Praxis

Problematische Granulate

Wie kontrolliert man Qualität und Verbraucherschutz bei TCM-Granulaten?

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Von Christian Bauer | Neben Rohdrogen werden in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) vermehrt auch Granulate eingesetzt. Dazu wird in China oder ­Taiwan mithilfe eines standard­isierten Verfahrens der Mutterextrakt hergestellt (meist mit dem Lösungsmittel Wasser). Dieser Mutter­extrakt wird dann dort auf die Granulatträgermasse aufge­zogen (Maltodextrin oder auch andere) und in uns benachbarte EU-Staaten exportiert. Aus diesen benachbarten EU-Staaten (z. B. Tschechien oder Österreich) importieren die deutschen Lieferanten dann Granulate und vertreiben sie.

Was hier so einfach klingt, ist mit einer Vielzahl von mög­lichen Problemen behaftet. Wie wurde der Mutterextrakt hergestellt? Welche Qualität hatte die Ausgangsdroge? In welchem Verhältnis wird der Mutterextrakt auf die Granulatträgermasse aufgezogen? Was ist mit Verunreinigungen? So zeigen Untersuchungen, dass, wenn nötig, auch die Granulatträgermasse mit gerade griffbereiten Pulverresten ­gestreckt wird. Umso wichtiger ist es deshalb, auf qualitativ hochwertige Ware von zuverlässigen Lieferanten zurückzugreifen. Aufgrund dieser Problematik sind TCM-Granulate vermehrt in den Fokus der Überwachungsbehörden gerückt.

Zur rechtlichen Situation

TCM-Granulate sind als Ausgangsstoffe und Arzneimittel einzustufen, die zur Herstellung von individuellen Rezepturarzneimitteln nach § 7 ApBetrO genutzt werden. Damit unterliegt das Inverkehrbringen der Apothekenbetriebsordnung. Die Apotheker sind für die Qualität der verwendeten TCM-Granulate verantwortlich und haften dafür.

Nach § 6 Abs. 1 ApBetrO müssen Arzneimittel, die in der Apotheke hergestellt werden, die erforderliche Qualität aufweisen. Nach § 11 ApBetrO ist bei Vorliegen eines ordnungs-gemäßen Prüfzertifikates zumindest die Identität des ­Ausgangsstoffes festzustellen. Beide Punkte, sowohl ein ordnungsgemäßes Prüfzertifikat als auch die Identitätsprüfung, gestalten sich bei TCM-Granulaten derzeit problematisch. Beispielsweise ist die propagierte Identitätsprüfung mittels NIR-Spektroskopie allenfalls auf Chargengleichheit ­möglich. Von den manchmal vorgeschlagenen organoleptischen ­Methoden sollte abgesehen werden. Ebenso entsprechen die Zertifikate der TCM-Granulate nicht den Vorgaben des ­Arzneibuches und der ApBetrO (z. B. fehlendes Drogen-Extrakt-­Verhältnis, Auszugsmittel, Trägermaterial). Auch bei den Prüfzertifikaten fehlen manchmal bestimmte Reinheitsparameter (z. B. Schwermetalle). Zudem legen manche Lieferanten Zertifikate bei, die nicht den Vorgaben von § 6 Abs. 3 ApBetrO entsprechen (z. B. Zertifikate aus Taiwan oder Prüfberichte unterzeichnet von einem Lebensmittelchemiker und nicht von einer „qualified person“ nach § 65 AMG). Dies hat dazu geführt, dass einzelnen Apotheken die Verwendung von TCM-Granulaten aufgrund fehlender nachgewiesener Qualität behördlich untersagt wurde.

Um eine Versorgung der Bevölkerung mit TCM-Granulaten über die öffentliche Apotheke in der erforderlichen Qualität zu gewährleisten, wurden von der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD) 2016 die sieben größten Lieferanten für TCM-Granulate angeschrieben mit einem Fragenkatalog, wie sie bestimmte Punkte als Lieferant handhaben (z. B. Zertifikate). Geantwortet und damit in die Diskussion eingetreten sind nur vier Lieferanten in Deutschland, davon zwei aus Bayern.

