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Wirtschaft

Warum Sterilzubereitungen teuer sind

Herleitung eines notwendigen prozentualen Mindestaufschlags

Die Zubereitung von Sterilrezepturen ist fachlich und infrastrukturell anspruchsvoll. Die dabei verarbeiteten Substanzen sind zumeist potenziell toxisch, teilweise sensibel und in der Regel teuer. Die speziellen Taxierungsregeln für diese Rezepturen stehen gerade wieder auf dem Prüfstand. Die wirtschaftlichen Betrachtungen dazu konzentrieren sich bisher auf die Herstellung. Doch die außergewöhnlichen Ausgangsstoffe führen auch bei der Lagerhaltung zu einer besonderen Kostenstruktur, die bisher bei der Erstattung nicht berücksichtigt wird. | Von Thomas Wellenhofer und Thomas Müller-Bohn

In einer Analyse von Stadler [1] und im „Refa“-Gutachten des VZA wurden die Arbeitsleistung bei der Herstellung von Sterilrezepturen und die daraufhin nötige Vergütung detailliert betrachtet. Für die Bewertung des Wareneinsatzes stehen dagegen nur allgemeine Betrachtungen zur Verfügung, die nicht die Besonderheiten dieser Arzneimittel berücksichtigen und die zudem stark differieren. Zur Finanzierung des Warenlagers veranschlagen Herzog 7,5 bis 10 Prozent pro Jahr für die Kapitalbindung [2] und die bayerischen Finanzbehörden 3 bis 5 Prozent pro Jahr für Verfall, Bruch und Verderb, aber ohne Kapitalbindung. Als gesamte Kosten der Warenbewirtschaftung ermittelte an der Heiden 5 Prozent pro Packung ohne Deckelung oder 7,2 Prozent mit Deckelung für Hochpreiser [3].

Struktur der Kosten

Bei der wertabhängigen Finanzierung des Warenlagers sind die Kosten für die eigentliche Lagerhaltung und für die Warenverwertung zu unterscheiden. Wirtschaftlich tragfähig ist die Vorhaltung eines Warenlagers nur, wenn die Honorierung für die anschließende Verarbeitung (die „Veredelung“ der Waren) die Risiken der Lagerung überkompensiert. Da die überwiegende Mehrzahl der Sterilherstellungen „ad-hoc“ – also in direktem zeitlichem Zusammenhang nach der Bedarfsanmeldung durch die behandelnde Praxis – statt­findet [4], ist eine erhebliche Vorratshaltung nötig, woraus wiederum Lagerrisiken entstehen.

Gemeinsamkeiten mit Fertigarzneimitteln

Wichtige Kostenarten bei jeder Lagerhaltung sind die Kapitalbindung sowie „Bruch, Verderb und Verfall“. Dazu gehören das Erreichen des Verfalldatums und der Bruch bei der Lagerung. Dabei unterscheiden sich die hier betrachteten Arzneimittel nicht von anderen verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln. Diese Kosten werden gemäß Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) mit dem prozentualen Zuschlag von 3 Prozent auf den Einkaufspreis abgegolten. Der Zuschlag muss naturgemäß auch alle anderen wertabhängigen Kostenarten (z. B. umsatzabhängige Gebühren, Beiträge und Versicherungsprämien) abdecken. Doch auch dies betrifft alle Umsätze der Apotheke gleichermaßen. Obwohl der Zuschlag von 3 Prozent also mehr als Kapitalbindung und Verfall umfasst, ist hier keine differenziertere Betrachtung nötig. In dieser Betrachtung geht es dagegen um die Kostenarten, die nur oder in besonderem Umfang bei Arzneimitteln für Sterilrezepturen anfallen.

Spezielle Kosten der Lagerhaltung

Bei der eigentlichen Lagerhaltung sind für die hier interessierenden Arzneimittel folgende Kostenarten zu beachten:

Spezielle Formen des Verderbs: Wegen der Hygieneanforderungen darf die Sekundärverpackung nicht in das Zwischenlager gelangen. Packungen sind damit schon dort unvollständig und nicht retournierbar. Auch Vorräte für zwischenzeitlich verstorbene Patienten können oft nicht retourniert werden. Da diese spezifischen Kostenpositionen nicht quantifiziert werden können, bleiben sie hier unbeachtet.

Lagerwertverluste: Bei Preisanpassungen nach unten erfolgt nicht immer ein Lagerwertverlust-Ausgleich. Insbesondere sind angebrochene Packungen nicht mehr als Lager­ware erfasst und fließen daher nicht in den Ausgleich ein. Ausgehend vom Anteil der Anbrüche am Lager werden für Lagerwertverluste 0,2 Prozent vom Wert der verarbeiteten Packungen als Mittelwert angesetzt. Die zusätzlichen Arbeitskosten für die Geltendmachung der Verluste haben Stadler und das Refa-Gutachten berücksichtigt.

