Toxikologie

Wie gefährlich sind PFC im Trinkwasser?

Hintergrund zu erhöhten Blutspiegeln in Süddeutschland

Bereits seit 2013 ist bekannt, dass die Böden und das Grundwasser in Teilen Badens mit erhöhten Konzentrationen an per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) belastet sind. Nun wurden bei Bewohnern der Region auch im Blut erhöhte Werte festgestellt. Doch wie giftig sind die Substanzen? Besteht tatsächlich eine Gefahr für die Gesundheit?
Foto: Otto Durst – stock.adobe.com
Per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) können in Kläranlagen nicht abgebaut werden. Wenn Klärschlamm zur Bodenverbesserung genutzt wird, können die gesundheitsschädlichen Substanzen mit der Zeit ins Grundwasser gelangen.

Per- und polyfluorierte Chemikalien werden bereits seit etwa 70 Jahren aufgrund ihrer speziellen Eigenschaften (inert, hitzebeständig) für verschiedene industrielle Anwendungen gebraucht. Auch in Alltagsprodukten wie Outdoorbekleidung, Papiererzeugnissen und Teppichen sind PFC zu finden. Es handelt sich um fluorierte Alkylketten mit einer funktionellen Gruppe. Dadurch besitzen die Sub­stanzen sowohl ein hydrophobes als auch ein hydrophiles Ende. Variierende Kettenlängen und verschiedene funktionelle Gruppen machen die Substanzklasse groß und unübersichtlich. Die physikochemischen Eigenschaften der unterschiedlichen Moleküle sind recht ähnlich. PFC sind reaktionsträge und wurden daher lange Zeit für ungiftig gehalten. Da sie biologisch nicht abbaubar sind, kommt es zu ­einer Anreicherung der Substanzen in der Umwelt. Heute sind sie quasi überall nachweisbar und gelangen unweigerlich über unsere Nahrung in den Körper.

Risiken: Immuntoxizität, Karzinogenität, Nephrotoxizität

Am besten untersucht sind die Perfluor­octansäure (PFOA) und die Perfluoroctansulfonsäure (PFOS). ­Bereits in den 1970er-Jahren wurden erste Studien zu ihrer Toxizität durchgeführt. Schon damals ergaben sich Hinweise auf eine Immuntoxizität bei Rhesusaffen. In Mäusen führte eine PFOA-Exposition unter anderem zu ­einem reduzierten Milz- und Thymus­gewicht. Außerdem konnte eine Veränderung der Lymphozyten-Population und eine Verringerung der Immunantwort beobachtet werden. Nach PFOS-Exposition zeigten die Tiere eine reduzierte Überlebensrate während einer Grippeinfektion. Auch bei Menschen konnte eine negative Assoziation zwischen dem PFOA- und PFOS-Serum­level und der Antikörperkonzentration beobachtet werden.

Mehrere epidemiologische Studien an Arbeitern aus PFC-verarbeitenden Betrieben in den USA deuten auf eine Kanzerogenität hin. Arbeiter, die über Jahre hinweg mit sehr hohen Konzentrationen an PFOS und PFOA in Kontakt kamen, scheinen ein erhöhtes ­Risiko zu haben, an Blasen-, Nieren-, Hodenkrebs und Leukämie zu er­kranken. Ein kanzerogenes Potenzial konnte auch im Tierversuch gezeigt werden.

Neuere Auswertungen haben außerdem einen Zusammenhang zwischen erhöhten PFC-Werten und einer Verschlechterung der Nierenfunktion ­gefunden. Bei Nagern führen erhöhte PFC-Werte zu einer Reduzierung des Geburtsgewichtes. In den meisten Tierversuchen werden allerdings ­höhere Dosen eingesetzt, als für den Menschen unter normalen Umständen zu erwarten wären.

Umweltbelastung in Baden

2013 wurde bekannt, dass in der Gegend um Rastatt und Baden-Baden ­eine Fläche von 644 Hektar mit PFC kontaminiert wurde. In der Nähe von Mannheim wurden weitere 240 Hek­tar Fläche verseucht. Der Eintrag der Chemikalien in die Umwelt fand durch mit Papierschlämmen verunreinigtem Kompost statt. Vor allem die Verbindungen Perfluorbutanoat (PFBA), Perfluorpentansäure (PFPeA), Perfluor­hexansäure (PFHxA), Perfluorheptansäure (PFHpA) und Perfluoroctansäure (PFOA) konnten im Grundwasser nachgewiesen werden. Um eine mögliche Exposition der Bevölkerung im Blick zu behalten, gab das Landesgesundheitsamt eine Studie in Auftrag. Ab 2017 wurden Blutproben von Anwohnern der betroffenen Gebiete gesammelt. Bis Juni 2018 gaben 348 Personen freiwillig eine Probe ab. Die Probanden wurden in drei Gruppen aufgeteilt. Gruppe A war über belastetes Trinkwasser mit PFC in Kontakt gekommen. Gruppe B hatte kein Wasser, sondern in kontaminierten Gegenden gewachsenes Obst und Gemüse zu sich genommen, während Gruppe C durch keine der beiden Quellen exponiert war.

