mit Fieber > 39 °C, Kopf- und Gliederschmerzen, starkem Krankheitsgefühl (Influenza?)
  • Fieberkrampf
  • Husten länger als eine Woche, schmerzhafter Husten mit verfärbtem Auswurf (bakterielle Bronchitis?)
  • anfallsartiger Husten abends/nachts (Pseudokrupp?)
  • Neugeborene und Säuglinge: immer zum (Kinder)Arzt!
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Sekret absaugen

Richtig schnäuzen erlernen Kinder frühestens mit drei bis vier Jahren. Nase hochziehen ist erlaubt, aber dem Baby kaum beizubringen. Viele medikamentöse Behandlungsoptionen, die bei älteren Kindern oder Erwachsenen üblich sind, kommen für Säuglinge oder gar Neugeborene nicht infrage. Wie also wird die Nase frei? Um flüssiges Sekret zu entfernen, sind Nasensauger eine Option. Der „Klassiker“ ist der manuelle Nasensauger mit Gummiball und Saugaufsatz (z. B. Avent®, Dentinox®, Nuk®). Die korrekte Anwendung ist nicht selbstverständlich; besser weisen Sie extra darauf hin, dass der Gummiball vor dem Ansetzen ganz zusammengedrückt sein muss, damit Sekret nicht in die Nase „hineingepustet“ statt abgesaugt wird. Das freie Nasenloch wird mit einem Finger zugehalten, damit ein Unterdruck in der Nasenhöhle entstehen kann. Der Erfolg ist dennoch meist sehr begrenzt. Effektiver kann ein mundbetriebener Nasensauger sein, der anstelle des Gummiballs einen Schlauch mit Mundstück besitzt (z. B. NoseFrida®). Über das Saugen am Mundstück lässt sich der Unterdruck individuell und variabel aufbauen. Die nächste Variante sind batterie- oder netzbetriebene elektrische Sauggeräte (z. B. Sumgott®, Nosiboo®, verfügbar in pastellblau und zartrosa). Schließlich lassen sich spezielle Sets auch am Haushaltsstaubsauger anschließen (z. B. Angel-Vac®, Medinaris®).

Der Erfolg all dieser Manipulationen ist individuell unterschiedlich und hängt stark von der Akzeptanz des Kleinkinds ab, z. B., ob es gelingt, den dicken oder spitzen Nasenaufsatz ein wenig ins Nasenloch einzuführen. Es sollte ausreichen, wenn er sich am Eingang des Nasenlochs befindet. Bei allen Saugervarianten sollte unbedingt darauf hingewiesen werden, dass eine sorgfältige Reinigung der Komponenten notwendig ist!

Verstopfte Nase lösen

Bei der akuten Rhinitis wird zunächst klares, dann trübes oder auch gelblich-grünes Sekret abgesondert (das nicht zwingend auf eine bakterielle Besiedelung hinweist). Festes Sekret oder Borken bei verstopfter Nase lassen sich unter Umständen lösen. Dabei helfen Salzlösungen, die abgesonderten Schleim verflüssigen, den Sekretabfluss bzw. das Absaugen erleichtern oder erst ermöglichen. Zudem befeuchten sie die Nasenschleimhaut und verbessern die mukoziliäre Clearance. Aus Sicht vieler Kinderärzte ist die häufige Gabe isotonischer Salzwassertropfen (NaCl 0,9%) die Basismaßnahme beim Schnupfen von Babys und Kleinkindern. Die Nase kann nicht nur von Schleim- und Milchresten, Krankheitserregern sondern auch von Staub, Pollen und anderen Allergenen befreit werden.

