Foto: Syda Productions – stock.adobe.com

Beratung

Abwarten und Tee trinken?

Zu Vor- und Nachteilen von Halsschmerzmitteln

Im Mai ging die Warnung vor Flurbiprofen-haltigen Rachentherapeutika durch Fach- und Laienpresse, als hätte man eine neue Nebenwirkung entdeckt. Die Möglichkeit der Überempfindlichkeitsreaktion ist aber lange bekannt und in jedem Beipackzettel erwähnt. Die Meldung sollte als Mahnung zu Information und Beratung verstanden werden – und zwar auch im Hinblick auf die Alternativen. Denn frei von Nebenwirkungen ist kaum eine der therapeutischen Optionen bei Halsschmerzen. Ein kritischer Blick auf die, die bleiben. | Von Ralf Schlenger

Flurbiprofen wird seit 2004 vor allem im Rahmen der Selbstmedikation zur kurzzeitigen symptomatischen Behandlung bei schmerzhaften Entzündungen der Rachenschleimhaut ab einem Alter von zwölf Jahren eingesetzt. Die verschreibungsfreie Anwendung, die zunächst nur für Lutschtabletten (z. B. Dobendan® direkt, Flurbiangin®, Flurbiprofen AL) galt, wurde im Dezember 2014 auf die generelle Anwendung im Mund- und Rachenraum mit einer Tageshöchstdosis von 50 mg ausgedehnt. Das machte den Weg frei für Gurgellösungen und Halssprays (z. B. Dobendan® direkt Halsspray); auf den deutschen Markt kamen aber nur letztere.

Das Arylpropionsäure-Derivat Flurbiprofen zählt zu den nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR). Analgetische und antiinflammatorische Effekte gehen auf die Hemmung der Prostaglandin-Synthese zurück, Nebenwirkungen und Gegenanzeigen entsprechen jenen oraler NSAR. Lutschtabletten und Rachensprays lindern Halsschmerzen und Schluckbeschwerden signifikant nach 20 Minuten und das Schwellungsgefühl nach rund einer Stunde. Als maximale Anwendungsdauer werden drei Tage empfohlen [1]. Im Mai 2018 hat die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) daran erinnert, das Risiko für Hypersensitivitäts­reaktionen unter Flurbiprofen-haltigen Rachentherapeutika zu beachten [2].

Keine Warnung, sondern eine Mahnung

Der AMK wurden über einen Zeitraum von fünf Jahren 78 Verdachtsfälle zu Flurbiprofen-haltigen Arzneimitteln berichtet. 53 Fälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) betrafen in absteigender Häufigkeit die Atemwege, die Haut, den Verdauungstrakt oder den Kreislauf. Bei 16 Patienten wurden die unerwünschten Arzneimittelwirkungen als schwerwiegend klassifiziert. Bei ihnen traten innerhalb des ersten Behandlungstages primär die Symptome einer Hypersensitivitätsreaktion auf. Unter diesen Patienten waren drei mit bekanntem Asthma, ein Wespenstich­allergiker und ein Patient mit Heuschnupfen. Vier Patienten waren zum Zeitpunkt der UAW über 75 Jahre alt und trugen somit ein höheres Risiko für schwerwiegende Folgen durch die Reaktion. Die wichtigste Maßnahme war in 14 Fällen der sofortige Therapieabbruch. In nur fünf Fällen erfolgte die Angabe „ohne Schaden erholt“ auf dem Berichtsformular.