Abb. 1: Die am besten erforschten perfluorierten Alkyle sind Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) und Perfluoroctansäure (PFOA). Am hydro­phoben Ende sind alle Wasserstoffe durch Fluoratome ersetzt worden, durch die hydrophile Säuregruppe bekommen die Moleküle ­einen amphiphilen Charakter.

Erhöhte Blutspiegel

Stellvertretend für die Gruppe der PFC wird im Folgenden die mittlere Blutkonzentration von PFOA angegeben. Der Verzehr von Obst und Gemüse führte zu keinen nennenswert erhöhten Blutkonzentrationen (2,3 µg/l gegenüber 1,7 µg/l in Gruppe C). In der Trinkwassergruppe hingegen ließen sich deutlich höhere Werte von 15,6 µg/l messen. Einem Bericht des Sozialministeriums Baden Württemberg zufolge, haben einige private Blutuntersuchungen sogar PFOA-Werte von bis zu 64 µg/l ergeben.

Grenzwerte überschritten

Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) beträgt der Tolerable Daily Intake (TDI), also die Menge einer Substanz, die ein Leben lang täglich aufgenommen werden kann, ohne dass ein gesundheitlicher Schaden zu erwarten wäre, für PFOS 0,15 µg/kg Körpergewicht und 1,5 µg/kg Körpergewicht für PFOA. Weiterhin hat das Umweltbundesamt einen Humanbiomonitoring-Wert (HBM-I) definiert, der die Konzentration in einer Körperflüssigkeit bezeichnet, die nach Möglichkeit unterschritten werden sollte. Bei einer Unterschreitung der Plasmakonzentration von 2 µg/l für PFOA und 5 µg/l für PFOS ist nach derzeitigem Kenntnisstand nicht mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung zu rechnen. Die HBM-I-Werte für PFOA werden im vorliegenden Fall teilweise deutlich überschritten. Das muss allerdings nicht zwangsläufig bedeuten, dass es zu gesundheitlichen Auswirkungen kommt. Auf der Seite der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg steht unter www.lubw.baden-wuerttemberg.de/wasser/pfc-karten-online eine interaktive Karte zur Verfügung, die die Kontaminationen in Mittelbaden darstellt und ihre Entwicklung in den kommenden Jahren modelliert. |

Quelle

Fortschreibung der vorläufigen Bewertung von per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC) im Trinkwasser: Empfehlung des Umweltbundesamtes nach Anhörung der Trinkwasserkommission. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz 2017;60:350–352

Ableitung von HBM-I-Werten für Perfluoroktansäure (PFOA) und Perfluoroktansulfonsäure (PFOS) – Stellungnahme der Kommission „Humanbiomonitoring“ des Umweltbundesamts. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz 2018;61:474–487

Domingo JL et al. Per- and Polyfluoroalkyl Substances (PFASs) in Food and Human Dietary Intake: A Review of the Recent Scientific Literature. J Agric Food Chem 2017;65(3):533-543

European Food Safety Autority (EFSA). Perfluoroalkylated substances in food: occurrence and dietary exposure. EFSA Journal 2012;10(6):2743

Grandjean P et al. Perfluorinated Alkyl Sub­stances: Emerging Insights into Health Risks. New Solut 2015;25(2):147-63

Erste Ergebnisse der PFC-Blutuntersuchungen im Landkreis Rastatt liegen vor. Pressemitteilung des Ministeriums für Soziales und Integration Baden-Württemberg vom 5. Oktober 2018; www.baden-wuerttemberg.de; Abruf am 13. Oktober 2018

Negri E et al. Exposure to PFOA and PFOS and fetal growth: a critical merging of toxicological and epidemiological data. Crit Rev Toxicol 2017;47(6):482-508

PFC-Problematik: Zwischenbilanz und Ausblick. Eine Bürgerinformation des Regierungspräsidiums Karlsruhe, Stand August 2018; www.rp.baden-wuerttemberg.de; ­Abruf am 13. Oktober 2018

Stanifer JW et al. Perfluorinated Chemicals as Emerging Environmental Threats to Kidney Health: A Scoping Review. Clin J Am Soc Nephrol 201813(10):1479-1492

Autor

Ulrich Schreiber, Berlin, B. Sc. Chemie, erworben an der Wilhelms-Universität Münster, M. Sc. Toxikologie, erworben an der Charité Berlin; zur Zeit tätig am Interdisziplinären Zentrum für klinische Forschung (IZKF) des Uniklinikums in Münster

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