Foto: KW NEUN Grafikagentur

Geschenke aus der Apotheke

Wie ein Mitbringsel zum Modegetränk wurde

Die Rathaus-Apotheke bietet ihren Kunden viele Geschenkideen

In den Szene-Bars von Hamburg oder Berlin bekommt man seit einigen Jahren einen Drink serviert, der den Namen „Gyld“ trägt. Hinter der mystisch klingenden Marke steckt weder ein Großkonzern noch ein Hersteller aus Übersee. Es ist das Produkt der Gebrüder Elwert, einer Spirituosen-Manufaktur von der Schwäbischen Alb. Wir haben uns mit einem der beiden Brüder – dem Apotheker Philipp Elwert – getroffen und das Kräuterelixier kennengelernt, das die Zeitschrift „Brigitte“ sogar als „Lifestyle-Geschenk“ bezeichnet hat. Vor Ort in Böhmenkirch zeigt sich, dass es hier nicht nur Hochprozentiges gibt, sondern – gerade zur Vorweihnachtszeit – eine ganze Reihe weiterer Geschenkideen. | Von Armin Edalat

Golden und klar leuchtet der flüssige Inhalt im Halbliter-Flakon. Schlicht, elegant und in schwarz-weiß gehalten umschließt das Etikett den Flaschenbauch, auf dem ein Wappen und der Schriftzug „Gyld“ abgebildet sind. Dreht man die Flasche um, erfährt man, wo die edel anmutende Spirituose hergestellt wurde: In der Friedhofstraße 6 in Böhmenkirch, einer 5500-Seelen-Gemeinde im Landkreis Göppingen auf der Schwäbischen Alb – und eine Autostunde von der Landeshauptstadt Stuttgart entfernt.

„Wenn Ärger und Verdruss dich plagen, wenn verrenkt dein Seel und Magen, …“

Fotos: Elwert; KW NEUN Grafikagentur
Die Produkte der Rathaus-Apotheke und der Gebrüder Elwert Spirituosenmanufaktur: Böhmenkircher Lebenselexier, Gyld, Weisser Pfeffer und der London Dry Gin Goldberner.

Kräuter und Gewürze zu mischen wurde Philipp Elwert in die Wiege gelegt. Doch bevor sich der 37-jährige Sohn einer Apothekerfamilie selbst für das Pharmaziestudium in Tübingen entschied, machte er noch eine Ausbildung zum LKW-Mechaniker. Vielleicht verkörpert er nun tatsächlich das, was den Apotheker-Beruf seit vielen Jahrhunderten ausmacht: Handwerkliches Geschick, akademischer Sachverstand und unternehmerisches Gespür. In dritter Generation betreibt er die Rathaus-Apotheke im Zentrum von Böhmenkirch, steht den Menschen vor Ort mit pharmazeutischem Rat und Tat zur Seite und führt eine ganz besondere Familientradition fort.

Seit rund drei Jahrzehnten gibt es das Böhmenkircher Lebenselixier, einen Magenbitter, den Vater Kuno perfektionierte. „Eine ausgewogene Komposition von verschiedenen Kräutern und Wurzeln reift in einem schonenden Prozess über mehrere Wochen zu einer Tinktur“, heißt es auf der Homepage der Rathaus-Apotheke. Mehr wird nicht verraten, denn die Rezeptur bleibt ein Familiengeheimnis. Auf Nachfrage lässt Philipp Elwert wenigstens so viel durch­blicken, dass Angelikawurzel, Kardamom, Vanille, Sternanis, Ingwer, Pomeranzenschale und fünf weitere Zutaten für den Ansatz verwendet werden.

„… wenn Ranzenweh und Gewissen an dir nagen,wenn dir Kopf und Geist versagen, …“

In verschiedenen Flaschengrößen erhältlich, erfreut sich das Böhmenkircher Lebenselixier mittlerweile großer Beliebtheit und kann auch online bestellt werden. Ursprünglich war es als Mitbringsel für die Partnergemeinden vorgesehen. Doch die Böhmenkircher Bewohner kamen bald selbst auf den Geschmack und schwören seitdem auf die heilsamen Kräfte und den Genuss „ihres“ Elixiers.

Philipp Elwerts ein Jahr jüngerer Bruder Christoph studierte Betriebswirtschaft in Augsburg und ist Geschäftsführer seiner eigenen Firma für große Musikfestivals. Auch er weiß, dass der medizinische Magenbitter aus der elterlichen Apo­theke nicht nur bei den Böhmenkircher sehr gut ankommt. Doch als Marketingexperte erkennt er zugleich die Tücke im Detail. Nachgefragt wird das Lebenselexier nämlich vor allem von der Generation 50 plus. Jüngere Konsumenten bevorzugen eher mildere Spirituosen. Außerdem ist Qualität eben auch nicht alles. Dem Böhmenkircher Lebenselixier fehlte eine moderne, auf die jüngere Zielgruppe abgestimmte Vermarktung.