Es ist festzuhalten, dass die der AMK berichteten unerwünschter Arzneimittelwirkungen unter lokalem Flurbiprofen sämtlich in der Fachinformation und in Patienten-Beipackzetteln bereits als Gegenanzeige und/oder unter Warnhinweisen aufgeführt sind (Tab. 1). Als Referenz nutzte die AMK dabei die Angaben zu Dobendan® Direkt Lutschtabletten. Mit anderen Worten, Patienten, die sich an die Empfehlungen der Gebrauchsinformation halten, und Apothekenpersonal, das die Vorgaben der Fachinformation umsetzt, sie alle befolgen implizit die Ratschläge der AMK. Es bedeutet im Umkehrschluss, dass es sich in den 16 berichteten Fällen schwerwiegender UAW eigentlich um Anwendungsfehler seitens der Patienten und womöglich um Fälle mangelhafter Beratung und Information seitens der Apotheke handelt. Mit schwerwiegenden Folgen. Insofern ist die Mahnung der AMK, die auch in der Fachpresse vielfach als „Warnung“ kommuniziert wurde, obgleich sie inhaltlich keine neuen Gefahren aufzeigt, gerechtfertigt und geboten. „Sorgfältig Nutzen und Risiken gegeneinander abzuwägen und Patienten über das Risiko von Hypersensitivitätsreaktionen zu beraten“, wie die AMK als freundliche Bitte formuliert, ist eine Erinnerung an die Pflicht zur Information und Beratung.

Tab. 1: Sinngemäß gleiche Gegenanzeigen und Warnhinweise in Beipackzettel, Fachinformation und AMK-Meldung am Beispiel von Dobendan Direkt Lutschtabletten [1, 17].
Beipackzettel
Fachinformation
AMK
Gegenanzeige
Nicht anwenden, wenn Sie „jemals nach Einnahme von ASS oder irgendeinem anderen NSAR Asthma, unerwartete Pfeifatmung oder Kurzatmigkeit, eine gereizte Nase, ein Anschwellen des Gesichts oder ein juckender Hautausschlag (Nesselsucht)“ hatten.
Patienten, die nach Einnahme von ASS oder anderen NSAR bereits Überempfindlichkeits­reaktionen gezeigt haben (z. B. Asthma, ­Bronchospasmen, Rhinitis, Angioödem oder ­Urtikaria).
Patienten mit einer ­vorbekannten NSAR-­Unverträglichkeit
Nicht anwenden, wenn Sie „zwei- oder mehrmaliges Auftreten von Magengeschwüren, Darmgeschwüren, oder Blutungen im Magen/Darmbereich haben oder jemals hatten“.
bestehende oder in der Vergangenheit aufgetretene rezidivierende, peptische Magenge­schwüre/-blutungen (zwei oder mehr separate Episoden mit nachgewiesener Ulzeration) und Darmgeschwüre
Nicht anwenden, wenn Sie „nach der Einnahme von NSAR an Blutungen oder Durchbrüchen im Magen/Darmbereich, schwerer Dickdarmentzündung oder Bluterkrankungen gelitten haben“.
besondere Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen
Bei älteren Personen ist mit einem häufigeren Auftreten von Nebenwirkungen auf NSAR zu rechnen, insbesondere mit Magen-Darm-Blutung und -Perforation, die tödlich verlaufen können.
Vorsicht ist geboten bei älteren Patienten …
Sprechen Sie mit dem Arzt oder Apotheker, wenn Sie jemals Asthma hatten oder an Allergien leiden.
Ein Bronchospasmus kann bei Patienten ausgelöst werden, die an Bronchialasthma oder einer Allergie leiden oder litten.
… sowie bei Patienten mit allergischem Asthma oder Allergien in der Anamnese.

Lücke in der Leitlinienempfehlung?

Wozu raten Hausärzte? Die Leitlinie „Halsschmerzen“ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familien­medizin empfiehlt zur Symptomlinderung primär Einzelgaben von Paracetamol oder Ibuprofen, die Halsschmerzen für mehrere Stunden lindern könnten [3]. Lokale nichtsteroidale Antirheumatika werden nicht explizit erwähnt. Es stellt sich die Frage, ob es sich bei der Anwendung von Flurbiprofen um mehr lokale oder systemisch bedingte Effekte handelt. Laut Fachinformation von Dobendan® Direkt Lutschtabletten wird Flurbiprofen aus den 8,75-mg-Lutschtabletten innerhalb von fünf bis zwölf Minuten resorbiert und kann nach fünf Minuten im Blut nachgewiesen werden [1]. Die maxi­male Plasmakonzentration soll 40 bis 45 Minuten nach der Anwendung erreicht sein und auf einem niedrigen Niveau von 1,4 μg/ml liegen, was etwa 4,4-mal geringer sein soll als das einer 50-mg-Tabletten-Dosis [1]. Zum Vergleich: Nach oraler Einnahme einer normal freisetzenden Tablette mit 400 mg Ibuprofen werden maximale Plasmaspiegel nach ein bis zwei Stunden erreicht [4, 5]. Beim Lysinat des Ibuprofens liegen ca. 32 µg/ml schon nach 30 Minuten vor, therapeutisch wirksame Plasmakonzentrationen sind sogar schon nach ca. zwölf Minuten gegeben [6].

