Beratung

Flüssige Arzneiformen richtig dosieren

Pharmazeutische Beratung vermeidet Fehldosierungen bei Säften und Tropfen

Von Claudia Bruhn | Dreimal täglich 20 Tropfen einnehmen, zweimal täglich zehn Milliliter Saft mit beiliegendem Messbecher verabreichen … Solche Gebrauchsanweisungen erscheinen leicht durchführbar. Doch die Tücke steckt im Detail. Fehler bei der Handhabung der Arzneimittel – sei es aus Unkenntnis oder infolge ergonomischer oder sensorischer Einschränkungen –führen häufig zu Fehldosierungen. Abgabebegleitende Hinweise in der Apotheke können dazu beitragen, diese zu vermeiden.
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Zwei Aspekte sollte das pharmazeutische Personal der Apotheke im Blick behalten, wenn es um die korrekte Anwendungstechnik der abzugebenden Arzneiformen geht. Einerseits die technologischen Eigenschaften der Präparate und die Besonderheiten der Dosierhilfen, andererseits die individuellen Fähigkeiten der Patienten inklusive kognitiver, sensorischer und ergonomischer Einschränkungen.

Mögliche Dosierungsfehler bei Saftpräparaten

Zur Applikation von Saftpräparaten können Messlöffel, Messbecher oder Dosierspritzen eingesetzt werden (Tab.). Die Dosierungs-Fehlerrate ist in der Regel bei Dosierspritzen am geringsten und bei Messlöffeln am höchsten. Beispielsweise können bei Messlöffeln Überdosierungen dadurch entstehen, dass sich die Oberfläche von Flüssigkeiten mit hoher Oberflächenspannung infolge der hohen Kohäsionskräfte bis über den Löffelrand „wölbt“. Etwas geringere Dosierungsungenauigkeiten sind bei Messbechern zu erwarten, insbesondere wenn sie schmal und hoch sind. Hier kann der Apotheker die Patienten unterstützen, indem er das abzumessende Volumen außen mithilfe eines wasserfesten Stifts oder eines Klebestreifens markiert. Für Säuglinge sind Messbecher mit aufsetzbaren Silikonsaugern erhältlich (z. B. ed® Frank Medikamentensauger). Als präziseste und sicherste Applikationshilfe für flüssige Peroralia gelten Dosierspritzen. Auch auf ihrer Oberfläche lässt sich bei der Abgabe das Dosisvolumen mit Stift oder Klebestreifen leicht markieren. Weitere Vorteile dieser Applikationshilfen sind beispielsweise das geringe Risiko, beim Abmessen und Verabreichen etwas zu verschütten, die Möglichkeit, kühl zu lagernde Arzneimittel durch Umschließen mit der Hand zu erwärmen, oder die blasenfreie Entnahme von schäumenden Peroralia aus Mehrdosenbehältnissen. Wenn damit zu rechnen ist, dass der Patient mit dem beigefügten Messbecher oder -löffel nicht gut zurechtkommt, könnte ihm als Service eine Dosierspritze (verschiedene Anbieter, z. B. ExactaMedTM Oral dispenser) oder eine Einmalinjektionsspritze ohne Kanüle (z. B. Fein­dosierungsspritze Omnifix® F Solo) ausgehändigt werden. Auch eine Kombination aus Messbecher und Dosierspritze ist eine empfehlenswerte Option. Zum Beispiel, wenn die Dosierspritze kurz ist und ihre Eintauchtiefe in die Fertigarzneimittelflasche nicht ausreichen würde, um alle Einzeldosen zu entnehmen. Dann könnte der Patient ein wenig mehr als die verordnete Dosis in den Messbecher einfüllen und daraus die entsprechende Dosis in die Spritze einsaugen.

Trockensäfte in der Apotheke zubereiten

In verschiedenen Ländern (z. B. Großbritannien, Finnland) ist es üblich, dass Trockensäfte vor der Abgabe an den Patienten als kostenlose Serviceleistung in der Apotheke zubereitet werden. Obwohl es unkompliziert erscheint, diese Prozedur vom Patienten selbst oder einer Pflegeperson durchführen zu lassen, ist dies in vielen Fällen nicht trivial. Beispielsweise wenn Patienten feinmotorisch oder in ihrem Sehvermögen eingeschränkt sind. Auch wer die deutsche Sprache nicht sicher beherrscht, wird Mühe haben, die Erläuterungen zur Rekonstitution des Pulvers oder Granulats nachzuvollziehen. Selbst bei sicheren Sprachkenntnissen kann es zu Fehleinschätzungen kommen, die in der Folge zu ungenauen Dosierungen führen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Anwender den bei der Rekonstitution meistens auftretenden Schaum in das Flüssigkeitsvolumen mit einbezieht. Eine weitere Fehlerquelle ist das Vergessen des Aufschüttelns des Granulats oder Pulvers vor der Wasserzu­gabe. Ein mögliches Hindernis für die korrekte Zubereitung eines Trockensaft-Präparats könnte außerdem die Gewohnheit des Patienten sein, Wasser direkt aus dem Wasserhahn in das Präparate-Gefäß zu füllen. Sicherer ist es, die Flüssigkeit langsam aus einem Extra-Gefäß, das in Augenhöhe gehalten wird, zuzugießen. Handelt es sich bei dem rekonstruierten Arzneimittel um eine Suspension, sollte der Patient daran erinnert werden, diese vor jedem Gebrauch nicht nur flüchtig, sondern intensiv einige Sekunden zu schütteln.