Damit wurde vor rund sechs Jahren die Idee geboren, aus dem einstigen Apotheken-Mitbringsel ein Modegetränk zu kreieren und die „Gebrüder Elwert Spirituosenmanufaktur“ zu gründen, die von den beiden Brüdern mittlerweile als GmbH neben ihren beiden Hauptberufen geführt wird.

Foto: Johann Oswald
Christoph und Philipp Elwert

Philipp, der Apotheker, überarbeitete die Rezeptur, änderte die Zusammensetzung der elf Kräuter und verringerte den Alkoholgehalt. Christoph, der Betriebswirt, erschuf das Vertriebs- und Marketingkonzept. Schnell war ein Name gefunden. „Gyld“ aus dem Altgermanischen soll ein Gefühl der Mystik suggerieren und ist an die Heldensage um den Drachentöter Siegfried angelehnt. Die Augsburger Grafik-Agentur „KW NEUN“ entwickelte das Design und entwarf ein Etikett mit dem Familienwappen der Elwerts. Dafür erhielt die Agentur den „European Design Award“ und „Red Dot Award“. Nicht nur die Lokalpresse, sondern auch über­regionale Zeitschriften und Zeitungen wie „Novum“ oder „Die Zeit“ berichteten über das Projekt der Brüder. In der Vorweihnachtszeit 2014 präsentierte die Frauenzeitschrift „Brigitte“ „Gyld“ sogar als „Lifestyle-Geschenk“.

„… dann ist dieser Trunk wie Medizin,führt alles gleich zum Rechten hin.“

Böhmenkircher Lebenselexier

Auf großen Messen, wie der „Bar-Convent“ in Berlin, aber auch in den Szene-Bars und Clubs der Großstädte wurde „Gyld“ vorgestellt. Mit Erfolg: Fast ausnahmslos nahm man das goldene Getränk mit Begeisterung ins Sortiment auf. Der Vertrieb läuft mittlerweile deutschlandweit.

Vor vier Jahren brachten die Brüder den Pfefferminzlikör „Weisser Pfeffer“ auf den Markt, der sich an junge Leute unter 30 Jahren richtet. Kurze Zeit später folgte noch ein London Dry Gin mit Namen „Goldberner“, der neben Wacholder natürlich auch die Kräuterzusammensetzung des „Gyld“ enthält und den selbst Kenner loben und schätzen. Sowohl der Pfefferminzlikör als auch der London Dry Gin wurden mehrfach vom Meiningers International Spiritis Award (ISW) mit Gold- und Silbermedaillen ausgezeichnet.

Aus dem Herstellen von Gewürzen und Tinkturen im Laboratorium neben der Offizin ist nach wenigen Generationen ein weiteres kleines Familienunternehmen entstanden, das die Brüder heute vor allem aus Freude und Interesse betreiben. Investiert wurde zuletzt in eine Destille, die sich hinter der Apotheke in einer ehemaligen Garage befindet. Philipp Elwert betreibt sie ein bis zwei Mal im Monat nach behördlicher Genehmigung, um den Wacholder für den „Goldberner“-Gin mit Orangenschalen anzusetzen oder verschiedene Obstbrände herzustellen. Böhmenkirch ist umgeben von unzähligen Streuobstwiesen.

Foto: DAZ/eda
Die Rathaus-Apotheke in Böhmenkirch.

Apotheke für alle Sinne

Wenn es um die Erfolge seiner besonderen, hochprozentigen Produkte geht, merkt man dem Apotheker die schwäbische Bescheidenheit an. Zugleich ist er pragmatisch bei der Frage, welche Geschenkideen Apotheken ihren Kunden anbieten können: „Kein Kollege muss dafür das Schnapsbrennen anfangen“, erklärt Elwert. Außerdem seien mit „Gyld“, „Weisser Pfeffer“ und „Goldberner“ Genussmittel entstanden, deren Verkauf natürlich nicht mehr über die Apotheke stattfindet.

Dennoch verwandelt sich die Böhmenkircher Rathaus-Apotheke in der Vorweihnachtszeit zu einem ganz besonderen Ort, an dem die Kunden viele Geschenkideen mit Bezug zur Gesundheit und Pharmazie finden können.