Die pharmakokinetischen Daten lassen vermuten, dass sich ein systemischer Effekt beim Lutschen von Flurbiprofen-Tabletten sehr rasch einstellt, vergleichbar wie bei schnell freisetzendem oralen Ibuprofen. Postuliert man ein vergleichbares Nebenwirkungsprofil, ist prinzipiell weder ein Vorteil noch ein Nachteil der oralen gegenüber der lokalen Applikation erkennbar, was die analgetische und entzündungshemmende Wirkung angeht. Allerdings punktet die Lutschtablette in anderer Hinsicht. Die Resorption oraler Analgetika erfolgt bei Einnahme nach dem Essen verzögert, die Wirkung tritt entsprechend später ein, die Spitzenkonzentrationen im Plasma liegen niedriger. Zudem hat das Lutschen den Vorteil, die Speichelproduktion anzuregen, was die Schleimhäute feucht hält, ein weiteres therapeutisches Moment bei Halsschmerzen. Auch werden viele Patienten gerne der Logik folgen, Beschwerden dort zu lindern, wo es weh tut, also mit einer „Halstablette“. Patienten mit starken Schluckbeschwerden werden ohnehin lieber lutschen als schlucken. – Unterm Strich erscheint die lokale NSAR-Therapie ähnlich effizient und verträglich wie die von der Leitlinie empfohlene orale Gabe, und bei Beachtung der Warnhinweise auch nicht weniger sicher.

Zu den nichtsteroidalen Entzündungshemmern wird häufig auch Benzydamin gezählt, obwohl eine COX-Hemmung bei therapeutischer Dosierung offenbar keine Rolle spielt. Dem benzylierten Indazol-Derivat werden entzündungshemmende, lokalanästhetische, leicht bakterizide und fungizide Eigenschaften zugeschrieben. Abgeraten wird von der Anwendung von Benzydamin bei Patienten mit Salicylat- oder NSAR-Überempfindlichkeit. Bei Patienten, die unter Bronchialasthma leiden oder gelitten haben, können Bronchospasmen ausgelöst werden. Benzydamin steht in Form von Lutschtabletten (ab sechs Jahre) (z. B. Neo angin® Benzydamin akute Halsschmerzen, Tantum verde®), Spray (z. B. Diflam® Spray zur Anwendung in der Mundhöhle, Tantum verde® Spray zur Anwendung in der Mundhöhle) und Spül-/Gurgellösung (10 Vol.-% Alkohol, z. B. Tantum verde® Lösung zur Anwendung in der Mundhöhle) zur Verfügung (s. Tab. 2).

Tab. 2: Lutschtabletten (Beispiele) gegen Halsschmerzen und die darin enthaltenen Wirkstoffe [Lauer-Fischer-Taxe, Stand: 29. Oktober 2018]
Handelsname
Wirkstoffe
Dorithricin® classic
0,5 mg Tyrothricin, 1,0 mg Benzalkoniumchlorid, 1,5 mg Benzocain
Dolo-Dobendan®Lutsch­tabletten
1,4 mg Cetylpyridiniumchlorid, 10 mg Benzocain
Jasimenth® C Lutschpastillen
0,45 mg Dequaliniumchlorid, 20 mg Ascorbinsäure
Neo-angin® Halstabletten, Lutschtabletten, zuckerfrei
1,2 mg 2,4-Dichlorbenzyl­alkohol, 5,9 mg Levomenthol, 0,6 mg Amylmetacresol
Anaesthesin® Pastillen
8 mg Benzocain
Dobendan® direkt Flurbiprofen Lutschtabletten
8,75 mg Flurbiprofen
Mucoangin® gegen Hals­schmerzen Lutschtabletten
20 mg Ambroxolhydrochlorid
Tantum verde® Lutschtabletten
3 mg Benzydaminhydrochlorid
Trachilid® Halsschmerztabletten
6,49 mg Lidocain
Lemocin® Lutschtabletten
2 mg Cetrimoniumbromid, 1 mg Lidocain, 4 mg Tyrothricin

Antisepsis ohne Sinn?