Isotone Salzlösungen können als Tropfen (z. B. Olynth® salin Tropfen) oder Spray (z. B. Emser® Nasenspray, Olynth® salin Dosierspray) schon im Säuglingsalter appliziert werden, nach Bedarf mehrmals täglich. Fertigpräparate für Kinder sollten kein Konservierungsmittel wie Benzalkoniumchlorid enthalten, das eine Reizung der Nasenschleimhaut verursachen kann. Pflegende Zusätze wie Dexpanthenol sind erlaubt (z. B. Mar® plus, Siozwo® San). Bei älteren Kindern können Nasenspülungen mit Salzlösungen versucht werden (z. B. mithilfe der Emser® Kindernasendusche ab etwa drei Jahren). Die Siozwo® Nasenspülung mit isotoner Ringer­lösung wird als Spray ab zwei Jahren angewendet. Saline Nasen­salben sind für Kinder ebenfalls erhältlich (z. B. Nisita®). Zur Pflege des Kindernäschens eignen sich generell unkonservierte Salben (z. B. Bepanthen® Augen- und Nasensalbe, Hysan® Nasensalbe). Isotone Salzlösungen sind perfekt verträglich, aber abschwellend wirken sie kaum. Hypertone Salzlösungen hingegen entziehen der Schleimhaut Wasser, und sie regen stärker als isotone die Tätigkeit der Flimmerhärchen an. Da sie gerade für Säuglinge nicht so schonend sind, werden sie in Fertigpräparaten erst bei Kindern ab einem Jahr (z. B. Hysan® Salinspray, 2,7% Meersalz) bzw. ab sechs Jahren (Wick® VapoSpray mit Meerwasser 2,3%) angeboten.

Nasentropfen, garantiert verträglich

Muttermilch hilft auch lokal: Sie enthält antibakterielles Lysozym, eisenbindendes Laktoferrin, antivirale Fett­säuren und IgA-Antikörper. Kühle Muttermilch von 4 °C wirkt in vitro ähnlich desinfizierend wie 80%iger Alkohol [Pfaender et al.]. Empfehlung: Abgestrichene oder ausgepumpte Muttermilch in einem Glas auffangen, mit einer Pipette mehrmals täglich einen Tropfen in jedes Nasenloch geben. Muttermilch nicht länger als 48 Stunden im Kühlschrank lagern.

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Kamillen-Traubenzucker-Tropfen werden von manchen Kinderärzten rezeptiert. Ein Teelöffel Glucose in 50 ml starkem Kamillentee lösen, mit einer Pipette mehrmals täglich ein bis drei Tropfen in jedes Nasenloch geben.

Quelle: Pfaender S et al. J Infect Dis. 2013;208(12):1943-1952, doi: 10.1093/infdis/jit519. Epub 24. September 2013

Vorsichtig abschwellen

Den stärksten dekongestiven Effekt entfalten zweifelsohne lokale alpha-Sympathomimetika. Ihre vasokonstriktorische Wirkung setzt binnen weniger Minuten ein, wodurch die Nasenatmung rasch verbessert wird und auch Sekret aus den Nebenhöhlen abfließen kann. Für Säuglinge und Kleinkinder bis zwei Jahre werden zwei langwirksame Substanzen angeboten: Xylometazolin in 0,025%iger Konzentration (z. B. Otriven® mit Benzalkoniumchlorid) und Oxymetazolin mit 0,01% (Nasivin® ohne Konservierungsstoffe Dosiertropfer). Säuglinge sollten nicht mit Spray behandelt werden, da zu viel Wirkstoff resorbiert werden könnte. Unkonservierte Dosiersprays stehen für Kinder ab zwei Jahren zur Verfügung (z. B. Nasenspray Ratiopharm®, Hysan® Schnupfenspray, Otriven®), Einzeldosispipetten ab sechs Jahren (Otriven® Edo). Zur Diskussion um die Anpassung der Dosierungsempfehlungen an die Altersklassen lesen Sie in dieser DAZ im Artikel „Freigegeben ab zwölf Jahren: Otriven®-Dosierspray 0,1% ist nichts mehr für kleine Kinder“.