Ziel dieses Dialogs sollte sein, gemeinsam die Bereiche Prüfzertifikat und Identitätsprüfung der TCM-Granulate ­ordnungsgemäß zu gestalten, damit die Verkehrsfähigkeit zu sichern und ein Abwandern in graue Kanäle wie Internet oder ausländische Anbieter zu verhindern. Auf der Jahrestagung der APD in Augsburg wurde dazu am 19.10.2016 eine Resolution mit einem Anforderungskatalog verabschiedet. Diese Resolution sorgte dann für einen ziemlichen Wirbel in der „TCM-Community“ – vom Vorwurf der „Korinthenkackerei“ bis hin zur Postulierung einer Gefahr des drohenden Therapienotstandes. Da die Alternative die Untersagung des Inverkehrbringens von TCM-Granulaten durch die öffentlichen Apotheken aufgrund mangelnder Verkehrsfähigkeit gewesen wäre, sind obige Lieferanten in einen intensiven Dialog mit der APD eingetreten, mit Werksbesuchen und weitergehenden Informationsmaterialien.

Aktueller Stand

Um die Problematik der TCM-Granulate positiv und zielführend weiter zu bearbeiten, wurden die Bereiche ordnungsgemäßes Prüfzertifikat und Identitätsprüfung getrennt weiter diskutiert. Zum Bereich Prüfzertifikate fand im Juli 2017 im Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege zusammen mit den hauptamtlichen Überwachungsbeamten ein „runder Tisch“ statt, bei dem mit bayerischen Lieferanten die Anforderungen für ein ordnungsgemäßes Prüfzertifikat erörtert wurden. Diese Lieferanten haben mittlerweile deutlich verbesserte bzw. fast optimale Prüfzertifikate zur Ansicht vorgelegt.

Wesentliche Punkte sind Angaben zum nativen Extrakt wie das Drogen-Extrakt-Verhältnis, Extraktionsmittel, verwendete Pflanzenteile, evtl. zugesetzte Wirkstoffe, Bestrahlung der Ausgangsdroge oder die quantitative Angabe einer analytischen Leitsubstanz, soweit möglich.

Beim Granulat sind Angaben zum Trägerstoff, zur Reinheit (keine Zusätze anderer Stoffe oder Drogen), zur Tagesdosis, zum Drogen-Extrakt-Verhältnis des Granulates und eine ­Deklaration nach den Richtlinien der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA erforderlich, um das Granulat auf die TCM-Droge umrechnen zu können. Die Prüfung durch ein in der EU anerkanntes Prüflabor auf Schwermetalle, Pflanzenbehandlungsmittel, Mikrobiologie, ggf. Aflatoxine und eventuelle andere Rückstände oder Verunreinigungen ist zwingend erforderlich. Die abschließende Beurteilung mit Unterschrift einer sachkundigen Person nach § 65 AMG darf nicht fehlen. TCM-Granulate von Lieferanten mit unzureichenden Prüfzertifikaten dürfen in der Apotheke nicht (mehr) verwendet werden. Gleichzeitig haben Untersuchungen begonnen, welche ­Identitätsprüfungen für TCM-Granulate in der Apotheke möglich und durchführbar sind. So testen derzeit einige „Pilot-Apotheken“ eine dünnschichtchromatografische Methode mit Referenzextrakten; andere Apotheken prüfen einen Analysengang mit Farbreaktionen. Auch Methoden mit Infrarotmessmethoden werden diskutiert. Zur Beurteilung dieser Prüfmethoden auf Identität werden auch namhafte Organisationen wie Landesuntersuchungsämter oder die DAC/NRF-Kommission eingebunden. Auch hier ist in nächster Zeit ein „runder Tisch“ geplant.

Zusammenfassung

TCM-Granulate bedürfen sowohl im Bereich der Prüfzertifikate als auch im Bereich der Identitätsprüfungen deutlicher Verbesserungen, um ihre ordnungsgemäße Verkehrsfähigkeit in der erforderlichen Qualität in der öffentlichen Apotheke zu gewährleisten. Ein Abwandern der TCM-Granulate in andere Vertriebskanäle ist aus Gründen der Qualität und des Verbraucherschutzes zu verhindern. Es ist sehr erfreulich, dass einige Lieferanten deutliche Anstrengungen unternehmen, um den Vertrieb der TCM-Granulate in den Apotheken weiterhin zu ermöglichen. Die Arbeitsgemeinschaft wird dies in einem konstruktiven Dialog auch zukünftig unterstützen. Es wäre schön, wenn dieser Dialog 2018 erfolgreich abgeschlossen werden könnte. |

Autor

Pharmazierat Christian Bauer, Inhaber der Löwen-Apotheke, Burglengenfeld, und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD)

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