Zwar sind die genannten Wirkstoffe in einer Vielzahl gängiger Halsschmerzmittel enthalten. Es muss aber daran erinnert werden, dass leichte Pharyngitiden im Rahmen einer Erkältung zu 50 bis 80% durch Viren (Rhino-Viren, Corona-Viren usw.) ausgelöst werden. Nur bei schweren Verläufen, die ohnehin in ärztliche Obhut gehören, werden des öfteren β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (GAS) nachgewiesen (15 bis 30% der Fälle). Von daher ist die Anwendung antiseptisch oder gar antibiotisch wirkender Substanzen in der Selbstmedikation stark zu hinterfragen. Das betrifft etwa Hexamidin, Hexetidin oder quartäre Ammonium-­Verbindungen wie Cetylpyridiniumchlorid, Cetrimoniumbromid, Benzalkoniumchlorid und Dequaliniumchlorid. Die „Quats“ sind oberflächenaktive Substanzen, die begrenzt antibakteriell, aber kaum viruzid wirken. Sie verlieren außerdem in saurem Gewebe, durch Eiweiß, Eiter oder Serum an Wirkung und dringen kaum in die Tiefe des Gewebes vor, wo sich die wesentliche Infektion abspielt, kritisiert die Halsschmerz-Leitlinie der Hausärzte.

Auch bei der Kombination aus Dichlorbenzylalkohol, Amylmetacresol und Levomenthol handelt es sich um eine rein antimikrobiell wirksame Zubereitung. Wie alle Präparate mit Pfefferminzöl oder Levomenthol ist sie kontraindiziert bei Patienten mit Asthma bronchiale oder anderen Atemwegserkrankungen, die mit einer ausgeprägten Überempfindlichkeit der Atemwege einhergehen [7].

Ähnliches gilt für das Polypetid-Antibiotikum Tyrothricin (z. B. Dorithricin®), das sich hauptsächlich gegen grampositive Erreger richtet. Der fehlenden antiviralen Wirkung stehen als Warnhinweise die Möglichkeit einer Sensibilisierung bei Patienten mit Neigung zu allergischen Reaktionen der Haut (z. B. allergisches Kontaktekzem) gegenüber. Tyrothricin wirkt bei parenteraler Anwendung toxisch (im Magen wird es denaturiert), es darf lokal nicht bei größeren, frischen Wunden angewendet werden. Dies gilt auch für den Mundraum [8, 9]. Für einen anderen lokalantibiotischen Wirkstoff, Fusafungin, kam 2016 das Aus: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte widerrief die Zulassung von Locabiosol®, nachdem die Europäische Arzneimittelbehörde EMA wegen des Auftretens allergischer Reaktionen bei Anwendung des Sprays zu einer negativen Nutzen-Risiko-Bewertung kam.

Was bleibt bei Halsweh? Pro und Kontra

Abwarten und Tee trinken
PRO:
Die allgemeine Empfehlung bei Erkältungskrankheiten lautet: Schonung, pausieren, gegebenenfalls Bettruhe, nicht rauchen, bei Halsschmerzen Stimme schonen. Halsschmerzen aufgrund einer Pharyngitis dauern in der Regel nur wenige Tage. In den Placebogruppen kontrollierter Therapiestudien sind Halsschmerzen nach drei Tagen bei 30 bis 40% der Patienten abgeklungen, etwa 85% sind fieberfrei. Nach einer Woche sind etwa 80 bis 90% der Patienten beschwerdefrei. Schon unspezifische Maßnahmen können nebenwirkungsfrei über die Tage hinweghelfen: Kamillen- oder Salbeitee trinken, Bonbons lutschen und Halswickel empfiehlt die deutsche Halsschmerz-Leitlinie zur Symptomlinderung. 
KONTRA: Aufgrund des Leidensdruckes oder beruflicher wie privater Anforderungen streben aber viele Betroffene eine raschere symptomatische Linderung an.