Retournierungskosten: Bei Therapieausfällen können kurzfristig beschaffte Präparate meist kurzfristig retourniert werden. Dafür erhebt der pharmazeutische Vollsortimentsgroßhandel eine Gebühr von durchschnittlich etwa 30 Prozent des Einkaufswerts. Im spezialisierten Onko-Großhandel findet man wahlweise den pauschalen Ausschluss von Retouren oder den Rückkauf gegen Bearbeitungsgebühren (meist 15 bis 20 Euro pro Fall) und die Rücksendekosten (etwa 70 Euro für getrackten Kühltransport). Etwa 2 Prozent des Warenlagers werden retourniert. Mit dem durchschnittlichen Warenwert einer Sterilrezeptur errechnet sich ein Kostenanteil von 0,234 Prozent des Wertes der verarbeiteten Packungen (90 Euro in 2 Prozent der Fälle von 768 Euro Wareneinsatz pro Rezeptur, ermittelt aus ABDA-Daten zu Umsatz und Verordnungszahl parenteraler Rezepturen).

Aspekte der Warenverwertung

Keine Form der Veredelung von Ausgangsstoffen erreicht die ideale Verwertungsmarge von 100 Prozent. Dies führt zu weiteren wertabhängigen Kosten, die mit einer Herstellungspauschale nicht finanziert werden können und in den diesbezüglichen Betrachtungen auch nicht berücksichtigt wurden. Bei der Sterilherstellung in Apotheken betrifft dies folgende Kostenarten:

Substanzschwund: Wirkstoffkonzentrate werden meist in geschlossenen Systemen in vorbefüllte Infusionslösungen überführt. Dabei verbleiben Wirkstoffanteile in Filtern, Leitungen, Kanülen, Spikes und Spritzen, die mit diesen Einmalgeräten verworfen werden. Bei vielen in Lösung befindlichen Konzentraten (z. B. Paclitaxel oder Oxaliplatin) wird dieser Verlust durch eine Überfüllung der Ausgangsflaschen kompensiert. Doch bei pulverförmigen Präparaten, die vor der Zubereitung in Lösung gebracht werden müssen (z. B. Azacitidin, Infliximab oder Trastuzumab), kann die Nennmenge nicht vollständig entnommen werden. Das Totvolumen beträgt durchschnittlich etwa 1,5 bis 2 Prozent. Bezogen auf alle verarbeiteten Packungen werden 0,5 Prozent angesetzt.

Nicht abrechenbare Verwürfe: Die Regelungen zur Abrechenbarkeit von unvermeidlichen Verwürfen gemäß Anlage 3 der Hilfstaxe sind lückenhaft. Bei einigen Präparaten mit längeren Resthaltbarkeiten (z. B. Paclitaxel, Docetaxel, Gemcitabin, Carboplatin, Cisplatin usw.) lässt sich zum letztmöglichen Zeitpunkt einer Rezeptabrechnung noch nicht absehen, ob die Anbrüche noch verwertbar sind oder auf das Rezept aufgeschlagen werden müssten. Weitere Probleme ergeben sich bei Wirkstoffen mit kurzen Haltbarkeiten der Anbrüche. Bei zwei oder mehr in zeitlichem Zusammenhang versorgten Patienten übersteigt die tatsächliche Verwurfsmenge regelmäßig die höchste zulässige Verwurfsmenge. Insgesamt erscheinen damit Kosten von 0,1 Prozent des Wertes der verarbeiteten Packungen angemessen.

Fehlzubereitungen und Bruch: Trotz qualitätsgesicherter Arbeitsweise sind menschliche Fehler unvermeidbar. Sie können zu Fehlzubereitungen oder Bruch führen, wobei hier Ereignisse bei der eigentlichen Zubereitung gemeint sind, zu unterscheiden vom Bruch bei der Lagerung (siehe oben). Eine rein juristische Betrachtung der „Haftung“ hilft bei der wirtschaftlichen Bewertung nicht weiter. Auch in einem System, das der Solidargemeinschaft dient, müssen solche Fälle als unvermeidbar akzeptiert werden. Jeder Dienstleister wird Aufträge nur annehmen, wenn die Honorierung „fehlerverzeihend“ gestaltet ist, da das Geschäfts­modell sonst betriebswirtschaftlich nicht tragfähig ist (und umgangssprachlich die „Pleite“ vorprogrammiert ist). Darum muss der mit sorgfältiger Herstellung verbundene Minimalanteil an Fehlzubereitungen und Bruch ebenfalls mit dem Warenaufschlag abgedeckt sein. Gemäß einer Umfrage in der ARGE PareZU müssen durchschnittlich zwei von eintausend Rezepturen durch Flaschenbruch, auslaufende Beutel, versehentlich falsche Lösungsvorgänge usw. verworfen werden. Dieser extrem geringe Ausfallwert von 0,2 Prozent im Produktionsablauf ist ein eindrucksvoller Beleg für die Perfektion und Qualität der standardisierten Abläufe und doch ein relevanter Kostenfaktor.