Etwa eine Woche vor dem ersten Advent wird die ganze Offizin weihnachtlich dekoriert. Und weil es mehr Sinne als nur die Augen gibt, kommen auch Düfte und Tee-Verkostungen zum Einsatz. „Wir sind eine Landapotheke und das möchten wir vor allem mit unseren Eigenspezialitäten ausdrücken“, macht der Apotheker deutlich. Deshalb gesellt sich zum beliebten „Böhmenkircher Erfrischungstee“, den es das ganze Jahr über gibt, dann der „Winterzauber“. Während der Erfrischtungstee aus Ingwer, Lemongras, Zitronen- und Orangenschalen, Süßholz sowie Pfefferminze besteht, schätzen die Kunden zur Adventszeit die Früchtetee-Komposition aus Apfelstücken, Hibiskusblüten, Orangen- und Hagebuttenschalen, Rosenblüten, Mandelstücken, Nelken, Kardamom sowie Vanille.

In kleinen Blechdosen gibt es darüber hinaus die „Böhmenkircher Brustkaramellen“, mit und ohne Zucker. „Unsere Eigenspezialitäten bieten für jeden etwas. Das Lebenselexier für alle, die einen Magenbitter mit Alkohol wünschen, die Teemischungen für die Genießer und die Lutschpastillen sind für Groß und Klein“, beschreibt Elwert das Sortiment.

Fotos: Johann Oswald

Präsentation, Verpackung und Preis

Doch wie wird aus einem Apothekenartikel, den man das ganze Jahr über kaufen kann, eine Geschenkidee zu Weihnachten? „Es ist eine Frage der Präsentation, der Verpackung und des Preises. In der Vorweihnachtszeit platzieren wir unsere Geschenkideen auf einem dekorierten Tisch in der Offizin. Die Artikel sind dann schon vorkonfektioniert und festlich verpackt.“ Dabei kombinieren Elwert und seine Mitarbeiterinnen Eigenspezialitäten mit bekannten Markenprodukten, vor allem aus den Kosmetiksortimenten in der Apotheke.

Außerdem ist es wichtig, dass man mit verschiedenen Preiskategorien die unterschiedlichen Zielgruppen und Kundenwünsche anspricht. „Bei uns kosten die angebotenen Geschenke zwischen 3,95 Euro und 20 Euro.“ Wer ein teureres Kosmetikprodukt zum Verschenken sucht, wird sich eher nicht auf einem Geschenktisch umschauen, so die Erfahrungen des Apothekers, sondern eine individuelle Beratung am entsprechenden Regal wünschen.

Foto: DAZ/eda
Genussvolle Geschenkideen in Form von Magenbitter und Tees.

Zirbenspäne vom örtlichen Schreiner

In den liebevoll verpackten und dekorierten Geschenktüten befinden sich die Tees zusammen mit Kandis-Sticks oder kleineren Flaschen des „Böhmenkircher Lebenselexier“. Auch Zimtstangen und andere Gewürze werden in der Rathaus-Apotheke selbst verpackt. „Zimt ist nicht gleich Zimt. Die Diskussion um Ceylon- und Cassia-Zimt ist längst bei den Verbrauchern angekommen“, erklärt Elwert. „Wir kaufen den ungefährlicheren Ceylon-Zimt und andere Gewürze in größeren Mengen ein und bieten diese dann in haushaltsüblichen Gebinden zu einem günstigen Preis an.“

Überhaupt ist er davon überzeugt, dass Ge­schenke aus der Apotheke nicht unbedingt teurer sein müssen als aus dem übrigen Einzelhandel. Die hochwertigen Lavendel-Seifenstücke, die eine Bekannte von ihm aus der Toskana importiert, könne er beispielsweise für einen Bruchteil des Preises anbieten, zu dem sie bei einer großen Warenhauskette in Stuttgart erhältlich seien.

Foto: DAZ/eda
Die Eigenspezialitäten der Rathaus-Apotheke.

Qualität und ein persönlicher Bezug – das sind für Elwert die Hauptmerkmale seiner Geschenkideen. Immer wieder ergeben sich auch ganz neue Möglichkeiten: Als sich der örtliche Schreiner in Böhmenkirch Gedanken machte, welche Verwendung es für die Zirbenspäne geben könnte, die nach der Verarbeitung des Holzes anfallen, wurde die Idee geboren, Zirbenkissen selbst herzustellen und in der Rathaus-Apotheke anzubieten.

Foto: DAZ/eda
Geschenkideen rund um das Thema Düfte.

Und was hält Philipp Elwert von Kundengeschenken? Neben einer Zeitschrift und einem hochwertigen Heilkräuter-Kalender zum Jahresende verteilt er natürlich Taschen­tücherpackungen. Ansonsten hält er sich mit entsprechenden Firmenaktionen eher zurück. Wertschätzung will er anders ausdrücken als in Form von Wollsocken, Eiskratzern oder Kugelschreibern. |

Autor

Dr. Armin Edalat, Apotheker, ist Chefredakteur der Deutschen Apotheker Zeitung.

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