Lokale Mittel 
PRO: 
Betroffene folgen der Logik, da zu behandeln, wo es schmerzt. Lutschtabletten und Sprays können vorteilhafter sein als Gurgellösungen, da beim Gurgeln und Spülen der Rachen kaum erreicht wird. Inha­lationen mit heißem Wasserdampf befeuchten die Schleimhäute im Bereich der oberen Atemwege einschließlich des Rachens. Befeuchtende und schleimhaut­schützende Lutschtabletten (etwa mit Emser Salz, Hyaluronsäure Isländisch-Moos-Extrakt) weisen keine pharmakologischen Nebenwirkungen auf.
KONTRA: Von Lutschtabletten, Gurgellösungen und Rachensprays mit Lokalantiseptika und/oder Lokalanästhetika oder Antibiotika rät die Halsschmerz-Leitlinie explizit ab: Der nicht nachgewiesene Nutzen überwiege nicht den teilweise nachgewiesenen Schaden. Sie plädiert für Analgetika.

Analgetika
PRO:
Orale Einzelgaben von z. B. Paracetamol oder Ibuprofen lindern Halsschmerzen rasch und für mehrere Stunden. Die regelmäßige orale Gabe reduziert die Symptome bei Pharyngitis auch während einer antibiotischen Behandlung. Aber auch lokale Analgetika wie Flurbiprofen als Lutschtablette oder Spray (alle drei bis sechs Stunden eine Tablette bzw. drei Sprühstöße in den hinteren Rachenraum) lindern Halsschmerzen und Schluckbeschwerden rasch (signifikant nach gut 20 Minuten, Schwellungsgefühl nach rund einer Stunde). 
KONTRA: Die bekannten Nebenwirkungen von NSAR auf Magen/Darm, Herz/Kreislauf, Kontraindikationen und Warnhinweise sind zu beachten, das gilt für systemische wie für lokale Anwendung!

Besondere Therapierichtungen 
PRO:
Pflanzliche Arzneimittel und homöopathische Mittel können bei ausgeprägtem Therapiewunsch oder unzureichender Wirksamkeit besser belegter symptomatischer Maßnahmen mit Einschränkung empfohlen werden. 
KONTRA: Es gibt keine oder nur geringe Wirksamkeitsbelege aus kontrollierten Studien.

Auch nicht unproblematisch: lokale Betäubung

Lokalanästhetika blockieren reversibel spannungsabhängige Natriumkanäle und heben örtlich begrenzt die Erregbarkeit und das Leitungsvermögen sensibler Nervenfasern auf. Das Schmerzempfinden sowie in weiterer Reihenfolge das Kälte-, Wärme- und Druckempfinden werden herabgesetzt. Externa mit Benzocain und Lidocain können akute Halsschmerzen kurzzeitig lindern, ohne aber weitere Symptome zu bekämpfen oder die Heilung zu beschleunigen. Voraussetzung für die Anästhesie ist eine ausreichende Dosierung, da die Moleküle bei sauren pH-Werten, wie sie in entzündetem Gewebe vorherrschen, protoniert werden. Aber nur als Base können sie die lipophile Zellmembran durchdringen und ihren Wirkort an der Membraninnenseite erreichen. Werden sie nun überdosiert, besteht das Risiko zentral­nervöser und kardialer Nebenwirkungen; auch kann eine Methämoglobinämie mit Atemnot und Cyanose ausgelöst werden. Bei Lidocain etwa liegt die Bioverfügbarkeit nach oraler Aufnahme bei 35% [10], bei topischer Applikation werden 3 bis 5% angegeben [11]. Die Substanz passiert die Blut-Hirn-Schranke und die Plazenta und tritt in die Muttermilch über. Bei Schwangeren besteht eine Kontraindikation. Bei Patienten mit schweren Verletzungen und/oder Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut ist Lidocain laut Fachinformation „mit Vorsicht anzuwenden, insbesondere bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Störungen oder Krampfneigung.“ Bei anhaltenden starken Beschwerden ist die Anwendungsdauer auf zwei Tage begrenzt.