Zusammenfassende Kostenbetrachtung

Für Arzneimittel, die zu Sterilrezepturen verarbeitet werden, resultieren damit insgesamt spezielle wertabhängige Kosten der Lagerhaltung und Warenverwertung in Höhe von 1,234 Prozent des Wertes der verarbeiteten Packungen. Diese werden hier zu 1,2 Prozent abgerundet (siehe Tab. 1). Unwägbarkeiten durch politische oder juristische Einflussnahme wie derzeit beispielsweise die rückwirkende Preisfindung für Biosimilars und neue Substanzen [5], das schwer kalkulierbare Retaxverhalten der Krankenkassen und spezielle Formen des Verderbs (siehe oben) bleiben unberücksichtigt. Doch auch diese Größen sind wertabhängig und daher mit einer Herstellungspauschale allenfalls begrenzt abzubilden.

Tab. 1: Wertabhängige Kostenarten bei der Lagerhaltung von Arzneimitteln
Kostenart
Wertabhängige Kosten bei „herkömmlichen“ verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln
Kalkulierte wertabhängige Kosten bei Arzneimitteln für Sterilrezepturen
Lagerhaltung im engeren Sinn
Kapitalbindung, Verfall und Bruch im Lager
3% (*)
3% (*)
Lagerwert-verluste
0,2%
Retournierungskosten
0,2% (gerundet)
Kosten der Warenverwertung
Substanzschwund
0,5%
Nicht abrechenbare Verwürfe
0,1%
Fehlzubereitung und Bruch bei der Verwertung
0,2%
Summe
3% (*)
4,2% (*)

Die Tabelle zeigt die wertabhängigen Kosten der Lagerhaltung und die dafür in der Kalkulation angesetzten Kostensätze, jeweils in Prozent vom Einkaufswert der verarbeiteten Packungen. (*) Für Kapitalbindung, Verfall und Bruch im Lager wird die Pauschale gemäß AMPreisV angesetzt, die darüber hinaus weitere wertabhängige Kostenpositionen außerhalb der Lagerwirtschaft abdeckt.

Notwendiger Mindestaufschlag

Zusätzlich zum Zuschlag von 3 Prozent für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel gemäß AMPreisV ist damit ein weiterer Zuschlag von 1,2 Prozent auf den Einkaufspreis erforderlich, um die besonderen Kosten für Sterilia zu decken. Diese Kosten müssen zusätzlich zur Preisbildung für Fertigarzneimittel berücksichtigt werden, um Herstellungen nicht systematisch schlechter als die Abgabe von Fertigarzneimitteln zu honorieren. Denn anderenfalls entstünde ein Fehlanreiz, der die Aufrechterhaltung der Infrastruktur für Sterilrezepturen behindern würde. Für die Sicherung der elementaren betriebswirtschaftlichen Anforderungen sind deshalb bei Sterilzubereitungen Aufschläge für den Wareneinsatz von 4,2 Prozent notwendig.

Gegenüber Außenstehenden sollte erläutert werden, dass niemand in einem Risikobereich Gelder investieren und dem sicheren Wertschwund aussetzen wird, wenn er mit geringerem Risiko in einem anderen Feld deutlich höhere Renditen erreichen kann. Auch gegenüber einer Solidargemeinschaft besteht für Dienstleister und ihre Mitarbeiter keine moralische Verpflichtung zur Selbstausbeutung. |

Literatur

[1] Stadler F: Was die Herstellung kostet. Dtsch Apoth Ztg. 2018;158(35):3500-3503,

[2] Herzog R: Kennzahlen in der Apotheke. Deutscher Apotheker Verlag. Stuttgart 2013, S. 69

[3] An der Heiden I, Meyrahn F: Ermittlung der Erforderlichkeit und des Ausmaßes von Änderungen der in der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) geregelten Preise. 2HM&Associates 2017

[4] Wellenhofer T: Der Wert steriler Ad-hoc-Zubereitungen. Dtsch Apoth Ztg. 2018;158(34):3378-3381,

[5] Sucker-Sket K: Keine rückwirkenden Retaxationen für Zyto-Apotheker. deutsche-apotheker-zeitung.de vom 16.10.2018

Autoren

Dr. Thomas Wellenhofer,

Apotheker, Studium der Pharmazie in Regensburg, 1994 Promotion in Pharmakologie und Toxikologie, seit 1997 Inhaber der Bahnhof Apotheke Freilassing, Schwerpunkte Ernährungsberatung, Diabetes, Zyto­statikaversorgung und Management

Dr. Thomas Müller-Bohn,

Apotheker und Dipl.-Kaufmann, auswärtiges Mitglied der Redaktion der Deutschen Apotheker Zeitung

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