Das A und O bei der Anwendung der Imidazoline ist die dosisgerechte und zeitlich begrenzte Gabe:

  • nur die empfohlenen und altersgemäßen Dosierungen einsetzen, niemals höhere,
  • nicht länger als sieben Tage anwenden, es sei denn, auf ärztlichen Rat.

Symptome bei Überdosierung sind nicht eindeutig, es kann zu zentralnervösen Problemen kommen, wie Atemnot, Krämpfe, Koma, Hypertonie oder auch Hypotonie. Koma bei Neugeborenen nach Überdosierung von alpha-adrenergen Nasentropfen steht mit an der Spitze der Meldungen schwerwiegender unerwünschter Wirkungen bei Kindern an die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ).

Vorsicht mit ätherischen Ölen

Manche Salin- und Imidazolin-haltigen Sprays enthalten Zusätze ätherischer Öle, womit sie für die Anwendung bei Kleinkindern ausscheiden. Menthol (aus Minz- und Pfefferminzöl, z. B. Nasivin® mentholfrisch, ab zwölf Jahre) und Cineol (aus Eukalyptusöl, z. B. Otriven® Meerwasser mit Eukalyptus, ab sechs Jahre) reizen Kälterezeptoren und bessern die Nasenatmung nur subjektiv. Für die abschwellende Wirkung sind sie auch entbehrlich. Allerdings entfalten diese und weitere ätherische Öle (Thymian, Kiefernnadeln, Anis, Fenchel, Salbei) gewisse sekretolytische, sekretomotorische, antivirale, antibakterielle, antiphlogistische und/oder spasmolytische Effekte. Dank ihrer Lipophilie werden sie gut inhalativ und auch dermal resorbiert. Problematisch könnte sein, dass durch vermehrte Sekretolyse gebildeter Schleim, der nicht durch Schneuzen oder Absaugen entfernt wird, die engen Atemwege zusätzlich verlegt. Auch können ätherische Öle dosisabhängig Schleimhäute reizen. Bei Babys und Kleinkindern wurden nach lokaler Anwendung mentholhaltiger Präparate Laryngospasmen und Apnöen berichtet (Kratschmer-Reflex). Unterm Strich sind für Babys nur Menthol- und Campher-freie Zubereitungen indiziert, und auch diese sollten nicht im Gesicht aufgetragen werden (z. B. Pinimenthol® mild, Transpulmin® Baby Balsam ab drei Monaten). Zur Einreibung oder als Erkältungsbad sind sie in der Regel ab dem Alter von zwei Jahren zugelassen, zur Dampfinhalation ab sechs Jahren, für Kaltinhala­tion schon früher (z. B. Babix®).

Ganz alternative Optionen

Manche Eltern favorisieren die besonderen Therapierichtungen. Dabei bietet insbesondere die klassische Homöopathie die feine Differenzierung der Mittel nach den vorherrschenden Symptomen. So verwendet der Homöopath bei glasig-wässrigem Fließschnupfen bevorzugt Luffa operculata oder Allium cepa, in der Phase des Stockschnupfens unter anderem Sambucus nigra oder – bei Druck an der Nasenwurzel (Nebenhöhlenbeteiligung) – Kalium bichromicum, bei ­Bildung trockener Krusten Silicea. Vorteilhaft: Die Globuli werden von den Kindern gern angenommen. Gewisse Komplexmittel kommen bei Entzündungen des Hals-Nasen-Raumes, auch mit Nebenhöhlenbeteiligung infrage, jedoch ist der Alkoholgehalt zu beachten (z. B. Naso-Heel® SNT, Sinusitis Hevert® SL). Ein homöopathisches Nasenspray (wie Euphorbium comp. SN®) ist eine Alternative bei verschnupften Kindern ab zwei Jahren. |

Literatur beim Verfasser

Autor

Ralf Schlenger ist Apotheker und arbeitet als freier Autor und Medizinjournalist in München.

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