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- DAZ 50/2018
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Rezension
Was wir aus Skandalen gelernt haben
16 tragische Fälle aus der Medizin und Pharmazie - und deren Folgen bis heute
Medizinskandale haben „das Zeug zur Arznei“ – so lautet die These, die Eckart Klaus Roloff und Karin Henke-Wendt ihrem Buch „Geschädigt statt geheilt“ voranstellen. Der erhellenden Einleitung folgen 16 verschiedene Skandale, die die Autoren in ihrem flüssig geschriebenen und sehr gut lesbaren Buch unter die Lupe nehmen.
Die Auswahl ist gelungen, zumal hier bekannte Skandale (z. B. Contergan) mit eher unbekannten Fällen (z. B. Robodoc-Skandal) vereint werden oder mit solchen, die erst jüngst einiges Aufsehen erregt haben (z. B. Bottroper Krebsmittel-Skandal).
Die These einer potenziell heilsamen Wirkung von Medizinskandalen überzeugt, denn nicht wenige Normen und Standards im Gesundheitswesen sind das mittelbare Ergebnis eines Medizinskandals. Ziel des Buches ist daher auch, das Bewusstsein für Probleme in diesem Sektor zu schärfen. Doch in der Einleitung wird auch ein zentrales Problem deutlich. Unklar bleibt, wie Roloff und Henke-Wendt einen Skandal genau verstanden wissen möchten. Einerseits beziehen sie sich durchaus überzeugend auf die neuere Skandalforschung, die einen Skandal als soziales Phänomen versteht, bei dem ein tatsächlicher oder vermeintlicher Normverstoß zum Gegenstand einer plötzlichen und medial getragenen öffentlichen Empörung wird (S. 12 – 14). Andererseits bezeichnen die Autoren einen Skandal aber auch als das verwerfliche Geschehnis an sich, das unter bestimmten Umständen publik wird, unter anderen jedoch nicht (S. 15). Letztlich changieren Roloff und Henke-Wendt zwischen beiden Begriffsverwendungen: „Skandal“ als Sachbeschreibung eines sozialen Phänomens und als subjektives Werturteil. Diese Unschärfe zieht sich durch das ganze Buch.
Die Kapitel zu den verschiedenen Einzelskandalen sind unterschiedlich aufgebaut. Während etwa der Abschnitt zu Contergan sich vor allem auf eine Ereignischronik beschränkt, sind andere Kapitel eher erzählerisch angelegt. Andere Kapitel (etwa zu Serienmorden in Kliniken und Altenheimen) präsentieren zum Teil schon veröffentlichte Texte. Viele Kapitel sind kenntnisreich geschrieben und lassen sich mit Gewinn lesen. Die Kapitel zum Bluter-Skandal, zu den Organspende-Skandalen und zu den Serienmorden zählen zu den stärkeren Passagen, als ganz vorzüglich sind die Kapitel über Gustl Mollath und den Hochstapler Gerd Postel zu werten.
Es beeindruckt durchaus, wie sich Roloff und Henke-Wendt in die Einzelheiten der 16 verschiedenen Fälle eingearbeitet haben. Alle werden konzis wiedergegeben, sodass man einen guten Überblick über die Skandale erhält. Doch die Vielzahl führt auch zu Schwächen, die man den Autoren freilich nur bedingt anlasten kann. Da Roloff und Henke-Wendt keineswegs alles selbst gründlich aufarbeiten können, müssen sie sich auf andere Literatur stützen. Misslicherweise handelt es sich dabei zum Teil um Presseberichte, die die Skandale überhaupt erst erzeugt haben. Medien müssen dabei aber, wie die Autoren selbst betont haben, „filtern“, was „bis zu Manipulationen, Verzerrungen und einseitiger Personalisierung führen“ kann (S. 13). Indem sie sich zum Teil selbst auf solche Medienberichte stützen, übernehmen sie solche Verzerrungen und Einseitigkeiten.
Als beispielhaft kann hier das Kapitel zu Duogynon stehen. Roloff und Henke-Wendt stützen sich vor allem auf Medienberichte, die im Detail oft ungenau sind, häufig stark selektiv berichten und sich dabei meist auf eine Opfer-Sicht beschränken, die naturgemäß subjektiv ist. So werden Zitate nicht selten aus dem Zusammenhang gerissen, während relativierende Aussagen unerwähnt bleiben. Hier wäre mehr Skepsis gegenüber dem sensationsorientierten Anklagegestus mancher Medien wünschenswert gewesen, zumal ein akribisches und unvoreingenommenes Quellenstudium oft ein anderes Bild bietet. Zu den weniger überzeugenden Kapiteln zählen auch die anderen „historischen“ Skandale, da die Fälle nicht hinreichend aus den zeitgenössischen Rahmenbedingungen, Kenntnissen und Problemlagen heraus beurteilt werden.
Allen Einwänden zum Trotz ist das Buch aber insgesamt durchaus zu empfehlen. Mit einer gesunden Portion Skepsis gegen moralisierende Gut-Böse-Schematisierungen gelesen, bietet es eine gewinnbringende, informative und kurzweilige Lektüre. |
Eckart Klaus Roloff, Karin Henke-Wendt
Geschädigt statt geheilt – Große deutsche Medizin- und Pharmaskandale
56 S., 29 s/w Abb., 15,3 × 23,0 cm
Kartoniert, 22,- Euro
ISBN 978-3-7776-2763-2
S. Hirzel Verlag, 2018
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