Tab.: Zusätzliche Dosierhilfsmittel für flüssige Peroralia (Auswahl) [nach: Kircher W: Arzneiformen richtig anwenden. Deutscher Apotheker Verlag 2016]
Bezeichnung
PZN
Charakterisierung
Fassungsvermögen
Graduierung
BD Plastipak™ Tuberkulinspritze ohne Kanüle (Becton Dickinson, www.bd.com)
07250415
Einmalspritze, hier Dosier- und Applikationshilfsmittel
1 ml
0,01 ml
Dosierlöffel (Wepa, www.wepa-apotheken­bedarf.de)
Messlöffel
5 ml
0,5 ml, 2,5 ml und 5,0 ml
Einnehmeglas aus Kunststoff (Büttner-Frank, www.buettner-frank.de)
03173971
Messbecher
26 ml
1 ml
Exacta-Med™ Oralspender (Baxter Deutschland, www.baxter.de)
spritzenförmige Dosier- und Applikationshilfsmittel für Peroralia mit umfangreichem Zubehör
0,5 ml bis 60 ml
abhängig vom jeweiligen Füllvolumen
Medikamentensauger ed®; Größe 1 (0 – 6 Monate), Größe 2 (6 – 18 Monate) (Büttner-Frank, www.buettner.frank.de)
Gr. 1: 07379209, 07379221Gr. 2: 7379215, 07379238
Messbecher mit aufsetzbarem Silikonsauger
5 ml
1 ml
Messbecher (IphaS, www.iphas.de)
Messbecher
25 ml
1 ml
Mess-/Dosierbecher (Wepa, www.wepa-apotheken­bedarf.de)
Messbecher
6 ml
1 ml
Messlöffel (IphaS, www.iphas.de)
Messlöffel
5 ml
2,5 ml, 5 ml
Messlöffel (IphaS, www.iphas.de)
Messlöffel
10 ml
3 ml, 5 ml, 8 ml
Nuby Minifläschchen (www.nuby.de)
12607109
Messbecher mit aufsetzbarem Silikonsauger
15 ml
2,5 ml
Omnifix®-F Feindosierspritze (B. Braun, www.bbraun.de)
00569881
Einmalspritze, hier Dosier- und Applikationshilfsmittel
1 ml
0,01 ml
Primo Tuberkulin/Heparin-Spritze (Büttner-Frank, www.buettner.frank.de)
02084107
Einmalspritze, hier Dosier- und Applikationshilfsmittel
1 ml
0,01 ml

Zentraltropfer versus Randtropfer

Auch bei Tropfenpräparaten können Handhabungsfehler zu falschen Dosierungen führen. Abweichungen von bis zu einem Viertel der Soll-Dosis sind möglich. Grundsätzlich ist zwischen Tropfenpräparaten mit Zentraltropfern (Senkrechttropfer) und Randtropfern (Waagerechttropfer) zu unterscheiden (Abb. 1). Typisch für die Zentraltropfer sind die mittig angeordnete Austrittsröhre für die Flüssigkeit und der im Gegensatz dazu nicht zentral befindliche Lufteintrittskanal. Dagegen besitzen Randtropfer nur eine einfache Öffnung mit oder ohne Abtropfrille. Wird ein Arzneimittelfläschchen mit Zentraltropfer nicht senkrecht gehalten, verringert sich die Masse der abfallenden Tropfen. Je nach Neigungswinkel des Fläschchens kann die Arzneimitteldosis in der Folge bis zu 25% vermindert sein. Bei Arzneimitteln mit großer therapeutischer Breite wie pflanzlichen Hustentropfen dürfte dies weniger relevant sein als bei Präparaten wie beispielsweise Haloperidol-Tropfen, bei denen diese Abweichungen klinisch relevant sein können.