Benzocain ist wie Lidocain als Methämoglobin-Bildner bekannt. Zudem werden relativ häufig allergische Reaktionen beobachtet. Zur Pharmakokinetik und zum Übergang in die Muttermilch liegen keine aussagekräftigen Daten vor. Benzocain-Lutschdragees sollten während der Schwangerschaft und Stillzeit nur unter sorgfältiger Indikationsstellung angewendet werden [11, 12].

Auch Ambroxol hemmt spannungsabhängige Natrium-­Kanäle. Die anästhetische Potenz ist sowohl im physiologischen als auch im sauren (also entzündeten) Milieu höher als die von Lidocain oder Benzocain. Hinzu kommen leichte entzündungshemmende Effekte. In zwei kontrollierten Studien mit 20-mg-Lutschtabletten besserten sich Halsschmerzen signifikant besser als unter Placebo. Gelegentlich treten Magen-Darm-Beschwerden auf. Im Zusammenhang mit der Anwendung von Ambroxolhydrochlorid gab es Berichte über schwere Hautreaktionen, weshalb bei Anzeichen eines Hautausschlags die Anwendung unverzüglich zu beenden ist. Ambroxol passiert die Plazenta und tritt in die Muttermilch über. Im ersten Trimenon und in der Stillzeit wird die Anwendung nicht empfohlen [13].

Unabhängig vom Wirkstoff ist bei lokaler Anästhesie im Mund- und Rachenraum zu beachten, dass das Taubheits­gefühl verschiedene „Nebenwirkungen“ mit sich bringt. Die Geschmackswahrnehmung leidet, das Schlucken kann beeinträchtigt werden, die Gefahr des Verschluckens steigt, Bissverletzungen können provoziert werden. Wiederholte Anwendung kann selbst Schluckbeschwerden auslösen. Dies kann besonders bei jüngeren Kindern und alten Menschen problematisch sein. Lokalanästhetische Lutsch­tabletten sollten nicht länger als drei Tage und gar nicht bei Kindern unter zwölf Jahren angewendet werden. Unmittelbar nach Lutschen der Tabletten sollte nicht gegessen oder getrunken werden. |

Literatur

 [1] Fachinformation Dobendan® Direkt Zuckerfrei Flurbiprofen 8,75 mg, Stand Januar 2015

 [2] Informationen der Institutionen und Behörden: AMK: Flurbiprofen-haltige Rachentherapeutika – Risiko für Hypersensitivitätsreaktionen beachten. Information der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) 19/18 vom 8. Mai 2018, www.abda.de

 [3] Halsschmerzen. DEGAM-Leitlinie Nr. 14, AWMF-Register 053/010, Oktober 2009 (Gültigkeit bis 2014, Überarbeitung bis Ende 2018 geplant)

 [4] Fachinformation Ibuprofen AbZ 400 mg akut Filmtabletten, Stand Dezember 2017,

 [5] Fachinformation Eudorlin® extra Ibuprofen-Schmerztabletten, Stand Februar 2018

 [6] Ibuprofenpräparate im Vergleich – Klinische Studie zur Bioäquivalenz DAZ 2003;37:107

 [7] Fachinformation neo-angin® Halstabletten, Stand September 2014

 [8] Fachinformation Dorithricin® Halstabletten, Stand August 2017

 [9] Fachinformation Lemocin®, Stand Juni 2016

[10] Fachinformation Trachilid® Halsschmerztabletten, Stand November 2014

[11] Neubeck M. Evidenzbasierte Selbstmedikation 2013/2014

[12] Fachinformation Benzocain® Lutschdragees, Stand September 2014

[13] Fachinformation Mucoangin® gegen Halsschmerzen, Stand Juni 2017

[14] Gebrauchsinformation Dobendan® Direkt Flurbiprofen 8,75 mg Lutschtabletten, Stand Juni 2017

Autor

Ralf Schlenger ist Apotheker und arbeitet als freier Autor und Medizinjournalist in München.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.