Wenn kein Tropfen fällt …

Ist der Lufteintrittskanal eines Zentraltropfers mit Flüssigkeit gefüllt (beispielsweise infolge versehentlichen Schüttelns des Tropffläschchens), können Antropfschwierigkeiten auftreten. Auf diese Möglichkeit sollte der Patient bereits im Beratungsgespräch hingewiesen werden. Für den Fall, dass nach leichtem Antippen aus dem in umgekehrter senkrechter Position gehaltenen Tropffläschchen kein Tropfen abtropft, kann er dasselbe in aufrechter Position mehrfach auf einen harten Untergrund klopfen. Reicht das nicht aus, müsste der Patient das Belüftungsröhrchen durch kurzes, kräftiges Blasen in die Tropfermontur von der Flüssigkeit befreien. Fläschchen mit Randtropfer sollen dagegen nicht angetippt oder geklopft werden. Die ideale Position ist hier ein Neigungswinkel von 45°.

Korrekte Position von Tropfflaschen bei der Entleerung. A: Zentraltropfer mit Flüssigkeitsaustrittsröhre (1) und Belüftungskanal (2), B: Randtropfer mit (1) und ohne Abtropfrille (2). Zentraltropfer müssen unbedingt senkrecht nach unten gehalten werden, da sich sonst die Tropfenmasse verringert. [nach: Kircher W. Arzneiformen richtig anwenden. Deutscher Apotheker Verlag 2016]

Förder- und Dosierpumpen

Bei Tropfenpräparaten mit einem Dosierpumpen-Aufsatz ist dieser entweder bereits montiert (z. B. Nystatin Lederle® Tropfen) oder beigepackt (z. B. Lefax® Pump Liquid). Bei der Abgabe einer solchen Darreichungsform sollte der Patient instruiert werden, die Flaschen senkrecht oder nur leicht geneigt zu halten, damit das Steigrohr­ende stets in die Suspension bzw. Lösung taucht. In der Packungsbeilage ist jeweils aufgeführt, wie vielen Millilitern bzw. Milligramm Wirkstoff ein Pumpenhub entspricht. Den Patienten sollte im Beratungsgespräch vermittelt werden, dass bei erstmaliger Anwendung bzw. nach längerem Nicht­gebrauch zunächst zwei bis vier Ansaughübe notwendig sind, deren Inhalt zu verwerfen ist. Dadurch kann sich das Dosiersystem vollständig mit Arzneimittelsuspension füllen. Eine Ausnahme bilden Arzneimittel wie das Biofanal® Suspensionsgel, bei dem die Pumpe primär als Förderpumpe fungiert und die Dosierung mithilfe eines beigepackten Mess­löffels erfolgt.

Aufbrauchfristen, Lichtschutz und Einnahmehinweise

Bei Säften und Tropfen sind neben den spezifischen Hinweisen zum Abgabegefäß oft weitere Tipps sinnvoll, um Fehldosierungen und Wirksamkeitsverluste zu vermeiden. So können die Aufbrauchfristen nach Anbruch zwischen wirkstoffgleichen Präparaten erheblich variieren. Dies ist besonders bei der Substitution im Rahmen der Rabattverträge relevant. Beispiels­weise liegen bei Melperon-Präparaten die Aufbrauchfristen nach Anbruch zwischen zehn Wochen und sechs Monaten. Außerdem kann bei der Abgabe flüssiger oraler Arzneiformen gar nicht oft genug darauf hingewiesen werden, dass Kaffee, Tee, Milch oder Grapefruitsaft keine geeigneten Getränke zum Mischen oder Nach­trinken sind! Auch der Lichtschutz ist bei einigen Wirkstoffen wichtig. Viele Patienten entsorgen routinemäßig den Umkarton ihrer Arzneimittel. Bei lichtempfindlichen Wirkstoffen wie z. B. Nifedipin ist dies kontraproduktiv, da selbst Braunglasflaschen nicht in allen Fällen einen ausreichenden Lichtschutz bieten. Deshalb sollte der Patient darauf hingewiesen werden, die Tropfenflasche erst unmittelbar vor der Einnahme aus dem Umkarton zu nehmen und danach wieder dorthin zurückzustellen. |

Quelle

Kircher W. Arzneiformen richtig anwenden. 4. Auflage, Deutscher Apotheker Verlag 2016

Neu bei B. Braun: Feindosierungsspritze Omnifix F Solo für kleinste Volumina. Pressemitteilung der B. Braun Melsungen AG vom 23. August 2018

Autorin

Dr. Claudia Bruhn ist Apothekerin und arbeitet als freie Medizinjournalistin. Sie schreibt seit 2001 regelmäßig Beiträge für die DAZ.

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